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Geschäftsbericht Entsorgung St.Gallen 2011 (1287 kb, PDF

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Kopf flatterten. Ein wunderbares Bild. Ich wünsche mir zwar<br />

nicht die Renaissance zurück, es ist schon richtig, dass heute<br />

jede WC-Türe ein Schloss hat. Aber vielleicht könnten ja Vögel<br />

durch die öffentlichen Klos fliegen, das wäre doch charmanter<br />

als die öden Zerstäuber, die einem beim Betreten des<br />

Raums eine Parfumwolke in den Nacken pusten. Und wenn es<br />

auf dem Thron mal nicht so richtig klappen will, kann man<br />

mit den Vögelchen um die Wette pfeifen.<br />

Die Hygiene-Gewohnheiten haben sich im Laufe der Jahrhunderte<br />

immer wieder verändert. Julius und seine Römer pflegten<br />

eine ausschweifende Badekultur, die sich bis in den Orient<br />

verbreitete. Türkische Bäder und Hamams zeugen davon.<br />

Aber im alten Rom badete man nicht nur, um der Schutzgöttin<br />

Hygiéia Respekt zu zollen. Badehäuser waren auch Geschäftshäuser<br />

– und Freudenhäuser. Freudenhäuser nicht gerade im<br />

heutigen Sinne eines Bordells, aber man war durchaus ungezwungen.<br />

Das ging lange gut, bis immer mehr Leute krank<br />

wurden. Die Badehäuser wurden zu Brutstätten für Syphilis<br />

und allerhand Geschlechtskrankheiten. Es setzte sich langsam<br />

die Meinung durch, Wasser sei schädlich. Welch ein Gesinnungswandel!<br />

Die Leute entdeckten das Wasser erst im 17. und 18. Jahrhundert<br />

wieder für sich. Wissenschaftler belegten, dass die<br />

regelmässige Reinigung mit Wasser Krankheiten vorbeugen<br />

könne. In Anbetracht der grassierenden Pest eine hilfreiche<br />

Erkenntnis. Aber es dauerte Generationen, bis die Menschen<br />

ihre Wasserscheu abgelegt hatten. Vorreiter der neuen Hygienewelle<br />

am Bodensee war Napoleon III., der einen Teil seiner<br />

Jugend auf Schloss Arenenberg in Salenstein verbrachte. Der<br />

blonde Prinz schwamm auf die Insel Reichenau – und ertrank<br />

dabei wider Erwarten nicht. Die Leute lebten zwar seit jeher<br />

am See und wuschen sich mittlerweile wohl auch gelegentlich<br />

darin, es wäre ihnen aber nie in den Sinn gekommen, in diesem<br />

auch zu schwimmen.<br />

Die Zeiten änderten sich. Napoleon zog aus, um Frankreich zu<br />

erobern, was ihm beim zweiten Anlauf auch gelang. Als Kaiser<br />

kehrte er Mitte des 19. Jahrhunderts an den Bodensee zurück<br />

und liess das Schloss umbauen. Wie viel Wert er dabei auf<br />

das Baden legte, erkannten Archäologen gerade erst vor zwei<br />

Jahren, als man sein Badezimmer entdeckte. Die Archäologen<br />

waren begeistert: ein europaweit einmaliger Fund. Es handelte<br />

sich bei diesem Zimmer nicht einfach um eine Waschkammer.<br />

– 20 –<br />

Nein, es war ein Wellnesstempel mit Hightech-Installationen,<br />

<strong>St</strong>uckdecke, Wandbemalungen und Sandsteinboden. In der<br />

Mitte des Badesaals war ein Tauchbad eingelassen, an dessen<br />

<strong>St</strong>irnseite ein Adler prangte. Heisswasser wurde nicht – wie<br />

damals üblich – aus Kesseln in die Wanne geschüttet, sondern<br />

floss durch ein Rohr direkt aus dem Heisswasser-Ofen der Küche<br />

in das kaiserliche Planschbecken. Kaltwasser wurde per<br />

Druckleitung direkt aus einer Quelle zugeführt.<br />

Dass man sich wäscht, wurde auch beim einfachen Volk Usus.<br />

Jeweils samstags badeten die Familien sogar. Entweder einer<br />

nach dem andern in der eigenen Wanne – oder eben in Badehäusern.<br />

Und da schliesst sich der Reigen.<br />

Waschen – stinken, stinken – waschen. Es war jeweils die<br />

Wissenschaft, die den Menschen das Wasser ausredete oder<br />

eben empfahl. Die Zeit ist reif für eine erneute Veränderung.<br />

Heutzutage waschen wir uns wieder so exzessiv wie die Römer<br />

– auch ich stehe mittlerweile eine kleine Ewigkeit unter<br />

der Dusche. Nur frönen wir weniger den gemeinschaftlichen<br />

Lüsten, als unserem persönlichen, peniblen Reinlichkeitsbedürfnis.<br />

Schmutz wird sofort abgewaschen, die Duschen<br />

und Waschmaschinen laufen auf Hochtouren. Aber wie lange<br />

noch? Kinder und andere Haustiere sind mittlerweile steril,<br />

unsere Nahrung hypoallergen – und doch werden wir immer<br />

kränker. Heute heissen die Erreger, die Veränderung in hygienischer<br />

Sicht vorantreiben, nicht mehr Syphilis und Pest, sondern<br />

Vogel- und Schweinegrippe. Wahrscheinlich beginnen<br />

wir bald damit, uns zu desinfizieren. Erste Tendenzen in diese<br />

Richtung sind ja bereits zu beobachten. Die Leute besprühen<br />

Hände und Türgriffe mit <strong>St</strong>erilium, Dismofix und Co.<br />

In ein paar Jahren stehe ich morgens – immer noch schlaftrunken<br />

– auf und steige unter die Brause. Doch da fliesst kein<br />

Wasser, sondern Desinfektionsmittel heraus. Eine Horrorvorstellung!<br />

Empört steige ich unter der Dusche hervor.<br />

Wir sollten stattdessen das Beste aus jedem Zeitalter zusammentragen<br />

und eine neue Hygiene-Generation prägen. Jeder<br />

könnte seine individuellen Reinigungsgewohnheiten entwickeln.<br />

Ich persönlich wünsche mir für die Morgentoilette die<br />

Variante mit den Vögelchen. Meines wäre gelb. Es würde mich<br />

mit seiner lieblichen <strong>St</strong>imme wecken, während es mir die<br />

Haare laust. Das sparte Wasser und ermöglichte es mir, eine<br />

halbe <strong>St</strong>unde länger zu schlafen. Wunderbar!

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