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2016-04

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Mundart von Bruno Steuber<br />

Jebroarene Duffeln<br />

on Sorreldogge<br />

Wolfgang und Lieschen<br />

Reisen in die Vergangenheit<br />

Erinnerung<br />

De Waldkabell‘<br />

Döscher Lettfe on Klüersem * stiert en Kabell‘<br />

doa lüere drejj Glöggelcher selwerhell,<br />

jedrewe va nem Wasserrad,<br />

doa hält mr‘t Mul, nix wüerd meh jeschwatt.<br />

Et löaßt sech he wandern, et es garnet witt,<br />

ech spende en Kerze, on nämme mir Zitt,<br />

loaße hinger mir Ärjer, Verdruss on Woot,<br />

on schwätze jedanklech bem lewe Gott.<br />

Gern hörn ech, wenn doahinge em Siffe<br />

Waldvöjjelcher fröhlech Choräle piffe,<br />

da wandern ech wierer, schwenke lusdich dn Hot,<br />

gleich görret e Bierche, on dr Wert kocht och god.<br />

* Neuenkleusheim<br />

Min ahle Mundharmonika<br />

Om Ollern e nr ahle Kesde<br />

fung ech loa, wat ech lang vermeßde:<br />

min Muldenge us Kingerzitt,<br />

die lejjt zerögge alt so witt.<br />

Wie klong min Schnuddehöwwel schüer<br />

em Zeltlager am Lagerfüer,<br />

wo mir bet Mädcher on bet Junge<br />

os ahle Fahrdeleerer sunge.<br />

Wit eh de Nacht ha se jeschallt,<br />

dat Leed vam Reh em gröne Wald,<br />

blaue Dragoner, kühler Wein,<br />

on Schatz, ach könnt’ ich bei Dir sein,<br />

dt Bergmanns- on dt Fuhrmannsleed,<br />

on wenn vam Mast de Fahne weht,<br />

Wildgänse zogen durch die Nacht,<br />

on döscherdörch wur veel jelacht,<br />

bes endlech morjes gäje vier,<br />

wenn langsam da verlosch dt Füer,<br />

mr eh dr Glood konn’ Geisder seh,<br />

kroff möh mr eh de Zelde ne.<br />

Am nächsde Morje noam Kaffeejenuss<br />

zouw ech dr Schnuddehöwwel rus,<br />

on blees, wat hö mir noch jefällt:<br />

Hinaus in Gottes schöne Welt.<br />

Os fählde nix zo osem Glögge,<br />

gern denke ech doadra zerögge<br />

wenn hö, bet sewwenzich bim Bier,<br />

erklingt nochemoal min Schnuddeklavier.<br />

Loa hadde ech moal werrer dt Ganze eh dr Köche. Ech hadde<br />

Nubbe ob jebroarene Duffeln bet Sorreldogge. Minner<br />

Frou sädde ech am Telefon, se söll sech zom Meddaachesse<br />

pünktlech herbiemache, et göw wat ganz wahne Köstliches....<br />

Wie de Düffelcher bet Zwöbbeln on Schenkewürfelcher eh dr<br />

Pann brutzelde, doachde ech ah min Lehrzitt 1957 bi Schleifebaum<br />

on Steinmetz eh Wierenau. Em erschde Lehrjoahr moßde<br />

mer sech erschdemoal ah de Sitten, Bräuche on de Rangordnung<br />

em Betrieb jewüern. Doazo jehorde och, dat mr abwechselnd<br />

ömmer för’n Woche dächlech bet nem Zerrel dörch dn Betrieb<br />

ging, on obschrew, wat die ällere Jeselln us dr Stadt zom Fröhstögg<br />

betbroacht ha wolle. Dat heel wahne jenau. Dä eine woll<br />

e Velveta Drejeckskäsje, dä anger e Stögge Jachtworscht, awer<br />

zweimoal för foffzich Penning – hä meinde da göawet wat meh,<br />

als einmoal för’n Mark. Einer oaß gerne Schwardemahwe, awer<br />

ech soll sä, dat wöar förn Kranke, doabet och doa verlechds e<br />

Schiewche meh russsprung. Dä ällere Mah us dr Schlosserej<br />

hadde et ömmer bet dr Loft, on woll us dr Drogerie Menthol<br />

Konsul Glömbcher ha, on dr Emil vam Fräswerk oaß bal jeden<br />

Daach en Sorreldogge bet nem Bröurtche.<br />

Jedenfalls moßde ömmer korrekt afjerecht wern; denn<br />

Fählbeträj moßd mr us dr äjene Däsche ersetze, on dat doa<br />

weh. Usser nem Nourtgrosche hadde mr ze der Zitt jo noch kä<br />

Däschegeld, weil mr sogar die paar Mark Lehrgeld, ech mein’<br />

et wörne so öm de 75, - DM em erschde Lehrjoahr jewäst,<br />

deheim afgä’ moßde.<br />

Ungerdeß woarne de Duffeln god. Die schüerne brune Sorreldogge<br />

krej zur Verzierung on wäje de Vidamine e Strüßtche<br />

Pierdersilie drobjeströjjt - on da gore Abbedid.<br />

Öwerijens: noa öwer 40 Joahr bestaat em Sejerland denkt<br />

min Frou alt lang nemmeh, dat en Sorreldogge wat ohastängijes<br />

wör.......<br />

Kaffeezitt<br />

Vier Uhr esset, Kaffeezit,<br />

„ Mah, komm rob, et es sowitt“<br />

röft min Frou. Et rücht alt god,<br />

se häd en Gore objeschott.<br />

Ze do göawet noch soveel Sache,<br />

doch etzend heißt et Pause mache,<br />

on bet ner Ranke Riewekooche,<br />

doa ka se Pluspunkte verbooche,<br />

bet gorer Bodder on Schelee –<br />

wat well mr meh?<br />

En Steijerung wör sinnjemäß<br />

verlechds en Porzioa Eierkäs<br />

bet Zemt on Zucker ourwedrob,<br />

da krej de Husfrou‘n Sonderlob.<br />

Kin Sejerlänger ka verderwe,<br />

dä so jestärkt ka wiererärwe.<br />

De Schubkarr scheppt allääng sech voll –<br />

Doll!!<br />

Es gibt immer wieder Ausnahmemenschen auf dieser<br />

Welt, so natürlich auch im Siegerland. Wolfgang Exner<br />

war so ein Mensch. Ganz besonders auch in Verbindung<br />

mit seinem Lieschen (der besten Ehefrau von allen, wie<br />

Ephraim Kishon an dieser Stelle sagen würde).<br />

1946 waren sie mit 20 kg Gepäck pro Person aus Schlesien<br />

ins Siegerland gekommen, und das nicht gerade freiwillig.<br />

Zusammen mit vielen Menschen aus den östlichen Provinzen<br />

„Ostpreußen“, „Westpreußen“, „Pommern“ und „Schlesien“<br />

mussten sie das Land verlassen.<br />

Lieschen war ein Backfisch und Wolfgang ein Anfang-<br />

20-Jähriger. Sie hatten ihre Heimat noch voll aufgesogen, stark<br />

verbunden mit Eltern und Großeltern, die ihre Berufe ausübten<br />

und die jungen Leute bereits als Nachfolger sahen. Umgeben<br />

von unzähligen Verwandten, wie es nach vielen Generationen<br />

Leben an einem Ort üblich ist. Auch ihre Ausbildung war abgeschlossen.<br />

So kam es, dass sie ihre Heimat mit ins Siegerland<br />

brachten, inklusive ihrer heimatlichen Sprache.<br />

Wolfgang und Lieschen hatten zunächst kaum Kontakte zur<br />

einheimischen Bevölkerung, die sich von Flüchtlingen eher<br />

distanzierte. Aber Menschen – wenn auch fremd – wollen dazugehören<br />

und nicht ausgegrenzt sein. Weil das so schwierig<br />

schien und weil zugleich das Heimweh an denen nagte, die die<br />

Heimat hatten verlassen müssten, lud Lieschen ihre Landsleute<br />

aus der alten Heimat zu diversen Veranstaltungen ein, man las<br />

dort aus humoristischen Heimatbüchern in Mundart vor, führte<br />

Volkstänze in Trachten auf und übte Sketche ein. Sie versuchte<br />

vor allem, die Sitten und Gebräuche ihrer schlesischen Heimat<br />

an die Jugend weiterzugeben. Einmal jährlich traf man sich<br />

zum großen Schlesiertreffen in der Dortmunder Westfalenhalle.<br />

Hier hoffte man immer wieder Verwandte, Nachbarn, ehemalige<br />

Kollegen und andere Bekannte wiederzusehen. Durch die<br />

Nachkriegsereignisse waren die Menschen aus Schlesien in alle<br />

Winde verstreut worden. Sie hatten ihre Wurzeln verloren.<br />

Als im Dezember 1970 Willy Brandt in Polen seinen berühmten<br />

Kniefall machte, bekam der „Eiserne Vorhang“ zunächst<br />

kleine, dann immer größer werdende Risse. Den allerersten<br />

kleinen Riss nützen Wolfgang und Lieschen, um in<br />

ihre alte Heimat zu reisen. Es waren katholische Geistliche,<br />

die mit Polen Kontakt hatten und einige Schlesier mitnehmen<br />

Historisches Gebäude an der Kurpromenade Bad Salzbrunn<br />

konnten. 24 Jahre lang hatte das Paar seine alte Heimat nicht<br />

wiedersehen können. Jetzt waren sie sehr neugierig darauf,<br />

was wohl aus ihrem Elternhaus in Tannhausen geworden war.<br />

Wie würde Bad Charlottenbrunn aussehen? Hier hatte sich ihr<br />

Leben und das ihrer Eltern und Vorfahren abgespielt.<br />

Endlich näherten sie sich dem Ziel, fuhren durch grüne Täler<br />

und erblickten in der Ferne die blauen Berge. Leicht lässt<br />

sich denken, dass beide gemeinsam anfingen den Refrain des<br />

„Riesengebirglers Heimatlied“ zu summen, dessen Text lautet:<br />

„Oh mein liebes Riesengebirge, wo die Elbe so heimlich<br />

rinnt, wo der Rübezahl mit seinen Zwergen heut` noch Sagen<br />

und Märchen spinnt. Riesengebirge, deutsches Gebirge, meine<br />

liebe Heimat du!“ Und es darf sich niemand darüber wundern,<br />

wenn beiden dabei das Wasser in die Augen trat.<br />

Von dieser Fahrt nach Siegen zurückgekehrt, beschlossen<br />

sie Busreisen in die alte Heimat zu organisieren. Diese Touren<br />

wurden zur „Stehenden Einrichtung“, Lieschen und Wolfgang<br />

zu einer „Institution“ im Siegerland – zumindest bei den<br />

Schlesiern. Die letzte Reise, die 2012 stattfand, die die beiden<br />

aber nicht mehr selbst durchführen konnten, weil sie sich zu<br />

alt für diese Strapazen fühlten, hatten sie von dem „Sejerlänner<br />

Jong“ Bernd Ohrndorf durchführen lassen.<br />

Inzwischen ist Wolfgang Exner leider verstorben. Dass seine<br />

Seele auf der Reise „nach oben“ zuvor noch einen Abstecher<br />

in Rübezahls Reich und damit ins Riesengebirge gemacht hat,<br />

davon ist ganz fest überzeugt Else von Schmidtsdorf<br />

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