Der Traum der kleinen Schnee-Elfe
Ein kurzes Wintermärchen
Ein kurzes Wintermärchen
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Die Sonne hatte ein kurzes Gastspiel gegeben, ihr schönstes Gewand angezogen und statt<br />
<strong>der</strong> sonst üblichen bleichen Winterstrahlen extra zum Fest ein kraftvolles gelbes Licht auf die<br />
Festgesellschaft herab geschickt. Dann verabschiedete sie sich wie<strong>der</strong> und machte <strong>der</strong><br />
samtigen Dunkelheit Platz.<br />
Schon meinte Siharida, dieser wun<strong>der</strong>volle Tag könnte nun wahrlich keine Steigerung mehr<br />
erfahren, als plötzlich alle zum Himmel aufschauten.<br />
Von den fernen Eisbergen des Ynare-Gletschers bis hin zu den Gipfeln des Ralaith-Gebirges<br />
war ein märchenhaftes Lichterschauspiel zu sehen: die Nordlichter hatten sich versammelt<br />
und wogten in allen Farben des Regenbogens durch die Schwärze <strong>der</strong> Polarnacht. Nach einer<br />
kunstvollen Choreographie vollführten sie ein unbeschreiblich schönes Ballett zu Ehren des<br />
Geburtstagskindes, das sprachlos vor Bewun<strong>der</strong>ung alles an<strong>der</strong>e um sich herum vergessen<br />
hatte.<br />
Als <strong>der</strong> Lichtertanz zu Ende war, erhob sich ein ehrfürchtiges Raunen, das schließlich von<br />
tosendem Beifall abgelöst wurde, solange, bis <strong>der</strong> Himmel wie<strong>der</strong> dunkel war.<br />
Nur ein kleiner bunter Lichtschweif sauste noch durch den Himmel, kam immer näher, bis<br />
er Siharida erreichte und kreiselnd um sie herum schwebte.<br />
„Chinaja, du bist gekommen, hierher zu mir, anstatt mit den an<strong>der</strong>en wie<strong>der</strong> zurück zu<br />
fliegen! Ich danke dir!“, strahlte das <strong>Schnee</strong>-<strong>Elfe</strong>nmädchen.<br />
„Na, selbstverständlich, ich habe dir doch neulich etwas versprochen. Komm, ich habe eine<br />
kleine Geburtstagsüberraschung für dich“, schmunzelte das Nordlicht und zog Siharida in sich<br />
fortbewegenden Wirbeln mit sich.<br />
Neugierig setzten sich auch ihre Freunde in Bewegung und folgten den beiden. Vor einem<br />
gefrorenen Wasserfall, <strong>der</strong> eine breite Felswand bedeckte, hielt das Nordlicht an, ließ Siharida<br />
los und schwirrte, einem magischen Rhythmus folgend, an den Eismassen auf und ab, bis sich<br />
ein Spalt auftat.<br />
„Komm, folge mir, wir müssen hier hindurch“, for<strong>der</strong>te das Nordlicht seine Freundin auf.<br />
Atemlos flatterte Siharida dem farbigen Schimmern hinterher – und meinte im nächsten<br />
Augenblick zu träumen!<br />
Eine riesige Eisgrotte lag vor ihr, neben <strong>der</strong> je<strong>der</strong> Festsaal erbärmlich und armselig<br />
ausgesehen hätte. Die Wände waren gletschergrün und schienen von innen zu leuchten.<br />
Überall waren ausgefallene und geschmackvolle Ornamente eingraviert, die mit zartem,<br />
mattweißem Raureif besetzt waren und sich herrlich vom Hintergrund abhoben.<br />
Torbögen und Säulen aus ziseliertem Eis unterbrachen das Rund <strong>der</strong> Wände, geschliffene<br />
Eis-Kronleuchter mit Sternenlichtfeuer hingen von <strong>der</strong> Decke, zwischen denen riesengroße<br />
<strong>Schnee</strong>kristalle in <strong>der</strong> Luft schwebten und hun<strong>der</strong>tfach das Licht wi<strong>der</strong>spiegelten. Im Boden<br />
an den Seiten steckten polierte dunkelblaue Fackeln aus reinstem Tiefsee-Eis, in denen<br />
winzige Nordlichter mit ihrem bunten Schein die grünlichen Wände zum Funkeln brachten.<br />
Ranken aus raureifglitzernden Pflanzen waren zwischen den Säulen gezogen und wanden sich<br />
von oben spielerisch an ihnen herab bis zum Parkett, das aus gepresstem tiefschwarzem<br />
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