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zwischen kult und kommerz. architektur als erfahrbarer raum

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ZWISCHEN KULT UND KOMMERZ | 175<br />

schiedener bereits bekannter Kulte war hier im 2. Jh. n. Chr. ein<br />

neuer Kult entstanden, der neben einer Mysterien- <strong>und</strong> Heilkomponente<br />

auch ein Orakel beinhaltete. 31 Lukian zufolge wurde es<br />

durch den Wanderprediger Alexandros von Abonuteichos <strong>und</strong> dessen<br />

Partner Kokkonas gegründet. Schon kurz nach der spektakulär<br />

inszenierten “Auffindung” einer uralten Bronzetafel im bereits<br />

etablierten Orakelheiligtum des am Bosporus gelegenen Apollon<br />

von Kalchedon, auf der die Gründung des Kultes durch den Gott<br />

Apollon vorhergesagt wurde <strong>und</strong> angefeuert durch f<strong>als</strong>che sybillinische<br />

Sprüche begann man mit dem Bau eines Tempels für den<br />

neuen Gott im direkten Zentrum der pontischen Stadt Abonuteichos.<br />

32 Diesem angeschlossen war ein kleiner, halbdunkler<br />

Kult<strong>raum</strong>, in dem Alexandros mit einer großen zahmen Schlange<br />

saß, der er einen künstlichen, menschenähnlichen Kopf aus Leinen<br />

<strong>und</strong> Pferdehaar aufgesetzt hatte. Diese Inkarnation des “neuen Asklepios”,<br />

wie der Gott Glykon auch genannt wurde, sprach zu den<br />

Ratsuchenden, die sich, wie Lukian schreibt, durch eine Tür hinein<br />

<strong>und</strong> eine andere wieder hinaus drängten. Die Enge in dem Raum<br />

war somit vermutlich beabsichtigt. Da alles „drängte <strong>und</strong> drückte”,<br />

hatte keiner genügend Zeit, den Betrug zu entdecken. Fragen wurden<br />

zudem schriftlich <strong>und</strong> versiegelt eingereicht. Eine Antwort erhielt<br />

man entweder ebenfalls in Briefform oder aber – gegen Aufpreis<br />

– von der Schlange selbst. Alexandros war ein geübter Bauchredner.<br />

Von dem Heiligtum selbst ist heute nichts mehr erhalten.<br />

Römische Architekturreste am westlichen Ufer der Flussmündung<br />

könnten einen Anhaltspunkt bieten, lassen sich jedoch nicht genauer<br />

einordnen. Inschriftliche Zeugnisse des Kultes reichen jedoch<br />

von Antiochia in Syrien bis nach Alba Iulia in Rumänien. Zudem<br />

beweisen mehrere Münzen <strong>und</strong> Statuen mit dem Abbild der menschenköpfigen<br />

Schlange aus der Zeit <strong>zwischen</strong> Antoninus Pius<br />

(138–161 n. Chr.) <strong>und</strong> Trebonianus Gallus (251–253 n. Chr.) den<br />

31 Lukian. Alex. passim. siehe hierzu allgemein: MIRON (1996)<br />

153–188; MAREK (2003). Zur Kultkombination v. a. CHANIOTIS<br />

(2002) 67–85 <strong>und</strong> CHANIOTIS (2004) 1–17.<br />

32 Lukian. Alex. 10–17. Ähnliche “Himmelsbriefe” kommen<br />

auch in den Kultlegenden anderer Kultneueinführungen dieser<br />

Zeit vor, z. B. bei Sarapis: CHANIOTIS (2004) 8.

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