15.12.2016 Aufrufe

Magazin GARCON - Essen, Trinken, Lebensart Nr. 41

Berliner Gastgeberin des Jahres, erste Sardinenbar, Neue Restaurants, Sawade Schokolade, Wüsthof, Rational, Hofpfisterei, Frischdienst Berlin, Popcorn, Toller Hecht, Hechtgerichte, Terra Madre 2016

Berliner Gastgeberin des Jahres, erste Sardinenbar, Neue Restaurants, Sawade Schokolade, Wüsthof, Rational, Hofpfisterei, Frischdienst Berlin, Popcorn, Toller Hecht, Hechtgerichte, Terra Madre 2016

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AUSGABE NR. <strong>41</strong> | 2016 | 6 €<br />

ESSEN, TRINKEN & LEBENSART<br />

E.T.A. HOFFMANN | LE BON MORI | ALTE ÜBERFAHRT | SAWADE | EINE PRISE HEIMAT


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MISE EN PLACE<br />

Liebe Freunde,<br />

ein paar Gerüchtchen über die Zukunft des Sternerestaurants Les Solistes by Pierre<br />

Gagnaire im Waldorf Astoria köchelten im Oktober 2016, nachdem Roel Lintermans seine<br />

Entscheidung kundgetan hatte, das noble Haus zu verlassen. Die legten sich jedoch<br />

wieder, Sous Chef Thomas Leitner übernahm, der Gault Millau bestätigte die 17 Punkte<br />

des Vorjahres und auch der Michelinstern stand nicht zur Disposition. Dann – wie<br />

ein Paukenschlag – die Nachricht: Das Les Solistes schließt zum Jahresende. Pierre<br />

Gagnaire, einer der geschäftstüchtigsten französischen Küchenchefs im Ausland, hat<br />

keinen Bock mehr auf Berlin. Was auch immer folgt, steht noch in den Sternen, wenn<br />

denn was folgt.<br />

Der Trend des Niedergangs von Luxusrestaurants in Berlins Nobelherbergen setzt<br />

sich also fort: Louis im Steigenberger, Vitrum im Ritz-Carlton, Vivo im Esplanade, ver-<br />

Das Restaurant Skykitchen im andel's Hotel.<br />

gangen, vergessen, vorüber. Ein bisschen im Gedächtnis ist lediglich noch das first<br />

floor. Hier wollen die Manager, wenn das Lokal nach dem Totalumbau irgendwann 2017<br />

wieder öffnen wird, die Casual-Karte spielen. Das dürfte wohl auch die einzig richtige<br />

Entscheidung sein. Oldschool ist „out“ in Berlin. Was „in“ ist? Versuchen Sie, im<br />

cool-großstädtischen Sternerestaurant Skykitchen des andel`s Hotels einen Platz zu<br />

ergattern, dann wissen Sie es.<br />

Ihre Yvonne Weinlich<br />

info@bildart-verlag.de<br />

GARÇON<br />

3


INHALT<br />

MISE EN PLACE<br />

TITEL<br />

Viktoria Kniely<br />

Berliner Gastgeberin 2016<br />

Sardinen.Bar:<br />

32 Delikatessen aus Dosen.<br />

Viktoria Kniely:<br />

06 Berliner Gastgeberin 2016.<br />

LOKALTERMIN<br />

e.t.a. hoffmann 24<br />

13 Jahre Cuisine classique<br />

Sardinen.Bar 32<br />

Delikatessen aus Dosen<br />

Le Bon Mori 38<br />

Brasserie am Landwehrkanal<br />

greenHOUSE 47<br />

Gänseburger unter Palmen<br />

SchmidtZ & Ko. 52<br />

7 Gänge + 7 Weine = 79 Euro<br />

Alte Überfahrt 56<br />

Leuchtturm in Brandenburg<br />

Neue Restaurants 62<br />

Wirtshaus Roter Jäger<br />

Gaststätte am Ufer<br />

Sawade:<br />

65 Schokolade made in Berlin.<br />

GESCHMACKSSACHEN<br />

Sawade-Schokolade 65<br />

Traditionsunternehmen rockt den Markt<br />

Toller Hecht I 70<br />

Fisch des Jahres im kulinarischen Abseits<br />

Toller Hecht II 74<br />

Restaurant Alte Schule Fürstenhagen<br />

Brückenschläge 84<br />

Das Projekt „Eine Prise Heimat“<br />

KOPFSALAT<br />

Nina Quade 90<br />

Die Popcorn-Queen aus Falkensee<br />

BOUQUET GARNI<br />

Nachrichten und Neuigkeiten 96<br />

4 GARÇON


SO TICKT BERLIN ...<br />

70<br />

Toller Hecht:<br />

Fisch des Jahres 2016 im kulinarischen Abseits.<br />

KULINARISCHE EXKURSION<br />

Terra Madre 2016 in Turin 111<br />

Stippvisite auf dem Ausstellungsgelände<br />

Deutschland: Wenig Neues<br />

Österreich: Süße Früchte<br />

Japan: Starke Offerte<br />

RUBRIKEN<br />

Fuhrmanns Früchtekorb 112<br />

Knollensellerie<br />

Kulinarische Nachlese 114<br />

In alten Kochbüchern geblättert<br />

Marktnischen 116<br />

Auf Berliner Wochenmärkten entdeckt<br />

Garcon-Quiz 118<br />

Impressum 120<br />

Nina Quade:<br />

90 Die Popcorn-Queen aus Falkensee.<br />

Turin:<br />

101 Benvenuti a Terra Madre.<br />

BREMEN · CHRONOGRAPH<br />

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Hackesche Höfe<br />

Rosenthaler-Str. 40/<strong>41</strong> · 10178 Berlin<br />

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TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016<br />

„SO JUNG UND<br />

SCHON SO GUT“<br />

VIKTORIA KNIELY: BERLINER GASTGEBERIN 2016<br />

VON JÖRG TEUSCHER<br />

Die traditionelle Botschafts-Party zum österreichischen Nationalfeiertag<br />

fand in diesem Jahr nicht am 26. Oktober, dem eigentlichen<br />

Termin statt, sondern am 8. November. Wegen der Schulferien<br />

in Berlin.<br />

Die Vertretung der Alpenrepublik an der Stauffenbergstraße im<br />

Bezirk Tiergarten hatte neben dem nationalen Rot-Weiß-Rot auch<br />

das steirische Weiß-Grün geflaggt. Die Steiermark, Österreichs<br />

zweitgrößtes Bundesland, präsentierte sich zum gegebenen Anlass<br />

in der deutschen Hauptstadt kulinarisch, musikalisch, politisch und<br />

vor allem touristisch.<br />

Kein Wunder, denn von den über 6 Millionen Übernachtungen in<br />

der Steiermark im ersten Halbjahr 2016 entfielen immerhin 1,65 Millionen<br />

auf Urlauber aus Deutschland. Ein guter Grund also, diesen<br />

Markt zu pflegen. Das taten der steirische Landeshauptmann Hermann<br />

Schützenhöfer und die Mitglieder seiner vielköpfigen Delegation<br />

dann auch ausgiebig. 800 Gäste genossen es, unter ihnen<br />

etliche mehr oder weniger prominente Berliner Steiermark-Importe<br />

– Künstler und Unternehmer, Manager und Medienmenschen,<br />

Gastronomen und Hoteliers, Schlagersternchen und Zweitligakicker.<br />

Viktoria Kniely bekam keine Einladung, obwohl die Restaurantleiterin<br />

des Kreuzberger Kult lokals Herz & Niere nicht nur gebürtige<br />

Steirerin und Absolventin der steirischen Tourismusschulen in<br />

Bad Gleichenberg ist, sondern auch Berliner Gastgeberin des Jahres<br />

2016 – heuer von einer unabhängigen Jury gewählt, öffentlich<br />

geehrt und medial gewürdigt.<br />

„Sie setzt Maßstäbe für einen Berufszweig, der seit langem ein<br />

neues Image benötigt“, so hieß es in den Hauptstadtzeitungen.<br />

Sollte man das in Österreichs Botschaft überlesen haben?<br />

6 GARÇON


Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL<br />

GARÇON<br />

7


TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016<br />

Kindheit mit Bruder Gabriel.<br />

2004 bis 2009: Tourismusschulen Bad Gleichenberg (mittlere Reihe, 3. v.li.).<br />

VIKTORIA KNIELY<br />

• Geboren am 28. Februar 1990 in Feldbach<br />

• Aufgewachsen in Weinberg an der Raab<br />

• Volksschule in Hohenbrugg<br />

• Hauptschule in Fehring<br />

• Höhere Lehranstalt für Tourismus in<br />

Bad Gleichenberg, Abschluss Matura<br />

(Abitur) und Tourismus-Diplom<br />

2009: Matura, Diplom... ...und Start ins Berufsleben.<br />

8 GARÇON


Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL<br />

2011 bis 2014... ...im Restaurant Hugos.<br />

• Stationen als Commis de Rang, Demi<br />

Chef de Rang und Chef de Rang in Österreich,<br />

der Schweiz und Spanien<br />

• Seit fünf Jahren in Berlin tätig<br />

• Chef de Rang und Commis Sommeliére<br />

im Restaurant Hugos – InterContinental<br />

• Restaurantleiterin und Sommeliére im<br />

Restaurant Herz & Niere<br />

Putzen, bis der Arzt kommt...<br />

...im April 2014 im Herz & Niere.<br />

GARÇON<br />

9


TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016<br />

Gala-Diner im Kraftwerk.<br />

Viktoria Kniely gehört zu den Stars dieses Abends. Berliner Gastgeberin<br />

des Jahres, das ist schon was. Die Jury hat die Kriterien<br />

formuliert, den Maßstab, den sie beim Kandidaten-Check angelegt<br />

hat. Von Persönlichkeit und Menschenkenntnis ist da die Rede, von<br />

Freundlichkeit und dem Vermögen, sich auf die Gäste einzustellen,<br />

von der Fähigkeit, auch deren unausgesprochene Wünsche zu erfüllen<br />

und eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Und natürlich<br />

von kulinarischer Kompetenz. Eine Menge Holz und viele Fallen:<br />

Die Trennlinie zwischen aufmerksam und aufdringlich ist fein,<br />

ebenso wie die zwischen lässig und nachlässig.<br />

„Das wichtigste Handwerkszeug eines guten Kellners sind Natürlichkeit<br />

und Empathie“, so Rose Marie Donhauser. Sie hat die<br />

Laudatio auf Viktoria Kniely gehalten. „Viktoria kann die Gäste lesen“,<br />

sagt die erfahrene Food-Journalistin.<br />

Weil es dazu naturgemäß beruflicher Erfahrung bedarf, wiegt<br />

diese Einschätzung umso schwerer, denn die zur Berliner Gastge-<br />

Ehrengast: Rakhshan Zhouleh, Berliner Sommelier 2008.<br />

Das Alte-Schule-Team serviert: Rotwild, Zwetschke, wilder Kren.<br />

10 GARÇON


Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL<br />

Viktoria Kniely und ihre Laudatorin Rose Marie Donhauser.<br />

Viktoria Kniely und Alexandra Laubrinus, Berlin Food Week.<br />

berin des Jahres Gekürte ist erst 28. „So jung und schon so gut“,<br />

formuliert anerkennend dann auch ein Berliner Unternehmer – eine<br />

Bemerkung, die wir zum Titel unseres Beitrages gemacht haben.<br />

Viktoria Kniely ist mit ihrer herzerfrischenden Liebenswürdigkeit,<br />

souveränen Gelassenheit und fachlichen Kompetenz ein<br />

Aushängeschild für einen Berufsstand, der – nicht nur in Berlin –<br />

Imageprobleme und Nachwuchssorgen hat.<br />

Das beginnt mit den Lehrlingsvergütungen. Ein angehender Restaurantfachmann<br />

verdient im 1. Lehrjahr 647 bzw. 530 Euro, je<br />

nachdem, ob sich der Ausbildungsbetrieb in den alten oder neuen<br />

Bundesländern befindet, bei Bürokaufleuten etwa beläuft sich das<br />

Salär auf 853 bzw. 767 Euro. Der Unterschied: Abends, wenn im<br />

Büro die Lichter aus sind, wird im Restaurant gearbeitet. Das mag<br />

banal klingen, aber für Schulabsolventen ist das ein Faktor bei der<br />

Berufswahl. „Der Beruf des Restaurantfachmanns muss völlig neu<br />

definiert werden“, so Andreas Truglia von der IHK Berlin.<br />

Mit den Titeln Berliner Maître (2003 bis 2011) und Berliner Gastgeber<br />

(seit 2012) wurden bisher ausgezeichnet:<br />

2003 Rainer Möckel, Borchardt<br />

2004 Gesumino Pireddu, Vitrum<br />

2005 Marie-Anne Raue, Restaurant 44<br />

2006 Gerhard Retter, Lorenz Adlon<br />

2007 Olaf Rode, Hugos<br />

2008 Anton Stefanov, Berlin-Sankt Moritz<br />

2009 Vedad Hadziabdic, Die Quadriga<br />

2010 Manuel Finster, Facil<br />

2011 Heike Seebaum, Altes Zollhaus<br />

2012 Michael Köhle, Hugos<br />

2013 Andrea Güttes, Restaurant Markus Semmler<br />

2014 Peter Frühsammer, Frühsammers Restaurant<br />

2015 Barbara Merll, Skykitchen<br />

2016 Viktoria Kniely, Herz & Niere<br />

Fröhliche Preisträger mit Berlin-Partner-Geschäftsführerin Andrea Joras, li.<br />

GARÇON<br />

11


TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016<br />

Viktoria Knielys herzerfrischende<br />

Liebenswürdigkeit und ihr fundiertes<br />

Wissen um Wein und Kulinarik<br />

machen einen Abend im<br />

Herz & Niere zum Vergnügen.<br />

Rose Marie Donhauser<br />

Reisejournalistin, Kochbuchautorin,<br />

Restaurantkritikerin<br />

Jurymitglied Berliner Meisterköche<br />

Als Viktoria zu uns nach Lech<br />

kam, war sie ein junges Talent, das<br />

wir gern gefördert haben. Schnell<br />

beherrschte sie die gastfreundlichen<br />

Tugenden ihres Metiers und<br />

war deshalb bei unseren internationalen<br />

Gästen sehr geschätzt.<br />

Josef Neulinger<br />

Chefsommelier, Almhof Schneider<br />

Lech am Arlberg<br />

Vorarlberg<br />

Vicki? Ehrlich, fleißig, belastbar.<br />

Ein herzensguter Mensch ohne die<br />

in unserer Branche oft üblichen<br />

zwei Gesichter.<br />

Olaf Rode<br />

ehem. Maître, Restaurant Hugos<br />

Restaurantleiter Alpenstueck,<br />

Berlin-Mitte<br />

12 GARÇON


Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL<br />

Sie schenkt jedem Gast ihr einmaliges<br />

Lächeln und ist so wunderbar<br />

natürlich wie man es nur<br />

sein kann, wenn man den Serviceberuf<br />

als Berufung empfindet.<br />

Thomas Kammeier<br />

ehem. Küchenchef, Restaurant Hugos<br />

Gastronomischer Leiter EUREF-Campus,<br />

Berlin-Schöneberg<br />

Natürlich macht es uns stolz,<br />

wenn wir von Absolventen unserer<br />

Tourismusschule hören, die sich<br />

in der gastronomischen Praxis so<br />

prächtig bewähren wie Viktoria<br />

Kniely. Schließlich sind sie Botschafter<br />

unserer Schule.<br />

Johann Sokoll<br />

Fachvorstand<br />

Tourismusschulen Bad Gleichenberg<br />

Steiermark<br />

Dass sich Viktoria nach ihrer<br />

Zeit im Hugos für das Herz & Niere<br />

entschied, gehört zum Besten, was<br />

mir passieren konnte.<br />

Michael Köhle<br />

ehem. Chefsommelier, Restaurant Hugos<br />

Inhaber Herz & Niere<br />

Berlin-Kreuzberg<br />

GARÇON<br />

13


TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016<br />

Als die Jungs (so nenne ich die bestimmt noch<br />

in zwanzig Jahren!) mich fragten, ob ich mit ihnen<br />

arbeiten wollte, habe ich ziemlich spontan zugesagt.<br />

Dass ich nicht nur im Service zu tun haben<br />

würde, sondern auch auf dem Acker, konnte ich zu<br />

dem Zeitpunkt nicht ahnen. Ich mache jedoch das<br />

eine wie das andere mit Begeisterung. Vermutlich<br />

tobt sich das Landleben der Steiermark in meinen<br />

Genen aus, wenn ich in Rudow unsere Pflänzchen<br />

hege und pflege. Aber vom Berliner Stadtleben bin<br />

ich mindestens ebenso überzeugt.<br />

Viktoria Kniely<br />

Ein starkes Team: Restaurantleiterin Viktoria Kniely und...<br />

...Inhaber Michael Köhle.<br />

14 GARÇON


Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL<br />

Viktoria Kniely und Küchenchef Christoph Hauser.<br />

Das Restaurant Herz & Niere ist der Arbeitsplatz von Viktoria Kniely,<br />

hier ist sie vom ersten Tag an Teil des Teams, auch auf dem gepachteten<br />

Acker in Rudow oder in einem Wald irgendwo in Brandenburg.<br />

Die Herz-&-Niere-Leute sind Gärtner und Sammler. „Es macht<br />

Spaß, aber es ist keiner“, lächelt Inhaber Michael Köhle. Hinter dem<br />

Ganzen steckt Kalkül, der Bruch mit Gourmetattitüden und möglicherweise<br />

auch ein neues Berufsverständnis.<br />

Michael Köhle, Küchenchef Christoph Hauser, Viktoria Kniely<br />

und Co. gehören zu jener Gruppe junger Gastronomen, denen<br />

Kornelkischen und Maulbeeren keine kulinarischen Rätsel aufgeben<br />

und die den Guten Heinrich nicht für einen netten Nachbarn<br />

halten. Sie sind in der Welt wilder Kräuter und alter Gemüsesorten<br />

zu Hause und beherrschen archaische Konservierungstechniken.<br />

„Neugier ist Gastronomenpflicht“, sagt Viktoria Kniely.<br />

Das ist wohl auch der Grund, weshalb sich die Berliner Gastgeberin<br />

des Jahres 2016 noch eine vinophile Fortbildung verordnet<br />

hat. Förderprogramm für Jungsommeliers heißt das. „Es reicht mir<br />

nicht, den ultimativen Weißwein etwa zu unserem Innereienmenü<br />

zu empfehlen“, erklärt sie, „ich will tiefer in die Materie eindringen.“<br />

Es ist wohl diese Leidenschaft, die sie auszeichnet.<br />

Ihr meistgebrauchtes Wort, wenn sie über ihre Arbeit spricht, ist<br />

„authentisch“. Keine Verstellung also, keine Rituale und keine Floskelsprache.<br />

Nicht permanent die Frage „Ist bei Ihnen noch alles in<br />

Ordnung?“ Wie angenehm klingt dagegen das schlichte: „Möchten<br />

Sie noch Wein?“<br />

HERZ & NIERE<br />

Fichtestraße 31<br />

10967 Berlin-Kreuzberg<br />

Tel. 030 — 69 00 15 22<br />

www.herzundniere.berlin<br />

GARÇON<br />

15


TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016<br />

„Hoch vom Dachstein an, wo der Aar noch haust,<br />

bis zum Wendenland am Bett der Sav´<br />

und vom Alptal an, das die Mürz durchbraust,<br />

bis ins Rebenland im Tal der Drav´.<br />

Dieses schöne Land ist der Steirer Land...“<br />

(Steirerhymne von Jakob Dirnböck, 1809-1861)<br />

WIEN<br />

GRAZ<br />

WEINBERG A.D. RAAB<br />

BAD GLEICHENBERG<br />

„Warum liebt man die Heimat?“, fragt Bertolt Brecht. Die Antwort<br />

des Dichters: „Deswegen: das Brot schmeckt da besser, der Himmel<br />

ist da höher, die Luft ist da würziger, die Stimmen schallen da<br />

kräftiger, der Boden begeht sich da leichter.“<br />

Wenn Viktoria Kniely über die Steiermark spricht, das „grüne<br />

Herz Österreichs“, dann gerät sie – ganz im Brechtschen Sinne –<br />

ins Schwärmen und rollt das „r“ noch etwas stärker als sie es ohnehin<br />

schon tut. Nach einer Aufzählung der landschaftlichen Schönheiten<br />

und architektonischen Besonderheiten des Bundeslandes, folgt das<br />

steirisch-ultimative „is so“. Soll heißen: Zweifel sind nicht erlaubt.<br />

Viktoria Kniely stammt aus dem Südosten der Steiermark. Kindheit,<br />

Jugend, Volks- und Hauptschule. Kindergärtnerin wollte sie<br />

werden. Doch da war die Mutter vor. Also zog Viktoria, 14-jährig,<br />

nach Bad Gleichenberg ins Internat und absolvierte eine fünfjährige<br />

Ausbildung an den dortigen Tourismusschulen. Überredung oder<br />

Überzeugung? „Von beidem etwas“, wird uns Helga Krenn, ihre Mutter,<br />

später sagen.<br />

Wir sind auf Spurensuche. Am Flughafen Graz – Air Berlin fliegt<br />

täglich zweimal in die Steiermark-Haupstadt – begrüßt ein Schriftzug<br />

die Ankommenden: „Welcome – Expect a lot.“ Das tun wir.<br />

16 GARÇON


Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL<br />

Südoststeirische Idylle: Das Raabtal.<br />

Wir lassen Graz – mit über 280.000 Einwohnern<br />

zweitgrößte Stadt Österreichs, seit<br />

1999 auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes<br />

und natürlich auch immer eine Reise<br />

wert – links liegen.<br />

Unser Ziel befindet sich rund 50 Kilometer<br />

weiter östlich: das steirische Vulkanland.<br />

Eine Gegend von eigenwilliger Schönheit<br />

Abseits großer Straßen: Weinberg an der Raab.<br />

und eine Region von kulinarischer Bedeutung,<br />

weit über Österreichs Grenzen hinaus.<br />

Stichworte müssen genügen: Gölles-Essige,<br />

Vulcano-Schinken, Zotter-Schokolade,<br />

der Kren und das Kernöl. Die Feinschmecker<br />

lächeln wissend.<br />

Dann ein weiß-blaues Ortsschild – Weinberg<br />

an der Raab. Muss man das kennen?<br />

Der Vielfalt der Steiermark auf<br />

350 Seiten gerecht werden? Ein<br />

schwieriges Unterfangen.<br />

16.400 Quadratkilometer zwischen<br />

dem Dachsteinmassiv im<br />

Westen des Bundeslandes und<br />

den pannonischen Ebenen der<br />

Oststeiermark. 1,2 Millionen Einwohner.<br />

Architektur, Brauchtum,<br />

Geschichte, Politik, Kultur. Arnold<br />

Schwarzenegger, Peter Rosegger,<br />

Elfriede Jelinek – Autor Gunnar<br />

Schwarz ist es tatsächlich gelungen,<br />

das alles zwischen zwei<br />

Buchdeckel zu bringen und dabei<br />

keine publizistische Stopfgans<br />

zu produzieren. Respekt!<br />

Übrigens: Meister Johann Lafer<br />

ist zwar gebürtiger Steirer und<br />

wird auch nicht müde, sich als kulinarischer<br />

Botschafter der alten<br />

Heimat in Szene zu setzen, die<br />

wirklichen Protagonisten traditioneller<br />

wie moderner Steiermarkküche<br />

allerdings heißen Gerhard<br />

Fuchs, Dietmar Dorner, Harald<br />

Irka und Richard Rauch.<br />

Gunnar Strunz<br />

STEIERMARK<br />

Das grüne Herz Österreichs<br />

4., aktualisierte Auflage 2017<br />

Trescher Verlag Berlin<br />

ISBN 978-3-89794-340-7<br />

GARÇON<br />

17


TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016<br />

In Weinberg, einer 405-Einwohner-Ortschaft, gelegen<br />

an der Raab, wuchs Viktoria Kniely auf. Behütete<br />

Kindheit in dörflicher Idylle.<br />

Barbara Aschbacher-Gartner.<br />

Kürbishof Gartner.<br />

Nein, kennen muss man Weinberg nicht. Oder vielleicht doch? Der<br />

genauso schmucke wie winzige Ort im Südosten der Steiermark ist<br />

auf jeden Fall ein Beispiel dafür, dass solche Dörfer nicht in Tristesse<br />

versinken und an Perspektivlosigkeit zu Grunde gehen müssen.<br />

Die Alten sterben aus, die Jungen ziehen weg, man kennt das.<br />

Da ist zum Beispiel Johann Koller, 48, Kürbisbauer, ein belesener<br />

Mann, der sicher auch in Graz oder Wien Karriere gemacht<br />

hätte. „Ich bin die fünfte Generation auf diesem Hof“, sagt er, „und<br />

solche Tradition verpflichtet.“<br />

Seit 17 Jahren baut Koller den Steirischen Ölkürbis an und<br />

presst Kernöl, das er in die halbe Welt verkauft. Und weil er nicht<br />

in Konventionen verharrt, bietet er neben dem Öl auch Kürbiskernchutney,<br />

Kürbiskernpesto und neuerdings einen Kürbiskernbrand<br />

und sogar ein getrüffeltes Kürbisschmalz an. Mehr Kürbis geht<br />

sicher nicht. Koller lächelt, er hat wohl doch noch Einiges in der<br />

Pipeline (www.kuerbisatelier.at).<br />

Ich finde, Unternehmergeist ist<br />

der Schlüssel für eine gute Zukunft<br />

– nicht nur für Weinberg,<br />

sondern auch für viele andere<br />

kleine Dörfer.<br />

Barbara Aschbacher-Gartner<br />

18 GARÇON


Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL<br />

Gartners Café und Hofladen.<br />

Am anderen Ende des Ortes befindet sich die Tischlerei von Franz<br />

Gross, die, genau genommen, Einrichtungswerkstätte Gross heißt:<br />

18 Angestellte, der größte Arbeitgeber in Weinberg und nicht weniger<br />

über die Grenzen der Steiermark hinaus bekannt wie Johann<br />

Koller. Gross propagiert das „Urschlafprinzip“ und fertigt unter dem<br />

Markennamen Tueri metallfreie Holzbetten – Motto: Tueri bringt<br />

den Schlaf zurück (www.tueri.at)!<br />

Es gibt in Weinberg einen funktionierenden Dorfgasthof mit<br />

großem Saal, Gewölbekeller und ziemlich respektabler Regionalküche<br />

(www.bruchmanns.at), einen Gesangverein, etliche Oldtimersammler<br />

und ein jährliches Oldtimertreffen, das den Ort in ein<br />

tagelanges PS-Fieber versetzt.<br />

Und dann ist da noch Barbara Aschbacher-Gartner, die Chefin<br />

vom Gartnerhof (www.kuerbishof.at). Die charmante 47-Jährige<br />

stammt aus einer Kärntner Bergbauernfamilie und hat vor Jahren<br />

nach Weinberg geheiratet. Gemeinsam mit ihrem Mann übernahm<br />

sie die in der Gegend traditionelle Schweinezucht der Schwiegereltern.<br />

„Als Schweine wegen des Preisverfalls am Fleischmarkt nicht<br />

mehr rentabel zu halten waren, haben wie es mit dem Ginsenganbau<br />

probiert“, erzählt sie, „bis die Mäuse kamen.“<br />

Heute bietet Barbara Gartner gestressten Städtern Urlaub auf<br />

dem Bauernhof. Aus einem Schweinestall entstand außerdem ein<br />

Dorfcafé mit Hofladen (www.diegeniesserei.at), das einen Zuwachs<br />

an Lebensqualität nach Weinberg gebracht hat – als Einkaufsstätte<br />

regionaler Delikatessen und Kommunikationszentrum.<br />

KÜRBISHOF GARTNER<br />

Weinberg a.d. Raab 60<br />

8350 Fehring<br />

Tel. +43 3155 — 40 691<br />

www.kuerbishof.at<br />

Kürbisbauer Johann Koller.<br />

GARÇON<br />

19


TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016<br />

Das elterliche Weingut mit dem gemütlichen Buschenschank<br />

– das Thema <strong>Essen</strong> und <strong>Trinken</strong> war<br />

Viktoria Kniely sozusagen in die Wiege gelegt.<br />

Mutter und Bruder: Helga Krenn und Gabriel Kniely.<br />

Buschenschank Krenn/Kniely.<br />

Buschenschank. Immerhin, der Duden, die deutsche Rechtschreibung,<br />

kennt den typisch österreichischen Begriff, aus dem die Partner-für-Berlin-Vertreterin<br />

auf der Meisterköche-Pressekonferenz<br />

mal eben einen Bu-r-schenschank gemacht hat. Nein, das Wort hat<br />

mit Männlichkeit, von seinem grammatikalischen Artikel abgesehen,<br />

nicht viel zu tun, sondern steht für eine besondere Form von<br />

Gastronomie, die auf Kaiser Josef II. zurückgeht. Der Habsburger<br />

erteilte 1784 jedermann die Erlaubnis, von ihm selbst erzeugte Lebensmittel,<br />

Most, Wein, Speck, Wurst und anderes auszuschenken<br />

oder zu verkaufen. Um solche Orte zu kennzeichnen, hängten die<br />

Bauern Wacholderzweige an deren Türen, die so genannten Buschen.<br />

Also dann, „einig´schaut“ – auf zum Buschenschank Krenn/<br />

Kniely oben auf dem Berg, hoch über Weinberg.<br />

„Griaß si!“ Josef und Antonia Krenn sind da, er 89, sie 87, Viktoria<br />

Knielys Großeltern. Sie haben die familiäre Einkehrstätte 1964<br />

gegründet, Knielys Mutter Helga und Bruder Gabriel betreiben sie<br />

Wir betreiben einen Buschenschank<br />

und kein Haubenrestaurant.<br />

Während dort Gänseleberterrine<br />

und Hummercreme ser viert<br />

werden, gibt’s bei uns Lumpensalt<br />

und Verhackertbrot.<br />

Helga Krenn<br />

20 GARÇON


Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL<br />

Großeltern: Josef und Antonia Krenn, v.li.<br />

heute. Gabriel, 24, Winzer von Beruf, absolviert derzeit die Meisterschule<br />

für Weinbau und Kellerwirtschaft und ist für die dreieinhalb<br />

Hektar Rebfläche der Familie zuständig – Welschriesling, Weißburgunder,<br />

Chardonnay, Blauer Zweigelt.<br />

Der Knielysche Weinhof gehört übrigens zu dem in diesem Jahr<br />

neu geschaffenen Weinbaugebiet Vulkanland Steiermark: 1.400<br />

Hektar Rebfläche, die Großlagen Vulkanland und Oststeiermark,<br />

eine erstaunliche Sortenvielfalt, rund 70 familiengeführte Weingüter<br />

als vorherrschende Betriebsstruktur.<br />

„2016 war ein schwieriges Jahr“, so Gabriel Kniely, „im Frühjahr<br />

gab es noch Frost und im September, kurz vor der Lese, Hagel.“<br />

Lediglich ein Viertel des Ertrags normaler Jahre lagert heuer in<br />

Knielys Keller. „Müssen die Gäste eben mehr essen als trinken.“<br />

Was im Krenn/Knielyschen Buschenschank auf die Teller kommt,<br />

ist herzhaft und hausgemacht und in der Regel nichts für Diätpäpste<br />

und Kalorienzähler. Am besten, man bestellt eine Brettljause,<br />

da weiß man, was Sache ist: Geselchtes, Hauswürstl, Ripperl und<br />

natürlich das unvermeidliche Verhackert – frisch gehackter, gesalzener<br />

Speck, gewürzt mit Zwiebeln und Knoblauch. „Denn in da<br />

Steiermark, da san d´Leit groß und stark...“, singt der Steirer. Nach<br />

der Jause weiß man, weshalb.<br />

Im Buschenschank lernte Viktoria Kniely von ihrer Mutter auch das<br />

kleine Einmaleins der Gastfreundschaft: Ein herzlicher Gruß, ein offener<br />

Blick, ein freundliches Lächeln, Interesse am Wohl des Gastes –<br />

das sind die kleinen Gesten, die wahre Gastlichkeit ausmachen.<br />

BUSCHENSCHANK KRENN/KNIELY<br />

Weinberg a.d. Raab 103<br />

8350 Fehring<br />

Tel. +43 3155 — 26 05<br />

www.buschenschank.at<br />

GARÇON<br />

21


TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016<br />

Von 2004 bis 2009 absolvierte Viktoria Kniely die<br />

Höhere Lehranstalt für Tourismus in Bad Gleichenberg/Steiermark.<br />

Schulleiter Wolfgang Haas.<br />

Tourismusschulen Bad Gleichenberg.<br />

Die Steirischen Tourismusschulen – der Plural beschreibt, dass<br />

hier mehrere Ausbildungsstätten unter einem Dach vereint sind –<br />

befinden sich in Bad Gleichenberg in einem imposanten Gebäude<br />

des an imposanten Gebäuden nicht eben armen ältesten Kurortes<br />

der Steiermark.<br />

Wolfgang Haas, diplomierter Pädagoge, ist seit 2009 Schulleiter<br />

dieser Einrichtung. Der eloquente 60-Jährige war früher Tourismus-Manager,<br />

das merkt man.<br />

Bevor er zu einem Rundgang durch die vor 70 Jahren gegründete<br />

Tourismusschule einlädt, lobt er deren Standort. Bad Gleichenberg<br />

habe, so Haas, mit 2.000 Sonnenstunden im Jahr das<br />

wohl mildeste Klima Österreichs, in der Umgebung gebe es viele<br />

lohnende Ausflugsziele, etwa die Gesamtsteirische Vinothek in St.<br />

Anna am Aigen, keine zehn Kilometer weg von Bad Gleichenberg,<br />

in der die Besucher alle Rebsorten der steirischen Weinbaugebiete<br />

verkosten können.<br />

Wir bilden seit 70 Jahren Fachkräfte<br />

für Dienstleistungsbetriebe<br />

in der Tourismus-und Freizeitwirtschaft<br />

aus und gelten – mit<br />

aller Bescheidenheit – als eine der<br />

besten Ausbildungsstätten dieser<br />

Branchen weltweit.<br />

Wolfgang Haas<br />

22 GARÇON


Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL<br />

Ausbildungsküche mit allem Pipapo.<br />

Dass Österreich für seine Tourismus-Ausbildung weltweit Anerkennung<br />

bekommt, ist längst kein Geheimnis mehr, auch nicht in Berlin.<br />

Spitzenköche wie Sebastian Frank und Lucas Mraz stammen<br />

aus Österreich, Spitzengastronomen wie Gerhard Retter und Willy<br />

Schlögl ebenso, ein halbes Dutzend hauptstädtischer Hoteldirektoren<br />

sind Alpenland-Importe.<br />

Das liegt natürlich am hohen Stellenwert des Wirtschaftszweiges<br />

bei unseren Nachbarn, also auch daran, dass sie viel mehr als hierzulande<br />

in die Ausbildung entsprechender Fachkräfte investieren.<br />

26 Tourismusschulen gibt es zwischen Vorarlberg und Burgen land,<br />

unter denen die Bad Gleichenberger einen Spitzenplatz einnimmt.<br />

300 Schüler sind derzeit in Bad Gleichenberg eingeschrieben,<br />

die meisten leben im Internat. 25 kommen aus dem Ausland, darunter<br />

auch einige aus Deutschland. Das Motto der Ausbildung<br />

nennt Schulleiter Haas „learning by living and doing“. Er spricht<br />

von Neugierde und Aufgeschlossenheit, von Selbstvertrauen und<br />

Selbstbewusstsein, von Sprachkenntnissen und Umgangsformen,<br />

von Sozial-, Fach- und Führungskompetenz.<br />

Wir sehen Ausbildungsküchen und -kabinette, von denen deutsche<br />

Schulen wahrscheinlich nur träumen können und beginnen zu<br />

verstehen, weshalb die Absolventen so erfolgreich sind.<br />

Allerdings – die Gleichenberger Tourismusschule ist eine Privatschule,<br />

der Besuch also muss privat finanziert werden. Mal eben drei<br />

Semester Spaß haben, um schließlich doch auf Streetfood-Worker<br />

zu machen, das wäre dann ziemlich viel rausgeschmissenes Geld.<br />

TOURISMUSSCHULEN<br />

BAD GLEICHENBERG<br />

Kaiser-Franz-Josef-Straße 18<br />

8344 Bad Gleichenberg<br />

www.tourismusschule.com<br />

Ausbildungskabinett für Conciergerie und Reisebüro.<br />

Der schuleigene Weinkeller.<br />

GARÇON<br />

23


LOKALTERMIN e.t.a. hoffmann<br />

„Er hat´s im Blut“<br />

THOMAS KURT UND 13 JAHRE CUISINE CLASSIQUE IM E.T.A. HOFFMANN<br />

VON JÖRG TEUSCHER<br />

24 GARÇON


e.t.a. hoffmann LOKALTERMIN<br />

Altmeister der Bodenständigkeit, Veteran der Berliner Küche, Klassik-Urgestein:<br />

Sicher gibt es noch mehr solcher Titulierungen diverser<br />

Tester, die mit Thomas Kurts Cuisine classique nicht allzu viel<br />

anfangen können, wahrscheinlich, weil ihnen Pilzdashi oder Ponzusauce<br />

zum Glücklichsein fehlen. Na ja, der 57-Jährige nimmt`s<br />

gelassen und lädt zum 13. Geburtstag seines Restaurants ein.<br />

Möglicherweise ist es das letzte Jubiläum, das Kurt hier feiert.<br />

Der Grund: Das Gründerzeitensemble Riehmers Hofgarten erlebt<br />

eine radikale Veränderung. Von Luxussanierung ist die Rede und<br />

von Quartierverdichtung. Betroffen ist auch Kurts e.t.a. hoffmann.<br />

„Ich habe keine Planungssicherheit“, sagt der Gastronom, der sich<br />

durchaus vorstellen kann, andernorts noch mal durchzustarten.<br />

GARÇON<br />

25


LOKALTERMIN e.t.a. hoffmann<br />

Frühstück für die Küche.<br />

Die Stammgäste des e.t.a. hoffmann wissen natürlich um diese<br />

Probleme und sagen: „Schade, wenn er ginge.“ Thomas Kurt und<br />

seine Küche gehören zu Kreuzberg wie Paul Knopf und Curry 36.<br />

Es begann 1985 mit dem Abricot an der Hasenheide. Entenbrust<br />

an Heidelbeersauce. Elsässer Rieslinge. Es folgten Jahre als gastronomischer<br />

Aufbauhelfer. Dschungel, Osvaldo, Frisco, Alter Fritz.<br />

Schließlich wieder Kreuzberg – h.h. müller, das heutige Volt. Im<br />

November 2003 dann der Start als Inhaber und Küchenchef des<br />

e.t.a. hoffmann. Deftiges delikat, Gutes ganz einfach, dazu ein<br />

superbes Weinangebot und das alles zu zivilen Preisen – das ist<br />

Kurts Rezept auch im 13. e.t.a.-hoffmann-Jahr. Zum Geburtstag<br />

übrigens hat er seine Lieblings-Azubis eingeladen...<br />

Teamwork in der Küche.<br />

26 GARÇON


e.t.a. hoffmann LOKALTERMIN<br />

„Suse war die beste Azubine, die ich je hatte“, sagt Thomas Kurt. Er<br />

benutzt zwar das Femininum, will aber auch die männlichen Auszubildenden<br />

ausdrücklich einbezogen wissen.<br />

Suse, das ist Susan Jendritzki. Ihre Kochlehre bei Kurt absolvierte<br />

die 35-jährige Brandenburgerin aus Wriezen von 2005 bis 2008, die<br />

Gesellenprüfung bestand sie mit sagenhaften 97 von 100 möglichen<br />

Punkten. Heute steht Susan Jendritzki als Sous Chefin neben Karl<br />

Wannemacher am Alt-Luxemburg-Herd. „Bei Thomas Kurt habe<br />

ich die Basics unseres Handwerks gelernt wie man sie nicht besser<br />

lernen kann, bei Karl Wannemacher bekomme ich den Feinschliff.“<br />

Die Basics. Mise en place. Fleisch, Fisch, Gemüse. Braten,<br />

Dünsten, Schmoren. Frittieren, Pochieren, Sautieren. Saucen ansetzen,<br />

Saucen binden. Würzen. „Thomas Kurt ist ein Meister der<br />

Basics“, bestätigt Arne Halit, von 1998 bis 2001 Kochlehrling im<br />

e.t.a.hoffmann. Was er, Susan Jendritzki und die anderen bei Kurt<br />

gelernt haben, zeigt ihr Geburtstagsmenü (s.S. 28/29).<br />

GRUPPENBILD MIT MITARBEITERN UND DEN LIEBLINGS-<br />

AZUBIS DER VERGANGENEN JAHRE<br />

Thomas Kurt und seine Partnerin Heike Seebaum, Gastgeberin<br />

im e.t.a. hoffmann (untere Reihe Mitte und rechts), feierten den<br />

13. Restaurantgeburtstag mit:<br />

Lukas Kühn, Kochlehre, heute Küchenchef und Restaurantinhaber;<br />

Susan Jendritzki, Kochlehre, heute Sous Chefin; Stefan Walter, aktuell<br />

Sous Chef im e.t.a. hoffmann; Jascha Graf, aktuell Patissier<br />

im e.t.a. hoffmann (obere Reihe von links) – Robert Wiese, Restaurantfach-Lehre,<br />

heute Weinberater; Michael Binninger, aktuell<br />

Kochlehrling im e.t.a. hoffmann; Julia Rademacher, Restaurantfach-Lehre,<br />

heute Eventmangerin; Melanie Agne, Restaurantfach-<br />

Lehre, heute Verwaltungs- und Vertriebsmanagerin; Julia Rebecca<br />

Platter, Restaurantfach-Lehre, heute Ausbildung zur Erzieherin<br />

(mittlere Reihe von links) – Arne Halit, Kochlehre, heute Küchenchef<br />

(untere Reihe links).<br />

GARÇON<br />

27


LOKALTERMIN e.t.a. hoffmann<br />

ARNE HALIT, 34, KÜCHENCHEF, RESTAURANT GREENHOUSE, GLIENICKE/NORDBAHN:<br />

BLUTWURSTTORTE, ENTENLEBER, APFEL-RÖSTZWIEBEL-CHUTNEY, SELLERIEPÜREE.<br />

LUKAS KÜHN, 32, INHABER UND KÜCHENCHEF, RESTAURANT SO, WEINHEIM:<br />

POT AU FEU VOM HUMMER, ROTES CURRY, KABELJAU.<br />

28 GARÇON


e.t.a. hoffmann LOKALTERMIN<br />

MICHAEL BINNINGER, 20, KOCHLEHRLING IM 2. LEHRJAHR, E.T.A. HOFFMANN:<br />

LOUP DE MER, PULPORATATOUILLE, RUCOLAPESTO.<br />

SUSAN JENDRITZKI, 35, SOUS CHEFIN, RESTAURANT ALT LUXEMBURG:<br />

SUSES SÜSSER TRAUM.<br />

GARÇON<br />

29


LOKALTERMIN e.t.a. hoffmann<br />

Übrigens: Thomas Kurt hat an diesem Geburtstagsabend natürlich<br />

auch gekocht, natürlich einen Klassiker: Bœuf bourguignon und<br />

Rinderfilet mit roter Bete und getrüffeltem Kartoffelpüree. Und,<br />

ehrlich, das macht ihm so schnell keiner nach. „Bei diesem Traditionsgericht<br />

kommt es vor allem auf die Balance an“, erklärt Kurt,<br />

„auf den gleichberechtigten Geschmack von Fleisch und Wein.“<br />

Übrigens: kein Geringerer als Paul Bocuse nannte das Rindfleisch<br />

auf Burgunder Art mal den „Höhepunkt jedes Festtages“.<br />

Ob sich der Großmeister auch über geschmorte Kalbsnierchen<br />

geäußert hat, das wissen wir nicht. Auf jeden Fall würden wir sie<br />

dem Bœuf bourguignon vorziehen. Thomas Kurt kann's egal sein,<br />

er hat auch Kalbsnierchen auf der Karte – mit Senfspitzkohl!<br />

E.T.A. HOFFMANN<br />

Yorckstraße 83<br />

10965 Berlin-Kreuzberg<br />

Tel. 030 — 78 09 88 09<br />

www.etahoffmann-berlin.de<br />

30 GARÇON


TRADITION | HANDWERK | ÖKOLOGIE<br />

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Bayerische Brotkultur seit 1331<br />

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Ihre Hofpfisterei-Filialen in Berlin:<br />

Charlottenburg, Goethestraße 39/40 | Reichsstraße 105 | Mitte, Rosenthaler Straße 31<br />

Prenzlauer Berg, Schönhauser Allee 118 a | Schöneberg, Ansbacher Straße 21<br />

Nollendorfstraße 8 | Steglitz, Schloßstraße 107/108 | Tegel, Gorkistraße 13–17<br />

Tempelhof, Manfred von Richthofen Straße 10 | Wilmersdorf, Westfälische Straße 55<br />

Wilmersdorfer Straße 32 | Zehlendorf, Teltower Damm 25|<br />

Spandau, Carl-Schurz-Straße 33<br />

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Ludwig Stocker Hofpfisterei GmbH • Kreittmayrstr. 5 • 80335 München


LOKALTERMIN SARDINEN.BAR<br />

SARDINEN.BAR<br />

JAHRGANGSSARDINEN SIND KEINE DOSENFISCHE<br />

VON JÖRG TEUSCHER<br />

32 GARÇON


SARDINEN.BAR LOKALTERMIN<br />

Als wir die Einladung zur Eröffnung des „Ersten Gourmet-Fischkonserven-Feinkost-Bistros<br />

seiner Art in Deutschland“ bekamen,<br />

waren wir skeptisch: Wieder mal ein Philosophie-Aspirant oder<br />

Soziologie-Doktorand, der auf seine Wissenschaft keinen Bock<br />

mehr hat und die Lebensmittelbranche für sich entdeckt. Motto:<br />

Eigentlich wollte ich schon immer was Handfestes machen. Kennen<br />

wir in Berlin zur Genüge, hat uns zwar manchmal überrascht,<br />

aber selten begeistert.<br />

Doch wie das mit Vorurteilen so ist: Erstens kommt es anders<br />

und zweitens als man denkt. Der Chef der Sardinenbar heißt Thomas<br />

Vetter, ist gelernter Koch, Küchenmeister sogar, hat sieben<br />

Jahre in Irland gearbeitet und wollte schon immer „was mit Dosenfisch“<br />

machen. Muss man erstmal drauf kommen.<br />

Ich erinnere mich an schäbige Dosen in gähnend leeren WG-<br />

Kühlschränken, an billiges Studentenfutter und an ein Gericht:<br />

Spaghetti, Knoblauch, Ölsardinen.<br />

GARÇON<br />

33


LOKALTERMIN SARDINEN.BAR<br />

SARDINEN SAINT GEORGES:<br />

Der Klassiker von La Belle-Iloise, benannt nach dem<br />

Gründer der Manufaktur. Sardinen, Olivenöl vergie<br />

extra, eine Prise Salz. Genuss pur!<br />

OKTOPUS MIT ZWIEBELN IN ÖL:<br />

Zarter Atlantikoktopus in reinem Sonnenblumenöl.<br />

Mehr Würze bekommt das Ganze durch konfierte<br />

Zwiebeln. In Portugal von Hand eingelegt.<br />

Kennen Sie eigentlich diese Zubereitung,<br />

Herr Vetter?<br />

Aber sicher doch, Spaghetti nach Admiralsart,<br />

wobei das, was sie damals im Supermarkt<br />

gekauft haben, wahrscheinlich<br />

für 80 oder 90 Pfennige, Kreisklasse war<br />

im Ver gleich zu dem, was wir in unserem<br />

Bistro servieren. Was wir hier anbieten, ist<br />

Championsleague.<br />

Und übrigens, wenn Sie das Admirals-<strong>Essen</strong><br />

mit unseren Sardinen zubereiten würden,<br />

mit gehackten Schalotten, Knoblauch,<br />

einer frischen Chili, mit gutem Weißwein<br />

ablöschen und mit Lion Poivre, einer speziellen<br />

Pfeffermischung würzen, dann ist<br />

das auch eine Delikatesse.<br />

Wie sind Sie eigentlich auf die Idee mit<br />

dem Dosenfisch gekommen?<br />

Durch den Besuch in einer kleinen Sardinenbar<br />

in Lissabon.<br />

Und von da an...<br />

...von da an ging mir die Idee, so etwas<br />

in Berlin zu machen, nicht mehr aus dem<br />

Kopf. Ja, dann haben wir die Räume hier in<br />

Schöneberg in der Grunewaldstraße entdeckt<br />

– das war früher mal ein Grillrestaurant<br />

– geplant, gebaut, und nun geht's hier<br />

richtig los.<br />

Sie benutzen den Plural?<br />

Ohne Thomas Burlan, meinen Architekten,<br />

und ohne meinen Vater, der ist Maurermeister<br />

und pensioniert, wäre es nicht so zügig<br />

GEGRILLTER BACALHAU IN OLIVENÖL:<br />

Bacalhau, der Lieblingsfisch der Portugiesen, in einer<br />

besonderen Zubereitung, bei der der Fisch in einer<br />

Marinade aus Olivenöl und Zwiebeln eingelegt wird.<br />

34 GARÇON


SARDINEN.BAR LOKALTERMIN<br />

HUÎTRES FUMÉES:<br />

Geräucherte Austern in Olivenöl, ursprünglich eine<br />

Spezialität aus British Columbia, wird heute in Südkorea<br />

produziert.<br />

Lebens- und Geschäftspartner: AnaΪs Causse und Thomas Vetter.<br />

gegangen, und ohne meine Frau AnaΪs würde<br />

ich wahrscheinlich immer noch an Details<br />

feilen.<br />

AnaΪs Causse?<br />

Richtig, die Tochter von Philippe Causse<br />

und mit im Geschäft bei Maitre Philippe &<br />

Filles. Die beiden sind absolute Auskenner<br />

was Sardinen, besser gesagt, Jahrgangssardinen<br />

betrifft.<br />

Was ist denn das Besondere an Jahrgangs -<br />

sardinen, verglichen mit herkömmlichen<br />

Sardinen?<br />

Erstmal handelt es sich bei Jahrgangssardinen<br />

um die Atlantischen Sardinen, das<br />

sind Heringsfische, die im Idealfall im September<br />

gefangen werden, weil sie dann<br />

besonders fett und aromatisch sind. Sie<br />

werden nach dem Fang auch nicht schockgefrostet,<br />

wie das normalerweise üblich ist,<br />

sondern direkt an Bord der Schiffe frisch<br />

verarbeitet.<br />

Was geschieht dabei?<br />

Die Fische werden geschuppt und ausgenommen,<br />

einige Verarbeiter entfernen auch<br />

Haut und Gräten.<br />

Für die Konservierung werden, im Gegensatz<br />

zu den ,normalen' Ölsardinen, besonders<br />

hochwertige Olivenöle verwendet,<br />

hinzu kommt dann nur noch Meersalz.<br />

Eine weitere Besonderheit ist, dass die Fische<br />

nur locker in die Dose gelegt werden,<br />

damit sie sich besser mit den Aromastof-<br />

THUNFISCH:<br />

Vor den Azoren geangelter Atlantik-Bonito, eingelegt<br />

in Olivenöl, gewürzt mit der sehr aromatischen<br />

und nur wenig scharfen azorischen roten Paprika.<br />

JAHRGANGSSARDINEN 2013:<br />

Vor der Küste von Saint-Gilles-Croix-de-View, einer Gemeinde<br />

südwestlich vom Nantes, gefischte Sardinen.<br />

Dosengestaltung: Delphine Cossais und Coralie Joulin.<br />

Kompetente Mitarbeiterinnen: Nina Schretr aus Frankreich und Neomi Ben-Arie aus Israel, v.re.<br />

GARÇON<br />

35


LOKALTERMIN SARDINEN.BAR<br />

FOIE DE MORUE:<br />

Dorschleber in Olivenöl aus Quiberon mit feinen Räucheraromen.<br />

Eine typisch bretonische Delikatesse.<br />

Inhaber Thomas Vetter und Sardinenbar-Architekt Thomas Burlan.<br />

BACALHAU IN OLIVENÖL:<br />

Rund 150 Tage luftgetrockneter Kabeljau, gegrillt<br />

und mit Zwiebel und etwas Knoblauch in Olivenöl von<br />

Hand konserviert. Mehr Portugal geht nicht.<br />

fen des Öls verbinden können. Mit welchem<br />

Druck und welcher Temperatur dann<br />

die Dose konserviert wird, ist ein sorgsam<br />

gehütetes Geheimnis der Firmen, die Jahrgangssardinen<br />

herstellen.<br />

Feinschmecker halten übrigens eine Reifezeit<br />

von fünf bis sechs Jahren für optimal.<br />

Da ist der Fisch dann schon ziemlich mürbe<br />

und lässt sich beinahe wie eine Paste<br />

streichen.<br />

Und solche Sardinen tischen sie hier auf.<br />

Ja, ganz klassisch, pur aus der Dose. Dazu<br />

gibt es einen bunten Salat und frisches<br />

Baguette. Und wir haben natürlich in unserer<br />

Sardinenbar auch den passenden<br />

Weißwein. Außerdem bieten wir Dorschleber,<br />

Makrele, Oktopus und andere Spezialitäten<br />

aus der Dose an. Wie gesagt, alles<br />

Championsleague.<br />

Und dabei bleibt es?<br />

Nein, ich überlege natürlich, in Zukunft<br />

auch warme Gerichte mit den Jahrgangssardinen<br />

anzubieten – zum Beispiel Ihre<br />

Spaghetti nach Admiralsart.<br />

Vielen Dank für das Gespräch.<br />

SARDINEN.BAR<br />

Grunewaldstraße 79<br />

10823 Berlin-Schöneberg<br />

Tel. 030 — 58 84 <strong>41</strong> 70<br />

www.facebook.com/sardinen.bar<br />

LISETTES DE SAISON:<br />

Kleine Jahrgangsmakrelen, die unfiletiert in kaltgepresstem<br />

Olivenöl eingelegt sind und mit der Zeit<br />

immer buttriger werden.<br />

36 GARÇON


Echt. Gut.<br />

Warum zahlt mir meine Molkerei<br />

Berchtesgadener Land einen<br />

fairen Milchpreis?<br />

» Ich bin eine von 1.800 Bäuerinnen<br />

der Molkerei-Genossenschaft. Als<br />

Genossenschaft planen wir stets<br />

nachhaltig für Mensch und Natur.<br />

Und alles was erwirtschaftet wird,<br />

kommt uns Bauern und unserer<br />

Kulturlandschaft zugute.<br />

Ich bin Sandra Hörterer,<br />

Bergbäuerin aus Schleching.<br />

www.bergbauernmilch.de


LOKALTERMIN Le Bon Mori<br />

Le<br />

Bon<br />

Mori<br />

FEINE BRASSERIE AM<br />

LANDWEHRKANAL<br />

VON KATARZYNA KASPROWICZ<br />

Moritz Borowski 1981: Früh übt sich...<br />

38 GARÇON


Le Bon Mori LOKALTERMIN<br />

Zweimal Moritz Borowski. Das kindliche<br />

Küchenspiel wurde 1981 von seinem Onkel<br />

aufgenommen. Der nannte den Neffen<br />

Mori und förderte entscheidend dessen<br />

Berufswahl. Moritz Borowski wurde Koch.<br />

Der Ausbildung im Alten Zollhaus, dem<br />

Stammlokal des Onkels, folgten Wanderjahre,<br />

die ihn nach Amerika und in die<br />

Schweiz führten.<br />

2015 dann die Rückkehr nach Berlin und<br />

ein Jahr später die Eröffnung eines eigenen<br />

Restaurants, dem er – Reverenz an<br />

den Onkel – den Namen Le Bon Mori gab.<br />

Moritz Borowski, Mitte, 2016: Chef einer eigenen Brasserie.<br />

GARÇON<br />

39


LOKALTERMIN Le Bon Mori<br />

Ein paar Adressen sollte jeder Stadtmensch stets griffbereit haben:<br />

die eines menschenfreundlichen Zahnarztes, die einer Freundin,<br />

die gut und geduldig zuhören kann und die einer Brasserie mit<br />

sozialen Öffnungszeiten. Für Letzteres: Le Bon Mori.<br />

Der Laden hat zwar sonntags und montags Ruhetag, aber ansonsten<br />

ist von 11.00 Uhr bis 23.00 Uhr Betrieb. Und das kann man<br />

getrost wörtlich nehmen. „Bevor ich das Lokal übernommen habe“,<br />

so Moritz Borowski, „wurde recherchiert. Es existieren im Umkreis<br />

von einem Kilometer über 1.000 Hotelbetten, 4.500 Büroplätze und<br />

dann ist da noch das Hebbel-Theater drei Häuser weiter.“<br />

Das gab dem 35-Jährigen Sicherheit. „Wissen Sie“, sagt er, „ich<br />

habe im Alten Zollhaus gelernt, das ist am Arsch der Welt und trotzdem<br />

immer voll.“ Und so entschied er: Was Herbert Beltle am Carl-<br />

Herz-Ufer schafft, das schaffe ich in der Stresemannstraße auch.<br />

Tatsächlich, bereits eine Woche nach der Eröffnung am 5. Juli<br />

gab es so viele lobende Einträge im Gästebuch, dass Borowski nur<br />

noch staunen konnte: „Danke, dass Sie in dieses gastronomische<br />

Brachland gezogen sind.“ – „Endlich eine gute Adresse in dieser<br />

Gegend.“ – „Wunderbar, liebevoll, lecker.“<br />

Er freut sich natürlich über solche Hymnen, aber er überbewertet<br />

sie nicht, auch das hat er bei Herbert Beltle gelernt. Moritz Borowski<br />

ist nach seiner Lehre viel herumgekommen, meist stand er<br />

in Hotelküchen am Herd: Roger Sherman Inn, New York City; Grand<br />

Hotel Kronenhof, Pontresina; Grand Hotel National, Zürich; Grand<br />

Hotel Zermatterhof, Zermatt.<br />

Dazwischen immer mal wieder Berlin und Brandenburg – Estrel,<br />

Hubertushöhe, Oktogon und zum Schluß die sechsjährige Selbstständigkeit<br />

mit seiner damaligen Partnerin und einem Berghotel<br />

am Vierwaldstätter See in der Nähe von Luzern.<br />

Der Start ins Berliner Brasseriegeschäft war also keine Jungfernfahrt,<br />

der Mann wußte, was er tat. Auch kulinarisch. Kleine<br />

Karte, kleine Preise, eine Küche, die passt.<br />

40 GARÇON


Le Bon Mori LOKALTERMIN<br />

Was Gastgeber Borowski und seine beiden Köche Dominic Reichardt<br />

und Deon Jaiter darunter verstehen, liest sich dann so: Flammkuchen,<br />

Quiches, Kuchen, alles hausgemacht, dazu zwei Suppen,<br />

drei Vorspeisen, vier Hauptgerichte (s. Seiten 42 bis 45).<br />

„Keine hochfliegenden kulinarischen Experimente, sondern Bistroklassiker<br />

auf hohen Niveau“, so Borowskis Credo. Dafür stehen<br />

Gerichte wie Kalbsbries und Kalbszunge mit Pfifferlingen, eine respektable<br />

Bouillabaisse und eine erstklassige Blutwurst, die von<br />

einem gekräuterten Kartoffelpüree und feinem Calvados-Apfel-<br />

Chutney begleitet wird.<br />

Und dafür steht auch ein preiswertes Lunchangebot – drei Menüs<br />

für je elf Euro (s. Kästen auf den Seiten 40 und <strong>41</strong>).<br />

Alles in allem: ein sympathisch unschnöselhaftes kulinarisches<br />

Konzept. Kein Wunder also, dass Gäste hier schnell Stammgäste<br />

werden. Und Moritz Borowski hat noch viel vor. Die Weinkarte<br />

– derzeit über siebzig ordentliche Positionen aus Frankreich,<br />

Küchenchef Dominic Reichardt.<br />

Deutschland, Italien und sogar aus der Schweiz – will er Schritt für<br />

Schritt aufstocken; ein kleiner Feinkosthandel ist geplant, Gewürze,<br />

Chutneys, Pestos, vieles davon will die Le-Bon-Mori-Mannschaft<br />

selbst produzieren. Auch eine Zigarrenlounge kann sich Borowski<br />

vorstellen.<br />

Das alles macht Sinn, klingt unternehmerisch vernünftig, und<br />

wer Moritz Borowski kennenlernt, merkt schnell, dass hier einer angetreten<br />

ist, der weiß, was er will. Man könnte auch sagen: Herbert<br />

Beltle lässt grüßen.<br />

LE BON MORI<br />

Stresemannstraße 21<br />

10963 Berlin-Kreuzberg<br />

Tel. 030 — 25 29 12 46<br />

www.lebonmori.de<br />

Sous Chef Deon Jaiter, re.<br />

GARÇON<br />

<strong>41</strong>


LOKALTERMIN Le Bon Mori<br />

ENTRÉE: STEAK TATAR<br />

Wenn Moritz Borowski über den Drang spricht, seinen Gästen etwas<br />

Besonderes zu bieten, über kulinarische Aha-Erlebnisse, erstklassige<br />

Produkte und über die Verantwortung, sie nicht zu verpfuschen,<br />

sondern zu veredeln, dann hat er auch dieses Gericht im<br />

Blick, seinen „signature dish“, wie er sagt.<br />

Und tatsächlich – die Le-Bon-Mori-Version des Klassikers kann<br />

sich locker mit dem messen, was zum gleichen Thema anderswo in<br />

Berlin auf die Teller kommt.<br />

Die Fleischqualität fällt auf – „wir schaben frisches Rinderfilet“,<br />

so Borowski – und die subtile Würzung. Nochmal Borowski: „Das<br />

ist eine Mischung, die ich selbst entwickelt habe – mit Piment, geräuchertem<br />

Paprikapulver, Szechuanpfeffer und einer Prise gemahlenem<br />

Kaffee, insgesamt 14 Bestandteile.“<br />

Ein pochiertes Ei, marinierte rote Zwiebeln, Dijonsenf-Mayonnaise,<br />

Fleur de Sel und Lauchasche machen die Vorspeise komplett.<br />

42 GARÇON


Le Bon Mori LOKALTERMIN<br />

GARÇON<br />

43


LOKALTERMIN Le Bon Mori<br />

PLAT PRINCIPAL: LOUP DE MER<br />

O.K., bei diesem Wolfsbarsch handelt es sich natürlich um einen<br />

Fisch aus der Aquakultur, aber man kann eben nicht alles haben.<br />

Geangelte Exemplare des „Königs der Meere“ sind selten geworden<br />

und dementsprechend teuer – für einen schönen Wildfang,<br />

beispielsweise im Ganzen im Salzteig gegart, werden in der Sternegastronmie<br />

locker schon mal 100 Euro fällig.<br />

Das ist jedoch absolut bistrountauglich und so kommen im Le<br />

Bon Mori die etwas fettreicheren Filets aus der Aquakultur zum Einsatz.<br />

Sie werden auf der Haut gebraten und mit zweierlei Blumenkohl<br />

– gerösteten Blumenkohlröschen und einem feinen Püree –<br />

sowie marinierten Radieschen serviert.<br />

44 GARÇON


Le Bon Mori LOKALTERMIN<br />

GARÇON<br />

45


Schöne Bescherung!<br />

Was für ein Jahr! Welch schöne Bescherung! Nach unserer<br />

grandiosen „15 Jahre RUTZ“-Party geben uns Deutschlands<br />

wichtigste Restaurantführer gute Gründe, in Feierstimmung<br />

zu bleiben: 18 Gault-Millau-Punkte & 2 Michelin-Sterne<br />

und als „Gruß in die Küche“ auch noch den „BIB<br />

Gourmand“ für unsere Weinbar! Wir sind sehr dankbar für<br />

diese Anerkennung und sehen darin eine Bestätigung der<br />

Arbeit des gesamten Rutz-Teams.<br />

Seit 2001 empfängt das RUTZ seine Gäste und etablierte sich mit seinem innovativen Konzept aus Weinhandel,<br />

Weinbar und Restaurant schnell unter den kulinarischen Topadressen Berlins. Die Weinkarte (vom<br />

Gault Millau als „Deutschlands Weinkarte des Jahres 2014“ gekürt) ist mit ihren ca. 850 Positionen nicht<br />

nur eine der spektakulärsten der Stadt, sie liefert den Stoff für die perfekte Weinbegleitung von Marco<br />

Müllers „Inspirationsmenü Natur & Aromen“ im Sterne-Restaurant in der Beletage oder die Speisen der<br />

Weinbar im Erdgeschoss.<br />

Um mal im Bild des genussorientierten Reifenherstellers zu bleiben: Wir geben weiter Gummi und freuen<br />

uns darauf, auch weiterhin Ihr Gastgeber sein zu dürfen! Ob in der Weihnachtszeit, zum Jahreswechsel<br />

oder im neuen Jahr.<br />

Wir sagen herzlichen Dank für Ihre Treue und wünschen Ihnen ein gesundes 2017!<br />

Auf viele weitere gemeinsame Genusserlebnisse<br />

Ihr RUTZ-Team<br />

Unser Tipp: Silvester im RUTZ<br />

Der Jahreswechsel ist nicht mehr fern und sollte gut geplant sein. Ob in<br />

Berlin lebend oder als Besucher, der Silvesterabend im Rutz wird unvergesslich.<br />

Genießen Sie ein einzigartiges Menü von Chefkoch Marco Müller<br />

(2 Sterne Michelin) und dazu die passende Weinbegleitung.<br />

Menü pro Person 195,00 € inkl. einem Glas Champagner, Mineralwasser<br />

und Single Origin Espresso<br />

Reservierungen unter info@rutz-restaurant.de.<br />

Wein-Bar Lars Rutz GmbH · Chausseestrasse 8 · 10115 Berlin-Mitte<br />

Tel.: +49 30 24 62 87 60 · www.rutz-restaurant.de · info@rutz-restaurant.de


greenHOUSE LOKALTERMIN<br />

Grüne Jungs<br />

ZU GAST IM GREENHOUSE IN GLIENICKE/NORDBAHN<br />

VON PETRA LEONHARDT<br />

Obwohl ihr Arbeitsplatz ein Gewächshaus voll tropischen Grüns ist,<br />

sind diese drei Männer weder Kakteengärtner noch Sukkulentenzüchter,<br />

sondern Gastronomen: Ilker Özcamur, 33, Robert Lorenz,<br />

28 und Arne Halit, 34, v. re., schmeißen den Laden, der in korrekter<br />

Schreibweise greenHOUSE California Grill & Bar heißt, gleich hinter<br />

der nördlichen Berliner Stadtgrenze liegt und sich tatsächlich in einem<br />

piekfeinen Gewächshaus befindet. „Natürlich haben wir auch<br />

einen Gärtner, der sich regelmäßig um die Pflanzen kümmert“, sagt<br />

Ilker Özcamur. Klar, Gastronomen mit grünem Daumen sind selten.<br />

GARÇON<br />

47


LOKALTERMIN greenHOUSE<br />

„Typisch Thieme“, heißt es in der Branche, „alle paar Jahre haut<br />

der einen raus“. Und das ist durchaus anerkennend gemeint. 2012<br />

war es das Two Buddhas im ehemaligen Empfangsgebäude des<br />

Stettiner Bahnhofs, Anfang dieses Jahres folgte das Greenhouse<br />

in Glienicke/Nordbahn, draußen, direkt an der B96.<br />

Da wie dort ist „klein, klein“ nicht das Ding des Volkmar Thieme,<br />

und da wie dort nimmt der erfolgreiche Lokalunternehmer gerne<br />

Anleihen bei der internationalen Lifestyle-Gastronomie auf. Stand<br />

bei den Two Buddhas das Londoner Zuma (mal von den Preisen abgesehen)<br />

Pate, war es beim Greenhouse das De Kas in Amsterdam.<br />

Premiere hatte das Berliner Gewächshaus-Restaurant im März<br />

und alle, die seitdem hier einkehrten, sind sich einig: ein kinderund<br />

familienfreundlicher, höchst erfreulicher Zugang an der Nordberliner<br />

Gastrofront.<br />

Küchenchef Arne Halit und sein Team servieren California Soulund<br />

Streetfood und ein halbes Dutzend Burger-Kreationen, kreativ<br />

48 GARÇON


greenHOUSE LOKALTERMIN<br />

Küchenchef Arne Halit.<br />

Barchef Robert Lorenz.<br />

Restaurantleiter Ilker Özcamur.<br />

GARÇON<br />

49


LOKALTERMIN greenHOUSE<br />

arrangiert, mutig gewürzt, der Goose-Burger zum Niederknien. Dazu<br />

mixt Barkeeper Robert Lorenz einen tiefgrünen Gin-Basil-Smash oder<br />

einen gefährlichen Rhubabu oder man belässt es bei einem sanfteren<br />

badischen Spätburgunder, der auch glasweise ausgeschenkt wird.<br />

Übrigens: Älteren Gästen, in der Regel weniger california-minded<br />

als das hippe Berliner Jungvolk, erklärt Restaurantleiter Ilker Özcamur<br />

gerne, was sich etwa hinter Green Goddes Dressing verbirgt oder<br />

was es mit Potato Skins auf sich hat. Keine Hürde für den jungen<br />

Mann, schließlich war er Jahrgangsbester an der Hotelfachschule.<br />

GREENHOUSE<br />

Oranienburger Chaussee 10-11<br />

16548 Glienicke/Nordbahn<br />

Tel. 033056 — 24 68 00<br />

www.greenhouse-california.de<br />

Der Gänseburger: Gehacktes, geformtes und gebratenes Brustfleisch, gezupftes Keulenfleisch, Cranberry-Meerrettich-Sauce, roter Mangold,<br />

Eisbergsalat, Rucola, Apfel-Chili-Chutney, in Sojasauce und Honig marinierte Zwiebeln, hausgeräucherter Gänseschinken.<br />

50 GARÇON


Um aus einem Stück glühendem Chrom-Molybdän-Vanadium Stahl<br />

bei 1.200° C ein WÜSTHOF Messer zu schmieden und es dann zu perfekter<br />

Schärfe zu schleifen, gilt die gleiche Philosophie wie für die Zubereitung<br />

raffinierter Gerichte:<br />

www.wuesthof.com


LOKALTERMIN SchmidtZ & Ko.<br />

ABENDS BEI<br />

SCHMIDTZ & KO.<br />

ODER: 7 GÄNGE + 7 WEINE = 79 EURO<br />

VON JÖRG TEUSCHER<br />

Es gibt Ecken in Berlin, die sind gastronomisch dermaßen unterversorgt,<br />

dass die diversen Stadtteilzeitungen selbst dem letzten<br />

Allerweltsitaliener huldigen als habe er gerade den Grand Prix Culinaire<br />

gewonnen. Rudow, Buckow und Britz sind solche Gegenden,<br />

aber auch – und das liegt nun wirklich nicht auf der Hand – das<br />

gutbürgerliche Friedenau.<br />

Und so zog dann auch ein zufriedenes Raunen durchs Quartier<br />

als Ende September 2014 SchmidtZ & KO. in der Rheinstraße an<br />

den Start gingen. Deren Hauptakteure – Anja und Carsten Schmidt,<br />

Weinhändler und Inhaber des Weinladens Schmidt, Ralf Zacherl (im<br />

Namen das Z) sowie Mario Kotaska (im Namen das KO) – hatten<br />

mit ihrem kulinarischen Ort allerdings kein Restaurant im Blick,<br />

sondern eine vinophile Genusswerkstatt. Eine Weinbar mit Weinverkauf,<br />

natürlich, Weinverkostungen, Weinseminare, dazu eine Kochschule<br />

und ein täglicher Mittagstisch für die vielen Büroarbeiter im<br />

Friedenauer Kiez.<br />

Wenn im SchmidtZ & KO. inzwischen auch abends das Licht<br />

brennt und meist volles Haus ist, so hat das wohl etwas mit den<br />

Berliner Bedürfnissen im Allgemeinen und dem Bedarf in Friedenau<br />

im Besonderen zu tun.<br />

„Endlich ein Platz im Kiez, der uns den Feierabend versüßt“,<br />

jubelt eine Boutiquebesitzerin von nebenan, „keine Trendgastronomie<br />

für feinsinnige Sternesucher, sondern eine ambitionierte<br />

Küche, die fröhlichen Essern feine Sachen zu fairen Preisen bietet.“<br />

Ihre Begleiterin, Apothekerin aus Tempelhof, ergänzt: „Das ist<br />

Alltagsgastronomie ohne Attitüde.“<br />

52 GARÇON


SchmidtZ & Ko. LOKALTERMIN<br />

Auf die Visitenkarte von SchmitZ & Ko. sind die Öffnungszeiten gedruckt,<br />

hier heißen sie allerdings Genusszeiten. Seit 10.00 Uhr morgens<br />

werden Weine und Feinkost verkauft, von 12.00 bis 15.00 Uhr<br />

wurde den Business-Lunchern der Gegend ein Mittagstisch serviert,<br />

jetzt beginnt das Abendgeschäft.<br />

Die gastronomische Leiterin Maria Hinrichsen, Filialleiter Oliver<br />

Budack und Servicemann Maik Omenzetter werden den Abend<br />

stemmen (v.re.). Alle drei sind Gastroprofis und gute Botschafter<br />

ihres Hauses, das eine junge Form von Gastronomie repräsentiert,<br />

aber locker-flockig nicht mit nonchalant verwechselt.<br />

Spaß beim Mise en place: Ralf Zacherl, wie Carsten Schmidt Geschäftsführer<br />

von SchmitZ & Ko., und Küchenchef Marcel Woest.<br />

Woest, 31-jähriger Niedersachse, hat ein Sieben-Gänge-Kleinigkeiten-Menü<br />

entwickelt – einmal alles gibt’s für 49 Euro, mit Weinbegleitung<br />

hat man 79 Euro auf der Uhr. Eine mehr als faire Offerte.<br />

Das sehen auch diese frühen Gäste so und bestellen das volle<br />

Programm. Als die ersten Teller kommen – Rotbarbe, Blumenkohl,<br />

Zimt, Haselnuss – wird klar, dass die Woestschen Kleinigkeiten<br />

keine Winzigkeiten sind. Die Männer werden sich Zeit beim <strong>Essen</strong><br />

nehmen müssen. Zeit für Genuss.<br />

GARÇON<br />

53


LOKALTERMIN SchmidtZ & Ko.<br />

Inzwischen haben Restaurantleiterin Maria Hinrichsen und ihre Mitarbeiter<br />

gut zu tun. „Vor allem die Weinempfehlungen macht man<br />

nicht im Vorbeigehen“, so die 34-jährige Hotelfachfrau, die nach<br />

Lehre im Adlon und Tätigkeit im Service des Les Solistes by Pierre<br />

Gagnaire im Waldorf Astoria vor zwei Jahren zu SchmidtZ & Ko. kam.<br />

Birgit Staack führt eine Boutique in Friedenau, Christine Ramsbacher<br />

ist Apothekerin in Tempelhof. Die beiden Geschäftsfrauen treffen<br />

sich regelmäßig auf einen Feierabendwein bei SchmidtZ & KO.<br />

und sind des Lobes voll über die vinophile Offerte, die exzellente<br />

Küche und den Service: „Maria ist einfach eine Perle.“<br />

20.00 Uhr, in der Küche ist Gasgeben angesagt. Jedes der kleinen,<br />

bunten Gerichte ist Versprechen und Erfüllung zugleich. Erfüllung<br />

jetzt, Vorfreude auf das, was noch kommt. An der Seite von Marcel<br />

Woest übrigens der Neuberliner Jonas Schwarz, 22, Saarländer, der<br />

seine Kochlehre in der Traube Tonbach in Baiersbronn absolvierte.<br />

Gedanken, bevor der nächste Gang serviert wird: SchmitZ & Ko. ist<br />

ein heißer Tipp für Leute, die dem Leben gerne ein paar Besonderheiten<br />

abringen. In Begleitung natürlich. <strong>Essen</strong> mit Wein und Menschen<br />

mit Menschen. Hier tritt man nicht ein, isst, trinkt und geht wieder.<br />

Hier sitzt man Stuhl an Stuhl mit Fremden und kommt ins Gespräch.<br />

54 GARÇON


SchmidtZ & Ko. LOKALTERMIN<br />

Der nächste Gang, wir haben vergessen, mitzuzählen. Rehrücken,<br />

Süßkartoffelcreme, Quitte, Matcha. Intensive Aromen, mutige Würzung,<br />

ein klares Erscheinungsbild. Bravo, was die jungen Leute da<br />

machen, hat schon ziemlich viel Stil. Und am Nachbartisch wird<br />

Wildschwein aufgetragen – Bäckchen!!! – woher haben sie die denn?<br />

Maria Hinrichsen, „die Perle“, in Aktion, und es ist wohltuend, dass<br />

sie keinerlei Symptome der Sommelierskrankheit zeigt, die unter<br />

Weinkellnern grassiert wie ein Erkältungsvirus nach dem Weihnachtsmarktbesuch.<br />

Soll heißen: Sie redet nicht über den Silvaner<br />

bis der Wein warm ist und das <strong>Essen</strong> kalt.<br />

Gleich geht die Gänsekeule an den Start, traditionell mit Rotkohl<br />

und Kartoffelkloß. Ein weiteres Indiz dafür, wie gut der Mann sein<br />

Handwerk beherrscht. Und wieviel Witz und Esprit seine „Kleinigkeiten“<br />

haben. Dazu kommen – wie gesagt – das einmalige Ambiente,<br />

der perfekte Service und die irre Weinauswahl.<br />

Geöffnet haben Weinbar und Restaurant dienstags bis samstags<br />

ab 18.00 Uhr. Küchenschluss für die warmen Offerten von Marcel<br />

Woest und seiner Mannschaft ist um 21.30 Uhr. Also dann: Bis bald<br />

mal bei Schmidtz & Ko. Auf die Liebe!<br />

www.schmidt-z-ko.de<br />

GARÇON<br />

55


LOKALTERMIN Alte Überfahrt<br />

Alte Überfahrt<br />

EIN KULINARISCHER LEUCHTTURM IN BRANDENBURG<br />

VON JÖRG TEUSCHER<br />

Dieser Ausschnitt gehört zu einer rund 100 Jahre alten Landkarte, die – so eine Kennzeichnung<br />

– von Eisenschmidt's Buch- und Landkartenhandlung in Berlin NW 7, Dorotheenstraße<br />

60, herausgegeben wurde. Sie zeigt, dass zwischen Potsdam-Wildpark und der<br />

In selstadt Werder damals eine Kahnfähre (K.F.) verkehrte. 1637 wurde der Fährverkehr aufgenommen,<br />

1975 eingestellt. Anfang der 1990er gab es noch einen Versuch, 1995 aber war<br />

endgültig Schluss. Geblieben ist nur der Name: Alte Überfahrt.<br />

56 GARÇON


Alte Überfahrt LOKALTERMIN<br />

Seien wir mal ehrlich: Man fährt nicht raus aus der Stadt, um hungrig<br />

wieder zurückzukehren. Besichtigungen und Wanderungen, das<br />

Erlebnis exzeptioneller Sonnenuntergänge oder anderer Szenen einer<br />

ländlichen Welt brauchen kulinarisches Unterfutter. Und wenn<br />

dann noch Atmosphäre und <strong>Essen</strong> am gewählten Ort so sind, dass<br />

man auf alle weiteren Ausflugsstationen gerne verzichtet und lieber<br />

noch ein wenig sitzen bleibt, dann ist das Glück vollkommen.<br />

Zumindest im Lande Brandenburg wird es allerdings mit dem<br />

vollkommenen Glück immer schwieriger, selbst der allwissende<br />

Gault Millau kennt da nur das, was wir auch kennen.<br />

Einziger Newcomer des gelben Guides in diesem Jahr zwischen<br />

Uckermark und Niederlausitz: Die Alte Überfahrt in Werder/Havel.<br />

Und das ist endlich mal ein richtiger Kracher.<br />

Die 14 Punkte sind wohlverdient und nicht etwa eine Art Ausgleich<br />

für verlorenes kulinarisches Terrain beispielsweise in Burg,<br />

wo sich Oliver Heilmeyer aus der Bleiche verabschiedete oder in<br />

Überflieger in der Überfahrt: Patrick Schwatke und Thomas Hübner, v.re.<br />

GARÇON<br />

57


LOKALTERMIN Alte Überfahrt<br />

Bad Saarow und Mittenwalde-Motzen, wo sich Villa am See und<br />

Märkische Stuben inzwischen mit dem in Brandenburg üblichen<br />

Mittelmaß zufrieden geben.<br />

Werder an der Havel also, Stadt der touristischen Konstanten:<br />

die idyllisch auf einer Insel gelegene Altstadt, deren Ursprünge bis<br />

ins 14. Jahrhundert zurückreichen, die neogotische Heilig-Geist-<br />

Kirche, die mittelalterliche Bockwindmühle, das liebevoll kuratierte<br />

Obstbaumuseum und – natürlich – das seit 1879 berühmte<br />

Baumblütenfest mit seinen berüchtigten Obstweinorgien.<br />

Seit Anfang Mai 2016 ist Werder nun auch gastronomisch on<br />

top – dank Patrick Schwatke, Thomas Hübner und ihrem Restaurant<br />

Alte Überfahrt.<br />

Das kommt natürlich nicht von ungefähr, sondern davon, dass<br />

die beiden Männer beruflich schon einiges aufzuweisen haben.<br />

Schwatke, 30, Koch von Beruf, stammt aus Suhl, war im San Nicci<br />

und im Uma bei Tim Raue tätig und als Küchenchef maßgeblich am<br />

58 GARÇON


Alte Überfahrt LOKALTERMIN<br />

Michelin-Stern des Beelitzer Kochzimmers beteiligt. Der 34-jährige<br />

Hübner, geboren und aufgewachsen in Berlin, absolvierte seine<br />

Kochlehre im VAU, zog dann ins Margaux, später ins Facil und 2003<br />

nach Florenz. Enoteca Pinchiorri. Hier stand er bei der 3-Sterne-<br />

Köchin Anni Féolde in einem der besten Restaurants Italiens am<br />

Herd und holte sich den letzten Schliff.<br />

Seit einem Jahr ist Hübner wieder hier, weil er wollte, dass seine<br />

Kinder in Deutschland aufwachsen und zur Schule gehen. Wer das<br />

italienische Bildungssystem kennt, kann den Mann verstehen.<br />

Und wie das Leben so spielt, Schwatke hatte genau zu dieser<br />

Zeit das Restaurant im Hotel Prinz Heinrich übernommen – das traditionsreiche<br />

Haus gehört seinen Schwiegereltern – suchte einen<br />

Koch und Hübner kam. 200.000 Euro hatte Schwatke in den Umbau<br />

des ehemaligen Hotel-Cafés investiert – eine helle Küche entstand<br />

und ein einladender Gastraum, mediterran luzid, ohne Nouveau<br />

Protz und Dernier Prunk, einfach nur schlicht und schön.<br />

Und die Küche? „Lichtjahre weg von der hier sonst üblichen Brachialküche,<br />

leicht, frisch, meist feinsäuerlich abgestimmt und sensibel<br />

gewürzt“, schrieb Tagesspiegel-Mann Bernd Matthies bereits<br />

wenige Wochen nach der Eröffnung. Und das gilt bis heute.<br />

Thomas Hübners kulinarische Kühnheit äußert sich nicht in schockierenden<br />

Kreationen, sondern ist bestens geerdet – aber dennoch<br />

sehr anders als das Gewohnte: wunderbar zarter Tafelspitz mit Zuckerschoten,<br />

Blutorangen-Gel und Kressecreme, Mut und Einfallsreichtum<br />

beim Fisch, witzig und toll die Desserts (s.S. 60/61).<br />

ALTE ÜBERFAHRT<br />

Fischerstraße 48b<br />

14542 Werder (Havel)<br />

Tel. 03327 — 73 20 60<br />

www.alte-ueberfahrt.de<br />

GARÇON<br />

59


LOKALTERMIN Alte Überfahrt<br />

Jakobsmuschel gebraten, weißer Spargel, Beurre blanc, Ackersenf.<br />

Kabeljau gedünstet, Kohlrabi, Senf, Estragon, rote Zwiebel.<br />

60 GARÇON


Alte Überfahrt LOKALTERMIN<br />

Tafelspitz, Zuckerschote, Blutorange, Kresse.<br />

Suppendöschen: Viel Gemüse, feiner Sud, Muschel, Fisch.<br />

GARÇON<br />

61


LOKALTERMIN Neue Restaurants<br />

neu new nouveau<br />

Am letzten Septembersamstag war offizielle<br />

Eröffnung im Roten Jäger. „Einschießen“,<br />

nannte es der trachttragende Wirt,<br />

dessen Name nicht von Belang ist, weil er<br />

das Wirtshaus längst wieder verlassen hat.<br />

Es gab Führungen und Erklärungen, und<br />

die Gäste staunten nicht schlecht. Der Rote<br />

Jäger – eine Lokalität der räumlichen Superlative.<br />

Jägerstube, Wirtsstube, Kleine<br />

Stu be, Rauchkuchel, einer der ältesten Gewölbekeller<br />

Berlins, schön, was da aus der<br />

ehemaligen Sat 1-Kantine und späteren Restaurantschule<br />

von Christian Rach gemacht<br />

wurde.<br />

„Gmiatlich“, konstatierte dann auch ein<br />

anderer Trachtträger im Alpenlanddialekt<br />

und man hatte das Gefühl, der Mann versteht<br />

was davon. Nun ist zwar Gemütlichkeit<br />

durchaus ein Indikator gastronomischer<br />

Wahrheitsfindung, wichtiger aber ist wohl,<br />

was auf die Teller kommt. Und das war, na<br />

ja, nennen wir es mal ausbaufähig.<br />

Dem Obazda fehlte es an Geschmeidigkeit<br />

und Würze, der bayerische Leberkäse<br />

wiederum hatte zuviel davon und der Wirtshausburger<br />

wirkte insgesamt ziemlich fade.<br />

Die Grillhaxe dagegen war kross und der<br />

Speckkrautsalat wirklich hausgemacht.<br />

Auch vom Wiener Rindersaftgulasch ging<br />

die ersehnte Wärme aus – sicher ist der<br />

Klas siker noch keine Offenbarung, aber auf<br />

anständigem Niveau und kein Vergleich zu<br />

dem, was in Berlins grausigster Alpenland-<br />

Abfütterungsstätte, dem Hofbräu-Wirts haus<br />

am Alexanderplatz, dem Gast kulinarisch<br />

so zugemutet wird.<br />

Aber eben auch meilenweit von dem entfernt,<br />

was beispielsweise schräg gegenüber,<br />

im Aigner am Gendarmenmarkt, an wundervoller<br />

Beisl-Küche auf die Tische kommt.<br />

Wie man hört, leistet im Roten Jäger<br />

in zwischen ein stadtweit bekannter bayerischer<br />

Gastronom kulinarische Entwicklungshilfe.<br />

Und der kann, sagt man, auch<br />

ziemlich „ungmiatlich“ werden...<br />

WIRTSHAUS ROTER JÄGER<br />

Jägerstraße 28-31<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

Tel. 030 — 80 49 33 66<br />

www.roter-jaeger.de<br />

62 GARÇON


Neue Restaurants LOKALTERMIN<br />

Gastronomisches Dreamteam: Tilo Roth und Martin Hötzl, v.li.<br />

nuovo nuevo yeni<br />

Kennen Sie noch das Rodeo, das Rund-<br />

Restaurant mit der markanten achteckigen<br />

Kuppel im Alten Postfuhramt?<br />

Eine ziemlich abgefahrene Location mit<br />

Zeug zur gesellschaftlichen Bühne war das:<br />

David La Chapelle nutzte die Räume für<br />

Ausstellungen, Herbert Grönemeyer feierte<br />

hier seinen Record Release, Rick Kavanian<br />

und Bud Spencer die Kinopremiere<br />

eines ihrer Filme.<br />

Für den Gastronomen und Juristen Martin<br />

Hötzl, 43, geboren am Rande des Ruhrpotts,<br />

aufgewachsen in der Steiermark und<br />

den 51-jährigen Küchenchef Tilo Roth, der<br />

aus Gießen stammt und seit Anfang der<br />

1990er an Berliner Herden für Furore sorgt,<br />

begann im Rodeo eine Zusammenarbeit,<br />

die sie über das The Grand in Mitte nun<br />

nach Kreuzberg führte.<br />

Am Paul-Lincke-Ufer – wo sonst? – eröffneten<br />

Hötzl und Roth Ende Oktober ihre<br />

Gaststätte am Ufer. Schon der Name lässt<br />

es vermuten: Das ist kein Ort für die Jeunesse<br />

dorée, sondern ein Kiezrestaurant,<br />

sozusagen ein Wohnzimmer zur Nachbarschaftsverpflegung.<br />

Diese besondere Spielart der gastronomischen<br />

Kultur in Berlin ist nicht immer eine<br />

U-Bahn-Fahrt wert, im Falle der Gaststätte<br />

am Ufer allerdings schon.<br />

Roths Küche kommt unprätentiös und<br />

überzeugend, daher – von der hausgeräucherten<br />

Makrele mit Pumpernickel und<br />

Meer rettich über die Königsberger Klopse<br />

vom Kaninchen mit einem Gänseleberkern<br />

bis zum 900 Gramm schweren Ochsenkotelett<br />

vom Irish Hereford mit Speck-Kartoffel-Püree<br />

und Portweinjus.<br />

Ja, der Mann kann kochen. Zu Recht lobten<br />

die tip-Tester Roths handwerklich perfekte<br />

Produktküche und setzten die gastliche<br />

Stätte in ihrer „Speisekarte 2017“<br />

auf Platz eins der Empfehlungen für einen<br />

guten und vor allem auch preiswerten Mittagstisch.<br />

GASTSTÄTTE AM UFER<br />

Paul-Lincke-Ufer 23<br />

10999 Berlin-Kreuzberg<br />

Tel. 030 — 61 62 52 10<br />

www.gastamufer.de<br />

GARÇON<br />

63


Der Capitale.<br />

Horcher, DER Wein der Hauptstadt.<br />

www.horcher-wein.de


Sawade Schokolade GESCHMACKSSACHEN<br />

Die Mezzosopranistin Maria Fiselier, Komische Oper Berlin.<br />

Schon der Name: Flag – ship – store. Das<br />

ist eben nicht irgendein Laden.<br />

Flagshipstores befinden sich im Gegensatz<br />

zu Outletstores in bester Lage, sind heiter<br />

bis edel eingerichtet, ge schmackvoll inszeniert<br />

und auch sonst á jour. Natürlich ist<br />

die Eröffnung eines Flagshipstores, allemal<br />

in der Hauptstadt, ein gesellschaftliches Ereignis<br />

– geladene Gäste, gepflegte Getränke,<br />

gespannte Reporter, gefeierte Reden.<br />

Im Fall der Berliner Schokoladenmanufaktur<br />

Sawade gab es nicht nur das, sondern<br />

auch noch „Große Oper“, und so gesehen<br />

war die Bezeichnung „Grand Opening“<br />

für die Geschäftseinweihung in den Hackeschen<br />

Höfen durchaus tref fend.<br />

„ICH WILL KEINE<br />

SCHOKOLADE...“<br />

...AUSSER SAWADE. EIN TRADITIONSUNTERNEHMEN ROCKT DEN MARKT<br />

VON JÖRG TEUSCHER<br />

„Ich will keine Schokolade, ich will lieber<br />

einen Mann, ich will einen, den ich küssen<br />

und um den Finger wickeln kann!“<br />

Die Zugabe der Mezzosopranistin Maria<br />

Fiselier, seit der Spielzeit 2016/2017 Mitglied<br />

im Ensemble der Komischen Oper<br />

Berlin, war geplant. Die Pointe allerdings<br />

nicht.<br />

Benno Hübel, Inhaber der Berliner Trüffel-<br />

und Pralinenmanufaktur Sawade mit<br />

Sitz in Reinickendorf überreichte der jungen<br />

Holländerin eine große rote Schachtel:<br />

„Herzlichen Dank und für Sie unsere beste<br />

Confiserie-Mischung.“ Darauf die Sängerin<br />

keck: „Ich will wirklich keine Schokolade –<br />

außer Sawade“.<br />

GARÇON<br />

65


GESCHMACKSSACHEN Sawade Schokolade<br />

Sawade, das ist alter Berliner Adel. Schokolade von Sawade. Und<br />

weil Adel nun mal verpflichtet, jetzt also endlich – neben dem gut<br />

sortierten Fabrikverkauf draußen in Reinickendorf – auch einen<br />

standesgemäßen innerstädtischen Flagshipstore.<br />

Der Edelladen entstand in den Hackeschen Höfen in Mitte. Eine<br />

erste Adresse in jeder Hinsicht, denn die Bezeichnung „Mitte“<br />

steht nicht nur für die Stadtmitte Berlins, sondern ist vor allem so<br />

etwas wie ein Codewort für den Stil des Neuen Berlin, dessen Atmosphäre.<br />

Manhattan lässt grüßen.<br />

„Natürlich hätten wir unser Geschäft gern am historischen<br />

Standort eröffnet“, sagt Sawade-Inhaber Benno Hübel in seiner<br />

Begrüßungsrede, „aber dort hat jetzt Volkswagen einen Showpalast<br />

und den wollten sie leider nicht aufgeben.“<br />

Tatsächlich, wo heute VW residiert, gründete 1880 Ladislaus<br />

Ziemkiewicz, der das Schokoladenhandwerk in Paris gelernt hatte,<br />

eine Confiserie, die er nach seiner Nachbarin Marie de Savadé –<br />

66 GARÇON


Sawade Schokolade GESCHMACKSSACHEN<br />

Geldgeberin oder Geliebte, das ist nicht überliefert – Sawade<br />

nannte. Schnell avancierte das Geschäft für feine hausgemachte<br />

Pralinen Unter den Linden 19 zum Kaiserlichen Hoflieferanten –<br />

erkennbar am Doppeladler aus Eisenguss neben der Eingangstür.<br />

Darüber, wie Sawade den I. und II. Weltkrieg überstand, ist wenig<br />

bekannt. 1949 wurden Sawade-Pralinen am Rüdesheimer Platz in<br />

Wilmersdorf in einer Manufaktur in Wohnzimmergröße gefertigt,<br />

später – inzwischen hatte Ulrich Spengler die Firma übernommen<br />

– kamen Standorte in Schöneberg und Charlottenburg hinzu.<br />

1972 schließlich wurde der Grundstein für die heutige Produktionsstätte<br />

in Reinickendorf gelegt. Thomas Spengler trat das Erbe<br />

seines Vaters an, Sawade schien auf gutem Weg. Doch obwohl die<br />

Firma drei Millionen Euro im Jahr umsetzte, gab es Schwierigkeiten.<br />

Im Juli 2013 schließlich musste Sawade Insolvenz beantragen.<br />

Showdown in Reinickendorf. Aber der Abgesang kam verfrüht. Ein<br />

Berliner Unternehmerpaar rettete das Traditionshaus.<br />

GARÇON<br />

67


GESCHMACKSSACHEN Sawade Schokolade<br />

Sie stehen vor dem Flagshipstore in den Hackeschen Höfen und man<br />

sieht ihnen an, wie stolz sie sind. Melanie und Benno Hübel – sie 40,<br />

er 42 – sind die Hauptdarsteller eines Berliner Erfolgsstücks.<br />

Vor drei Jahren unterzeichneten sie eine Vereinbarung mit dem<br />

Insolvenzverwalter, übernahmen die Sawade GmbH und führten<br />

das Unternehmen aus dem Tal der Tränen. „2014 war unser erstes<br />

richtiges Jahr“, tut Benno Hübel kund. Und seine Frau fügt hinzu:<br />

„Ohne unsere Mitarbeiter wäre das nicht möglich gewesen. Wir<br />

sind wahnsinnig stolz auf unsere Mannschaft.“<br />

Übrigens: Vor ihrem Sawade-Coup hatten die beiden beruflich<br />

mit Schokolade eher wenig zu tun, Benno Hübel vielleicht noch ein<br />

bisschen mehr als seine Frau, denn der Mann ist gelernter Koch<br />

und war im Mittleren Osten als Unternehmensberater für Lebensmittelbetriebe<br />

tätig. Melanie Hübel studierte Grafik-Design, gemeinsam<br />

führten sie eine Berliner Digitaldruckerei zum drittgrößten<br />

Fotobuchhersteller Europas.<br />

68 GARÇON


Sawade Schokolade GESCHMACKSSACHEN<br />

Der Schokoladenmann: Benno Hübel.<br />

Weshalb haben Sie die Sawade GmbH übernommen, Herr Hübel?<br />

Ganz rational kann ich das nicht erklären. Da gab es romantische<br />

Gefühle, da war Lokalpatriotismus im Spiel, vielleicht auch ein<br />

bisschen Naivität, mit Sicherheit meine besondere Beziehung zu<br />

Lebensmitteln im Allgemeinen und Schokolade im Besonderen.<br />

Woher kommt diese Beziehung?<br />

Ich bin Koch von Beruf, habe im InterConti gelernt, in Berlin und in<br />

London.<br />

Aber Sie sind auch Betriebswirt und Unternehmensberater.<br />

Ich verstehe, worauf Sie hinaus wollen, aber ans Geldverdienen haben<br />

meine Frau und ich zuallerletzt gedacht, als wir uns für Sawade entschieden.<br />

Übrigens, vielleicht beantwortet das Ihre Frage, ein Unternehmen<br />

etwa aus der Metallbranche hätten wir nicht übernommen.<br />

Was haben Sie vor drei Jahren bei Sawade vorgefunden?<br />

Qualitativ ausgezeichnete Produkte, hochmotivierte Mitarbeiter, aber<br />

auch fünfzehn verschiedene Logos, acht verschiedene Schrifttypen.<br />

Solche Abteilungen wie Marketing und Vertrieb standen eigentlich<br />

nur auf dem Papier.<br />

Ziemlich viele Probleme, wie sind Sie vorgegangen?<br />

Wir haben keinen Rundumschlag gemacht, sondern haben gesagt,<br />

dass wir das bewahren wollen, was Sawade ausmacht.<br />

Was macht denn Sawade aus?<br />

Sawade ist eine Berliner Marke, der Kern der Marke ist Berlin. Sawade<br />

ist nicht modern, sondern zeitgemäß, Sawade ist elegant und hochwertig.<br />

Sawade ist exquisite Qualität und Sawade ist für Erwachsene.<br />

Weshalb betonen Sie das?<br />

Weil unsere Pralinen und Trüffel einen hohen Alkoholanteil haben,<br />

kein Thema für Kinder also. Um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen,<br />

wir haben den alten Schriftzug aus den 1940er Jahren<br />

wieder ausgekramt und ein völlig neues Verpackungskonzept entwickelt.<br />

Pralinen brauchen Ambiente.<br />

Herr Hübel, haben Sie einige Empfehlungen – Weihnachten steht<br />

vor der Tür.<br />

Unser Geheimtipp ist die Königin-Luise-Pastete. Sie besteht aus<br />

fünf Schichten – Edelmarzipan, Rum-Sahne-Trüffel, Mandel-Nougat,<br />

Nuss-Nougat, Blätterkrokant – ist mit zartbitterer Schokolade<br />

überzogen und dekoriert. Und natürlich gibt es eine hochwertige<br />

Verpackung. Oder, ein zweiter Tipp – unsere Weihnachtspastete,<br />

die ebenfalls aus fünf Schichten besteht, darunter Edelmarzipan,<br />

Mandel-Nougat, Maraschinokirschen. Auch die Weihnachtspastete<br />

hat eine neue, sehr edle Verpackung.<br />

Vielen Dank für das Gespräch.<br />

SAWADE GMBH<br />

Wittestraße 21e<br />

13509 Berlin-Reinickendorf<br />

Tel. 030 — 43 00 60<br />

www.sawade.berlin.de<br />

GARÇON<br />

69


GESCHMACKSSACHEN Der Hecht: Fisch des Jahres 2016<br />

Toller Hecht I<br />

DER FISCH DES JAHRES SCHWIMMT IM KULINARISCHEN ABSEITS<br />

VON CHRISTOPH AMELONG-HEIDEN<br />

Bereits Ende des vorigen Jahres gaben der Deutsche Angelfischverband,<br />

der Verband Deutscher Sporttaucher, das Bundesamt für<br />

Naturschutz und das Österreichische Kuratorium für Fischerei und<br />

Gewässerschutz bekannt: Der Hecht ist der Fisch des Jahres 2016.<br />

Der Grund für die Wahl des Esox lucius – so der wissenschaftliche<br />

Name eines der größten und bekanntesten heimischen Raubfische –<br />

war nicht die akute Gefährdung des Bestandes wie etwa bei Neunauge,<br />

Quappe oder Steinbeißer, sondern ein schleichendes Problem.<br />

Den Hechten gehen langsam die Laichplätze aus. Das sind krautreiche<br />

Flachwasserzonen an Fluss- und Seeufern, in denen sie im<br />

zeitigen Frühjahr ihre klebrigen Eier an die Wasserpflanzen heften<br />

können. Doch je häufiger Flüsse begradigt, Ufer befestigt und<br />

Auen trockengelegt werden, desto schwieriger wird es nicht nur<br />

für den Hecht, sich fortzupflanzen.<br />

„Nur wenn genügend intakte Ufer- und Auenbereiche entlang<br />

der Gewässer bestehen bleiben oder wiederhergestellt werden,<br />

können die Bestände des Hechtes sowie vieler weiterer Fischarten<br />

zukünftig in unseren Gewässern erhalten werden“, ließ dann auch<br />

das Bundesamt für Naturschutz verlauten und fügte hinzu, dass<br />

mit der Renaturierung ehemaliger Auen nicht nur dem Hecht wieder<br />

naturnaher Lebensraum gegeben, sondern auch ein wichtiger<br />

Beitrag zum Hochwasserschutz geleistet wird.<br />

70 GARÇON


Der Hecht: Fisch des Jahres 2016 GESCHMACKSSACHEN<br />

Joachim Lechler: Havelfischer.<br />

Diethers Hechtkreation zu probieren, muss man sich schon auf<br />

den Weg nach Estland machen.<br />

Dass der Hecht auf der kulinarischen Beliebtheitsskala unter<br />

„ferner liefen“ rangiert, bestätigen die Fischlieferaten der Berliner<br />

Gastronomie.<br />

Deutsche See, der Bremerhavener Branchenprimus, verkauft im<br />

Jahr 3.350 Kilogramm des Edelfisches – deutschlandweit wohlgemerkt.<br />

„In Berlin wird Hecht eher selten geordert“, heißt es in der<br />

Deutsche-See-Dependance auf dem Beusselmarkt, „höchstens<br />

vier, fünf Restaurants bestellen ihn“.<br />

Joachim Lechler, Binnenfischer im brandenburgischen Caputh,<br />

macht ähnliche Erfahrungen: „2016 haben wir bisher rund 500<br />

Kilogramm Hecht gefangen, tolle Fische, aber das Interesse der<br />

Berliner Küchenchefs hält sich in engen Grenzen.“ Also räuchert<br />

Lechler seinen Fang und verkauft ihn im eigenen Hofladen. „An<br />

Leute, die Ahnung haben“, sagt er.<br />

Kürzlich las ich lobende Worte des französischen Botschafters<br />

über das kulinarische Berlin. Das Einzige, was er wirklich vermisse,<br />

so Son Excellence Monsieur Philippe Etienne, sei sein Leibgericht:<br />

Quenelles de brochet, Hechtklößchen.<br />

Unser Tipp für den Diplomaten und Feinschmecker: Kreuzberg,<br />

Fichtestraße 31, Restaurant Herz & Niere. Wenn Küchenchef Christoph<br />

Hauser die delikaten Klößchen nicht auf der Karte hat, gibt es<br />

sie auf jeden Fall als Herz-&-Niere-Convenience.<br />

„Weck die Heimat“ – unter dieser Marke bringen Hauser & Co.<br />

„Gerichte Deiner Kindheit – frisch gekocht und eingeweckt“ an den<br />

Markt: Gaisburger Marsch, Königsberger Klopse, Rinderrouladen,<br />

Tafelspitz und eben Hechtklößchen. Natürlich ohne Geschmacksverstärker<br />

und Konservierungsstoffe oder was sonst noch bei dieser<br />

Kategorie Lebensmittel den Genuss versaut.<br />

Sicher ist die Herz-&-Niere-Hechtofferte nicht die einzige in Berlin<br />

und Brandenburg. Im Tradtionsgasthaus Bleske im Spreewaldstädtchen<br />

Burg gehört Hecht in Spreewaldsauce zum Standardangebot.<br />

Markus Semmler, Berliner Meisterkoch 2016, servierte den<br />

Gästen eines Charity-Events kürzlich einen anderen Klassiker: Hessischer<br />

Speckhecht (s.S. 97). Und im Facil stand jüngst Birnbaums<br />

Hecht auf der Karte, offenbar ein Hinweis auf die Herkunft des Fisches,<br />

nicht aber auf dessen Zubereitung (s.S. 72).<br />

Ansonsten bleibt nur die Erinnerung – beispielsweise an Dieter<br />

Müllers Hechtfilets, die der Altmeister in blanchierten Weißkohlblättern<br />

einpackte und mit Buttersauce und Wildreis auf die Teller<br />

brachte, an André Jaegers im Ganzen frittierten Hecht, den der<br />

„Erfinder“ der euro-asiatischen Küche in seiner Schaffhausener<br />

Fischerzunft mit Wasabi-Mousseline auftischte oder an Matthias<br />

Diethers first-floor-Zubereitung mit Dill und hechteigenem Kaviar.<br />

Doch Dieter Müller steht, inzwischen 68-jährig, nur noch beratend<br />

am Herd. André Jaeger schloss nach vierzig Jahren erfolgreicher<br />

Arbeit Anfang 2015 sein Restaurant, und um heute Matthias<br />

Uwe Hosang: Abteilungsleiter Fisch, Metro Cash & Carry.<br />

GARÇON<br />

71


GESCHMACKSSACHEN Der Hecht: Fisch des Jahres 2016<br />

Auch Uwe Hosang, Abteilungsleiter Fisch bei der Metro Cash & Carry<br />

in Friedrichshain, kennt die Abneigung vieler Gastronomen und<br />

Köche gegenüber dem Hecht. Zu viele Gräten, zu viel Arbeit.<br />

In einem der Becken neben Hosangs imposanter Fischtheke<br />

schwimmen zwei Exemplare des ungeliebten Hechtes. Kommentar<br />

des 29-jährigen Metro-Mannes: „Die werden garantiert alt hier.“<br />

Es ist der Zander, der dem Hecht im Regional-Ranking den Rang abgelaufen<br />

hat, obwohl dessen relativ geschmacksneutrales Fleisch<br />

dem kernig-aromatischen Hechtfleisch nicht das Wasser reichen<br />

kann. Aber: Der Zander hat eben nur wenige Gräten, die zudem<br />

selbst Hobbyköche mit ein paar Handgriffen entfernen können.<br />

Joachim Gerner, Küchenchef im Sternerestaurant Facil des Mandala-Hotels<br />

am Potsdamer Platz, teilt diese Einschätzung. Auch<br />

der 35-Jährige – Michael Kempf nennt ihn „einen absoluten Fischfachmann“<br />

– hält den Hecht für kulinarisch unterbewertet, ebenso<br />

wie den Karpfen übrigens.<br />

Birnbaums Hecht.<br />

„Der Hecht ist ein wunderbarer Fisch, wenn man mit ihm umgehen<br />

kann“, so Gerner. Der Mann aus dem oberösterreichischen Innviertel,<br />

der seine Berliner Karriere im längst verblichenen Gourmetrestaurant<br />

Quadriga begann und seit elf Jahren als „treuer Wegbegleiter“<br />

an der Seite von Michael Kempf im Facil am Herd steht, sieht<br />

die Sache „des Umgangs mit dem Hecht“ patriotisch: „Die meisten<br />

österreichischen Köche beherrschen den Y-Schnitt, mit dessen Hilfe<br />

man den Fisch von seinen Gräten befreit – und zwar völlig.“<br />

Es ist tatsächlich so: Filetiert ein Küchen-Meister aus dem Alpenland<br />

einen Hecht, müsste eigentlich immer der Kaiserwalzer gespielt<br />

werden (siehe auch Seite 77). Sieht man einem deutschen Koch bei<br />

der gleichen Arbeit zu, sollte es eher ein Trauermarsch sein.<br />

Die Hechte für das Facil kauft Gerner, ebenso wie andere Sterneköche<br />

auch, bei Fischzüchtern im oberbayerischen Epfenhausen.<br />

Der Name des Familienbetriebs: Birnbaum. Und so heißt es dann<br />

auch auf der Speisenkarte des Sternerestaurants schlicht: Birnbaums<br />

Hecht. Filets in Nussbutter gegart, dazu Brunnenkresse<br />

und Hechtsuppe, abgeschmeckt mit schwarzem Pfeffer und Kren.<br />

Übrigens: Sage und schreibe 25.100.000 Treffer meldet Google<br />

zum Stichwort Hecht, darunter immerhin 2.140 Rezepte. Ein besonders<br />

altes und einfaches fanden wir zudem in unserem Archiv.<br />

Es stammt aus den handschriftlichen Aufzeichnungen von Auguste<br />

Wilhelmine Friedérique Charlotte Fontane, Großmutter des<br />

Facil-Küchenchef Joachim Gerner.<br />

berühmten Brandenburg-Wanderers und Romanciers. Die Küchennotizen<br />

entstanden im Jahr 1795 und wurden 1904 unter dem Titel<br />

„Wie man in Berlin zur Zeit der Königin Luise kochte“ gedruckt.<br />

Vor allem gefiel uns jene knappe Bemerkung, die auch im Zeitalter<br />

hochgerüsteter Küchen keinen Deut an Aktualität verloren haben<br />

dürfte: „die qualité der Zuthathen, nicht quantité“.<br />

72 GARÇON


Jetzt<br />

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GESCHMACKSSACHEN Der Hecht: Fisch des Jahres 2016<br />

Toller Hecht II<br />

DIE KULINARISCHE SPURENSUCHE FÜHRT NACH MECKLENBURG<br />

VON JÖRG TEUSCHER<br />

74 GARÇON


Der Hecht: Fisch des Jahres 2016 GESCHMACKSSACHEN<br />

Der Fischer: Oliver Pahlke.<br />

Sicher, es gibt Gegenden mit klangvolleren Namen. Die Feldberger<br />

Seenlandschaft steht da ein bisschen abseits, zu Unrecht, keine<br />

Frage. Sie hält ein ausreichend großes Reservoir bereit, in dem<br />

Naturliebhaber, Stillesucher und Wanderfreunde mit Sicherheit ein<br />

Fleckchen finden, das ihren Intentionen entspricht. Dementsprechend<br />

euphorisch formulieren die Reiseführer: eine der schönsten<br />

Endmoränenlandschaften Europas, die beeindruckendsten Buchenwälder<br />

Deutschlands, seit 2011 UNESCO-Weltnaturerbe, versteckte<br />

Moore, glasklare Seen, ein Paradies des Nordens.<br />

Wir sind auf dem Weg nach Fürstenhagen, einem abgelegenen<br />

88-Einwohner-Dörfchen am Rande des Naturparks Feldberger Seenlandschaft.<br />

Die Anfahrt, straßentechnisch eine Zumutung, hat sich<br />

seit 2008 – da waren wir zum ersten Mal hier – keinen Deut gebessert,<br />

aber da muss man halt durch, wenn am Ziel ein kulinarischer Leuchtturm<br />

blinkt. Und das ist die Alte Schule Fürstenhagen mehr denn je.<br />

Vor acht Jahren starteten Florian Löffler, zuvor Küchenchef im<br />

VAU, und seine Partnerin Nadine Gala hier zu neuen Ufern, zwei<br />

Jahre später übernahmen Daniel und Nicole Schmidthaler, packten<br />

noch eine Schippe drauf und machten die Alte Schule zu einer<br />

der besten Adressen im Nordosten Deutschlands. Der Michelin-<br />

Stern, 17 Gault-Millau-Punkte und, na ja, zwei Feinschmecker-F<br />

begründen den Spitzenplatz ebenso, wie Daniel Schmidthalers<br />

Ehrung als Meisterkoch der Region 2016.<br />

„Hecht“, sagt uns der 35-jährige Küchenchef, „Hecht ist immer<br />

ein Thema, vorausgesetzt, Oli hat einen im Netz.“ Oli ist Oliver Pahlke,<br />

Binnenfischer und seit zwei Jahren Schmidthalers Fischlieferant.<br />

Der Koch: Daniel Schmidthaler.<br />

GARÇON<br />

75


GESCHMACKSSACHEN Der Hecht: Fisch des Jahres 2016<br />

76 GARÇON


Der Hecht: Fisch des Jahres 2016 GESCHMACKSSACHEN<br />

HECHT AUS DER SCHULSPEISUNG<br />

Rund 250 Kilogramm Hecht holt Oliver Pahlke jedes Jahr aus den<br />

acht Seen, die er als Binnenfischer bewirtschaftet. Die Fische<br />

werden nach der Ike-Jime-Methode geschlachtet, das heißt, dem<br />

Fangstress folgt eine Ruhephase in speziellen Becken, dann erst<br />

werden sie mit einem schnellen Stich in den Kopf getötet und bluten<br />

aus. „Ike Jime wirkt sich auf den Geschmack aus, das Fleisch<br />

der Fische wird cremiger, feiner“, so der junge Fischer.<br />

Auch in Schmidthalers Küche erfolgt dann der so genannte Y-<br />

Schnitt. „Ich versuche gar nicht erst, den Hecht nach herkömmlicher<br />

Methode zu filetieren und die Gräten dann mit einer Pinzette<br />

zu ziehen, ich schneide sie einfach weg“, so der Sternekoch. Gelernt<br />

hat er das bei seinem Landsmann Jörg Wörther, einst ein<br />

medial omnipräsenter Küchenkünstler aus Salzburg, um den es<br />

allerdings heuer still geworden ist.<br />

Die portionierten, haut- und grätenfreien Hechtfilets (tatsächlich<br />

haben wir in zwei Gerichten nicht mal den Hauch einer Gräte<br />

gefunden), röstet Daniel Schmidthaler kurz auf der Grillplatte an,<br />

um geschmacksstärkende Röstaromen zu erzeugen und ser viert<br />

sie mit leicht gedünsteten Blättern der Rosenkohlpflanze („dem so<br />

genannten Auswuchs an der Spitze des abgeernteten Strunkes“),<br />

halbierten und gegrillten Rosenkohlköpfen und einem säuerlichen<br />

Gemüse von der Zierquitte. Würze bekommt das Gericht durch geräucherten<br />

und getrockneten Hechtrogen und einige Tropfen Zitronenverbeneöl,<br />

in Rapsöl „ausgelaugter“ Zitronenverbene.<br />

Bravo, sagen wir, Schmidthalers Interpretation des meist als kulinarisch<br />

banal geschmähten Hechts belegt, wie einzigartig der Stil<br />

des junges Mannes am Herd der Alten Schule ist.<br />

GARÇON<br />

77


GESCHMACKSSACHEN Der Hecht: Fisch des Jahres 2016<br />

In unserem Haus ist jeder willkommen,<br />

der Gastlichkeit, Herzlichkeit<br />

und anspruchsvolles <strong>Essen</strong><br />

in lockerer Atmosphäre genießen<br />

möchte. In diesem Sinne freut es<br />

uns, dass wir zunehmend Zuspruch<br />

von der Generation U30 erhalten.<br />

Daniel Schmidthaler<br />

Nun geht es in der Fürstenhagener Alten Schule natürlich nicht nur<br />

um den Hecht, und allein des Fisches wegen hätten wir uns auch<br />

nicht auf den Weg gemacht, das überlassen wir gerne der Gourmet-Schickeria.<br />

Nein, bei Nicole und Daniel Schmidthaler geht es<br />

erstmal um zwei allzeit freundliche Menschen, die kennenzulernen<br />

schon ein Gewinn ist.<br />

Und es geht um ein Konzept, das wohl einen gewissen Einmaligkeitswert<br />

haben dürfte, zumindest in Deutschland. Zuerst allerdings<br />

wollen wir einem Mann Reverenz erweisen, den wir zwar<br />

nicht kennen, aber ohne den es weder die Alte Schule noch das<br />

zugehörige 18-Zimmer-Gästehaus geben würde und manches andere<br />

in Fürstenhagen und Umgebung auch nicht. Gemeint ist der<br />

Dortmunder Unternehmer Fritz Jaeger.<br />

Die Schulleiter: Nicole und Daniel Schmidthaler.<br />

78 GARÇON


Der Hecht: Fisch des Jahres 2016 GESCHMACKSSACHEN<br />

Unter dem Dach seiner Gut Conow Gruppe gibt es Land-, Forst-,<br />

Fisch- und Wildwirtschaft, die Gut Conow Landprodukte fertigt<br />

und vertreibt einen Trockenfleisch-Snack, der Conow Anhängerbau<br />

entwickelt und produziert Hänger für die Landwirtschaft, die Tom<br />

Sawyer Boats Floßboote. Das Telefonstudio WittCall hat sich auf<br />

Telefondienstleistungen für Markt- und Meinungsforschung spezialisiert,<br />

und das ist noch nicht mal alles. Jaeger schuf hunderte<br />

Arbeitsplätze in einer strukturschwachen Region und sanierte auch<br />

das alte Fürstenhagener Schulgebäude...<br />

Als der Österreicher Daniel Schmidtahler – nach Stationen in<br />

St. Christoph am Arlberg, Portals Nous auf Mallorca, Kitzbühel<br />

und Berlin – und Frau Nicole, gebürtige Mecklenburgerin, 2010 hier<br />

starteten, hatten sie eine gute Landküche im Blick, die ganzheitliche<br />

Verarbeitung regionaler Produkte, ein ordentliches Preis-<br />

Leistungs-Verhältnis, summa summarum eine „Genussküche“, wie<br />

Schmidthaler es nennt.<br />

Das, was so brav klang, entpuppte sich jedoch schnell als frische,<br />

ungemein anregende Küche regionaler Provenienz, selbstbewusst<br />

und zeitgemäß.<br />

Dazu gab es eine der spannendsten Weinbegleitungen im ganzen<br />

Nordosten und einen dermaßen herzlichen Service, dass man<br />

sich verwundert die Augen rieb und nicht glaubte, in Mecklenburg<br />

zu sein. Und so kam es, wie es Szenekenner erwarteten: Dass der<br />

Gast in der Alten Schule das angenehme Gefühl genießt, man wolle<br />

ihm einfach nur ein Maximum an kulinarischer Freude bereiten,<br />

war 2012 dem Michelin einen Stern wert.<br />

Im Service: Jana Wegner.<br />

GARÇON<br />

79


GESCHMACKSSACHEN Der Hecht: Fisch des Jahres 2016<br />

80 GARÇON


Der Hecht: Fisch des Jahres 2016 GESCHMACKSSACHEN<br />

Der Chef und seine Mitarbeiter...<br />

...Köchin Sandra Timmler und Ole Kreibig, Kochlehrling.<br />

Im September 2016 gab es wieder Applaus für Daniel Schmidthaler.<br />

Der 35-Jährige wurde zum Meisterkoch der Region gewählt.<br />

Die Begründung der Jury: „Er verfolgt eine individuelle kulinarische<br />

Philosophie, die Bodenständigkeit und Gourmetanspruch harmonisch<br />

vereint. Aus regionalen Produkten wie Fisch und Fleisch, die er zu 80<br />

Prozent von heimischen Erzeugern bezieht, kreiert er eine gehobene<br />

Landküche voller geschmacklicher Überraschungen“.<br />

Noch größer dürfte allerdings das Erstaunen der Alte-Schule-<br />

Gäste gewesen sein, als sie statt einer Menükarte eine freundliche<br />

Absichtserklärung in die Hand gedrückt bekamen. Motto: Wir kochen<br />

für Sie und geben unser Bestes (s.S.80).<br />

Nun war das keine Marotte eines flippigen Küchenkünstlers, sondern<br />

der Tatsache geschuldet, dass Schmidthaler nur das verarbeiten<br />

kann, was ihm seine Lieferanten bringen – und das sind nicht<br />

Deutsche See oder Rungis Express – beziehungsweise, was er selbst<br />

angebaut oder in Wald und Flur entdeckt hat: Wilder Meerrettich<br />

zum Beispiel oder Herbsttrompeten.<br />

Die suggestive Wirkung von Edelprodukten entfällt, das Handwerkliche<br />

tritt klar hervor, und darin ist Schmidthaler meisterlich.<br />

ALTE SCHULE FÜRSTENHAGEN<br />

Zur Alten Schule 5<br />

17258 Feldberger Seenlandschaft<br />

Tel. 039831 — 22 023<br />

www.hotelalteschule.de<br />

GARÇON<br />

81


ADVERTORIAL<br />

FRISCHER WIND<br />

AUF EIN WORT: FRISCHDIENST-BERLIN-GESCHÄFTSFÜHRER DR. JENS OLA<br />

ÜBER NEUE WEGE IN EINEM TRADITIONSUNTERNEHMEN<br />

82 GARÇON


ADVERTORIAL<br />

Herr Dr. Ola, Sie sind also der neue Besen bei Frischdienst Berlin?<br />

Das ist richtig, ich bin seit dem 1. September 2016 Geschäftsführer<br />

des Unternehmens. Ich will aber gleich hinzufügen, gekehrt wird<br />

bei uns gemeinsam, ich setze auf Teamwork.<br />

Man hört, dass Sie nicht der einzige Neue sind.<br />

Gut gehört, seit kurzem zählt auch Jörg Pöhlmann als Verkaufsleiter<br />

zur Frischdienst-Mannschaft. Ich glaube, ein bekannter Mann in<br />

der Berliner Lebensmittelbranche.<br />

Durchaus, aber man hört auch, dass bei Ihnen kein Stein auf dem<br />

anderen bleibt.<br />

Na ja, das ist ziemlich drastisch ausgedrückt. Richtig ist, dass wir<br />

neue Wege gehen und damit natürlich Zukunft sichern wollen.<br />

In welche Richtung?<br />

Wir sind dabei, uns vom bisher reinen Molkereiproduktelieferanten<br />

zum Frischelieferanten in allen Sortimenten zu entwickeln. Damit<br />

entsprechen wir den Wünschen von über 3.000 Kunden, die wir derzeit<br />

in Berlin, Brandenburg und den anderen ostdeutschen Bundesländern<br />

beliefern und stärken so unsere gastronomische Kompetenz.<br />

Was bedeutet das – Aufbau eines Frischesortiments?<br />

Bisher konnte man beim Frischdienst Berlin neben Molkereiprodukten<br />

wie Milch, Butter, Sahne, Joghurt, Quark, Käse usw. noch all das<br />

bestellen, was ein Hotelfrühstück sonst noch ausmacht, also auch<br />

Honige, Müslis, Säfte und Wiener Würstchen.<br />

Das jedoch genügt nicht mehr. Wir wollen unser Sortiment um<br />

Fleisch- und Wurstwaren, Obst, Gemüse und um einen gewissen<br />

Anteil Tiefkühlkost erweitern. Damit wollen wir sozusagen die Frische<br />

komplettieren und unseren Kunden die Möglichkeit geben,<br />

weitere Produkte gleich bei uns mitzukaufen. Lediglich beim Thema<br />

Fisch werden wir uns auf Räucher- und Tiefkühlware beschränken,<br />

da sind wir nicht Spezialisten genug.<br />

Wo werden Sie die neuen Produkte einkaufen?<br />

Wie bisher setzen wir beim Einkauf auf Regionalität, fassen den<br />

Begriff allerdings schon etwas weiter als manche Kollegen. Wir<br />

schließen neben dem Land Brandenburg auch Mecklenburg-Vorpommern<br />

mit ein, ebenfalls Regionen wie die Altmark, das Vogtland,<br />

den Thüringer Wald oder die Oberlausitz.<br />

Das sind immer noch kurze Transportwege, die unserer Vorstellung<br />

von Nachhaltigkeit entsprechen, weil sie nicht nur die Umwelt weniger<br />

belasten, sondern weil auch der Blick hinter die Kulissen für<br />

uns leichter ist.<br />

Eine ziemlich aufwendige Recherchearbeit.<br />

Keine Frage, zumal wir ganz bewusst nicht nur bei anderen Händlern,<br />

sondern direkt beim Produzenten einkaufen. Und da müssen<br />

wir einerseits über die Leistungsfähigkeit Bescheid wissen, also<br />

darüber, welche Mengen ein Landwirt etwa in welchem Zeitraum<br />

liefern kann, andererseits spielt natürlich die Qualität der Lebensmittel<br />

eine wichtige Rolle. Wir wollen eben wissen, ob zum Beispiel<br />

die Aufzucht von Tieren artgerecht erfolgt und die Schlachtung<br />

ethisch einwandfrei vonstatten geht.<br />

Wo sind Sie schon fündig geworden?<br />

Beispielsweise bei der Luckenwalder Fleischwaren GmbH, einem<br />

regionalen Produzenten, von dem wir Frischfleisch und Wurstwaren<br />

beziehen. Als jüngstes Beispiel möchte ich noch die Bauernkäserei<br />

Wolters in der Uckermark nennen, von der wir bereits einen<br />

Sortimentskarton mit sechs geschmacklich sehr verschiedenen<br />

Käsesorten in unser Angebot aufgenommen haben.<br />

Natürlich suchen wir weiter, sprechen mit jedem potenziellen Lieferanten<br />

und prüfen sein Angebot. Außerdem, weil Sie nach den<br />

Veränderungen gefragt haben, stärken wir schrittweise unsere<br />

Servicekompetenz.<br />

Was heißt das?<br />

Wir stellen unseren Vertrieb neu auf. Indem wir weg von der Spartenstruktur<br />

hin zu einer Regionalstruktur gehen, können wir mit unseren<br />

Gebietsverkaufsleitern noch schneller bei unseren Kunden<br />

sein und das Beratungsniveau, auch und vor allem im Hinblick auf<br />

unsere neuen Sortimente, wesentlich steigern.<br />

Hinzu kommt die weitere Flexibilisierung bei der Auftragsannahme<br />

und der Belieferung unserer Kunden. Schon jetzt können die Küchenchefs<br />

und andere Einkäufer aus Gastronomie, Hotellerie und Gemeinschaftsverpflegung<br />

bis spät in die Nacht hinein bei uns ihre Ware<br />

bestellen und bekommen sie innerhalb von 12 Stunden geliefert.<br />

Beusselstraße 44 n-q<br />

10553 Berlin<br />

Tel. 030 – 39 00 05-12<br />

www.frischdienst-berlin.de<br />

GARÇON<br />

83


GESCHMACKSSACHEN Eine Prise Heimat<br />

Brückenschläge<br />

DAS PROJEKT „EINE PRISE HEIMAT“<br />

VON MARC STEYER<br />

84 GARÇON


Eine Prise Heimat GESCHMACKSSACHEN<br />

Michael Kempf und Reza Ahmadi, v.re.<br />

Gefühlte 2.000 Kochbücher erscheinen jedes Jahr in Deutschland:<br />

regionale Küche, Länderküche, leichte Küche, schnelle Küche,<br />

Fernsehküche, Sterneküche. Viele dieser Bücher sind bunte Rezeptsammlungen,<br />

die uns weder schlanker noch klüger und deshalb<br />

auch keinen Spaß machen.<br />

„Eine Prise Heimat“ ist da anders. Ob es schlanker macht, das<br />

haben wir noch nicht getestet, klüger macht es auf jeden Fall und<br />

Spaß erst recht. „Eine Prise Heimat – A Pinch of House“ (das Buch<br />

ist in deutsch und englisch erschienen) dokumentiert Begegnungen<br />

von Spitzenköchen – darunter mit Sven Elverfeld, Sebastian<br />

Frank, Michael Kempf und Micha Schäfer vier aktuelle Sterneköche<br />

– mit Menschen aus Afghanistan, Syrien und anderen Ländern, die<br />

aus ihrer Heimat geflüchtet sind und jetzt in Deutschland leben.<br />

Da ist zum Beispiel Reza. Der 29-Jährige stammt aus dem Iran,<br />

lebte lange in Afghanistan und kam vor zwei Jahren nach Berlin.<br />

Hier fand er Arbeit als Schuhmacher. Für das Buchprojekt traf er<br />

mit dem 2-Sterne-Koch Michael Kempf zusammen.<br />

Das Ziel der beiden Männer – aus Rezas Familienrezepten jene<br />

herauszufinden, die sich „Für eine Prise Heimat“ eignen, die Gerichte<br />

zuzubereiten, Zutatenlisten und Kochanweisungen zu schreiben.<br />

„Es war eine spannende und inspirierende Arbeit“, so Kempf,<br />

„und ich habe viel über Gewürze und Gewürzmischungen gelernt.“<br />

Das Ergebnis: Linsenvariationen mit pochiertem Ei, Kartoffel-<br />

Reis-Kuchen mit Okraschoten und eine Safran-Limetten-Creme. Der<br />

Band enthält 43 Rezepte, die zum Nachkochen einladen und zum<br />

Nachdenken anregen. „Eine Prise Heimat“, zum Schenken schön.<br />

Unterstützer des Projektes: Sabine Hueck, ihr Mann Prof. Dr. Sérgio Costa, re. und Thomas Struck, Leiter des Kulinarischen Kinos der Berlinale.<br />

GARÇON<br />

85


GESCHMACKSSACHEN Eine Prise Heimat<br />

Lisa Thaens, 25, stammt aus Lutherstadt Wittenberg, studierte<br />

in Berlin International Business Management und gehörte 2014<br />

zu den Mitgründern von Über den Tellerrand e.V., einer Initiative,<br />

die sich für eine Gesellschaft aus Geflüchteten und Beheimateten<br />

einsetzt, in der sich alle mit ihren individuellen Fähigkeiten einbringen<br />

können. „Eine Prise Heimat – A Pinche of Home“ ist das<br />

dritte Kochbuch der Initiative. Projektleitung: Lisa Thaens.<br />

www.ueberdentellerrand.org<br />

Wie ist es zu dem Projekt „Eine Prise Heimat“ gekommen, Lisa?<br />

Wir haben vor einiger Zeit den Küchenchef Andreas Tuffentsammer<br />

kennengelernt und diskutiert, ob es möglich sei, etwa afghanische<br />

Gerichte auf Sterneniveau zu kochen. Ja, und dann entstand die<br />

Idee, Sterneköche und Geflüchtete am Herd zusammenzubringen...<br />

Und dann sind Sie losgezogen und haben Sterneköche gefragt, ob<br />

sie mitmachen?<br />

Na ja, erstmal wusste ich gar nicht, was das ist, ein Sternekoch. Von<br />

Michelin und so hatte ich noch nie was gehört. Das hat es leichter<br />

gemacht, solche Berühmtheiten wie Sven Elverfeld anzusprechen.<br />

Wie haben denn Elverfeld und Co. reagiert?<br />

Vielleicht war es meine Unbedarftheit, aber die meisten dieser Starköche<br />

haben sofort zugesagt. Ohne Wenn und Aber.<br />

Ohne über ein Honorar zu reden?<br />

Nur ein einziger Sternekoch aus Berlin hat, nachdem er sich das<br />

Anliegen angehört hatte, gesagt, dass er uns ein Angebot schreiben<br />

würde. Darauf haben wir natürlich verzichtet.<br />

Das heißt, Sven Elverfeld, Sebastian Frank, Michael Kempf, Micha<br />

Schäfer, Ralf Zacherl, Holger Zurbrüggen und die anderen<br />

Köche haben kein Honorar verlangt?<br />

Das heißt es, und dafür sind wir sehr, sehr dankbar. Dass sich nicht<br />

alles auf der Welt nur ums Geld dreht, beweist übrigens auch die<br />

Tatsache, dass Fotografen, Grafiker, Layouter und Übersetzer auf<br />

Honorare verzichtet haben und Sabine Hueck uns ihr Atelier Culinário<br />

kostenlos zur Verfügung gestellt hat.<br />

Vielen Dank für das Gespräch.<br />

Hobbykoch und Schuhmacher: Reza Ahmadi.<br />

Lisa Thaens und Julia Stein vom Sponsor Metro Cash & Carry, v.li.<br />

86 GARÇON


facebook.com/bossner.cigars<br />

twitter.com/BOSSNER_Cigars<br />

youtube.com/user/BossnerTV<br />

instagram.com/bossnercigars


ADVERTORIAL<br />

Mitte November eröffnet: Die BrewDog-Bar Berlin.<br />

Bier ist längst nicht mehr nur Männersache.<br />

GIB UNS CRAFT<br />

AUF EINEN FLOTTEN VIERER MIT DIPLOM-BIERSOMMELIER TORSTEN SPÖRL<br />

TREFFPUNKT: BREWDOG BERLIN-MITTE, ACKERSTRASSE 29<br />

Probieren geht über studieren: Der flotte Vierer.<br />

Vielfalt ist Programm: 30 Sorten aus 30 Zapfhähnen.<br />

88 GARÇON


ADVERTORIAL<br />

Craft-Beer-Professionals im Gespräch: Dean Pugh, der Mann mit<br />

dem Bart, 30, Engländer aus Darlington und Manager der ersten<br />

BrewDog-Bar Deutschlands, sowie Torsten Spörl, 50, geborener<br />

Berliner, diplomierter Biersommelier und Craft-Beer-Spezialist<br />

in Diensten der Preuss Münchhagen GmbH, einem der größtem<br />

Gastronomiefachhändler Deutschlands.<br />

Bei dem flotten Vierer handelt es sich hoffentlich um etwas Bieriges,<br />

Herr Spörl.<br />

Was dachten Sie denn? Was hier flotter Vierer heißt, bekommen Sie<br />

inzwischen in vielen Berliner Craft-Beer-Bars. Dabei handelt es sich<br />

meist um handliche Bretter mit vier Gläsern in Probiergröße. Eine<br />

ideale Sache, um die Biervielfalt der jeweiligen Bar zu erkunden.<br />

Weshalb eigentlich haben Sie ausgerechnet diese Location für<br />

unser Treffen ausgesucht?<br />

Zum einen ist die BrewDog-Bar hier in Berlin-Mitte die jüngste Errungenschaft<br />

der hauptstädtischen Craft-Beer-Szene. Zum zweiten<br />

steht es der Stadt meiner Meinung nach gut zu Gesicht, dass Brew-<br />

Dog, immerhin die größte moderne Craft-Brauerei Europas, die bereits<br />

in elf Ländern Filialen eröffnet hat, nun auch in Berlin präsent<br />

ist und die Gegend zwischen Bernauer und Torstraße biertechnisch<br />

belebt. Und drittens sind die Schotten unsere Kunden.<br />

Seit wann mischt denn Preuss Münchhagen im Craft-Beer-Geschäft<br />

mit?<br />

Erstmal: Craft Beer ist handwerklich gebrautes Bier mit eigenem<br />

Charakter und eigenen Geschmacksbildern. Häufig sind solche<br />

Biere Ergebnis eines – ich nenne es mal so – unkonventionellen<br />

Umgangs mit den Grundbestandteilen Hopfen und Malz. Ich habe<br />

vor fast zwanzig Jahren viele solcher Kreationen in so genannten<br />

amerikanischen Microbreweries probiert. Von dort aus schwappte<br />

die Craft-Beer-Welle dann nach Europa. Allerdings ist der Anteil<br />

solcher Charakterbiere am Biermarkt insgesamt noch ziemlich<br />

klein, in Berlin beispielsweise liegt er unter einem Prozent. Trotzdem<br />

haben wir bei Preuss Münchhagen Anfang September 2015<br />

Craft Beer in unser Programm aufgenommen.<br />

Verschiedene Sorten?<br />

Ja, wir sind mit rund 50 Sorten gestartet. Inzwischen können unsere<br />

Kunden aus 140 Bieren wählen, und wir sagen mit einigem<br />

Stolz, dass wir für jeden Anlass das passende Craft Beer haben.<br />

Ich persönlich etwa werde zum Jahreswechsel mit einem Strong<br />

Ale anstoßen, das mit Champagnerhefe vergoren wurde.<br />

Sie sprachen von knapp einem Prozent Marktanteil, Herr Spörl,<br />

wo sehen Sie denn das Craft Beer in der Zukunft?<br />

Ob es in absehbarer Zeit auch hierzulande die sagenhaften 15 Prozent<br />

Marktanteil erreichen kann wie in den USA, vermag ich nicht<br />

zu sagen. In unserem Unternehmen haben wir das Ziel so formuliert:<br />

Wenn jedes Lokal wenigstens eine Craft-Beer-Sorte im Angebot<br />

hat, besser noch zwei bis drei, dann hat sich die Pionierarbeit<br />

von Preuss Münchhagen gelohnt.<br />

Und was ist dafür zu tun?<br />

Wir müssen mit unseren Kunden noch mehr kommunizieren. Nehmen<br />

Sie zum Beispiel das Thema <strong>Essen</strong> und Bier. Hier hat Craft<br />

Beer noch viele Reserven. Probieren Sie doch mal ein Belgisches<br />

Triple oder einen Doppelbock zum Gänsebraten – einfach herrlich.<br />

Vielen Dank für das Gespräch.<br />

GARÇON<br />

89


KOPFSALAT Nina Quade<br />

Die Popcorn-Queen<br />

BESUCH BEI NINA QUADE IN FALKENSEE<br />

VON HANS-JÜRGEN BERGS<br />

90 GARÇON


Nina Quade KOPFSALAT<br />

Nina Quade flirtet mit der Kamera. Kein Wunder, die 44-Jährige hat<br />

an der Hochschule der Künste Design studiert und während ihrer<br />

Ausbildung dann und wann auch mal gemodelt, sie weiß also, wie<br />

man sich in Szene setzt.<br />

Nina Quade, die Popcorn-Queen. Popcorn? Dieser knuspernde<br />

Snack für eine mampfende Masse? Sie lächelt milde und zitiert den<br />

Gastrokritiker der Los Angeles Times: „Popcorn“, hatte der mal geschrieben,<br />

„befeuert den Gaumen wie ein Flipperautomat – mit einer<br />

unwiderstehlichen Geschmacks-Matrix, die sich so süß, scharf,<br />

geräuchert, knuspernd und salzig wohl kaum ein Suchtforscher<br />

hätte ausdenken können“.<br />

Ja, solche Sätze liest sie gerne. Schließlich ist sie nicht irgendeine<br />

Popcorn-Produzentin, sie macht Gourmet-Popcorn, Popcorn<br />

für Popcornaisseure.<br />

Es begann mit einem Schüleraustausch. Sie war 16 und flog nach<br />

Kanada. Und das Heimweh flog mit. „Caramel-Popcorn war mein<br />

bester Seelentröster“, sagt sie und vermutet, dass schon damals<br />

irgendetwas mit ihr passiert sein musste.<br />

Sie kam zurück nach Berlin, die Seele brauchte keinen Tröster<br />

mehr, doch das Virus hielt sich hartnäckig. Aber Deutschland war<br />

nun mal kein Popcorn-Land. Also startete die Gymnasiastin erste<br />

Experimente am eigenen Herd. Jugend poppt.<br />

Viel später hat sie diese Zeit mal ein bisschen poetisch-verklärt<br />

so beschrieben: „Meine Liebe zu Popcorn hat mich beim Erwachsenwerden<br />

begleitet, durch mein Studium an der Kunsthochschule,<br />

bei meiner Arbeit beim Film und als Fotografin, und als Mutter habe<br />

ich sie an meine Kinder weitergegeben.“ Immerhin war ihr ganzes<br />

Leben nicht nur Popcorn, sonst wären wohl die vier Kinder nicht da.<br />

GARÇON<br />

91


KOPFSALAT Nina Quade<br />

New York 1911: Just popped!<br />

KLEINE KNURPSGESCHICHTE<br />

Dass Popcorn aus Amerika stammt, ist unbestritten. Ob es allerdings<br />

peruanische Ureinwohner waren, die als Erste Maiskörner im<br />

Feuer platzen ließen, um sie den Göttern zu opfern oder nordamerikanische<br />

Indianer, da sind sich die Archäologen uneins. Keinen<br />

Streit gibt es darüber, dass die Puffmaiskörner, die bei verschiedenen<br />

Ausgrabungen gefunden wurden, rund 5.000 Jahre alt sind,<br />

wenn nicht sogar älter.<br />

Zum beliebten Snack avancierte das Popcorn erst im 19. Jahrhundert.<br />

1885 baute Charlie Cretors, ein Amerikaner, der be reits einen<br />

Erdnussröster erfunden hatte, die erste Popcornmaschine. Straßenhändler<br />

stellten sie auf Karren und zogen damit dort hin, wo Menschen<br />

sich versammelten. So wurde Popcorn zum ersten Streetfood. Schnell<br />

kam es auch ins Kino, sehr zum Leidwesen der Cineasten.<br />

Übrigens: Dass Deutschland erst nach dem Krieg auf den poppigen<br />

Snack kam, dürfte ein Stück aus dem Reich der Legenden sein.<br />

Unser Bild unten wurde 1924 von dem Berliner Presse-Fotografen<br />

Willy Römer aufgenommen. Es zeigt einen Straßenhändler, der in<br />

einem Glaskasten über offener Flamme Maiskörner röstet. Waren<br />

sie aufgeplatzt, kam Himbeersaft darüber. „Schneeflocken“ nannten<br />

die Kinder die süße Knabberei.<br />

Berlin 1924: Lecker Puffmais!<br />

92 GARÇON


Nina Quade KOPFSALAT<br />

Doch dann kam es, wie es wahrscheinlich irgendwann kommen<br />

musste. Nina Quade entschied, mit einer Popcorn-Bäckerei in die<br />

Selbstständigkeit zu starten. Ein besonders lauter Pop, der Urknall.<br />

Da sitzt sie nun im winzigen Büro ihrer Falkenseer Bäckerei und<br />

lächelt versonnen. „Wollen Sie sehen, wie's geht?“ Wir wollen, Nina<br />

Quade ist jetzt ganz die Bäckerin. „Der Mais ist gentechnikfrei und<br />

aus Frankreich“, erklärt sie, „und es geht nur mit dieser Sorte, normaler<br />

Mais würde verbrennen.“ Der besondere Mais popt in ihrer<br />

Maschine und in der Backstube breitet sich ein angenehmer Geruch<br />

aus, ein bisschen süß vielleicht...<br />

Was in ihrem amerikanischen Edelstahlgerät geschieht, ist Physik,<br />

5.Klasse vielleicht. Also: Ein Maiskorn setzt sich aus Stärke, Eiweiß<br />

und Wasser zusammen. Äußerlich ist das Korn trocken, innen<br />

jedoch hat es immer noch ein bißchen Wasser gespeichert. Werden<br />

die Körner nun erhitzt, wandelt sich dieses Wasser in Dampf, der<br />

sich ausdehnt. Der Druck im Korn nimmt zu bis es mit einem lauten<br />

Knall platzt. Gleichzeitig dehnen sich Stärke und Eiweiß auf ein<br />

Vielfaches aus – fertig ist das Popcorn.<br />

Gourmetqualitäten jedoch haben solche Körner natürlich nicht.<br />

Die bekommen sie erst durch Nina Quades Zutaten: Salz, Pfeffer,<br />

Chili, Ingwer, Karamell, Knoblauch, Kräuter, Minze, Schokolade.<br />

Geschmacksverstärker und Co. sind tabu. Der Suchtfaktor des<br />

ge sunden Snacks ist hoch: Auf der Internationalen Süßwarenmesse<br />

in Köln bekam die Popcorn-Queen aus Falkensee viel Lob.<br />

Deutschland wird wohl doch langsam zum Popcornland.<br />

POPCORN BAKERY<br />

Spandauer Straße 112<br />

14612 Falkensee<br />

Tel. 0151 — 18 82 64 00<br />

www.popcornbakery.de<br />

GARÇON<br />

93


KOPFSALAT Nina Quade<br />

Christmas Bliss nannte Popcorn-Queen Nina Quade ihre neueste Kreation, die sie so<br />

beschreibt: „Leichte, knusprig glasierte Popcornflocken glänzen mit dem ganzen Aroma<br />

frischen Lebkuchens, von Anis über Ingwer und Kardamom bis zum Zimt. Die warmen,<br />

weichen Weihnachtsaromen machen aus diesem leichten Knuspergenuss ein<br />

besonderes Vergnügen.“ Wir haben probiert und sagen: „Very blissful!“<br />

94 GARÇON


RAFFINIERT | HOCHWERTIG | LEGER<br />

HIGHLIGHTS<br />

GENIESSEN<br />

KREATIV | REGIONAL | BERLIN<br />

Falkensee, Bahnhofstraße 80: Die kleine Galerie.<br />

Ein Postskriptum ist nötig – es betrifft einen<br />

kleinen Laden in der Falkenseer Bahnhofstraße<br />

80.<br />

Äußerlich ein unscheinbares Allerweltsgeschäft,<br />

innen bunte Vielfalt: Kunst und<br />

Kunstgewerbe, Schmuck, Mode, Spielzeug,<br />

auch einige manufakturelle Lebensmittel<br />

und – das ist das Besondere dieser Offerte –<br />

alles Made in Falkensee. Dahinter verbirgt<br />

sich ein Netzwerk von Künstlern, Handwerkern<br />

und anderen Kreativen aus Falkensee<br />

und der näheren Umgebung, für die Kooperation<br />

zu Recht die billigste Investition darstellt.<br />

Immerhin 170 Mitglieder.<br />

Da ist zum Beispiel Ilka Buchholz, die<br />

seit sechs Jahren unter dem Label „Jakobskleider“<br />

Mode und Accessoires aus<br />

Wolle anfertigt – Strickjacken, Pullover,<br />

Mützen.<br />

Oder Nina Ullrich, ebenfalls Modedesignerin,<br />

deren schöne Schals und<br />

Loops für die ganze Familie handwerkliche<br />

Unikate sind.<br />

„Eine Fundgrube für wirklich individuelle<br />

Geschenke in Zeiten billiger<br />

Massenware“, lobt eine Kundin die<br />

vielfältigen Angebote der kleinen Galerie<br />

auf Zeit, die hier noch bis zum<br />

Jahresende 2016 verkauft werden –<br />

darunter natürlich auch die neusten<br />

Popcorn-Kreationen von Nine Quade.<br />

www.made-in-falkensee.de<br />

BUSINESS LUNCH<br />

IDEENREICHE DINNERKARTE<br />

JAZZ-BRUNCH AM SONNTAG<br />

Falkenseer Netzwerkerinnen: Ilka Buchholz, Nina Quade, Nina Ullrich v.re.<br />

RESTAURANT DUKE<br />

T: +49 (0)30 68 315-4000<br />

M: contact@duke-restaurant.com<br />

IM ELLINGTON HOTEL BERLIN<br />

NÜRNBERGER STRASSE 50-55 | 10789 BERLIN<br />

WWW.DUKE-RESTAURANT.COM


BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten<br />

GASTRO-GUIDES<br />

Ob er ihn im Blick hatte, das wissen wir nicht, aber jetzt ist er da,<br />

der zweite Michelin-Stern. Chapeau, Marco Müller! In einer Welt, in<br />

der andere abheben, wichtigtuerisch, größenwahnsinnig oder Alkoholiker<br />

werden, bleibt er ein geerdeter Mensch. Das zeichnet den<br />

Mann mindestens genauso aus wie seine Küche, die ohne jegliches<br />

Imponiergehabe auskommt und einfach nur beglückt.<br />

Alt Luxemburg: Karl Wannemacher und Susan Jendritzki.<br />

Rutz: Marco Müller.<br />

16 Jahre notierten die Gault-Millau-Tester für Karl Wannenmacher<br />

17 Punkte. Es folgten sechs Jahre mit 16 Punkten, aktuell sind es<br />

noch 15. Sicher geht deshalb die Welt nicht unter, Wannemachers<br />

schon gar nicht, aber vielleicht hätten die Berufsesser eine klitzekleine<br />

Begründung der erneuten Abwertung verlieren können. Liegt<br />

es echt daran, dass Wannemacher und seine Gemeinde den Sauseschritt,<br />

mit dem die Zeit in Berlin kulinarisch eilt, nicht miteilen?<br />

Gratulation zum ersten Stern an einsunternull-Küchenchef Andreas<br />

Rieger und seine Mannen, deren – Zitat aus dem Gault Millau – „regelrecht<br />

intellektuelle Kompositionen“ in beeindruckender Weise<br />

das Produkt hofieren und so viele neue geschmackliche Informationen<br />

geben. Damit wird nach dem Nobelhart & Schmutzig ein<br />

zweites Berliner Restaurant höchstbewertet, das den anhaltenden<br />

Trend zur Regionalität konsequenter verfolgt als andere.<br />

Altes Zollhaus: Herbert Beltle und Günter Beyer, v.li.<br />

einsunternull: Andreas Rieger.<br />

Eine Frage, die man sich auch im Alten Zollhaus stellt, das die<br />

Gault-Millau-Menschen gleich ganz aus dem Guide gekegelt haben.<br />

Ist denn Haute Hausmannskost, wenn sie handwerklich perfekt<br />

und alles andere als provinziell gemacht und mit jenem Kick<br />

versehen ist, der beim Gast Zufriedenheit erzeugt, wirklich nicht<br />

mal mehr der Erwähnung wert? Ist kulinarische Verlässlichkeit dermaßen<br />

out, dass sie flugs aus dem Guide verbannt werden muss?<br />

96 GARÇON


Nachrichten und Neuigkeiten BOUQUET GARNI<br />

NATUR-WEIN<br />

Raw steht für „in natürlichen Zustand, weder durch maschinelle<br />

noch durch andere Prozesse bearbeitet.“ Raw Vegetables, Rohkost,<br />

ist ein alter Hut. Gemessen daran, steckt Raw Wine, Naturwein,<br />

noch in den Kinderschuhen und bietet viel Diskussionsstoff.<br />

Das zeigte sich auch auf der zweiten Weinmesse Raw Wine, die<br />

am letzten Novembersonntag in der Markthalle Neun in Kreuzberg<br />

stattfand. In einem sind sich die Branchenkenner immerhin einig:<br />

Ein kurzlebiger Trend ist der Raw-Wine-Boom nicht.<br />

„Aus meiner Sicht wird diese Bewegung mit absoluter Sicherheit<br />

auch in Zukunft eine große Bedeutung haben“, so der Berliner<br />

Sommelier Jürgen Hammer in der Novemberausgabe der Zeitschrift<br />

Ess Press. „Allerdings“, so Hammer, „dass Naturwein der bessere<br />

Wein sei, würde ich ganz klar verneinen.“ Das bestätigte auch die<br />

Verkostung etlicher Gewächse während des Messetages. Nur weil<br />

Raw auf dem Etikett steht, ist der Wein in der Flasche nicht automatisch<br />

besser als ein konventionell erzeugter Rebensaft.<br />

Markthalle Neun: Weinmesse Raw Wine.<br />

Szenekenner: Sommelier Jürgen Hammer.<br />

Macht’s euch g’mütlich!<br />

Im Maximilians – Friedrichstr. 185<br />

www.maximiliansberlin.de<br />

© magdal3na


BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten<br />

Gewonnen hat das Deutsche Herzzentrum: Markus Semmler, Ulla Kock am Brink, Ralf Zacherl, Ruth Moschner, v.li.<br />

Ein bisschen Wein muss sein: Prof. Dr. Joachim Photiadis,<br />

Dr. Stephan Jacobs und Martin Hartweg von Vini del Mondo, v.li.<br />

COOKING BATTLE<br />

Tue Gutes und rede darüber. Ganz viel Gutes taten die Berliner Spitzenköche<br />

Markus Semmler und Ralf Zacherl sowie die Moderatorinnen<br />

Ulla Kock am Brink und Ruth Moschner, natürlich gemeinsam<br />

mit vielen Gästen. Um deren Stimmen „kämpften“ am ersten<br />

Dezembermittwoch Semmler und Zacherl, die von den prominenten<br />

Fernsehfrauen sowie Ärzten des Deutschen Herzzentrums<br />

Berlin unterstützt wurden. Zwei Teams, zwei Kochstationen, zwei<br />

Menüs und die Frage: Welches schmeckt besser?<br />

Seit wackere Küchenbullen die TV-Kanäle bevölkern, heißt sowas<br />

„Cooking Battle“. Am Ende des Tages gab's natürlich auch einen<br />

Sieger: Zacherl/Moschner und ihr Kalbstafelspitz hauchdünn vor<br />

Semmler/Kock am Brink und dem Speckhecht. Wichtiger als das<br />

war aber wohl ein Scheck über 20.000 Euro, ausgestellt zu Gunsten<br />

des Deutschen Herzzentrums. Chapeau!<br />

www.kochkunst-ereignisse.de<br />

So sehen Sieger aus: Ruth Moschner und Ralf Zacherl.<br />

Kampf mit dem Hecht: Ulla Kock am Brink, Markus Semmler<br />

und Prof. Dr. Joachim Photiadis<br />

98 GARÇON


Udo Walz: „Wenn Bier, dann nur Sulzbacher Schlösslebräu.“<br />

WALZ-BIER<br />

„Man sieht es mir vielleicht nicht an, aber<br />

ich esse gern.“ Mit diesem Satz beginnt<br />

das Berlin-Buch des berühmtesten Friseurs<br />

der Hauptstadt.<br />

Udo Walz empfiehlt darin die Blauen Zipfel<br />

im Florian, den Käse-Schinken-Toast im<br />

Café Einstein, die Kekse, die es im Adlon<br />

zum Tee gibt und Cynthia Barcomis Chocolate-Espresso-Cheesecake.<br />

Nun hat der Coiffeur und Connaisseur<br />

ein eigenes Bistro-Café eröffnet – Q 32,<br />

Uhlandstraße mit Kudammblick. Da gibt<br />

es zwar weder Adlon-Kekse noch Florian-<br />

Zipfel und auch der berühmte Chocolate-<br />

Espresso-Cheesecake der Fernsehköchin<br />

und Bistrobetreiberin aus USA ist fern –<br />

dafür aber kann man ein feines französisches<br />

Frühstück genießen, ausserdem<br />

diverse Lunchofferten, Salate, Sup pen,<br />

Quiches, Tartes, Torten, Sandwiches, natürlich<br />

viel Vegetarisches.<br />

„Maultaschen wären noch ganz schön“,<br />

hören wir am Nachbartisch. Aber echt<br />

gute Maultaschen sind schwer zu kriegen.<br />

Und so bleibt`s erstmal bei schwäbischem<br />

Bier – Sulzbacher Schlösslebräu<br />

von Andreas Walz. Der Bruder des Meisters<br />

betreibt in Sulzbach an der Murr, auf<br />

halbem Weg zwischen Stuttgart und Heilbronn,<br />

eine Hausbrauerei.


Ostseeurlaub – Zeit zum Genießen<br />

In der Yachthafenresidenz Hohe Düne erwartet Sie eine Hotelanlage der Extraklasse mit liebevoll<br />

eingerichteten Zimmern und Suiten, der paradiesischen Wohlfühlwelt Hohe Düne SPA,<br />

einer stilvollen Shopping-Passage und insgesamt zwölf Restaurants und Bars.<br />

Genießen Sie den traumhaften Blick auf den exklusiven Yachthafen und das offene Meer.<br />

Erleben Sie erstklassige Kulinarik mit unserem Arrangement<br />

„Gourmet-Traum Hohe Düne“ ab 365 € p. P.<br />

(2 Übernachtungen im DZ)<br />

Wir freuen uns auf Sie!<br />

Weitere tolle Angebote fi nden Sie unter hohe-düne.de<br />

Yachthafenresidenz Hohe Düne GmbH Am Yachthafen 1 18119 Rostock-Warnemünde Tel. 0381 / 50 400 Fax 0381 / 50 40 - 60 99 E-Mail info@yhd.de


Terra Madre Turin KULINARISCHE EXKURSION<br />

Benvenuti a<br />

Terra Madre<br />

NOTIZEN VON DER INTERNATIONALEN SLOW-FOOD-MESSE 2016 IN TURIN<br />

VON JÖRG TEUSCHER<br />

GARÇON<br />

101


KULINARISCHE EXKURSION Terra Madre Turin<br />

Slow Food, eine internationale Organisation mit rund 100.000 Mitgliedern<br />

und über einer Million Anhängern in 160 Ländern, setzt<br />

sich für eine gute, saubere und faire Lebensmittelproduktion ein.<br />

Gut, sauber und fair für die Produzenten, die Verbraucher und natürlich<br />

auch für die Umwelt.<br />

Die größte internationale Veranstaltung der Organisation trägt<br />

den Titel Terra Madre Salone del Gusto und findet seit 1996 aller<br />

zwei Jahre in Turin statt – 2016 war das vom 22. bis zum 26. September.<br />

Rund 7.000 Delegierte aus 143 Ländern – darunter auch<br />

120 aus Deutschland – diskutierten an diesen Tagen die wichtigs-<br />

102 GARÇON


Terra Madre Turin KULINARISCHE EXKURSION<br />

te Herausforderung für die Zukunft: unseren Planeten zu ernähren,<br />

ohne ihn zu zerstören.<br />

Ole Syndicus, Manager im Berliner Restaurant Restlos Glücklich,<br />

in dem mit Produkten gekocht wird, die andernorts in der<br />

Tonne landen, war Mitglied der deutschen Delegation. Sein Fazit:<br />

„Eine tolle Veranstaltung, viel spannender Gedankenaustausch,<br />

beispiels weise über eins der wichtigsten Slow-Food-Themen – den<br />

Schutz der Vielfalt unserer Lebensmittel.“<br />

Garcon sah sich im Turiner Valentino Park um, in dem hunderte<br />

handwerkliche Lebensmittelerzeuger ihre Produkte vorstellten.<br />

GARÇON<br />

103


KULINARISCHE EXKURSION Terra Madre Turin<br />

Wie die Offerte von Slow Food Deutschland im Turiner Parco del<br />

Valentino zustande kam, wissen wir nicht und natürlich auch nicht,<br />

weshalb sie so bescheiden, um nicht zu sagen mickrig, ausfiel.<br />

Neben zwei Brauereien und einem Stand der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft<br />

Schwäbisch Hall, Retter der ältesten deutschen<br />

Sattelschweinrasse, präsentierten Ölmüller aus dem Bliesgau das<br />

Öl des Leindotters, wiederum ein paar Meter weiter hatte Detlef Werner<br />

aus Hennigsdorf seine mobile Knoblauchräucherei in Stellung<br />

gebracht (s. Interview S.105), ja, und das war's dann auch schon.<br />

104 GARÇON


Terra Madre Turin KULINARISCHE EXKURSION<br />

Detlef Werner, genannt „Janosch“, stammt aus Hennigsdorf bei Berlin.<br />

Der 56-jährige Elektromonteur und Schienenfahrzeug-Inbetriebnehmer<br />

bei Bombardier wurde 2004 arbeitslos, gründete eine mobile<br />

Räucherei und spezialisierte sich auf das Räuchern von Knoblauch.<br />

www.mobile-raeucherei.de<br />

Es ist nicht ganz leicht, bei Ihnen einen Termin zu bekommen,<br />

Herr Werner.<br />

Das wird sicher auch bei anderen Einzelunternehmern und Alleinunterhaltern<br />

so sein, gerade jetzt vor Weihnachten. Ich bin auf<br />

dem Sprung nach Bremen, dann geht’s nach Stuttgart, und an den<br />

Adventswochenenden baue ich meinen Stand auf dem Markt am<br />

Schloss Liebenberg auf.<br />

Überall räuchern Sie Knoblauch?<br />

Ich räuchere Knoblauch, verkaufe meine Spezialität, spreche über<br />

ihren ernährungsphysiologischen Wert im Besonderen und über gesunde<br />

Ernährung im Allgemeinen.<br />

Damit haben Sie auch Slow Food Deutschland auf der Terra Madre<br />

Ende September 2016 in Turin vertreten. Erfolgreich?<br />

Turin war ein Mega-Erfolg für mich, tolle Begegnungen, super Gespräche,<br />

sogar Carlo Petrini war an meinem kleinen Stand und hat Räucherknoblauch<br />

verkostet. Am vierten Messetag war ich ausverkauft.<br />

Also rundum zufrieden?<br />

Schön wär´s.<br />

Nanu?<br />

Ich bin ein Kleinstproduzent und hätte mir ein bisschen Unterstützung<br />

gewünscht.<br />

Von wem und wobei?<br />

Zum Beispiel von Slow Food Deutschland – etwa bei der Standmiete<br />

oder bei der Organisation einer preiswerten Übernachtungsmöglichkeit<br />

in Turin. Aber nix war´s.<br />

Ich musste die 300 Euro Miete pro Tag selbst aufbringen, habe sieben<br />

Nächte in meinem Auto geschlafen, und auf ein Dankeschön<br />

für mein Engagement warte ich bis heute. Das alles hat mich schon<br />

ziemlich enttäuscht.<br />

Aber ich lasse mich davon nicht unterkriegen und mache trotzdem<br />

weiter. Mein Produkt ist gut und meine Botschaft ist es auch.<br />

Vielen Dank für das Gespräch.<br />

Schmeckt nach Erbsen und Spargel: Leindotteröl aus der Ölmühle Bliesransbach.<br />

GARÇON<br />

105


KULINARISCHE EXKURSION Terra Madre Turin<br />

Glücklich, wer so viel zu bieten hat. Felix Austria. Aus Wien kamen<br />

die Thum-Metzger, deren – nach einem über 150 Jahre alten Verfahren<br />

aus dem Fleisch von Mangalitza- und Turopoljeschweinen<br />

erzeugten Schinkenspezialitäten – weltberühmt sind. Engagierte<br />

Bauern aus dem niederösterreichischen Waldviertel präsentierten<br />

das Waldstaudekorn, eine alte, geschmacksstarke und inhaltsstoffreiche<br />

Roggenart, die derzeit eine Renaissance erlebt. Und dann<br />

war da noch die Leithaberger Edelkirsche aus dem Burgenland in<br />

vielfältiger Verarbeitung (s. Interview S.107).<br />

106 GARÇON


Terra Madre Turin KULINARISCHE EXKURSION<br />

Rosi Strohmayer, 64, stammt aus Feldkirch im Bundesland Vorarlberg,<br />

lernte Tischlerin und kam des Berufs und der Liebe wegen<br />

1978 ins Burgenland. Seit neun Jahren ist sie Obfrau des Vereins<br />

Leithaberger Edelkirsche, der sich für die Erhaltung, Vermehrung<br />

und Verarbeitung der alten Kirschsorten in der nordburgenländischen<br />

Region Leithaberg nahe des Neusiedler Sees einsetzt.<br />

www.genussquelle.at<br />

Wie fällt die Bilanz Ihres Auftritts in Turin aus, Frau Strohmayer?<br />

In jeder Hinsicht positiv. Das Interesse der Besucher für unsere<br />

Produkte war beeindruckend, die Anerkennung für unsere Arbeit<br />

überwältigend. Und das wiederum ist eine große Motivation für uns<br />

und unsere Partner. Und eine Chance für unsere alten Kirschsorten.<br />

Brauchen die denn eine?<br />

Absolut. Schauen Sie, in der Zwischen- und Nachkriegszeit des<br />

20. Jahrhunderts standen in unserer Gegend am nordwestlichen<br />

Ufer des Neusiedler Sees noch rund 15.000 Kirschbäume. Halboder<br />

Hochstämme. Weil sie für den modernen Obstbau zu arbeitsintensiv<br />

sind, wurden immer wieder welche gerodet. Nun gibt es<br />

nur noch 5.000 Bäume verschiedener lokaler Sorten. Die wollen wir<br />

erhalten und, wo möglich, vermehren.<br />

Welche Sorten sind das denn?<br />

Es sind acht lokale Kirschsortenraritäten, alle mit weichem Fleisch<br />

und dünner Schale und nur begrenzt lager- und transportfähig.<br />

Wenn die Sorten so arbeitsintensiv und kaum zu lagern oder zu<br />

transportieren sind, weshalb betreiben Sie den ganzen Aufwand?<br />

Gegenfrage. Haben Sie zum Beispiel schon mal eine Joiser Einsiedekirsche<br />

probiert?<br />

Nein, an den eigenwilligen Namen könnte ich mich sicher erinnern.<br />

Am meisten, denke ich, würden Sie sich wahrscheinlich an die<br />

intensive Aromatik sowie den süßen, angenehm würzigen Geschmack<br />

erinnern. Und das betrifft nicht nur die Joiser Einsiedekirsche,<br />

die in Österreich übrigens zur Streuobstsorte des Jahres<br />

2017 gewählt wurde, sondern auch die anderen Sorten, etwa die<br />

Frühbraune aus Purbach, die Windener Schwarze oder die Donnerskirchner<br />

Blaukirsche.<br />

Kommen Sie doch einfach am 1. und 2. Juni 2017 zum Internationalen<br />

Kirschenfest nach Graz, dort finden Sie auch die Leithaberger<br />

Edelkirsche und überzeugen Sie sich!<br />

Vielen Dank für das Gespräch.<br />

GARÇON<br />

107


KULINARISCHE EXKURSION Terra Madre Turin<br />

Das „Japan-Zelt“ gehörte im Turiner Valentino Park wohl zu den<br />

eindrucksvollsten und deshalb meistbesuchten Offerten der Terra<br />

Madre Salone del Gusto 2016. Yoshi Tezuka, ein bekannter Sushi-<br />

Meister aus Tokyo, demonstrierte die perfekte Zubereitung der<br />

japanischen Appetithappen, die Millionenstädte Kobe und Sapporo<br />

präsentierten sich als Gourmetmetropolen und – last but not<br />

least – boten an gleich fünf Ständen Lebensmittelproduzenten der<br />

Präfektur Ishikawa ihre traditionell hergestellten Produkte zur Verkostung<br />

an (s.S.110).<br />

Präsentierte sich in Turin als Gourmetmetropole: Kobe.<br />

108 GARÇON


Terra Madre Turin KULINARISCHE EXKURSION<br />

Remi Ie, 39, wurde auf Japans Tropeninsel Okinawa Hontō geboren,<br />

studierte in den USA Volkswirtschaft und an der Slow-Food-Universität<br />

im norditalienischen Pollenzo Gastronomische Wissenschaften.<br />

Seit Anfang 2016 leitet sie Slow Food Japan als Direktorin.<br />

www.slowfood.com<br />

Es gab viel Lob für die Exposition von Slow Food Japan hier im Park<br />

Valentino. Sind Sie selbst denn auch selbst zufrieden, Frau Ie?<br />

Japan war zum ersten Mal mit einer so großen Gruppe auf der Terra<br />

Madre vertreten – insgesamt zählte sie 122 Delegierte, die auch<br />

bei vielen Foren und Diskussionen aufgetreten sind – das hat mich<br />

schon ein bisschen glücklich gemacht. Wichtiger ist mir allerdings,<br />

dass die Slow-Food-Idee in Zukunft in meiner Heimat noch stärkere<br />

Beachtung findet. Dafür wird es im kommenden Jahr auch endlich<br />

eine Website und ein Online-Slow-Food-Journal geben. Sie sehen<br />

also, dass wir noch einiges zu tun haben, um Slow Food Japan nach<br />

vorn zu bringen.<br />

Wie viele Mitglieder hat denn die Organisation derzeit in Japan?<br />

Aktuell haben wir rund 400 Mitglieder – Unternehmen, Produzenten<br />

also, und Einzelpersonen.<br />

Was haben Sie sich für das kommende Jahr vorgenommen, Frau<br />

Ie, welche Ziele haben Sie im Blick?<br />

Wie ich schon sagte, wir wollen die Slow-Food-Idee in Japan populärer<br />

machen. Das Gedankengut unserer traditionellen Philosophie<br />

hat viel mit Slow Food gemeinsam – Leben im Einklang mit der<br />

Natur, Respekt vor ihren Ressourcen. Leider ist mit der Globalisierung<br />

viel davon verloren gegangen, wir wollen es wieder erwecken.<br />

Können Sie ein Beispiel nennen?<br />

Nehmen Sie die Bienen, die traditionell in Japan für die Bestäubung<br />

und die Honigproduktion eine große Bedeutung haben. Mit der Einführung<br />

von amerikanischen und europäischen Bienen werden die<br />

angestammten Völker zurückgedrängt und sterben aus, weil Biene<br />

eben nicht gleich Biene ist. Das wiederum hat negative Auswirkungen<br />

auf den Kreislauf der Natur. Slow Food Japan plant dazu 2017<br />

eine sogenannte „Let it Bee“-Konferenz. Wir haben auch die Arche<br />

des Geschmacks im Blick, die Probleme der Fischerei und wir wollen<br />

uns um den Nachwuchs in der Landwirtschaft kümmern.<br />

Vielen Dank für das Gespräch<br />

Die offiziellen Vertreter der Präfektur Ishikawa in Turin: Koji Yamade, Shinichiro Minato und Naoki Moriyama, v.re.<br />

GARÇON<br />

109


KULINARISCHE EXKURSION Terra Madre Turin<br />

Die Präfektur Ishikawa liegt auf der Insel Honshū in der Mitte Japans,<br />

rund 350 Kilometer von der Hauptstadt Tokyo entfernt und<br />

ist mit dem Shinkansen in zweieinhalb Stunden zu erreichen. Die<br />

Hauptstadt Kanazawa, im Mittelalter Residenz des mächtigen Maeda-Klans,<br />

zählt heute 457.000 Einwohner und ist eine moderne Großstadt<br />

mit vielen Sehenswürdigkeiten (www.kanazawa-tourism.com).<br />

Die Präfektur ist berühmt für ihre Lebensmittelproduktion und<br />

eine traditionelle Regionalküche der Samurai-Zeit, die sogenannte<br />

Kaga-Küche, zu deren Spezialitäten Fischgerichte und Eintöpfe<br />

gehören. Große Bekanntheit erlangte auch das Kunsthandwerk<br />

der Präfektur, etwa das Blattgoldschlagen und die Lackmalerei.<br />

Regierungschef ist seit 1994 Gouverneur Masanori Tanimoto.<br />

Gouverneur Masanori Tanimoto.<br />

Vielen Dank für die Möglichkeit, mit Ihnen dieses Interview zu<br />

führen, Herr Gouverneur.<br />

Bitte sehr, ich freue mich, mit einem Reporter aus Deutschland zusammenzutreffen,<br />

weil, wie ich höre, bei Ihnen zu Hause das Interesse<br />

an Japan, japanischen Lebensmitteln und japanischer Küche<br />

immer größer wird.<br />

Zumindest für Berlin kann ich das bestätigen. Spielte das auch<br />

eine Rolle, weshalb die Präfektur Ishikawa mit so vielen Ausstellern<br />

zur Terra Madre in Turin angereist ist?<br />

Natürlich, wir haben uns vor allem internationale Aufmerksamkeit<br />

für unsere traditionell und manufakturell hergestellten Produkte<br />

erhofft und haben sie auch bekommen.<br />

Welche Produkte haben Sie da im Blick?<br />

Die Präfektur Ishikawa gilt als eine Schatzkammer Japans. Das<br />

betrifft den Reisanbau ebenso wie die Herstellung von Miso, Sake,<br />

Soyasauce und anderer fermentierter Produkte. Unser Klima und<br />

das besonders klare Wasser aus dem Inneren des Berges Haku befördern<br />

die Fermentationsprozesse und letztlich die Qualität der<br />

Produkte. Außerdem gibt es in der Präfektur Ishikawa eine besondere<br />

Art der Salzgewinnung.<br />

Geht es dabei um Meersalz?<br />

Es handelt sich um Natursalz, das am Strand der Stadt Suzu gewonnen<br />

wird. Das Salz wir aus dem Sand des Strandes ausgewaschen.<br />

Sie haben auch das Agriturismo Il Casone besucht, weshalb?<br />

Wir wollen nicht nur in Europa die Produkte unser Lebensmittelmanufakturen<br />

präsentieren, um sie vielleicht zu exportieren, sondern<br />

wir haben auch nach Erfahrungen gesucht, wie wir einen sanften<br />

Tourismus entwickeln können. Das Agriturismo Il Casone in der<br />

Toskana verbindet agrarische Produktion mit einem sehr hochwertigen<br />

Hospitalityangebot. Eine solche Form kann ich mir auch für<br />

Ishikawa vorstellen.<br />

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Gouverneur.<br />

Besuch auf dem Agriturismo Il Casone 1729 in der Toskana .<br />

Erinnerungsfoto mit den Inhabern Alexander und Andrea Lehmann.<br />

110 GARÇON


RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb<br />

Dieter und Marcus Fuhrmann.<br />

Wenn in Berlin oder Brandenburg die weißen<br />

7,5-Tonnen- Kühltransporter mit dem<br />

Zeichen der Kirsche Hotels, Krankenhäuser,<br />

Kantinen oder Res taurants ansteuern,<br />

heißt es bei den Küchenchefs dort<br />

meist kurz und knapp: Fuhrmann kommt.<br />

Dieter Fuhrmann, Chef des gleichnamigen<br />

Fruchtgroßhandels und der Grand<br />

Old Man seines Berufsstandes in Berlin,<br />

gehört zu den kenntnisreichsten Männern<br />

seiner Branche. Lieber klein, dafür fein —<br />

mit diesem Motto startete er 1977 auf einem<br />

Charlottenburger Hinterhof ins Obstund<br />

Gemüsegeschäft.<br />

1980 Umzug auf den Fruchthof an der<br />

Beusselstraße, 1996 Eintritt seines Sohnes<br />

Marcus in die Firma, 2007 Übernahme<br />

einer neuen Kühlhalle.<br />

Inzwischen beschäftigen die Fuhrmänner<br />

28 Mitarbeiter, die mit 18 Kühltransportern<br />

rund 500 Produkte ausliefern,<br />

pünktlich, zuverlässig und in hoher Qualität.<br />

Von A wie Artischocke bis Z wie Zitronengras.<br />

Für unser <strong>Magazin</strong> Garcon stellen die<br />

beiden Großhändler Dieter und Marcus<br />

Fuhrmann im Wechsel ihre Früchte vor.<br />

Heute: Knollensellerie<br />

FUHRMANNS FRÜCHTEKORB<br />

TOLLE KNOLLE<br />

VON DIETER FUHRMANN<br />

Was fällt einem Mann meines Alters beim<br />

Thema Sellerie zuerst ein? Natürlich der<br />

Klas siker schlechthin: Waldorf-Salat.<br />

In den 1920er Jahren im legendären<br />

New Yorker Waldorf-Astoria-Hotel kreiert,<br />

ist er heute offenbar megaout. Die sternekochende<br />

Generation Y rümpft die Nase, fermentiert<br />

Selleriewurzeln, frittiert Sellerieschalen,<br />

röstet Selleriegrün und serviert<br />

Sel lerieeis. Waldorf, nein danke.<br />

Lediglich im Waldorf Astoria Berlin gibt es<br />

den Salat aus Stangen- und Knollensellerie,<br />

süßen und sauren Äpfeln, karamel lisierten<br />

Walnüssen, roten Trauben, schwarzen Nüssen<br />

und einer hausgemachten Ma yonnaise,<br />

jedoch nur auf der Karte des Roomservices.<br />

Das Gourmetrestaurant Les Solistes by<br />

Pierre Gagnaire übrigens schloss Anfang Dezember,<br />

Küchenchef Roel Lintermans bleibt<br />

aber in Berlin. Der 38-jährige Belgier wechselte<br />

als kulinarischer Direktor ins Landwehr-Radczun-Gastroimperium,<br />

das mit Grill<br />

112 GARÇON


Fuhrmanns Früchtekorb RUBRIKEN<br />

Roel Lintermans...<br />

...und sein Waldorf-Salat á la Waldorf Astoria Berlin, aufgenommen im September 2016.<br />

Royal, Petit Royal, Pauly Saal und Dóttir eine Dimension erreicht<br />

hat, die wohl einen Oberaufseher braucht.<br />

Damit zurück von den Köpfen zu den Knollen, meinem eigentlichen<br />

Thema. Der Sellerie, ein Doldengewächs und beispielsweise<br />

mit der Mohrrübe verwandt, ist eine uralte Kulturpflanze. Im alten<br />

Ägypten war sie Grabbeigabe der Könige, im antiken Griechenland<br />

diente ihr Laub als Siegerkranz erfolgreicher Weltkämpfer und Homer,<br />

der erste Dichter des Abendlandes, feierte Selinon, den Sellerie,<br />

in seiner Odyssee als Lieblingsgemüse der Zauberin Kalypso.<br />

Seit dieser Zeit haftet der Knolle auch der Ruf eines Aphrodisiakums<br />

an, bewiesen wurde das jedoch nie.<br />

Belegt ist dagegen der gesundheitliche Wert der Knolle. Sie enthält<br />

erhebliche Mengen der Vitamine A, C und E, viele Mineral- und<br />

Ballaststoffe sowie ätherische Öle, in denen wiederum sogenannte<br />

Phthalide vorkommen, die für das typische Selleriearoma verantwortlich<br />

sind. Besonders stark ausgeprägt ist es übrigens in<br />

der Wildform des Selleries, die früher vor allem auf salzhaltigen<br />

Wiesen an der Nordseeküste verbreitet war, heute allerdings kaum<br />

noch zu finden ist. Liebhaber des würzigen Geschmacks kommen<br />

auch bei älteren Sorten, etwa „Bergers weißer Kugel“, auf ihre Kosten;<br />

neuere Sorten, „Monarch“ zum Beispiel, schmecken milder,<br />

nussartiger. Generell gilt: Je weißer das Fleisch der Knolle, desto<br />

geringer deren typische Aromatik.<br />

Ob so oder so, das ist sicher Geschmackssache – auf jeden Fall<br />

ist Knollensellerie ein grundehrliches Wurzelgemüse, das auch<br />

Spitzenköche schätzen: Matthias Gleiß zum Beispiel, der eine gegrillte<br />

Zanderbacke von Sellerie in drei Texturen begleiten lässt.<br />

www.dieter-fuhrmann.de<br />

GARÇON<br />

113


RUBRIKEN Kulinarische Nachlese<br />

Johannes Mohr und Swen Kernemann-Mohr, v.re.<br />

„Trotz Internet und Fernsehküche – Kochbücher<br />

bleiben ein Kulturgut“, davon sind<br />

Johannes Mohr und Swen Kernemann-<br />

Mohr überzeugt.<br />

Die beiden Männer zogen im Januar 2010<br />

aus dem Ruhrpott nach Berlin und betreiben<br />

seitdem in einem restaurierten<br />

Altbau-Souterrain in Berlin-Mitte, in der<br />

Nähe des Rosenthaler Platzes, Deutschlands<br />

vermutlich größtes, auf jeden Fall<br />

aber Berlins einziges Kochbuchantiquariat.<br />

Rund 60.000 Titel aus zweieinhalb<br />

Jahrhunderten umfasst ihre Bibliotheca<br />

Culinaria. Neben bibliophilen Ausgaben,<br />

etwa von Auguste Escoffier, stehen büttengedruckte<br />

Originale, handgeschriebene<br />

Unikate, kulinarische Enzyklopädien,<br />

<strong>Magazin</strong>e und Zeitschriften, Promikochbücher<br />

von Sophia Loren bis Vico Torriani,<br />

Kriegs- und Nachkriegskochbücher.<br />

„Das Stöbern in diesem Fundus ist<br />

immer auch eine Art besonderer Geschichtsstunde“,<br />

sagen die Antiquare.<br />

Nun stöbern Johannes Mohr und Swen<br />

Kernemann-Mohr sozusagen auch öffentlich.<br />

Für Garcon blättern sie in Kochbüchern<br />

aus vergangenen Zeiten und notieren,<br />

was sie dabei bewegt.<br />

KULINARISCHE NACHLESE<br />

IN ALTEN KOCHBÜCHERN GEBLÄTTERT<br />

VON JOHANNES MOHR UND SWEN KERNEMANN-MOHR<br />

Berliner Küche<br />

Berlin-Information<br />

DDR 1080 Berlin<br />

Neustädtische Kirchstraße 3<br />

Redaktion: Bernd Dochow / Brigitte Schmidt<br />

Zubereitung der Speisen: Fritz Masche,<br />

Chefkoch im Interhotel „Stadt Berlin“<br />

Kuchen und Gebäck: Bäckermeister<br />

Jürgen Schaaf, Berlin<br />

November 1983<br />

114 GARÇON


Kulinarische Nachlese RUBRIKEN<br />

Meist finden wir beim Blättern in alten Kochbüchern Lesezeichen,<br />

häufig sind es Einkaufszettel, manchmal Fahrscheine, seltener Visitenkarten.<br />

In diesem Bändchen entdeckten wir zwischen den Seiten 148<br />

und 149 ein Kalenderblatt: Sonntag, 16. Juni, auf der Rückseite die<br />

erste Strophe eines Eichendorff-Gedichtes. Das Internet macht´s<br />

möglich – Sonntag, der 16.Juni, das war der 16. Juni 1985.<br />

Fünf Tage zuvor fand auf der Glienicker Brücke der größte Agentenaustausch<br />

der Nachkriegsgeschichte statt. Ob die Kochbuchleserin<br />

– wir vermuten, es war eine Frau, weil sich in der DDR, wie wir<br />

oft hören, Männer selten fürs Kochen begeisterten – ob sie also je<br />

von diesem Ereignis erfuhr, das wissen wir nicht. Wir wissen nur,<br />

dass sie sich für das Holsteiner Schnitzel interessierte, denn dieses<br />

Gericht ist mit einem kleinen Kreuz gekennzeichnet. Und zwei<br />

Zutaten sind unterstrichen: Lachs und Kaviar...<br />

Wieviele Kochbücher in der DDR gedruckt wurden, darüber gibt<br />

es keine Angaben. Gemessen an dem, was in unseren Regalen<br />

steht, dürften es nicht allzu viele gewesen sein: „Wir kochen gut –<br />

1.000 mehr als erprobte Rezepte für den Haushalt, zusammengestellt<br />

unter Berücksichtigung der modernen Ernährungslehre“,<br />

erschienen 1968 im Leipziger Verlag für die Frau war wohl der Klassiker,<br />

eine Art DDR-Mini-Dr.Oetker (Dr.Oetker´s Schulkochbuch erschien<br />

1927, 1. Auflage: 600.000 Exemplare, das wird „Wir kochen<br />

gut“ wohl nicht auf die Waage gebracht haben.)<br />

Dann ist da noch „Unser großes Kochbuch – Vom Frühstück bis<br />

zum Abendbrot“, erschienen 1970, ebenfalls in Leipzig.<br />

Aufgefallen ist uns, dass 1968 noch Produkte wie Seezunge,<br />

Steinbutt, Languste aufgeführt und Rezepte aus Finnland, Frankreich,<br />

Holland abgedruckt wurden – zwei Jahre später nichts mehr<br />

davon. Woran das wohl gelegen haben mag?<br />

Jutta Voigt, die 2008 das wirklich lesenswerte Buch „Der Geschmack<br />

des Ostens“ herausbrachte, hat eine Antwort: „Was es in<br />

der DDR nicht gab, durfte nicht existieren, um keine ‚künstlichen<br />

Bedürfnisse‘ zu wecken.“<br />

Der Band „Berliner Küche“, erschienen 1983, kommt da nicht in<br />

Verlegenheit. Seezunge, Steinbutt und Langusten gehörten auch<br />

in Westberlin nicht zu den Produkten, derer sich die Berliner Küche<br />

rühmen durfte.<br />

Da wie dort war die Fleischeslust das Seligmachende, dort wohl<br />

noch mehr. Die Zahlen kennen wir: Der Pro-Kopf-und-Jahr-Konsum<br />

an Fleisch lag in der DDR bei sagenhaften 96 Kilogramm, und wenn<br />

wir schon mal bei Statistiken sind – bei Butter waren es 15,7 Kilogramm,<br />

hinzu kamen noch 53 Kilogramm Zucker und 307 Eier. Pro<br />

Kopf. Da war die DDR also tatsächlich Weltspitze.<br />

Bibliotheca-Culinaria<br />

Zehdenicker Straße 16<br />

10119 Berlin-Mitte<br />

Tel. 030 – 47 37 75 70<br />

www.bibliotheca-culinaria.de<br />

Gerhard Redlich, Küchenchef im DDR-Interhotel Stadt Berlin (1988).<br />

GARÇON<br />

115


RUBRIKEN Marktnischen<br />

Berlin-Wedding 1926: Der Toppmarkt.<br />

Wochenmärkte haben in Berlin eine lange<br />

Tradition. Der erste urkundlich erwähnte<br />

Markt ist der Spandauer, bereits im Stadtgründungsdokument<br />

vom 7. März 1232 wird<br />

er genannt. Im benachbarten Berlin sind<br />

der Molkenmarkt und der 1728 von Friedrich<br />

Wilhelm I. per Kabinettsbeschluss<br />

ge schaffene Gendarmenmarkt die wichtigsten<br />

öffentlichen Verkaufsplätze für<br />

Butter, Eier, Honig, Käse, Korn und Wolle.<br />

Deren Zahl stieg mit der Zeit zunehmend,<br />

so gab es 1882 innerhalb der Stadtgrenzen<br />

19 Wochenmärkte mit rund 10.500<br />

Marktständen, die jedoch mit dem Bau<br />

der Markthallen wieder verschwanden.<br />

1952, die meisten Markthallen waren<br />

zerstört, forderte der Regierende Bürgermeister<br />

Ernst Reuter: „Vor's Rathaus gehört<br />

ein Markt!“ Er meinte das Rathaus<br />

Schöneberg und beendete mit seinem<br />

Machtwort eine jahrelange Diskussion um<br />

den wichtigsten Wochenmarkt Berlins.<br />

Heute gibt es wieder rund 120 Wochenmärkte<br />

in Berlin – nicht nur vor Rathäusern<br />

– die sich wachsender Beliebtheit erfreuen.<br />

Unter der Rubrik „Marktnischen“<br />

stellt Garcon Händler vor, deren Offerten<br />

auch eine weite Anreise wert sind.<br />

BERLINER MARKTNISCHEN<br />

ENTDECKUNGEN ZWISCHEN ARMINIUSHALLE UND MAYBACHUFER<br />

Das Bild links zeigt eine Zitrone, allerdings<br />

eine besondere Zitrone – auch wegen ihrer<br />

Größe und des Gewichts – die Frucht<br />

ist 17 Zentimeter lang, mißt 10 Zentimeter<br />

im Durchmesser und wiegt 740 Gramm –<br />

vor allem aber wegen ihres Geschmacks.<br />

Intensiv aromatisch mit einer feinen süßlichen<br />

Note. Selbst die gegenüber herkömmlichen<br />

Zitronen dickere weiße Schale<br />

ist essbar. Ihr Name: Amalfizitrone, be nannt<br />

nach der gleichnamigen Küste am Golf von<br />

Salerno, südlich von Neapel.<br />

Angebaut werden diese Zitrusfrüchte<br />

heute nicht mehr nur in Kampanien, sondern<br />

auch in der noch südlicheren Provinz<br />

Kalabrien und auf Sizilien.<br />

Dass man sie auf dem Wochenmarkt<br />

am Karl-August-Platz kaufen kann, ist das<br />

Verdienst von Benedicta von Branca, die<br />

eigentlich aus München kommt, in Wien<br />

Malerei studierte, 1990 nach Brandenburg<br />

fand, fünf Jahre später den Zwölf-Hektar-<br />

116 GARÇON


Marktnischen RUBRIKEN<br />

Benedicta von Branca: „Wir sind italophil.“<br />

Hof am Weinberge in Bornow bei Beeskow<br />

übernahm und in Berlin wegen ihrer Leidenschaft<br />

für ein beliebtes Nachtschattengewächs<br />

als „Tomatenfrau“ bekannt wurde.<br />

„Wir sind italophil“, sagt die 53-jährige<br />

Demeterbäuerin. Den Plural benutzt sie aus<br />

familiären Gründen – ihre Mutter stammt<br />

aus dem Schweizer Tessin, dessen Bevölkerung<br />

italienisch spricht, ihr Mann hat in Modena<br />

studiert und sie selbst liebt das Land,<br />

wo die Zitronen blühen, seit ihrer Kindheit.<br />

Vor Jahren lernte Benedicta von Branca<br />

während eines Besuchs auf der größten<br />

Mittelmeerinsel am Ende Europas einen Bio-<br />

Bauern kennen, man wurde handel s einig,<br />

und seitdem liefert Angelo Amore aus Pachino<br />

amalfitanische Zitronen, Cheri moyas – so<br />

genannte Rahm-Zimt-Zuckeräpfel – Kohlrabi,<br />

Palmkohl, verschiedene Tomatensorten<br />

und anderes Gemüse nach Bornow, ohne<br />

Groß- und Zwischenhandel.<br />

Von Benedicta von Brancas Hof auf den<br />

Charlottenburger Markt ist es dann nur ein<br />

Katzensprung. Die Kunden jedenfalls freut's<br />

und die Bio-Gärtnerin erklärt gern, was es<br />

mit ihrem Italo-Angebot auf sich hat.<br />

Wochenmarkt auf dem Karl-August-Platz<br />

Berlin-Charlottenburg<br />

Mittwoch, 8.00 – 13.00 Uhr<br />

Samstag, 8.00 – 14.00 Uhr<br />

www.tomatenfrau.de<br />

Sizilien zum Zweiten. Zehn Stände von<br />

Benedicta von Brancas sizilianischer<br />

Obst- und Gemüseofferte entfernt,<br />

bie ten Pietro Nicotra, Vincenco Costanca<br />

und Georgia Coluccia neben sizilianischen<br />

Feinkostprodukten auch<br />

dieses Olio Extra Vergine di Oliva an.<br />

Es stammt aus der kleinen Kooperative<br />

Agrestis, die Pietros Eltern vor<br />

Jahren gründeten, wurde aus bereits<br />

im September 2016 in Höhenlagen<br />

von über 600 Metern geernteten,<br />

also noch grünen Oliven der Sorte<br />

Tonda Iblea gepresst und gehört zum<br />

Besten, was Süditalien an Olivenöl zu<br />

bieten hat.<br />

Selbst die überaus strengen und<br />

vor allem unbestechlichen Merum-Tester<br />

aus Lamporecchio um Jobst von<br />

Volckamer vergaben zwei von drei<br />

mög lichen Herzen und damit das Prädikat<br />

„Olio molto buono“.<br />

Besonders stolz sind Pietro Nicotra<br />

und seine Mitstreiter – allesamt<br />

Studenten in Berlin – darauf, dass<br />

Slow Food Italia im Mai 2016 die nachhaltig<br />

erzeugten Olivenöle individueller<br />

Kleinproduzenten in den Rang<br />

eines Presidios erhob und damit eine<br />

deutliche Grenze zwischen solchen<br />

Charakterölen und der industriellen<br />

Mas senware zog.<br />

Siziliessen GbR<br />

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117


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Die Berliner Küche ist eine bescheidene<br />

und überschaubare Angelegenheit. Das<br />

beweisen auch die heimischen Kochbücher.<br />

Es gibt zwar ein gutes Dutzend<br />

Titel, ihre Sollstärke erreichen sie aber<br />

nur, weil sie solche Rezepte wie das einer<br />

Hackepeter-Schrippe auf einer vollen<br />

Seite ausbreiten oder die Zubereitung<br />

von Soleiern in der gleichen Ausführlichkeit<br />

beschreiben.<br />

Dabei stammen etliche der angeblich<br />

Urberliner Gerichte nicht mal aus Berlin –<br />

der sogenannte Stolze Heinrich zum Beispiel,<br />

eine Bratwurst, die in einer plörrigen<br />

Biersauce serviert wird.<br />

Wir wollen heute wissen, wo dieses Re -<br />

zept seinen Ursprung hat.<br />

A in Pommern<br />

B in Schlesien<br />

C in Thüringen<br />

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Das Original seit 1846<br />

HERAUSGEBER<br />

Yvonne Weinlich (V.i.S.d.P.)<br />

REDAKTION<br />

Petra Leonhardt (Leitung)<br />

Hans-Jürgen Bergs, Heiko Gralki, Corinna Hängele, Marc Steyer,<br />

Wolf-Dietrich Strobel<br />

Christoph Amelong-Heiden, Katarzyna Kasprowicz (Praktikanten)<br />

AUTOREN UND KOLUMNISTEN<br />

Uwe Ahrens, Philipp Besinger, Fritz Lloyd Blomeyer, Stephan Falke,<br />

Peter Frühsammer, Dieter Fuhrmann, Marcus Fuhrmann, Shoko Kono,<br />

Renate Peiler, Ulrike Piecha, Jörg Teuscher, Marion Wiese<br />

GRAFIK UND LAYOUT<br />

Melanie Budinger<br />

mail@melanie-budinger.de<br />

www.melanie-budinger.de<br />

TITEL UND ILLUSTRATIONEN<br />

Karin Clauß<br />

www.karindrawings.de<br />

FOTOS<br />

Heiko Gralki, Jörg Teuscher, Archiv Garcon, Sawade GmbH (1/S.4 unten),<br />

Viktoria Kniely privat (3/S.8; 2/S.9), Tourismusschulen Bad Gleichenberg<br />

(3/S.8; 2/S.22 Mitte; S.23 oben re.), Josef Neulinger privat (1/S.12 Mitte),<br />

Johanna Neubert (1/S.32), Moritz Borowski privat (1/S.38), Alte Überfahrt<br />

Werder/Havel (4/S.60; S.61), Gunter Daniel (1/S.70), Restaurant Facil (1/S.72<br />

oben), Agentur für Bilder zur Zeitgeschichte – ABZ – Berlin (2/S.92 unten; S.116)<br />

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BEZUGSHINWEISE<br />

Zu beziehen im Zeitschriftenhandel oder im Abonnement. Einzelheftbestellung:<br />

Jedes Heft kostet 6,00 Euro, zuzüglich 1,45 Euro Versandkosten pro Sendung.<br />

Bezahlung nach Erhalt der Rechnung oder im Lastschrifteinzugsverfahren. Alle<br />

Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung<br />

bedarf der Zustimmung des Verlages. Aufnahme in Online-Dienste, Internet und<br />

Vervielfältigung auf Datenträgern nur nach schriftlicher Bestätigung des Verlages.<br />

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