2016-12 Pfarrblatt Freiburg
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zäme stah – vorwärts gah<br />
Missionarische Gemeinschaft mit Christus im Zentrum<br />
Fühlen Sie sich als Missionar / Missionarin?<br />
Die wenigsten Christen, die<br />
ich kenne, würden auf Anhieb mit<br />
„ja“ antworten. Viele sind es trotzdem:<br />
bei den Kindern oder Enkelkindern,<br />
im Freundeskreis nach zwei<br />
Gläsern Wein am späteren Abend.<br />
Oder bei der Weihnachtsfeier unter<br />
den Kollegen. Sobald jemand nach<br />
Gott, nach Jesus, nach der Kirche<br />
fragt und nicht mit einer Floskel<br />
abgespeist wird, ist er einem Missionar/einer<br />
Missionarin begegnet.<br />
Wohlüberlegte, authentische Antworten<br />
auf Glaubensfragen eröffnen<br />
Erkenntnisse, stimmen nachdenklich<br />
und machen neugierig auf<br />
mehr. Ebenso missionarisch wirkt<br />
eine Gemeinschaft von Menschen,<br />
die in lebendiger Weise Gottesdienst<br />
feiern, die füreinander da sind, für<br />
einander beten, sich für andere engagieren.<br />
Die diözesane Fortbildung, an der<br />
unser Seelsorgeteam anfangs Oktober<br />
teilgenommen hat, war diesem<br />
Thema gewidmet: „An die Ränder<br />
gesandt – mission impossible”. Ausgehend<br />
vom apostolischen Schreiben<br />
„Evangelii Gaudium” von Papst<br />
Franziskus wurden wir herausgefordert<br />
über unsere Arbeit in den Pfarreien<br />
nachzudenken. Daraus möchte<br />
ich hier einige wenige „Rosinen“<br />
herauspicken und mit Ihnen teilen:<br />
„Christus im Zentrum, nicht kirchliche<br />
Strukturen.“ „Jesus Christus ist<br />
die Seele der Kirche.“ „Eine selbstbezogene<br />
Kirche kann keine hilfreichen<br />
Antworten geben.“ Diese<br />
Gedanken fordern heraus zum permanenten<br />
selbstkritischen Blick auf<br />
unsere persönliche Einstellung und<br />
Spiritualität, auf unsere Motive und<br />
Zielsetzungen, auf unsere Strukturen<br />
und pastoralen Schwerpunkte.<br />
Wenn Christus das Zentrum ist,<br />
was ist dann mit den „Rändern“ gemeint?<br />
Neben armutsbetroffenen,<br />
im Elend lebenden Menschen oder<br />
Flüchtlingen, meint Peripherie auch<br />
eine selbstbezogene Kirche, die sich<br />
auf das alltägliche Funktionieren zurückzieht<br />
und sich damit vom Geist<br />
Jesu entfernt. Auch Kinder aus der<br />
Mitte der Gesellschaft, der nicht<br />
mehr wissen, wie man ein Kreuz-<br />
zeichen macht, sind ein Zeichen für<br />
eine Gesellschaft ohne Gott und<br />
damit vom christlichen Standpunkt<br />
her ebenfalls „Peripherie“. Dort liegt<br />
unser Auftrag, unsere Mission. Aufmerksam<br />
sein für materielle und spirituelle<br />
Armut ist der erste Schritt in<br />
Richtung Peripherie. In diesem Zusammenhang<br />
hat mir die Aussage<br />
gefallen, dass Gottes Perfektion in<br />
der menschlichen Schwäche wirkt.<br />
Das kann ich aus eigener Erfahrung<br />
bestätigen: Wo meine Fähigkeiten<br />
und Kräfte nicht ausreichen, muss<br />
ich Gott meine leeren Hände hinhalten<br />
und kann immer wieder erfahren,<br />
dass er sie füllt.<br />
Eine Aussage hat mich auch zum<br />
Nachdenken gebracht. Eine Referentin<br />
berichtete von einem Bekannten,<br />
der voller Begeisterung<br />
von der Fussball-Europameisterschaft<br />
erzählt hat. Den schönsten<br />
Moment seines Lebens habe er im<br />
Fussballstadion erlebt. Die Referentin<br />
stellte (sich) die Frage, warum<br />
wir diese Freude scheinbar nicht in<br />
den Kirchen erreichen. Oder das in<br />
England verbreitete Phänomen der<br />
„Sunday Assemblies“, wo man sich<br />
sonntags trifft, miteinander singt,<br />
Vorträge hört und sich gegenseitig<br />
Hilfe anbietet – nach dem Motto „Wir<br />
sind auch gut ohne Gott“. Wie kann<br />
sich Kirche, wie können sich unsere<br />
Pfarreigemeinschaften solchen Phänomenen<br />
stellen? Klar ist, dass wir<br />
mit den Angeboten der Unterhaltungsindustrie<br />
nicht mithalten können.<br />
Und das ist auch gut so. Auch<br />
als Wellnessgruppe oder Dienstleister<br />
taugen wir nicht wirklich. Was<br />
uns von säkularisierten Menschen<br />
unterscheidet, ist die Erfahrung von<br />
„Transzendenz“. In unserem Alltag,<br />
in unserem Gebet, im Dienst am<br />
Nächsten, in unseren Gottesdiensten<br />
erfahren, kommunizieren und<br />
feiern wir, dass wir von einer Liebe<br />
getragen sind, die nicht von dieser<br />
Welt ist. Das ist unsere Stärke und<br />
gleichzeitig unsere Botschaft.<br />
Die Herausforderung an uns als Kirche<br />
besteht darin, auf die spirituellen<br />
Leiden unserer Zeit zu antworten:<br />
Die Abwesenheit von Transzendenz<br />
und Hoffnung über den Tod hinaus.<br />
Auf die Abwesenheit von tragender<br />
Gemeinschaft.<br />
Auf die Abwesenheit von Tiefe und Lebenssinn.<br />
Was kann die Antwort sein auf diese<br />
Leerstellen? Erst einmal nicht eine<br />
Eventkultur, sondern eine Kultur des<br />
Zuhörens. Zeit für einander haben,<br />
Beziehungen und Weggemeinschaften<br />
pflegen. „Kohärenz“ lautete ein<br />
wichtiges Stichwort, das so erklärt<br />
wurde: Wer das Christentum kennen<br />
lernen will, sollte in einer christlichen<br />
Gemeinschaft die Karwoche<br />
und die Ostertage miterleben. Ist<br />
das, was da gefeiert wird, stimmig?<br />
Vermittelt es mystische Erfahrung<br />
im Einklang mit dem Geist der Gnade<br />
und Vergebung? Vermittelt das,<br />
was da gefeiert wird, Hoffnung über<br />
den Tod hinaus? Passt es dazu, wie<br />
die Menschen miteinander umgehen?<br />
Mein Fazit aus diesen Tagen in Genf<br />
lautet:<br />
Mit Jesus als Zentrum<br />
in Wort und Tat<br />
über uns selbst hinausgehen<br />
mit einer Freuden-Botschaft,<br />
die neue Hoffnung und neues Leben<br />
vermittelt.<br />
Dazu brauchen wir: Orte und Weggemeinschaften,<br />
in denen wir unseren<br />
Glauben miteinander teilen und<br />
nähren, inspirierende Gottesdienste<br />
als sonntägliche Kraftquelle für die<br />
Woche und ein bisschen Mut, damit<br />
wir Rede und Antwort stehen<br />
können, wenn uns jemand nach der<br />
Hoffnung fragt, die uns erfüllt.<br />
Florian Joos<br />
Dezember <strong>2016</strong> | Kath. Pfarreiseelsorge <strong>Freiburg</strong> Stadt und Umgebung 13<br />
Foto: C. Mönkehues