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6<br />

DIE BIBLISCHE SPUR<br />

Wie beginnt<br />

ein grosses Werk?<br />

Trauen Sie der Frage «wie geht‘s Dir denn?» zu, dass<br />

sie Ihr Leben auf den Kopf stellt?<br />

Rebekka Bieri, Stiftungsrätin Gott hilft und Co-Zentrumsleiterin Casa Moscia<br />

Nehemia, ein Nachfahre verschleppter Juden<br />

aus Jerusalem, hatte vor rund 2500<br />

Jahren einen hohen Regierungsposten am<br />

persischen Königshof inne. Mit der Übernahme<br />

von Jerusalem durch die Babylonier wurden<br />

Städte und Tempelanlagen zerstört, um<br />

jeglichen Widerstand im Keim zu ersticken.<br />

Jahrzehnte später folgen die Babylonier mit<br />

einer ganz anderen Machtpolitik: Frieden<br />

und Stabilität durch staatlich finanzierten<br />

Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur<br />

zur Förderung kultureller und religiöser Eigenheiten<br />

im riesigen Vielvölkerstaat.<br />

Als jüdische Boten aus Jerusalem dem<br />

Nehemia begegnen, will er wissen, wie es<br />

mit dem subventionierten Wiederaufbau vorwärts<br />

geht. Leider verschwand schon damals<br />

das Geld in der Korruption:<br />

Ich (Nehemia) fragte sie: «Wie geht es den<br />

Juden, die aus der Verbannung heimgekehrt<br />

sind, und wie steht es um Jerusalem?» Sie<br />

berichteten: «Die Zurückgekehrten leiden<br />

bittere Not. Man beschimpft sie. Von der<br />

Stadtmauer Jerusalems sind nur noch Trümmer<br />

übrig, die Tore liegen in Schutt und<br />

Asche.» Als ich das hörte, setzte ich mich<br />

hin und weinte. Ich trauerte tagelang, fastete<br />

und betete. (Nehemia 1, 2-4)<br />

Als Hotelière begegne ich täglich der Frage<br />

«wie geht es Dir?» Diese Frage wird unterschiedlich<br />

gestellt. Ist es Ihnen auch schon<br />

so ergangen, dass Sie zu einer Antwort ansetzten<br />

und merkten, dass das Gegenüber<br />

sich innerlich schon abgewendet hat? Bin<br />

ich selber bereit, mich auf eine längere oder<br />

unbequeme Antwort einzulassen?<br />

Nehemia jedoch hört aufmerksam hin. Die<br />

Antwort der Boten löst Traurigkeit und Betroffenheit<br />

beim ihm aus. Ich kann mir nicht<br />

vornehmen, «jetzt will ich betroffen sein».<br />

Aber ich kann mich dafür öffnen, dass Betroffenheit<br />

entsteht. Etwa indem ich mich<br />

dem Anderen ganz zuwende. Die Betroffenheit<br />

Nehemias führt ihn in eine neue, lebensverändernde<br />

Aufgabe.<br />

Auch die Stiftung Gott hilft entstand aus<br />

Betroffenheit. Babette Rupflin musste die<br />

Frage: « wie geht es Dir?» gar nicht erst<br />

stellen. Die Not ist offenkundig. «In einem<br />

düsteren Hauseingang in Chur entdeckte die<br />

Heilsarmeeoffizierin Babette Rupflin eines<br />

Abends während des Ersten Weltkrieges ein<br />

kleines Mädchen und seine Mutter. Die verzweifelte<br />

Mutter wollte sich und dem Kind<br />

das Leben nehmen. Babette versuchte zu<br />

helfen, indem sie das Mädchen vorübergehend<br />

bei sich aufnahm.»<br />

Die Frage «wie geht es Dir» hat eine unglaubliche<br />

Potenz. Sie ist nicht harmlos. Jeder von uns mag<br />

überlegen, was ich eigentlich mit dieser Frage bezwecke.<br />

Bleibt die Frage ausserhalb von mir stehen<br />

oder erreicht sie mein Inneres? Bin ich offen, was mit<br />

mir geschehen wird? Welche Rolle spielt das Nachfragen<br />

in meinem Leben?<br />

Nehemia trauerte, fastete und betete darauf<br />

tagelang. Eine Vision wächst in ihm. Er<br />

möchte den Juden in Jerusalem helfen und<br />

die Mauer Jerusalems aufbauen. Ein grosses<br />

Projekt. Zu gross für ihn allein. Es folgen drei<br />

wichtige Schritte: Er betet (ein aussergewöhnliches<br />

Gebet, das lohnt, es mehrfach<br />

zu lesen), er hat eine Vision und er verbirgt<br />

seine Betroffenheit nicht.<br />

Dass der König auf seine Traurigkeit aufmerksam<br />

wird, ist ein Geschenk Gottes. Es<br />

ist allerdings an Nehemia, aufmerksam für<br />

den guten Moment mit seinen verborgenen<br />

Möglichkeiten zu sein und aufrichtig davon<br />

zu erzählen, was ihn bewegt. Ob sich daraus<br />

etwas entwickelt, hat er nicht in der Hand.<br />

Auf die Frage des Königs «Hast Du einen<br />

Plan? Kannst Du mir davon erzählen?»<br />

braucht Nehemia keine Bedenkzeit. Während<br />

des Wartens und Hörens, ob Gottes<br />

einen Impuls schenkt, hat er sich einen kompletten<br />

Businessplan für den Wiederaufbau<br />

der Jerusalemer Stadtmauer zurechtgelegt.<br />

In der Frage des Königs sieht er den Impuls<br />

Gottes und kann sofort aufzählen, was er<br />

alles benötigt. Für Nehemia war dies eine<br />

«Gott hilft»-Erfahrung.<br />

Warten können und sich dennoch vorbereiten.<br />

Beten und die eigenen Fähigkeiten einsetzen.<br />

So beginnt ein grosses Werk. Und<br />

doch: Schon im Beginn wird auch von sich<br />

formierendem Widerstand berichtet. Auch<br />

das gehört dazu. Nur weil Gott ein Werk<br />

vorbereitet hat, werden wir nicht zwingend<br />

leichtfüssig zum Ziel gleiten können.<br />

Ich wünsche auch Ihnen, dass durch ein<br />

sorgfältiges Hinhören Betroffenheit entstehen<br />

kann. Ich wünsche Ihnen den Mut zum<br />

wartenden Gebet und vorbereitenden Planen,<br />

aber auch das Gelingen, die Möglichkeiten<br />

zu erkennen, die in einem bestimmten<br />

Moment liegen. So wird Ihr Werk wachsen<br />

und blühen. Vielleicht ausgehend von der<br />

einfachen Fragen «wie geht’s Dir denn?»

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