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Der Traum der kleinen Schnee-Elfe

Ein kurzes Wintermärchen

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<strong>Der</strong> <strong>Traum</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>kleinen</strong> <strong>Schnee</strong>-<strong>Elfe</strong><br />

Ein Kurzmärchen<br />

Von<br />

Maruschya Markovic<br />

2


Hoch oben im Nordland, dort, wo es viele Monde lang nur Eis und <strong>Schnee</strong> gibt, lebte einst<br />

eine kleine <strong>Schnee</strong>-<strong>Elfe</strong>. Sie war von zarte Gestalt und sehr anmutig in ihren Bewegungen.<br />

Siharida war ihr Name. Den hatten ihre Eltern ihr gegeben und sie trug ihn mit Stolz, aber auch<br />

mit Wehmut, denn schon vor langer Zeit waren ihre Mutter und ihr Vater an einem unverhofft<br />

warmen Wintertag zu lange im strahlenden Sonnenschein umher geschwirrt – und<br />

geschmolzen!<br />

Nun hatte das grazile Elflein zwar viele Freunde unter den an<strong>der</strong>en <strong>Schnee</strong>- und Eis-<strong>Elfe</strong>n<br />

wie auch unter den Tieren des Nordlandes, denn sie war freundlich und herzensgut, aber es<br />

gab Momente, in denen sie von großer Traurigkeit befallen wurde.<br />

So war es auch an dem Tag, als sie an ihren bevorstehenden 111. Geburtstag denken<br />

musste. Normalerweise wird dieser beson<strong>der</strong>e Tag nämlich bei den <strong>Schnee</strong>-<strong>Elfe</strong>n mit einem<br />

großen Fest begangen, weil damit die Jungelfen in den Kreis <strong>der</strong> Erwachsenen aufgenommen<br />

wurden. Aber wer würde für sie schon so eine aufwändige, exquisite Feier veranstalten<br />

können und wollen! Für ein Waisenmädchen!<br />

Bedrückt flog sie zu den schroffen Zacken des Ynare-Gletschers hinauf, den die an<strong>der</strong>en<br />

mieden, weil es dort einfach zu einsam und öde war. Ihr war dieser beklemmende, karge Ort<br />

jedoch heute gerade recht, denn nach Gesellschaft und Lachen war ihr überhaupt nicht<br />

zumute.<br />

So kauerte sie sich also allein auf einer blendend weißen Eiskante hin und schaute<br />

gedankenschwer in die Nacht hinaus. Vollkommen still war es um sie herum, nur ab du zu<br />

knackte das Eis und <strong>der</strong> <strong>Schnee</strong> knisterte leise. Tief versunken in ihre Grübeleien und in die<br />

liebevollen, wenngleich schmerzhaften Erinnerungen an Eltern und Kin<strong>der</strong>zeit, starrte sie ins<br />

Nichts, bis ihr die Tränen kamen. Sie wurden zu <strong>kleinen</strong> funkelnden Kristallen und fielen mit<br />

leisem „Pling“ vor ihr in den hart gefrorenen <strong>Schnee</strong>. Aber Siharida achtete nicht weiter<br />

darauf, denn mittlerweile war ihr Blick von den Nordlichtern gefangen genommen worden,<br />

die in <strong>der</strong> Ferne über <strong>der</strong> weiten weißen Landschaft durch die Dunkelheit tanzten.<br />

Sie liebte diese farbenfrohen, eleganten Lichtgeister, die es nur im Nordland gab, und wäre<br />

gerne mit ihnen geflogen. Aber in solche Höhen konnte sich ein so zartes <strong>Schnee</strong>-<br />

<strong>Elfe</strong>nmädchen wie sie sich nicht aufschwingen. Dazu waren ihre Flügel zu klein.<br />

So ließ sie sich völlig in den <strong>Traum</strong> fallen, den <strong>der</strong> Anblick des leuchtenden Reigens in ihr<br />

erweckt hatte. In den schönsten Bil<strong>der</strong>n tauchte vor ihren <strong>Traum</strong>augen ein Festsaal auf, in<br />

dem sich unzählige glanzvoll geschmückte Freunde versammelt hatten, um ihr eine<br />

stimmungsvolle, freudige und erhebende Geburtstagsfeier auszurichten. Musik und Lachen<br />

hörte sie, nahm die betörenden Düfte <strong>der</strong> verschiedenen Speisen wahr, drehte sich im Tanz,<br />

bis ihr ganz schwindelig wurde.<br />

Abrupt wachte sie auf, denn ein scharfer Eiszacken hatte sie in ihren Rücken gepiekt. Wie<br />

konnte das sein? Sie hatte sich doch hingesetzt und nicht hingelegt! Aber als sie ihre Flügel<br />

bewegen wollte, um sich zu sortieren, ging das nicht – sie lag tatsächlich mit ihrem ganzen<br />

Fe<strong>der</strong>gewicht auf ihnen!<br />

Hm, das war schon seltsam.<br />

3


Strampelnd versuchte sich Siharida aufzurichten. Als sie sich dabei zur Seite rollte, sah sie<br />

neben sich im <strong>Schnee</strong> jemand sitzen. Vor Schreck fiel sie wie<strong>der</strong> auf den Rücken. Kann nicht<br />

sein, dachte sie, ich war doch hier einsam und allein vorhin!<br />

Vorsichtig riskierte sie aus den Augenwinkeln einen weiteren Blick. Da hockte ein flirren<strong>der</strong><br />

Schemen, <strong>der</strong> fließend seine Farbe wechselte, und summte leise vor sich hin.<br />

Flugs sprang Siharida auf die Füße. Die Überraschung hatte ihr neue Kräfte verliehen. Das<br />

konnte ja gar nicht wahr sein, das war doch …, da saß doch ein …<br />

„Ja, meine Liebe“, flüsterte da eine rauchige Stimme, „ich bin ein Nordlicht! Wir haben dich<br />

entdeckt, weil es hier an diesem Ort so ganz außergewöhnlich ist, die Ausstrahlung eines<br />

Lebewesens wahrzunehmen! Und so bin ich zu dir gesandt worden, falls du Hilfe brauchst.“<br />

„Ach, bei dem Problem, das ich habe, kannst du mir nicht helfen“, schniefte das Elflein vor<br />

sich hin.<br />

„Na komm, mir, einem Lichtwesen, kannst du ruhig davon erzählen. Vielleicht erhellen wir<br />

deine innere Dunkelheit ja mit meiner Kraft. Übrigens heiße ich Chinaja, und du?“<br />

So kamen die zwei allmählich ins Gespräch, und das Nordlicht hörte dem <strong>Schnee</strong>-<br />

<strong>Elfe</strong>nmädchen aufmerksam zu, als sie schließlich leise von all ihrer Traurigkeit, den<br />

Sehnsüchten und ihrem großen <strong>Traum</strong> erzählte. Plötzlich Än<strong>der</strong>te Chinaja ihre Form, dehnte<br />

sich aus, und ließ ihre ganze Farbpracht aufleuchten: „So, und nun genug geweint und geklagt!<br />

Schließlich bist du nicht allein! Wofür hat man denn Freunde?“ Ein lebhaftes Flimmern und<br />

Flirren umkreiste das verwirrte Elflein.<br />

„Ich kann aber meine Freunde daheim nicht um ein Fest bitten! Das geht nicht, das sprengt<br />

selbst die Grenzen <strong>der</strong> Freundschaft, und wenn sie mich auch noch so sehr mögen!“,<br />

protestierte Siharida.<br />

Das Nordlicht zog sich wie<strong>der</strong> zusammen und legte sich wie eine beschützende Umarmung<br />

um die <strong>Schnee</strong>-<strong>Elfe</strong>. „Du kehrst jetzt vorsichtig heim, konzentrierst dich auf deinen Rückweg,<br />

und freust dich dann einfach auf deinen Geburtstag. Alles an<strong>der</strong>e lass mal meine Sache sein!<br />

Es sind ja auch noch ein paar Polarnächte hin bis zu deinem großen Tag …“<br />

Mit diesen Worten drehte sich Chinaja wie eine schimmernde Spirale in den schwarzen<br />

Himmel hoch, weitete sich aus, bis sie zu einem zarten Farbschleier wurde und schwebte von<br />

<strong>der</strong> Klippe davon in die Weiten <strong>der</strong> Winternacht.<br />

Das <strong>Schnee</strong>-Elflein verharrte noch eine Weile auf den Zacken des Eises, um das Erlebte zu<br />

verarbeiten. Eine denkwürdige Begegnung, die sie nie für möglich gehalten hätte! Wie ein<br />

<strong>Schnee</strong>sturm wirbelten ihre Gedanken im Kopf herum. Wie hatte das Nordlicht seine letzten<br />

Sätze gemeint? Aber sie konnte keine Klarheit finden! Endlich beruhigte sich <strong>der</strong><br />

Gedankenblizzard und sie richtete sich seufzend auf, zuckte ratlos mit den Schultern, spannte<br />

die funkelnden Flügelchen aus und hob von ihrem Aussichtspunkt ab Richtung Heimat.<br />

Die folgenden Tage dehnten sich schier endlos. So sehr sich die Jungelfe auch mit ihren<br />

alltäglichen Aufgaben beschäftigt fand, so oft schwenkten doch ihre Gedanken immer wie<strong>der</strong><br />

4


ab zu dem nächtlichen Erlebnis. Trotzdem versuchte Siharida, dem Rat des Nordlichts Folge<br />

zu leisten und jede Sorge wegen ihres Geburtstages beiseite zu schieben.<br />

Dann war es soweit.<br />

Als Siharida erwachte, war es noch stockfinster, denn im Nordland zieht die Sonne im<br />

Winter erst sehr spät hoch, um dann, meistens ziemlich kraftlos, <strong>der</strong> Dunkelheit die Herrschaft<br />

streitig zu machen. Aber als das <strong>Elfe</strong>nmädchen aus ihrer Felsengrotte voller mühsam<br />

unterdrückter Anspannung nach draußen schwebte, begrüßte sie ein Nachtleuchten, das<br />

aussah wie ein lebendiges Gemälde. <strong>Der</strong> obsidianschwarze Himmel war mit Millionen von<br />

Sternen bestückt, die um die Wette zu funkeln schienen, als wollten sie dem Geburtstagskind<br />

eine beson<strong>der</strong>e Freude machen.<br />

Entzückt schlug Siharida mit ihren Flügeln, tanzte geradezu in <strong>der</strong> Luft im Kreis, um ja in alle<br />

Richtungen zu schauen, damit ihr nichts von diesem grandiosen Schauspiel entginge.<br />

Vergessen waren alle Bedenken, aller Trübsinn! Wenn <strong>der</strong> Tag so wun<strong>der</strong>bar begann, mochte<br />

es getrost so weitergehen, dachte sie. Eine fe<strong>der</strong>leichte, silberne Freude begann in ihrem<br />

Herzen aufzustieben wie <strong>Schnee</strong>flocken.<br />

Nach einer Weile strömten ihre Freunde zum Gratulieren herbei. Die mächtigen<br />

<strong>Schnee</strong>eulen verdeckten mit ihren Schwingen den Blick auf das glitzernde Firmament. Ein<br />

nicht enden wollen<strong>der</strong> Schwarm von Eis-Feen und <strong>Schnee</strong>-<strong>Elfe</strong>n erfüllte die Luft mit Schwirren<br />

und Flattern. Zwei riesige Polarbären trotteten gemächlich durch den Tiefschnee heran und<br />

trugen durchsichtige Eisblumensträuße als Geschenk. Von fern heulte ein Rudel Arktikwölfe<br />

Siharida ihren Glückwunsch zu. Sogar ein paar Weihnachtswichtel hatten sich auf die Rücken<br />

von Rentieren geschwungen, um von weit her zur Geburtstagsfeier kommen zu können. Die<br />

steingrauen Gebirgszwerge schienen extra ihre Hemden und Hosen gesäubert und gebügelt<br />

zu haben, denn diese hatten so scharfe Kanten und Falten wie Felsbrocken und schimmerten<br />

ganz hell. Zwischen all dem Volk hoppelten vergnügte <strong>Schnee</strong>hasen herum, und Eisfüchse mit<br />

dichtem weißem Fell rannten ihnen hinterher, um verspielt nach ihnen zu schnappen, denn<br />

heute war Frieden zwischen allen angesagt.<br />

Siharida konnte es gar nicht fassen, dass so viele Freunde extra lange Wege auf sich<br />

genommen hatten, nur um ihr zu gratulieren! Und was für wun<strong>der</strong>schöne Geschenke sie<br />

bekam! Fein gesponnene Umhänge aus Feenhaar, eiskristallbestickte Decken zum Schlafen,<br />

aus Sternenlicht gewirkte Kränze fürs Haar, geschliffene Gefäße aus reinstem<br />

Nordlandmarmor und noch vieles an<strong>der</strong>e.<br />

Bald war die ganze Ebene des <strong>Schnee</strong>-<strong>Elfe</strong>nvolkes von Geplapper, Gelächter, Gesängen und<br />

Jubelrufen erfüllt und wie eine Lawine schob sich ein Hüpfen, Drehen und Tanzen voran, das<br />

alle erfasste und mitriss.<br />

Das <strong>Elfe</strong>nmädchen wurde umarmt, geküsst, bejubelt und beglückwünscht, so dass die Zeit<br />

wie im Fluge verging. Die Freunde hatten hinter einer vereisten Felsennase heimlich eine<br />

Gletscherbar aus poliertem Eis aufgebaut, an <strong>der</strong> es Eiswein, Raureiflikör, Winterbier,<br />

<strong>Schnee</strong>torte und Frostfrikadellen gab, dazu in gewürztem Eiswasser mariniertes Seegras von<br />

<strong>der</strong> Küste des Nordmeeres und Salate aus köstlichen Polarbeeren und bitterscharf<br />

zubereiteten Moosen. Kurz, es war für alles gesorgt!<br />

5


Die Sonne hatte ein kurzes Gastspiel gegeben, ihr schönstes Gewand angezogen und statt<br />

<strong>der</strong> sonst üblichen bleichen Winterstrahlen extra zum Fest ein kraftvolles gelbes Licht auf die<br />

Festgesellschaft herab geschickt. Dann verabschiedete sie sich wie<strong>der</strong> und machte <strong>der</strong><br />

samtigen Dunkelheit Platz.<br />

Schon meinte Siharida, dieser wun<strong>der</strong>volle Tag könnte nun wahrlich keine Steigerung mehr<br />

erfahren, als plötzlich alle zum Himmel aufschauten.<br />

Von den fernen Eisbergen des Ynare-Gletschers bis hin zu den Gipfeln des Ralaith-Gebirges<br />

war ein märchenhaftes Lichterschauspiel zu sehen: die Nordlichter hatten sich versammelt<br />

und wogten in allen Farben des Regenbogens durch die Schwärze <strong>der</strong> Polarnacht. Nach einer<br />

kunstvollen Choreographie vollführten sie ein unbeschreiblich schönes Ballett zu Ehren des<br />

Geburtstagskindes, das sprachlos vor Bewun<strong>der</strong>ung alles an<strong>der</strong>e um sich herum vergessen<br />

hatte.<br />

Als <strong>der</strong> Lichtertanz zu Ende war, erhob sich ein ehrfürchtiges Raunen, das schließlich von<br />

tosendem Beifall abgelöst wurde, solange, bis <strong>der</strong> Himmel wie<strong>der</strong> dunkel war.<br />

Nur ein kleiner bunter Lichtschweif sauste noch durch den Himmel, kam immer näher, bis<br />

er Siharida erreichte und kreiselnd um sie herum schwebte.<br />

„Chinaja, du bist gekommen, hierher zu mir, anstatt mit den an<strong>der</strong>en wie<strong>der</strong> zurück zu<br />

fliegen! Ich danke dir!“, strahlte das <strong>Schnee</strong>-<strong>Elfe</strong>nmädchen.<br />

„Na, selbstverständlich, ich habe dir doch neulich etwas versprochen. Komm, ich habe eine<br />

kleine Geburtstagsüberraschung für dich“, schmunzelte das Nordlicht und zog Siharida in sich<br />

fortbewegenden Wirbeln mit sich.<br />

Neugierig setzten sich auch ihre Freunde in Bewegung und folgten den beiden. Vor einem<br />

gefrorenen Wasserfall, <strong>der</strong> eine breite Felswand bedeckte, hielt das Nordlicht an, ließ Siharida<br />

los und schwirrte, einem magischen Rhythmus folgend, an den Eismassen auf und ab, bis sich<br />

ein Spalt auftat.<br />

„Komm, folge mir, wir müssen hier hindurch“, for<strong>der</strong>te das Nordlicht seine Freundin auf.<br />

Atemlos flatterte Siharida dem farbigen Schimmern hinterher – und meinte im nächsten<br />

Augenblick zu träumen!<br />

Eine riesige Eisgrotte lag vor ihr, neben <strong>der</strong> je<strong>der</strong> Festsaal erbärmlich und armselig<br />

ausgesehen hätte. Die Wände waren gletschergrün und schienen von innen zu leuchten.<br />

Überall waren ausgefallene und geschmackvolle Ornamente eingraviert, die mit zartem,<br />

mattweißem Raureif besetzt waren und sich herrlich vom Hintergrund abhoben.<br />

Torbögen und Säulen aus ziseliertem Eis unterbrachen das Rund <strong>der</strong> Wände, geschliffene<br />

Eis-Kronleuchter mit Sternenlichtfeuer hingen von <strong>der</strong> Decke, zwischen denen riesengroße<br />

<strong>Schnee</strong>kristalle in <strong>der</strong> Luft schwebten und hun<strong>der</strong>tfach das Licht wi<strong>der</strong>spiegelten. Im Boden<br />

an den Seiten steckten polierte dunkelblaue Fackeln aus reinstem Tiefsee-Eis, in denen<br />

winzige Nordlichter mit ihrem bunten Schein die grünlichen Wände zum Funkeln brachten.<br />

Ranken aus raureifglitzernden Pflanzen waren zwischen den Säulen gezogen und wanden sich<br />

von oben spielerisch an ihnen herab bis zum Parkett, das aus gepresstem tiefschwarzem<br />

6


Vulkanschnee und leuchtend weiß changierenden Gischteisplatten bestand. Alles zusammen<br />

war ein einzigartiges atemberaubendes Kunstwerk.<br />

Siharida wusste nicht, was sie sagen sollte! Überwältigt hatte sie beide Hände vor den Mund<br />

gelegt und sah Chinaja nur fragend an, die verlegen ein wenig herumwaberte und sich dann<br />

anschickte, sich wie ein Diadem auf das Haar ihrer Freundin zu setzen. Dabei raunte sie ihr ins<br />

Ohr: „Das ist dein Ballsaal! Herzlichen Glückwunsch zu deinem 111. Geburtstag, meine liebe<br />

Freundin! Und nun kannst du den Ball anlässlich deines großen Tages eröffnen, für Musik ist<br />

auch gesorgt!“<br />

„Danke, meine liebe Lichtfreundin, ich kann dir nur aus tiefstem Herzen danken! Aber wie<br />

…, womit hast du das alles bewerkstelligt? Das ist doch wahnsinnig teuer! All die Künstler, die<br />

wollen doch entlohnt werden …“, stammelte das Elflein bewegt.<br />

„Ach, zum kalbenden Gletscher! Bist du neugierig!“, maulte das Nordlicht. „ Das kann dir<br />

eigentlich völlig egal sein, ich habe dir doch gesagt, wozu hat man Freunde! Aber wenn es dich<br />

beruhigt und du dich endlich entspannen kannst: Ich habe deine Tränen aufgesammelt, die<br />

wie Kristalle zu deinen Füßen auf <strong>der</strong> Klippe in jener Nacht lagen. Das waren halt nicht nur<br />

einfach Kristalle – es waren Diamanten! Und so stellte alles Weitere gar kein Problem dar! So,<br />

und wenn du jetzt nicht endlich dein Fest genießt und dich deinen Gästen widmest, dann<br />

verschwinde ich auf Nimmerwie<strong>der</strong>sehen …“<br />

Aber bevor Chinaja ihre Drohung wahr machen konnte, sandte das <strong>Elfe</strong>nmädchen einen<br />

Strahl tiefster Herzenswärme und Dankbarkeit zu ihrer Freundin empor, dessen rubinrote<br />

Farbe sich mit dem hellen Strahlen des Nordlichts zu einem wun<strong>der</strong>vollen Glanz vereinte.<br />

Dann drehte sie sich um und lauschte glücklich <strong>der</strong> soeben einsetzenden Musik. Dann lud sie<br />

mit herzlichen Worten ihre Freunde zum Tanz ein, schnappte sich den gutaussehenden<br />

Eisfeenjungen, auf den sie schon lange ein heimliches Auge geworfen hatte und wirbelte mit<br />

ihm ausgelassen übers Parkett.<br />

Zu den Klängen von Glasharfen, Geigen aus vereistem Holz, kristallenen Flöten und<br />

Tamburinen, die mit silberhellen Morgenfrostglöcken besetzt waren, Vulkangestein-<br />

Xylophonen und dunkel dröhnenden Nachtsturmpauken drehte sich schon bald die ganze<br />

fröhliche Gesellschaft im Tanze.<br />

Und als <strong>der</strong> Eisfeenjunge Siharida dann an sich zog und einen tiefen Blick aus seinen<br />

eisblauen Augen in die ihren versenkte, versank die Welt für sie in einem einzigen<br />

Glücksflimmern!<br />

Mit einem leisen, seligen Seufzer dachte sie:<br />

„So wun<strong>der</strong>bar konnte nicht einmal mein allerschönster <strong>Traum</strong> sein …“<br />

7


© Dezember 2016 Maruschya Markovic<br />

Coverelemente: www.pixabay.com<br />

Covergestaltung: Maruschya Markovic<br />

www.maruschyamarkov.jimdo.com<br />

https://www.facebook.com/Maruschya.Markovic.Autorin/<br />

https://www.amazon.de/Maruschya-<br />

Markovic/e/B00JIM6ILQ/ref=sr_ntt_srch_lnk_1?qid=1480973497&sr=8-1<br />

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