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DIE BIBLISCHE SPUR<br />
Wie beginnt<br />
ein grosses Werk?<br />
Trauen Sie der Frage «wie geht‘s Dir denn?» zu, dass<br />
sie Ihr Leben auf den Kopf stellt?<br />
Rebekka Bieri, Stiftungsrätin Gott hilft und Co-Zentrumsleiterin Casa Moscia<br />
Nehemia, ein Nachfahre verschleppter Juden<br />
aus Jerusalem, hatte vor rund 2500<br />
Jahren einen hohen Regierungsposten am<br />
persischen Königshof inne. Mit der Übernahme<br />
von Jerusalem durch die Babylonier wurden<br />
Städte und Tempelanlagen zerstört, um<br />
jeglichen Widerstand im Keim zu ersticken.<br />
Jahrzehnte später folgen die Babylonier mit<br />
einer ganz anderen Machtpolitik: Frieden<br />
und Stabilität durch staatlich finanzierten<br />
Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur<br />
zur Förderung kultureller und religiöser Eigenheiten<br />
im riesigen Vielvölkerstaat.<br />
Als jüdische Boten aus Jerusalem dem<br />
Nehemia begegnen, will er wissen, wie es<br />
mit dem subventionierten Wiederaufbau vorwärts<br />
geht. Leider verschwand schon damals<br />
das Geld in der Korruption:<br />
Ich (Nehemia) fragte sie: «Wie geht es den<br />
Juden, die aus der Verbannung heimgekehrt<br />
sind, und wie steht es um Jerusalem?» Sie<br />
berichteten: «Die Zurückgekehrten leiden<br />
bittere Not. Man beschimpft sie. Von der<br />
Stadtmauer Jerusalems sind nur noch Trümmer<br />
übrig, die Tore liegen in Schutt und<br />
Asche.» Als ich das hörte, setzte ich mich<br />
hin und weinte. Ich trauerte tagelang, fastete<br />
und betete. (Nehemia 1, 2-4)<br />
Als Hotelière begegne ich täglich der Frage<br />
«wie geht es Dir?» Diese Frage wird unterschiedlich<br />
gestellt. Ist es Ihnen auch schon<br />
so ergangen, dass Sie zu einer Antwort ansetzten<br />
und merkten, dass das Gegenüber<br />
sich innerlich schon abgewendet hat? Bin<br />
ich selber bereit, mich auf eine längere oder<br />
unbequeme Antwort einzulassen?<br />
Nehemia jedoch hört aufmerksam hin. Die<br />
Antwort der Boten löst Traurigkeit und Betroffenheit<br />
beim ihm aus. Ich kann mir nicht<br />
vornehmen, «jetzt will ich betroffen sein».<br />
Aber ich kann mich dafür öffnen, dass Betroffenheit<br />
entsteht. Etwa indem ich mich<br />
dem Anderen ganz zuwende. Die Betroffenheit<br />
Nehemias führt ihn in eine neue, lebensverändernde<br />
Aufgabe.<br />
Auch die Stiftung Gott hilft entstand aus<br />
Betroffenheit. Babette Rupflin musste die<br />
Frage: « wie geht es Dir?» gar nicht erst<br />
stellen. Die Not ist offenkundig. «In einem<br />
düsteren Hauseingang in Chur entdeckte die<br />
Heilsarmeeoffizierin Babette Rupflin eines<br />
Abends während des Ersten Weltkrieges ein<br />
kleines Mädchen und seine Mutter. Die verzweifelte<br />
Mutter wollte sich und dem Kind<br />
das Leben nehmen. Babette versuchte zu<br />
helfen, indem sie das Mädchen vorübergehend<br />
bei sich aufnahm.»<br />
Die Frage «wie geht es Dir» hat eine unglaubliche<br />
Potenz. Sie ist nicht harmlos. Jeder von uns mag<br />
überlegen, was ich eigentlich mit dieser Frage bezwecke.<br />
Bleibt die Frage ausserhalb von mir stehen<br />
oder erreicht sie mein Inneres? Bin ich offen, was mit<br />
mir geschehen wird? Welche Rolle spielt das Nachfragen<br />
in meinem Leben?<br />
Nehemia trauerte, fastete und betete darauf<br />
tagelang. Eine Vision wächst in ihm. Er<br />
möchte den Juden in Jerusalem helfen und<br />
die Mauer Jerusalems aufbauen. Ein grosses<br />
Projekt. Zu gross für ihn allein. Es folgen drei<br />
wichtige Schritte: Er betet (ein aussergewöhnliches<br />
Gebet, das lohnt, es mehrfach<br />
zu lesen), er hat eine Vision und er verbirgt<br />
seine Betroffenheit nicht.<br />
Dass der König auf seine Traurigkeit aufmerksam<br />
wird, ist ein Geschenk Gottes. Es<br />
ist allerdings an Nehemia, aufmerksam für<br />
den guten Moment mit seinen verborgenen<br />
Möglichkeiten zu sein und aufrichtig davon<br />
zu erzählen, was ihn bewegt. Ob sich daraus<br />
etwas entwickelt, hat er nicht in der Hand.<br />
Auf die Frage des Königs «Hast Du einen<br />
Plan? Kannst Du mir davon erzählen?»<br />
braucht Nehemia keine Bedenkzeit. Während<br />
des Wartens und Hörens, ob Gottes<br />
einen Impuls schenkt, hat er sich einen kompletten<br />
Businessplan für den Wiederaufbau<br />
der Jerusalemer Stadtmauer zurechtgelegt.<br />
In der Frage des Königs sieht er den Impuls<br />
Gottes und kann sofort aufzählen, was er<br />
alles benötigt. Für Nehemia war dies eine<br />
«Gott hilft»-Erfahrung.<br />
Warten können und sich dennoch vorbereiten.<br />
Beten und die eigenen Fähigkeiten einsetzen.<br />
So beginnt ein grosses Werk. Und<br />
doch: Schon im Beginn wird auch von sich<br />
formierendem Widerstand berichtet. Auch<br />
das gehört dazu. Nur weil Gott ein Werk<br />
vorbereitet hat, werden wir nicht zwingend<br />
leichtfüssig zum Ziel gleiten können.<br />
Ich wünsche auch Ihnen, dass durch ein<br />
sorgfältiges Hinhören Betroffenheit entstehen<br />
kann. Ich wünsche Ihnen den Mut zum<br />
wartenden Gebet und vorbereitenden Planen,<br />
aber auch das Gelingen, die Möglichkeiten<br />
zu erkennen, die in einem bestimmten<br />
Moment liegen. So wird Ihr Werk wachsen<br />
und blühen. Vielleicht ausgehend von der<br />
einfachen Fragen «wie geht’s Dir denn?»