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ERF Antenne 0102|2017 Weniger ist Fair

Das Magazin von ERF – Der Sinnsender

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Das<br />

Gurk<br />

Unser Auto <strong>ist</strong> gerade in der Werkstatt. Im Rahmen<br />

der Rückrufaktion eines großen deutschen Autobauers<br />

lassen wir unsere Abgas-Software entkriminalisieren.<br />

Eigentlich haben wir uns das Modell ja<br />

wegen des besonders sparsamen Motors ausgesucht.<br />

Ich muss weit zur Arbeit pendeln, was nicht nur viel<br />

Sprit kostet, sondern auch eine Menge Abgas<br />

in die Gegend bläst. Nun hat uns der Hersteller<br />

leider eine weitaus schlimmere<br />

Dreckschleuder angedreht als er uns<br />

ursprünglich weisgemacht hat. Wie<br />

viele tausend andere Kunden wurden<br />

wir betrogen und tragen damit zu einer<br />

größeren Umweltverschmutzung bei als<br />

wir beabsichtigt haben.<br />

Das bege<strong>ist</strong>ert uns nicht. Und da unser<br />

Kleinwagen nach Anschaffung des zweiten<br />

Kindes und der entsprechenden Sitzvorrichtung<br />

leider nicht mehr ausreichend Platz für<br />

die Beine meines Mannes bietet, die zurzeit<br />

ziehharmonikaartig unters Lenkrad gefaltet werden,<br />

müssen wir uns demnächst nach einem neuen<br />

fahrbaren Untersatz umsehen. Kein Diesel mehr - und<br />

erst recht kein … Ach, jetzt hätte ich fast die Marke<br />

verraten! Vielleicht sollten wir ein Lastenfahrrad kaufen<br />

und die Kinder vorne in die Wanne setzen. Ich<br />

habe neulich in einer Zeitschrift einen Artikel über<br />

eine Familie gelesen, die kein Auto, aber eben ein solches<br />

Fahrrad besitzt und damit total entspannt durchs<br />

urbane Leben radelt. Sieht ja immerhin ganz hipster<br />

aus, nur graut mir dann vor den 70 Kilometern von<br />

meiner Haustür zu meiner Arbeitsstelle plus Schwenk<br />

zum Kindergarten. Aber den Automobil-Herstellern<br />

kann man ja grundsätzlich nicht trauen, denke ich.<br />

Da schummelt bestimmt der eine wie der andere. Ja,<br />

ein Lastenfahrrad wäre doch toll. Fürs Gewissen, für<br />

die Figur und überhaupt.<br />

Ich finde, das bildet das Dilemma ganz gut ab:<br />

Man möchte ja gerne nachhaltig handeln, stößt aber<br />

an Grenzen, weil auch die Ehrlichkeit von Erzeugern<br />

und Herstellern an Grenzen stößt. Vielleicht haben wir<br />

ja auch schon falsch deklarierte Bio-Eier gekauft, die<br />

in Wahrheit von herkömmlichen Hennen stammten.<br />

Wir könnten natürlich statt Supermarkt-Ware auch die<br />

Eier vom ortsansässigen Bio-Bauernhof kaufen, wo die<br />

Hühner wissen, wie sich Sonnenschein anfühlt. Allerdings<br />

müsste ich dann wieder meine Dreckschleuder<br />

bemühen, um dorthin zu kommen, denn mit Kinderwagen<br />

und Laufrad <strong>ist</strong> der Weg zu weit. Und nur für<br />

ein paar Eier? Wieder so ein Dilemma.<br />

10<br />

ANTENNE 0102|17

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