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Ausgabe Nr. 61 | 2022| 6 €

essen, tRinKen & leBensaRt

patiO | ORa | BaR BRass | Kantine ZUKUnFt | JUGenD BacKt

haVellanD eXpRess | seRhat aKtas | elena chechenDaieVa

1


Kurz nach Beginn des Angriffskrieges Russlands gegen

die Ukraine im Februar 2022 reiste die seit zwölf Jahren in

Berlin lebende Künstlerin und Fotografin Mila Teshaieva in

ihre Heimatstadt Kyjiw. Ihr dabei entstandenes Tagebuch,

das zuerst auf der Internetplattform dekoder. org veröffentlicht

wurde, enthält persönliche Aufzeichnungen aus den

ersten Kriegsmonaten in Wort und Bild. Gemeinsam mit Mila

Teshaieva haben wir Fotos und Notizen ausgewählt und daraus

kurzfristig die Ausstellung „Splitter des Lebens. Ein Ukraine-

Tagebuch“ organisiert.

elisabeth tietmeyer, Direktorin des Museums

europäischer Kulturen, Berlin-Dahlem

Als mich Freunde zur Eröffnung dieser Ausstellung einluden,

habe ich zuerst gezögert, ich wollte nicht noch mehr Krieg in

meine Gedanken lassen. Dann habe ich aber doch zugesagt

und es nicht bereut. An keinem Tag seit meiner Flucht am 28.

Februar waren mir die Heimat und mein bei der Verteidigung

von Mariupol gefallener Bruder Ivan so nahe wie in dieser

Ausstellung.

elena chechendaieva, Konditorin und Unternehmerin

aus charkiw (s. auch s. 94)

Ich sah eine junge Frau – Elena Chechendaieva, wie ich später

erfuhr – die still vor meinen Bildern stand und weinte. Ich ging

zu ihr. Es ist in dieser Zeit natürlich nicht leicht, die richtigen

Worte für etwas zu finden, das einen im Grunde nur sprachlos

machen kann. Ich sagte ihr den sinnlosen Satz, den ich

in Kyjiw jedem gesagt habe, den ich traf: „Alles wird gut.“ In

diesem Satz gibt es ein Moment der Nichtakzeptanz dessen,

was geschieht. Nichtakzeptanz als Überlebensinstinkt. Alles

wird gut – in Elenas Fall half meine eher hilflose Bemerkung

auch, Tränen zu trocknen.

Mila teshaieva, Künstlerin, Mitglied der agentur Ostkreuz

Die Künstlerin und die Konditorin:

Mila teshaieva und elena chechendaieva, v. li.


• Mise en place

Liebe Freunde,

das mit Sandsäcken geschützte Bronzemonument des ukrainischen

Kosakenhetmans Petro Konaschewytsch-Sahaidatschnyj auf dem Kyjiwer

Kontraktowa-Platz – ein ausgebrannter russischer Kampfpanzer in einem

Wald bei Irpin – drei Männer an einer Barrikade aus Autoreifen und Betonteilen

… stille Bilder, aufgenommen von Mila Teshaieva.

Die 1974 in Kyjiw geborene und aufgewachsene Künstlerin, die seit

zwölf Jahren in Berlin lebt und Mitglied der renommierten Agentur Ostkreuz

ist, war wenige Tage nach dem russischen Einmarsch in ihre Heimat

gereist, um dort das Leben im Krieg zu dokumentieren. Vier Wochen

später notierte sie: „Jeden Tag denke ich, dass das, was schon passiert ist, das Schlimmste ist, was

geschehen konnte, mehr geht nicht. Und dann bricht ein neuer Tag an.“ Sie war in Butscha und Irpin

und sah, wozu Militärs fähig sind, deren einziges Gesetz die Gesetzlosigkeit ist, die jegliche ethische

Normen missachten und deren Führung der Welt zynisch den Mittelfinger zeigt. „Nasrat’“ lautet ein in

Russland beliebter Slogan: „Wir scheißen darauf“…

Kyjiw, 27. März 2022

Kyjiw Oblast, 3. April 2022

Gemeinsam mit den Kuratoren des Museums Europäischer Kulturen wählte Mila Teshaieva achtzehn

ihrer Fotos und die zugehörigen Tagebuchaufzeichnungen aus – sie bilden die Ausstellung „Splitter des

Lebens“, die noch bis zum 15. Januar 2023 zu sehen ist (MEK, 14195 Berlin-Dahlem, Arnimallee 25).

Ihre Yvonne Weinlich

Herausgeberin

weinlich@bildart-verlag.de

3


Inhalt

MISE EN PLACE

TITEL

the CORD & Co.

Der EUREF-Campus kulinarisch

36

Restaurantschiff Patio

Spitzenküche mit Spreeblick.

06

the CORD & Co.

Der EUREF-Campus kulinarisch.

LOKALTERMIN

Restaurantschiff Patio 36

Spitzenküche mit Spreeblick

GESCHMACKSSACHEN

Berliner Teller 53

Serviert in der Bar Brass

ORA 43

Austern aus der Apotheke

Jugend backt 60

Meisterlicher Bäckernachwuchs

Havelland Express 50

30 Jahre im Dienst des Genusses

Anaïs Causse empfiehlt: 70

Uivo Aqua Nat

Kantine Zukunft 73

Aufbruch zu neuen Ufern

Von wegen igitt 75

Die Mensa der Waldorfschule Berlin-Mitte

43 ORA

Austern aus der Apotheke.

53

Berliner Teller

Serviert in der Bar Brass.

Mein Lieblingsmesser 83

150 Jahre Windmühlenmanufaktur

Kostproben 84

4


75

Von wegen igitt

Die Mensa der Waldorfschule Berlin-Mitte.

Bar Raval

MÉS QUE UN BAR

Tapas • Vinos • Catering

Te vienes

de tapas con nosotros

por España?

60

Jugend backt

Meisterlicher Bäckernachwuchs.

KOPFSALAT

Serhat Aktas 86

Der Weinlobbyist

86

Serhat Aktas

Der Weinlobbyist.

Elena Chechendaieva 94

„Wir wollten nur noch weg…“

RUBRIKEN

Fuhrmanns Früchtekorb 102

Die Brombeere

Kulinarische Nachlese 106

In alten Kochbüchern geblättert

Garçon-Quiz 110

94

Impressum 110

Elena Chechendaieva

„Wir wollten nur noch weg.“

Ab dem 1. Juni zeigen wir euch

alle drei Wochen eine neue Region

Spaniens mit Aperitif, besonderen

Tapas und typischen Weinen.

Bar Raval

Lübbener Straße 1 • 10997 Berlin

+49 30 53 16 79 54 • hola@barraval.de

www.barraval.de

5

barravalberlin


• Titel Campus kulinarisch

Der Maler war ein scharfer Beobachter und ein Chronist seiner Zeit.

In Dutzenden Bildern hielt er die Industriemetropole Berlin von der

Jahrhundertwende bis zum Ende der Weimarer Republik fest: Eisenbahnen,

Mietskasernen, Fabrikanlagen, der Alltag der Arbeiterschicht

waren seine bevorzugten Themen.

Dass der Schöneberger Gasometer und dessen Umgebung so

oft Gegenstand seiner Bilder wurden, liegt daran, dass Baluschek

jahrelang in unmittelbarer Nachbarschaft des zwischen 1908 und

1910 erbauten stählernen Riesen wohnte, der damals zu den drei

größten Gasometern Europas gehörte.

Cheruskerstraße 5, Vorbergstraße 5, Akazienstraße 30, Hauptstraße

34 / 35 – das waren Hans Baluscheks Schöneberger Adressen.

Und auch von seinem späteren Atelier in den Ceciliengärten aus hatte

er einen Blick auf die Bahngleise, das Gaswerk und den Gasometer…

1946, elf Jahre nach Hans Baluscheks Tod, wurde das Gaswerk

Schöneberg abgeschaltet, der Gasometer allerdings weiter als

Gasspeicher genutzt – bis die GASAG 1995 auf Fernversorgung

mit Erdgas umstellte. 2007 schließlich verkaufte das Unternehmen

das Industriedenkmal an die EUREF AG. Es avancierte zum Wahrzeichen

des neuen Schöneberger Campus, auf dessen Gelände es

inzwischen – unser Thema – auch gute Gastronomie gibt.

Hans Baluschek wurde 1870 als Sohn eines Eisenbahningenieurs

in Breslau geboren, sechs Jahre später zog die Familie nach Berlin.

Baluschek besuchte das Askanische Gymnasium und studierte nach

dem Abitur an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste

Malerei. 1893 schloss er sein Studium ab und ließ sich als freier

Künstler in Schöneberg nieder, damals noch eine 30.000-Einwohner-

Landgemeinde vor den Toren von Berlin.

1898 gehörte er neben Käthe Kollwitz, Max Liebermann und Walter

Leistikow zu den Gründern der Künstlergruppe „Berliner Secession“.

Dennoch wurde Baluschek kunstgeschichtlich eher stiefmütterlich

behandelt und musste viele Schmähungen einstecken.

Kaiser Wilhelm II. diffamierte ihn als „Rinnsteinkünstler“, für den

zeitgenössischen Kritiker Willy Pastor hatten Baluscheks Bilder

„zu wenig Parfüm und zu viel Pfütze“ und sein Malerkollege Max

Beckmann schließlich urteilte ebenso verachtend wie bewundernd:

„Schade, der Kerl hat so famose Einfälle, zu dumm, dass er wie ein

farbiger Photograph arbeitet.“

Fabian Reifferscheidt, Kurator des Berliner Bröhan-Museums, das

vor zwei Jahren dem Künstler anlässlich seines 150. Geburtstages

eine Werkschau widmete, fand einen neuen Zugang zu Baluschek,

den er unter die Überschrift „synthetischer Realismus“ stellte.

Der Gasometer im Spätsommer 2022.

6


Campus kulinarisch Titel •

CORD & CO.

DER EUREF-CAMPUS KULINARISCH

the

VON JÖRG TEUSCHER

7


• Titel Campus kulinarisch

Reinhard Müller, Vorstandsvorsitzender EUREF AG.

Reinhard Müller, Jahrgang 1953, stammt aus Krefeld. Der Vater,

ein Konditormeister, sah den Sohn beruflich in seinen Fußstapfen,

doch das stieß bei dem auf taube Ohren. Also bewarb sich Reinhard

Müller an der Werkkunstschule Krefeld, bestand die Aufnahmeprüfung

und entdeckte sein kreatives Talent. Danach Abschlüsse

als Diplom-Ingenieur Architektur an der Fachhochschule Düsseldorf

und als Diplom-Ingenieur Stadt- und Raumplanung an der

Technischen Universität Berlin. 1984 Aufnahme in die Berliner

Architektenkammer, 1987 Eröffnung eines eigenen Architekturbüros,

Realisierung vieler stadtbildprägender Bauten etwa am Osthafen,

am Hackeschen Markt und Unter den Linden, 1999 Gründung

der Stiftung Denkmalschutz Berlin. 2007 erwarb Reinhard Müller

ein 5,5 Hektar großes Areal um den Schöneberger Gasometer und

startete sein bisher größtes Projekt: die Entwicklung des EUREF-

Campus als ein Think-Tank rund um die Energiewende.

Wer mit der S-Bahn auf dem südlichen Berliner Ring fährt, kann

die Arbeiten am Gasometer, dem Wahrzeichen des EUREF-Campus,

beobachten. Was geschieht dort eigentlich, Herr Müller?

In der Tat ist dieser Gasometer eine eindrucksvolle Landmarke und mit

seiner Höhe von 78 Metern das Symbol für den Innovationsstandort

EUREF-Campus. Vor einem Jahr haben wir begonnen, das filigrane

Stahlgerüst denkmalgerecht zu restaurieren und ihm sein ursprüngliches

Erscheinungsbild zurückzugeben. Nun bildet es sozusagen

den Rahmen für ein zylinderförmiges transparentes Bürogebäude,

wobei die Wände des gläsernen Neubaus einen Abstand von einem

Meter zu der historischen Stahlkonstruktion einhalten.

Weshalb betonen Sie das?

Weil ich darauf aufmerksam machen möchte, welchen Respekt wir

diesem einzigartigen Industriedenkmal entgegenbringen.

In das Bürogebäude wird die Deutsche Bahn einziehen?

Genau, mit 2.000 Mitarbeitern, die hier an Zukunftsprojekten wie der

Digitalen Schiene arbeiten werden.

Was ist die Digitale Schiene?

Das müssten Sie eigentlich die Deutsche Bahn fragen. Es geht bei

diesem Projekt um die digitale Ausrüstung der Strecken und den

digitalgesteuerten Bahnbetrieb, wodurch auf dem vorhandenen

Schienennetz ein Kapazitätszuwachs von bis zu 30 Prozent erreicht

werden kann – ohne den aufwändigen Neubau von Infrastruktur also.

Klingt gut…

…und passt perfekt zum EUREF-Campus.

Weshalb?

Weil der Campus ein Ort ist, an dem es ausschließlich um solche

Themen geht. Einer unserer Grundsätze lautet beispielsweise, dass

nur Mieter auf den Campus kommen, die mit den Themen Energiewende,

Mobilitätswende oder Klimaschutz zu tun haben. Wir nennen

ihn deshalb auch ein Reallabor, in dem Technologien und Innovationen

aus den Bereichen Energie, Mobilität und Klimaschutz erforscht und

getestet werden.

Es heißt, die Energiewende sei auf dem Campus bereits vollzogen.

Genauso ist es. Die gesamte Energieversorgung der Gebäude

erfolgt durch den Einsatz regenerativer Energien CO 2

-neutral. Die

GASAG-Zentrale, der Sitz der NBB-Netzgesellschaft und das Gasometergebäude

erfüllen sogar den höchsten energetischen Effizienzstandard,

das heißt, diese Gebäude benötigen nur 55 Prozent der

Energie eines herkömmlichen Gebäudes.

Um nochmal auf den Gasometer zurückzukommen, Herr Müller,

wann werden denn die Deutsche-Bahn-Mitarbeiter ihr transparentes

Bürogebäude in Besitz nehmen?

Die Fertigstellung ist für 2024 geplant. Im Gasometer entstehen

neben den zwölf Büroetagen noch weitere, durchaus spektakuläre

Orte. Ganz unten, wo Sie jetzt nur den 16 Meter hohen Stahlmantel

sehen, der zum einstigen Gasbehälter gehörte, wird es ein hochmodernes

Konferenzzentrum geben, darüber folgen, wie gesagt,

die Deutsche-Bahn-Büros und auf der obersten Etage bauen wir eine

Skylounge mit einer dazugehörigen Terrasse, die öffentlich zugänglich

sein wird und den Besuchern einen fantastischen Blick aus 66

Metern Höhe auf die Hauptstadt bietet.

Welche Rolle hat eigentlich bei der Planung des Standortes die

Gastronomie gespielt?

Jedenfalls keine Nebenrolle. Sie können kein Stadtquartier entwickeln,

das Standort so vieler Firmen ist, ohne dabei die Versorgung

der dort Beschäftigten im Blick zu haben. Und ich bin durchaus

stolz darauf, wie gut uns das gelungen ist. Schauen Sie sich um,

und besuchen Sie unbedingt unser gastronomisches Flaggschiff

the CORD, das nach meiner bescheidenen Meinung durchaus etwas

mehr Aufmerksamkeit verdient hat.

Vielen Dank für die interessanten Informationen, Herr Müller.

8


Campus kulinarisch Titel •

9


• Titel Campus kulinarisch

Thomas Kammeier, Jahrgang 1966, geboren im westfälischen

Schermbeck, absolvierte nach dem Schulabschluss eine Bäckerlehre

und hätte sicher auch in diesem Beruf Karriere machen

können. Doch er entschloss sich, Koch zu werden und begann,

bereits 22-jährig, eine zweite Ausbildung. Die führte ihn zu Ernst

Scherrer nach Recklinghausen und zu Wolfgang Dubs nach Worms.

Weitere Stationen: die 2-Sterne-Restaurants Landhaus Scherrer

in Hamburg und Hummerstübchen in Düsseldorf. Der Liebe wegen

kam er 1996 nach Berlin, wurde zwei Jahre später Küchenchef

im InterConti-Nobelrestaurant Zum Hugenotten und danach im

Hugos. Sternekoch von 1999 bis 2015, dem Jahr seines Wechsels

zum EUREF-Campus, auf dessen Areal vor gut anderthalb Jahren

das Fine-Dining-Restaurant the CORD eröffnete, das mit beeindruckendem

Ambiente, der wahrscheinlich schönsten Terrasse der

Stadt und einer bemerkenswerten zeitgenössischen Küche punktet.

Weshalb eigentlich, Herr Kammeier, findet man das Restaurant the

CORD in keinem der einschlägigen Gastroguides?

Darum ging es uns zunächst ja gar nicht. Unser Plan war es, erstmal

das Konzept Fine Dining mit einem Nachhaltigkeitscampus, also dem

EUREF-Campus, in Übereinstimmung zu bringen. Jetzt freuen wir uns

natürlich auf Besuche der Tester etwa aus Karlsruhe oder München.

Es wurmt Sie aber schon, dass Branchengrößen wie Michelin und

Gault&Millau das the CORD in diesem Jahr links liegen gelassen

haben, oder?

Wir nehmen uns gerne die Zeit, die es dafür braucht und freuen uns

bis dahin über die Anerkennung durch unsere Gäste.

Auf Ihrer Visitenkarte steht die Funktionsbezeichnung Gastronomischer

Leiter. Wofür sind Sie denn auf dem EUREF-Campus

verantwortlich?

Für alle gastronomischen Belange des Campus. Es gibt auf dem Gelände

fünf Tagesrestaurants, die in der Regel von 11.30 Uhr bis 15.00

Uhr geöffnet sind und sich um die Versorgung der hier Beschäftigten

kümmern, immerhin sind inzwischen mehr als 150 Unternehmen und

Wissenschaftseinrichtungen auf dem Campus ansässig, wir reden

von rund 5.000 Arbeitsplätzen, und wenn der Ausbau des Gasometers

abgeschlossen und die Mitarbeiter der Deutschen Bahn dort eingezogen

sind, werden weitere 2.000 hinzukommen…

Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche, Herr Kammeier, diese

Restaurants sind dann sozusagen ‚for campus-people only‘?

Nein, gar nicht! Während der Öffnungszeiten empfangen diese

Restaurants, also etwa die Schmiede, in der italienische Hausmannskost

serviert wird, das Bamboo Bay mit seiner asiatischen Küche oder

unser vegetarisch-veganes Restaurant Grüns gerne auch Campus-Besucher

oder Nachbarn. Wenn sie wollen, lade ich Sie im Anschluss an

unser Gespräch zu einer Stippvisite in diese Restaurants ein.

Gerne, aber ich habe Sie unterbrochen…

Hinzu kommt unser Fine-Dining-Restaurant the CORD und ein

ziemlich umfangreiches Catering-Geschäft, für das wir auch zwei

Foodtrucks betreiben. Und wenn ich ‚umfangreich‘ sage, dann spreche

ich von drei- bis vierhundert Empfängen, Kongressen, Tagungen,

Workshops und Produktpräsentationen jährlich, sowohl in den

diversen Eventlocations und auf den Freiflächen des Campus als

auch außerhalb.

Haben Sie ein paar Beispiele parat?

Spontan fallen mir das Sommerfest des Vereins Berliner Kaufleute

und Industrieller mit über 800 Gästen ein, die Verleihung der Fairtrade

Awards mit schätzungsweise 400 Gästen und die ICNC, also die

Intercharge Network Conference, eine wahnsinnig gut besuchte

Messe rund um die Elektromobilität. Soll ich weitermachen?

Nein, aber um das alles zu stemmen, brauchen Sie ziemlich viele

Mitarbeiter, angesichts der großen Personalnot in der Gastronomie

sicher ein Problem?

Zuallererst braucht es gute Planung, ordentliche Koordinierung und

strukturelles Arbeiten und dann, da haben Sie recht, ein eingespieltes

Team. Und das sind unsere 35 festangestellten Köche, Kellner und

Sales-Mitarbeiter ohne Frage.

Ich hatte ehrlich gesagt, mit weit mehr Leuten gerechnet.

Natürlich arbeiten wir im Veranstaltungsgeschäft mit Agenturen zusammen,

die uns Köche und Servicepersonal für bestimmte Events

vermitteln.

Stimmt es, dass seit einiger Zeit eine prominente Sterneköchin an

Ihrer Seite tätig ist?

Absolut: Cornelia Poletto, das stimmt. Wobei Ihre Formulierung ‚an

meiner Seite‘ relativ ist. Sie hat die gastronomische Leitung des

neuen EUREF-Campus Düsseldorf übernommen. Wir sind natürlich

in ständigem Austausch, aber leider nur selten in räumlicher Nähe.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kammeier.

10


Campus kulinarisch Titel •

Thomas Kammeier und Küchenplaner Herbert Breckner (Lohberger).

Sous Chefin Doris Schön.

Die Küchenchefs Florian Peters (the CORD)

und Dirk Biedermann (EUREF-Event GmbH), v. re.

11


• Titel Campus kulinarisch

The CORD also, das gastronomische Flaggschiff auf dem EUREF-

Campus. Dem ersten Blick folgt das große Staunen. Hier haben

Architekten, Designer, Küchen- und Terrassenbauer tatsächlich

Bestes geleistet. Gestalterisches Nonplusultra, außen wie innen.

Ein Ambiente, das in Berlin wohl einmalig sein dürfte.

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Campus kulinarisch Titel •

Blickfang im Restaurant und gleichzeitig sein Namensgeber ist ein

amerikanischer Oldtimer aus dem Jahr 1937 – eins der wenigen noch

im Originalzustand erhaltenen Exemplare des Cord 810 / 812. Die

von Gorden M. Buehrig entworfene und in Auburn / Indiana gebaute

Limousine gilt als modernstes Automobil seiner Zeit.

Durch die stromlinienförmige Karosserie, die vergleichsweise niedrige

Bauweise, seine Klappscheinwerfer und die unsichtbar angebrachten

Hauben- und Türscharniere konnte der Cord 810 / 812 den Luftwiderstand

minimieren und so den Kraftstoffverbrauch erheblich

reduzieren – damals eine automobile Revolution.

13


• Titel Campus kulinarisch

Einige der Menschen im the CORD sind gute Bekannte, nicht nur für

uns, sondern für viele Berliner, die gastronomisch mehr unterwegs

sind als nur bis zum Italiener um die Ecke.

Da ist Florian Peters, 33-jähriger Berliner aus Lichterfelde und seit

zwei Jahren Küchenchef im the CORD. Peters absolvierte seine Kochlehre

im Grand Hyatt am Potsdamer Platz, übernahm – gerade mal

23 – die Küche des Golfclubs Stolper Heide als Chef de cuisine, kehrte

2014 nach Berlin zurück und trat im Restaurant VOX des Grand Hyatt

Hotels die Stelle des Sous Chefs an. 2016 wurde er zum Küchenchef

des Nobellokals ernannt. „Der Ruf ins the CORD war für mich Ehre

und Herausforderung zugleich“, so Peters, „Ehre, weil er von Thomas

Kammeier kam, einem der erfahrensten Sterneköche Berlins und

Herausforderung, weil ich auf dem EUREF-Campus ein kulinarisches

Konzept mit entwickeln und etablieren konnte.“ Ein innovatives Fine-

Dining-Konzept im Family Style, so formuliert es ein Flyer.

Küchenchef Florian Peters.

Was sich hinter der zwar knappen, aber auch ein bisschen gespreizten

Marketing-Formulierung verbirgt, zeigen Florian Peters und die

Männer seiner Küchenbrigade mit dem, was im the CORD auf die

Teller kommt. Das ist leicht, produktbewusst, extrem nahbar gekocht,

interessant komponiert und ansehnlich arrangiert.

Da ist die gebratene und in einer Escabeche marinierte Fjordforelle,

die mit eingelegter Roter Bete und reifen Brombeeren auf die Teller

kommt – ein erster, wunderbar frischer Lichtblick der CORD-Karte.

Geschmacklich auf gleicher Höhe: Kammeiers Fischeintopf, ein

Klassiker aus seligen Hugos-Zeiten. Fleischig geht’s weiter – entweder

mit einem 850 Gramm schweren irischen Porterhouse oder

einem 300-Gramm-US-Rib-Eye, optimal gereift und im extrem heißen

Beefer karamellisiert. Dazu klassisch Fritten und Kräuterbutter oder

extravagant Chimichurri. Und für Veggies gibt’s Erbsen-Tortelloni mit

Hollandaise oder Buchweizen-Risotto mit Bundmöhren.

Entremetier Stefan Hager.

Sous Chef Sven Evers.

14


Campus kulinarisch Titel •

Restaurantleiter Olaf Rode.

In diesem Zusammenhang spricht Rode kenntnisreich und leidenschaftlich

über „das Restaurant als Innovationswerkstatt und Ort

unbedingter Nachhaltigkeit“. Ein Thema, das ihm möglicherweise

auch deshalb so nahe ist, weil er vor seiner Gastgeber-Karriere den

Beruf des Landwirts erlernt hat…

„Nachhaltig erzeugte Produkte sind die Basis unserer Gerichte“,

erklärt der Restaurantleiter und fügt hinzu: „Ob Fisch, Fleisch oder Gemüse

– für die Verarbeitung unserer Lebensmittel nutzen wir zudem

ausschließlich auf dem EUREF-Campus nachhaltig erzeugte Energie.“

Vins fins du monde, die feine Welt der Weine, war schon immer

auch Olaf Rodes Welt. Heute allerdings ergänzt er die Fügung: „die

feine Welt nachhaltig und umweltbewusst hergestellter Weine“ und

nennt die Winzer Jochen Dreissigacker aus Rheinhessen, Christian

Stahl aus Franken und das Familienwein- und Sektgut Bamberger

von der Nahe…

Keine Frage – alles, was man aufgabelt oder auslöffelt, demonstriert

das Können und die Passion der jungen Küchenbrigade um Florian

Peters. Ebenso ambitioniert und weltoffen wie sich Interieur und

Küche präsentieren, agiert auch der Service im the CORD. An der

Spitze des Teams: Olaf Rode.

Der 55-jährige Restaurantfachmann war Servicemitarbeiter im

Schloßhotel Vier Jahreszeiten im Grunewald, Maîtrestellvertreter im

Restaurant First Floor des Palace Hotels und ab 2003 Restaurantleiter

im Hugos. Schon damals gehörte Rode zur Créme de la créme

seines Berufsstandes, wurde 2007 als „Berliner Maître des Jahres“

ausgezeichnet und bildete mit dem Hugos-Küchenchef Thomas

Kammeier ein Duo perfetto. 2014 zog Olaf Rode ins Restaurant Alpenstück

und wechselte schließlich sechs Jahre später auf den EUREF-

Campus, um hier die Servicebrigade im the CORD aufzubauen und

zu leiten. „Die Aufgabe ist ebenso spannend wie der Ort“, sagt er.

Zu Gast im the CORD: Der Winzer Jochen Dreissigacker

aus Bechtheim / Rheinhessen.

15


• Titel Campus kulinarisch

1. Mai 2022: All about Spargel.

3. Juli 2022: Beef and Barbecue.

16. Oktober 2022: Wild.

4. Dezember 2022: X-mas-Markt.

Vier Termine und eine Headline: Sunday Special. Die Idee der in Berlin

einmaligen Eventreihe im the CORD erklärt Küchenchef Florian Peters

so: „Fernab des normalen À-la-carte-Geschäfts bieten wir unseren

Gästen zu einem Thema kulinarisch Besonderes. Wir laden sie in

unsere Küche ein, in der die gesamte Brigade an verschiedenen

Stationen Flying Dishes zubereitet und hoffen natürlich auf viele

gute Gespräche.“

Die Rechnung ging auf – unsere Bilder von der Eventpremiere am

ersten Maisonntag auf den Seiten 16 und 17 beweisen das. Rund 60

ess- und wissbegierige Gäste kamen um 16 Uhr ins the CORD und

hatten fünf Stunden lang Spaß in jeder Hinsicht.

16


Campus kulinarisch Titel •

Locker, ungezwungen, einfach nett, lobten sie die Atmosphäre, und

auch die kulinarische Offerte des the CORD-Teams bekam ausschließlich

Bestnoten – vom kalt geräucherten Ikarimi-Lachs, der von einer

grünen Gazpacho, griechischem Joghurt, Pumpernickel und Wiesenkräutern

begleitet wurde bis zum Fürstenberger Maibock, der mit

weißem Spargel, Schnittlauch-Kartoffeln und Sauce hollandaise auf

die Teller kam. Und selbst Gastwinzer Jochen Dreissigacker staunte

nicht schlecht über die vielen vinophilen Fachfragen der Gäste…

THE CORD

EUREF-Campus 23–24

10829 Berlin-Schöneberg

Tel. 030 – 26 47 67 92

www.thecord.de

17


• Titel Campus kulinarisch

Inhaber Pino und Maria Sangermano.

Die „Schmiede“ ist ein denkmalgeschütztes Werkstattgebäude

am Fuße des Gasometers, das nach aufwändiger Restaurierung zu

einer gefragten Tagungs- und Eventlocation für bis zu 200 Personen

wurde – und auch ein Restaurant beherbergt, die „Schmiede da Pino“.

Inhaber des Lokals sind Giuseppe Sangermano, genannt Pino,

und seine Frau Maria. Der 66-jährige Koch und Gastronom stammt

aus einem Dorf in der Nähe von Cosenza, einer 90.000-Einwohner-

Stadt in der süditalienischen Region Kalabrien und gilt in Berlin als

gastronomisches Urgestein.

Bereits 1977 empfing er, damals noch gemeinsam mit seinem

Onkel, im Ristorante Isola Dino die große Schar äußerst italo-minded

Steglitzer, ab 1984 managte er den Laden alleine. Hier lernte er auch

seine Frau Maria kennen, die zwar perfekt italienisch parliert, aber

gebürtige Griechin ist.

Die beiden eröffneten Mitte der 1990er das Tavola Calda in Tiergarten

und ließen sich schließlich, einige Jahre später, von EUREF-

Chef Reinhard Müller überzeugen, auf dem an gastronomischen

Ereignissen damals noch eher öden Campusgelände ein italienisches

Restaurant zu betreiben – die Schmiede da Pino war geboren. Das

Lokal erlebte erste Glanzzeiten als Günther Jauch von 2011 bis 2015

seinen Polittalk aus der Kuppel im Gasometer sendete.

18


Campus kulinarisch Titel •

Die inzwischen üblichen Verkünstelungen klassischer Italo-Gerichte

sind dem Team der Schmiede fremd. Tatsächlich würde man

glatt die sprichwörtliche Mamma am Herd vermuten, wenn da nicht

immer wieder junge Männer am Werk wären. Küchenchef Andrea

Cassan – er stammt aus dem Friaul – und der sizilianische Pizzabäcker

Michele Ferrante sorgen für die kulinarischen Konstanten der

Schmiede: Pasta und Pizza. Dann und wann wird auch der Garnele

und dem Raviolo gehuldigt, frische Salate stehen immer auf der

Karte. Spaghetti, Tagliatelle, Penne & Co sind straight und gut,

und die Pizzen haben mit dem, was diverse Lieferdienste zuweilen

anschleppen, nur den Namen gemeinsam. „Der Teig ist nach einem

alten Rezept hausgemacht“, so Maestro Pino, „und auf den Fladen

kommt nur bestes Zeugs.“

SCHMIEDE DA PINO

EUREF-Campus 15

10829 Berlin-Schöneberg

Tel. 030 – 78 89 07 82

www.pino-schmiede.de

19


• Titel Campus kulinarisch

20


Campus kulinarisch Titel •

Erwarten Sie bei uns bitte keine Cucina Italiana 2.0 oder wie das heute heißt, wenn von

Klassikern der italienischen Küche gerade mal noch der Name übrig bleibt. Verstehen

Sie mich nicht falsch, das muss es sicher auch geben, aber zu uns passt dann doch die

Casalinga-Tradition besser. Cucina Mamma eben, mit Liebe und Sorgfalt zubereitet.

Giuseppe „Pino“ Sangermano, Gastronom und Inhaber, Schmiede da Pino

21


• Titel Campus kulinarisch

Restaurantleiterin Nicole Schäfer.

„Wir legen großen Wert auf die Kommunikation mit unseren Mietern“,

sagt EUREF AG-Vorstandsvorsitzender Reinhard Müller und hat, damit

der Satz nicht nach Platitüde klingt, auch gleich ein paar Beispiele

parat. „Im Ergebnis solcher Gespräche haben wir entschieden, auf

dem Campus nur die Hälfte der geplanten Parkplätze zu bauen“,

erzählt er, „etwa drei Viertel aller Mitarbeiter der hier ansässigen

150 Unternehmen kommt nämlich mit dem Fahrrad oder benutzt den

öffentlichen Nahverkehr, weil die Anbindung so gut ist.“ Und auch

die Eröffnung unseres vegetarisch-veganen Restaurants Grüns, so

Müller, sei letztlich das Resultat einer Mieterumfrage.

Das Grüns also – ein Restaurant, das – nomen est omen – schon

auf den ersten Blick hält, was der Name verspricht. Die Farbe der

Hoffnung dominiert. Grüne Kissen, grüne Lampen, grüne Tabletts,

selbst die Kleiderbügel an der Garderobe sind grün. Und natürlich

begrüßt auch Restaurantleiterin Nicole Schäfer ihre Gäste nicht in

x-beliebiger Outfitfarbe, sondern mit resedagrüner Leinenschürze.

Die 43-jährige Hessin (Heimat der Grünen Soße!) ist Restaurant- und

Hotelfachfrau von Beruf und gehört seit sieben Jahren zum Serviceteam

des EUREF-Campus. „Ich hätte nie gedacht, dass es so viel Spaß

machen kann, in einem Selbstbedienungsrestaurant zu arbeiten“,

sagt sie noch, dann beginnt der Sturm auf das Buffet.

22


Campus kulinarisch Titel •

Tatsächlich ist das im Oktober 2018 eröffnete Grüns das am stärksten

frequentierte Restaurant auf dem Campus. Veggie liegt eben im

Trend und das offensichtlich nicht nur bei den Gästen. „Kochen ist

immer dann geil, wenn du merkst, dass das Konzept stimmt, dass

deine Kreationen ankommen, dass kaum was in der Tonne landet“,

kommentiert Doris Schön, erfahrene Sous Chefin und eine gute alte

Bekannte aus seligen Kreuzberger e.t.a.-hoffmann-Zeiten (s. Bild

S. 24 oben links). Das Grüns-Konzept beschreibt sie dann so: „Unsere

Basics sind Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse und Saaten, fast

alles in Bio-Qualität. Daraus bereiten wir Komponenten zu, aus denen

sich die Gäste in Bowls ihren persönlichen Mix zusammenstellen

können. Und weil alle Komponenten farbig gekennzeichnet sind,

wissen auch Veganer, woran sie sind und was für sie passt.“

GRÜNS

EUREF-Campus 21–22

10829 Berlin-Schöneberg

Tel. 030 – 26 47 67 41

www.euref.de/entry/gruens-restaurant/

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• Titel Campus kulinarisch

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Campus kulinarisch Titel •

Ich bin zwar selbst keine Vegetarierin, aber mich fasziniert diese Küche schon seit

vielen Jahren. Als ich 1984 als junge Köchin nach Berlin kam, war meine erste Stelle

im gerade eröffneten Thürnagel am Südstern, dem meines Wissens damals einzigen

Restaurant in der Stadt, in dem tatsächlich ausschließlich fleischlos gekocht wurde.

Mein Gott, was wir da experimentiert haben, es gab ja kaum Erfahrungen mit der

vegetarischen Küche! Aber das prägt – bis heute.

Doris Schön, Sous Chefin

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• Titel Campus kulinarisch

Inhaber Lu Truc Kieu und Huu Phap Tran, v. re.

Als Ende der 1990er in Berlin Sushi-Bars wie Pilze aus dem Boden

schossen und jeder, der in der Lage war, das Wort leidlich fehlerfrei

zu buchstabieren, meinte, Sushi auch zubereiten zu können, war’s

um das japanische Fastfood geschehen. Den Rest besorgten dann

die Sushi-Offerten diverser Supermärkte, die vielleicht hygienisch

einwandfrei sein mögen, aber geschmacklich eine Vollkatastrophe

sind, staubig trockener Reis, geschmacklos und totgekühlt der Fisch.

Kein Wunder, dass das Image der gefüllten Reisröllchen bald den

Tiefstpunkt erreicht hatte.

Das wussten natürlich auch Lu Truc Kieu und Huu Phap Tran, als

sie Sushi auf die Speisekarte ihres Restaurants Bamboo Bay setzten,

das übrigens im Gegensatz zu den meisten Sushi-Bars weder bar

jeder Gemütlichkeit noch bar jeden Platzkomforts ist.

Und auch das Servierte ist über alle Zweifel erhaben. Der Reis der

Sushis ist handwarm, die Ein- oder Auflagen vom Feinsten. Das Sushi-

Set beinhaltet zweimal Lachs – einmal ein mageres Stück aus dem

Kern des Rückenfilets, das andere ist ein wenig fetter und saftiger. Ein

ähnliches Variantenspiel findet beim Thunfisch statt. Verschiedene

Gemüse und japanischer Tofu schließlich sorgen für Abwechslung

am Reishügel. „Wir kümmern uns um die Frische der Produkte“, so

Lu Truc Kieu, „Hoang Cuong Pham um deren Verarbeitung.“

26


Campus kulinarisch Titel •

Neben dem Sushi-Angebot offeriert das Bamboo Bay diverse

Varianten eines sensationell würzigen vietnamesischen Currys sowie

einige Suppen – etwa die Sup Wan Tan mit hausgemachten Hühnerfleisch-Teigtaschen

oder die Sup Nuoc Dua, eine Kokosmilchsuppe

mit Champignons, Zitronengras, Bambus und wahlweise Hühnerfleisch

oder Tofu.

Der tägliche Gästeansturm und die vielen Büro-Caterings belegen,

dass Lu Truc Kieu und Huu Phap Tran mit ihrem All-Asia-Fusion-

Konzept eine kulinarische Punktlandung auf dem EUREF-Campus

hingelegt haben. „Das macht uns schon stolz“, so die beiden

Vietnamesen, „zumal wir gastronomische Seiteneinsteiger sind.“

Der 42-jährige Lu Truc Kieu hat übrigens BWL und Wirtschaftsrecht

studiert, sein drei Jahre jüngerer Partner Medieninformatik…

BAMBOO BAY

EUREF-Campus 12

10829 Berlin-Schöneberg

Tel. 030 – 78 95 05 90

www.bamboobay.berlin

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• Titel Campus kulinarisch

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Campus kulinarisch Titel •

Wie in den meisten asiatischen Ländern hat auch in unserer Heimat das Essen einen

hohen Stellenwert. Ein altes vietnamesisches Sprichwort sagt: ‚Glück heißt satt werden‘.

Aber das sollte nicht alles sein. Es geht auch um ein Gefühl von Wohlbefinden. Je ausgewogener

und leichter die Speisen, desto vitaler fühlt man sich. Dieser Erkenntnis

folgt unser kulinarisches Angebot.

Lu Truc Kieu und Huu Phap Tran, Inhaber Bamboo Bay

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• Titel Campus kulinarisch

Gründer und Inhaber: Frithjof Wodarg und Matteo Angioi Petia, v. li.

HERMANNSTRASSE 211

12049 BERLIN-NEUKÖLLN

WWW.GORILLA-BAECKEREI.DE

„Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung“, sagt

Heraklit, der griechische Denker aus Ephesos (550–480 v.Chr.).

Frithjof Wodarg hat Geschichte und Philosophie studiert und

kennt natürlich den „Lehrer des Werdens“. Und auch für Matteo

Angioi, den Dottore farmacologia, ist der Alte Grieche kein Unbekannter.

„Zumindest unser Leben scheint die Richtigkeit des

Heraklitschen Postulats zu beweisen“, sagt Frithjof Wodarg, „aber

das ist schon alles.“

Der 35-jährige Berliner hätte sicher auch als Unternehmensberater

weiter Karriere machen können, ebenso wie der 39-jährige Italiener

Angioi als Apotheker. Doch der Hang der beiden Männer zu allem

Kulinarischen brachte sie auf eine andere Spur.

Geboren wurde die Idee einer Bäckerei, die sowohl italienische

als auch französische (Wodarg ist mit einer Französin verheiratet)

und deutsche Spezialitäten herstellt, vor fünf Jahren. Frithjof Wodarg

hatte da noch seinen Beraterjob, Angioi arbeitete nach einem einjährigen

Konditoreipraktikum und einer Zwischenstation bei Alfredo

Sironi in der Markthalle Neun schon als Produktionsleiter für die

Albatross-Bäckerei im Kreuzberger Graefekiez.

„Während meiner Elternzeit entstand aus der Idee dann ein Projekt,

und Ende 2019 wurde es endgültig ernst“, so Wodarg.

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Campus kulinarisch Titel •

In der Hermannstraße in Neukölln fanden sie geeignete Räumlichkeiten

– das frühere Domizil von Batman Elektronik, eine stadtbekannte

Adresse. Muharren Batman hatte hier jahrelang alles

Elektronische repariert, was sich reparieren ließ und aus dem Rest

Kunst gemacht: Elektroschrott-Skulpturen, die nicht nur viele private

Sammler interessierten, sondern auch die Kuratoren des Museums

Nixdorf in Paderborn, des größten Computermuseums der Welt.

Frithjof Wodarg und Matteo Angioi bauten den Laden um und

eröffneten im Dezember 2020 die Gorilla Bäckerei. Sie freuten

sich über den respektablen Kundenzuspruch und das positive

Presseecho – dass der nunmehr kulinarische Ort in kurzer Zeit

wieder eine stadtbekannte Adresse werden würde, damit hatten

sie allerdings nicht gerechnet.

Wodarg kümmerte sich um die Struktur der Firma und den Unternehmensaufbau,

Angioi übernahm die Produktentwicklung. Die

Bäcker, Konditoren und Backwarenverkäufer kamen aus der halben

Welt. Die Kreationen des Teams überzeugten milieu- und generationsübergreifend,

schnell wurde die Gorilla Bäckerei (benannt übrigens

nach der Steve-Studinski-Skulptur vor der Tür) in einem Atemzug mit

Branchengrößen wie Domberger und Gragger genannt.

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• Titel Campus kulinarisch

Diese Tatsache blieb auch dem Management des EUREF-Campus

nicht verborgen, das ohnehin auf der Suche nach einem backenden

Partner war, um das kulinarische Campus-Angebot zu vervollständigen.

Man verhandelte erfolgreich – im April 2022 übernahm

die Gorilla Bäckerei die Erdgeschossräume des Campus-Hauses

1–2 direkt an der Torgauer Straße (deren rumpelpistiger Zustand

übrigens so gar nicht zu diesem Zukunftsort passt, aber das nur

am Rande).

Der Umbau war keine Frage großer Kraftakte, schnell entstand ein

für Gorilla maßgeschneidertes Ambiente: schlicht, funktional und

mediterran luzid wegen der vielen Fenster und hellen Farben. Und

wegen der wirklich großen, von Dutzenden Hortensien umwachsenen

Sonnenterrasse.

Duplizität der Ereignisse: Wie in der Neuköllner Hermannstraße gab

es auch am zweiten Gorillastandort von Beginn an einen respektablen

Kundenzuspruch nicht nur von Campus-Mitarbeitern, sondern auch

von Bewohnern des Kiezes rund um das Schöneberger Tor und sogar

von weiter her. Und auch das Presseecho war nicht zu überhören –

Tagesspiegel und tip waren voll des Lobes, und das ist in Berlin schon

so etwas wie ein Ritterschlag.

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Campus kulinarisch Titel •

Bäckereimanagerin Fee Halstenbach.

„Wir bieten eine große Auswahl verschiedener Brotsorten an, vom

kräftigen Sauerteig-Laib bis zum feinen französischen Baguette“,

diktiert uns Fee Halstenbach in den Block, „außerdem gibt es verschiedene

Focaccia-Sorten, Quiches und unsere Römischen Pizzen,

die sich peu à peu zum absoluten Renner entwickeln.“ Weshalb

sie das „Römische“ betont, wollen wir wissen. „Im Gegensatz zur

normalen Pizza Italiana, die meist rund und frei geschoben ist, werden

Römische Pizzen auf großen viereckigen Blechen gebacken“, erklärt

sie und fährt fort: „Wer es lieber süß mag, kommt bei unseren

französischen Viennoiserie- und Patisserieofferten auf seine Kosten.“

Fee Halstenbach zeigt auf Mandelcroissants, Schokocroissants,

Kardamom-Zitronen-Rolls, Tartes au citron, Pains aux raisins und

andere mehr oder weniger süße Teilchen.

Die 29-jährige Wuppertalerin ist ebenso eloquent wie kompetent –

Bäckerin oder Konditorin oder beides, vermuten wir. Doch weit gefehlt

– Fee Halstenbach hat an der Film Acting School Cologne

Schauspiel studiert und kam vor drei Jahren mit der großen Hoffnung

auf Engagements nach Berlin. „Als Corona dann den Kunstbetrieb

lahmlegte und die meisten Künstler zum Arbeitsamt zogen, war

ich froh, dass ich den Job bei der Gorilla Bäckerei angeboten bekam“,

sagt sie.

EUREF-CAMPUS 1

TORGAUER / ECKE DOMENICUSSTRASSE

10829 BERLIN-SCHÖNEBERG

WWW.GORILLA-BAECKEREI.DE

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• Titel Campus kulinarisch

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Campus kulinarisch Titel •

Küchenchef Guillermo Luengas.

Sous Chefin Sarah Brewer.

Last but not least und mehr als nur eine Erwähnung wert sind die

täglichen Mittagsangebote und das späte Wochenendfrühstück

von Sarah Brewer, 30, und dem 38-jährigen Guillermo Luengas. Die

Engländerin aus Brighton und der Mexikaner aus Tamaulipas standen

schon bei etlichen Küchengrößen dieser Welt am Herd – das merkt

man. Sie kochen nicht für ihr Ego, sondern für ihre Gäste – und das

tun sie unverschämt gut.

Ebenso einfach wie genial: eine vegane Safran-Kokosnuss-

Orangenpolenta, die mit gebratenen Austernpilzen serviert wird,

über denen ein Hauch Zimtöl schwebt und das vegetarische

Breakfast-Board, bestehend aus hausgemachtem Labneh, der mit

Limettenblattöl aromatisiert wurde, gebrannter Sumach-Orange,

Blutorangen-Ingwer-Marmelade, Karotten-Ingwer-Butter und Weizen-

Sauerteigbrot. Dazu vielleicht noch ein Bio-Ei, zwei Stunden lang bei

63 Grad gekocht – so macht brunchen Spaß!

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• Lokaltermin Restaurantschiff Patio

Restaurantschiff Patio

NICHT NUR DIE LAGE IST EIN GLÜCKSFALL

VON JÖRG TEUSCHER

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Restaurantschiff Patio Lokaltermin •

Als Mathias Böhme vor 20 Jahren einen schrottreifen Werkstattkahn

des Berliner Wasser- und Schifffahrtsamtes erwarb und erklärte,

ihn zu einem Restaurantschiff umbauen zu wollen, stand für viele,

die davon hörten, fest: bekloppt oder besessen. Doch der heute

53-Jährige, gebürtig im Ostseebad Wustrow, hatte für solcherart

Kommentare nur ein müdes Lächeln.

Der gelernte Maschinenbauer und erfahrene Restaurantfachmann

wusste nämlich genau, was er tat. Nach fünfjähriger Bautätigkeit,

die Böhme gemeinsam mit einigen Freunden absolvierte, konnte er

sein Restaurant-Traumschiff tatsächlich eröffnen.

Einen Motor hat das 450-Bruttoregistertonnen-Schiff zwar nicht

mehr – es liegt fest verankert am Helgoländer Ufer in Tiergarten

in der Nähe des Berliner Regierungsviertels – dafür gibt es ein

Sonnendeck, ein Bardeck und ein Partydeck mit Platz für insgesamt

über 160 Gäste.

Küchenchef Christopher Kümper.

Eigner Mathias Böhme.

Dann kamen das Jahr 2022 – und Christopher Kümper. Der 35-jährige

Küchenchef, gebürtig aus Menden im Sauerland, hatte sich 2015

für Berlin entschieden – nach Stationen bei Heinz Otto Wehmann in

Hamburg, Nils Henkel in Bergisch Gladbach, Daniel Boulud in New

York und André Chiang in Singapur. Gemeinsam mit David Monnie

eröffnete er das Schwein in der Elisabethkirchstraße in Mitte, das

nach zwei Jahren und vielen Streitereien mit dem Vermieter nach

Charlottenburg umzog und später Christopher’s hieß.

2021 beschlossen Gastronom Monnie und Küchenchef Kümper,

gleichzeitig die beiden Inhaber, das Restaurant zu verkaufen. Patio-

Eigner Mahias Böhme erfuhr davon und wählte Kümpers Nummer:

„Hallo Christopher, wir müssen reden.“ Der Coup gelang, und im

April 2022 heuerte der Spitzenkoch, immerhin Berliner Aufsteiger

des Jahres 2017 und Kandidat für den Michelin-Stern, auf dem

Restaurantschiff an.

Nach der Bedeutung des Schiffsnamens gefragt, grinst Böhme: „Dreimal

dürfen Sie raten!“ Mit jedem unserer Versuche wird das Grinsen

des Patio-Eigners breiter. Dann liefert er des Rätsels Lösung. „Das

Wort stammt weder aus dem Italienischen noch aus dem Lateinischen

und aus dem Griechischen schon gar nicht.“ Sondern? „Es ist eine

Erfindung, entstanden während eines weinigen Brainstormings. Kurz

sollte der Schiffsname sein, knackig klingen und Ausländer sollten

ihn problemlos aussprechen können. Unter den vielen Ideen war Patio

die beste.“ Klingt zumindest besser als Schrotti, geben wir Mathias

Böhme zumindest eins zurück.

Obwohl die meisten Gastroguides das Restaurantschiff links

liegen ließen, reichten Mundpropaganda, Digitalagitation und ein

Mein-Lokal-Dein-Lokal-Fernsehauftritt, um es bekannt zu machen.

Dutzende Firmenevents und 40 bis 50 Hochzeiten fanden in der

Vor-Corona-Zeit jährlich auf der Patio statt.

Restaurantleiter Richard-David Heinen.

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• Lokaltermin Restaurantschiff Patio

Chef der sechsköpfigen Servicebrigade ist der 35-jährige Richard-

David Heinen, gebürtiger Luxemburger, gelernter Koch und Hotelfachmann

und seit neun Jahren auf der Patio (s. Bild S. 37).

Heinen erinnert sich: „Der Wechsel von Christopher Kümper auf

unser Schiff brachte tatsächlich etliche neue Gäste, sowas hatte ich

bisher noch nicht erlebt.“ Und auch die hauptstädtischen Restauranttester

(zumindest die) entdeckten nun die gastliche Stätte am Helgoländer

Ufer und schrieben verzückt über den einmaligen Spreeblick,

das sanfte Plätschern des Wassers, den still vorübergleitenden

Schiffsverkehr...

Und lobten natürlich Kümpers Küche über den grünen Klee.

„Soulfood auf der Spree“, formulierte die tip-Edition Berlin Food

2022 / 23 treffend, „eine wirklich schöne Casual-Fine-Dining-Küche,

gekocht von einem der handwerklich besten und dramaturgisch feinsinnigsten

Köche der Stadt.“

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen – außer vielleicht, dass

hinter Kümper mit Daniel Biskupski (kam mit dem Küchenchef aus

dem Christopher’s), Oliver Hoffmann (früher im Bricole), Markus

Suntinger (früher im Abion Hotel) sowie den Auszubildenden Signe

Winkelmann und Friedrich Theue eine hoch motivierte Mannschaft

steht, die Kümpers ambitionierte Zubereitungs- und Anrichtideen

perfekt umsetzt.

Und dass Heinens Service-Team (Anis Boughanmi, Anja Herold,

Marc-Etienne Möllinger, Donald Pilton und Janek Yannick) locker

und zuvorkommend agiert – trotz einiger kleiner Erschwernisse, die

ein Schiff für Kellner nun mal bereithält. Da ist einerseits das sanfte

Schaukeln, wenn dann und wann eine leichte Brise aufkommt, und

andererseits sind da die 14 Stufen einer schmalen Wendeltreppe, die

das Oberdeck mit der Schiffsküche verbindet und auf der sich schon

mal zwei Kellner mit vollen Tabletts begegnen…

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Restaurantschiff Patio Lokaltermin •

39


• Lokaltermin Restaurantschiff Patio

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Restaurantschiff Patio Lokaltermin •

Die Wirkungsstätte von Christopher Kümper und seiner Brigade mit

Sous Chef Daniel Biskupski an der Spitze heißt tatsächlich Kombüse.

Die Assoziationen, die sich möglicherweise damit verbinden – Raumenge,

Schmuddelambiente, kulinarisches Niedrigstniveau – gehen

an der Patio-Gegenwart natürlich komplett vorbei.

Diese Crew garantiert, dass einem hier nicht simple Schiffskost

vorgesetzt wird, sondern dass man was bekommt für sein Geld: eine

wunderbar jugendlich-frisch-fröhliche Küche mit viel Esprit. Intensive

Aromen, kreative Arrangements, mutiges Würzen, das hat schon was.

Da ist zum Beispiel eine typische Kümper-Vorspeise: Artischockenpüree,

begleitet von geräuchertem Paprikasud, einer Paprikacreme,

getrocknetem Feta und Gazpachoeis (s. Teller re. oben). Sie macht

deutlich, wie sehr Kümper sowohl auf geschmackliche Intensität als

auch auf Finesse in der Zubereitung fokussiert ist.

Gleiches gilt für den Zwischengang, der als „Dashi, Kaffir-Limette,

Waldpilze“ auf der Karte steht und mit seiner subtilen Produktkombination

punktet (s. Teller re. Mitte). Auch das Hauptgericht

(s. Teller li. unten) und das Dessert stellen sich als ausgefeilte

Kreationen und absolut kochmützenwürdig vor. Bleibt unsere Frage,

die wir schon im Fall des the CORD stellten: Weshalb ist das Patio

dem Gault&Millau eigentlich nicht mal eine Erwähnung wert?

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• Lokaltermin Restaurantschiff Patio

Wer, und sei es nur aus maritimer Unkenntnis, die „Riethoen“ einen

„Kahn“ nennt, bekommt von Eigner Mathias Böhme zuerst einen

missbilligenden Blick und dann eine ausführliche Nachhilfe in

Schiffskunde.

„Bei der ,Riethoen‘ handelt es sich um einen so genannten Backdecker“,

doziert er, „also um eine spezielle Konstruktionsform im

Schiffbau, bei der die Aufbauten des Vorschiffes – seemännisch

Back genannt – die des Hauptdecks überragen.“

Wir erfahren, dass die „Riethoen“ als Salonkreuzer gebaut wurde,

1938 in Holland vom Stapel lief und dass der Name – ziemlich schiffsuntypisch

– „Moorhuhn“ bedeutet. Böhme kaufte vor sechs Jahren

das reichlich heruntergekommene Boot, restaurierte es aufwändig,

stattete es mit einem modernen Schiffsdiesel aus und bietet den

schmucken Backdecker nun für exklusive Spree-Rundfahrten oder

auch weitere Touren an.

Liegt direkt neben der Patio am Helgoländer Ufer: Die „Riethoen“.

Kann ich auch mit nur fünf Gästen eine Rundfahrt buchen?

Keine Frage, Sie können auch zu zweit an Bord kommen.

Und wie ist die Verpflegung geregelt?

Auch da gilt – Ihre Wünsche sind entscheidend, also sprechen Sie

mit uns oder konsultieren Sie das Internet: www.charter.patio-berlin.

de. Wir bieten zum Beispiel auch ein Bootsstegdinner mit einem

Überraschungsmenü und anschließender Tour mit der ‚Riethoen‘ an.

Vielen Dank für die Auskünfte, Herr Böhme.

RESTAURANTSCHIFF PATIO & RIETHOEN

Schiffsführer Malte Böhme.

Helgoländer Ufer / Kirchstraße

10557 Berlin-Moabit

Tel. 030 – 40 30 17 00

www.patio-berlin.de

Gibt es bei Ihnen auch Fahr- und Tourenpläne wie bei den großen

Berliner Reedereien, Herr Böhme?

Nein, alles ist auf die individuellen Wünsche der Gäste abgestimmt.

Das heißt?

Na ja, Sie können die ‚Riethoen‘ stunden- oder auch tageweise exklusiv

buchen: für eine Tour mit Geschäftspartnern, für ein Familientreffen

oder ein Get-together mit Freunden. Wir haben viele Ideen

für mögliche Touren auf der Spree, wir schippern Sie aber auch zum

Müggelsee oder bis nach Potsdam. Wir machen also Vorschläge,

und Sie entscheiden, wohin es gehen soll – frei nach Fontane: Ein

Vergnügen eigner Art ist doch eine Wasserfahrt…

Wie viele Personen dürfen an Bord?

Insgesamt zwölf Gäste. Hinzu kommen der Schiffsführer – mein

Sohn Malte und ich selbst haben die erforderlichen Zertifikate – und

möglicherweise noch ein Mitarbeiter aus der Patio-Crew.

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ORA Lokaltermin •

Austern aus

der Apotheke

ZU GAST IM RESTAURANT ORA

VON JÖRG TEUSCHER

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• Lokaltermin ORA

Als der Apotheker Klaus Dallmann, letzter Pächter der Oranien-Apotheke,

2012 in den Ruhestand trat und die Räumlichkeiten inklusive

des alten Mobiliars an die Filmemacher Christoph Mack und Lukas

Schmid gingen, sahen viele Anwohner das Ende des historischen

Apotheken-Ambientes nahe. Doch Mack und Schmid wussten um

dessen Wert und richteten ihre Brasserie ORA rund um das über einhundertjährige

Interieur ein. Das bescherte ihnen nicht nur Lob bei

Architekten, Designern und Historikern, die Adresse des ORA fand

sich fortan auch in vielen Reiseführern. Und das wiederum bescherte

dem nunmehr kulinarischen Ort schnell Gäste aus der halben Welt,

die den sensiblen Umgang mit einem Stück Hauptstadtgeschichte

lobten und die Brasserie weiterempfahlen.

Tatsächlich gehört die 1860 eröffnete Oranien-Apotheke zu den

ältesten Apotheken in Berlin. In jenem Jahr hatte der Charité-Apotheker

Rudolf Kade die Konzession zur Eröffnung einer Apotheke

am Oranienplatz erhalten – damals übrigens die erst vierzigste

Apothekengründung in der bereits 430.000 Einwohner zählenden

Stadt. 1874 ging die Konzession auf Kades Sohn Richard über, 1886

schließlich erwarb Franz Lutze die Oranien-Apotheke.

Der aus Ostpreußen stammende und an der Universität Rostock

promovierte Lutze baute das Kellerlabor der Apotheke in den Folgejahren

zu einem „Medizinisch-pharmazeutischen Fabrikations- und

Exportgeschäft“ aus und zählte mit seiner Saccharintablettenproduktion

zu den ersten Herstellern dieser Arzneiform in Deutschland.

1895 wurde er „Hoflieferant des Kaisers und Königs“ und

„Lieferant des Reichskolonialamtes“ und versorgte sowohl die kaiserliche

Yacht „Hohenzollern“ als auch die sogenannte Schutztruppe in

den deutschen Kolonien mit Arzneimitteln und Verbandsmaterial.

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ORA Lokaltermin •

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• Lokaltermin ORA

Sie übernahmen im Frühjahr 2020 gemeinsam das ORA: Nadine und Tom Michelberger sowie Alan Micks, Mi.

So langsam kriegen die Michelbergers ja etwas Unheimliches. Egal,

was sie sich vornehmen, es wird so stimmig, dass es einem den

Atem verschlägt. Das gilt für ihr Hotel in der Warschauer Straße

ebenso wie für ihre Spreewaldfarm und natürlich auch fürs ORA am

Oranienplatz, das Nadine und Tom Michelberger gemeinsam mit

ihrem Küchendirektor Alan Micks vor gut zwei Jahren übernahmen

und das alteingesessene Kiezbewohner seitdem mehr ehrfürchtig

als despektierlich „Austern-Apotheke“ nennen.

Auch die neuen Betreiber vermieden es, an das historische Interieur

Hand anzulegen, sondern setzten nur einige Details ins rechte Licht:

Apothekerwaagen, Mikroskope, Pipetten und Petrischalen sowie

etliche andere antiquarische Schätze. Übrigens: Für das „Deutsche

Arzneibuch“ von 1910, den Band „Specialitäten und Geheimmittel“

von Hahn und Holfert oder für „Gehes Codex“ aus dem Jahr 1918

sollen Liebhaber schon dreistellige Summen geboten haben…

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ORA Lokaltermin •

Restaurantleiter Giorgio Pirrone.

Sommeliere Amyna Le.

Keine Frage, eine Einkehr im ORA ist ein lohnender Bildungsausflug –

historisch lehrreich und sättigend zugleich. „Manchmal kommen wir

uns schon ein bisschen wie Museumsführer vor“, sagt Giorgio Pirrone,

„vor allem, wenn Gäste aus dem Ausland nicht nur allgemeine Fragen

zum Apotheken-Ambiente haben, sondern auch noch wissen wollen,

was es mit der geometrischen Struktur des Deckenstucks oder der

besonderen Art der Polsterung unserer alten Ledersofas auf sich hat.“

Der 37-jährige Italiener aus Palermo lebt seit neun Jahren in Berlin

und war – bevor er als Restaurantleiter ins ORA wechselte – vier Jahre

lang Servicechef im Schöneberger In-Lokal To Beef Or Not To Beef.

An der Seite des allzeit bestens gelaunten (außer, wenn er fotografiert

werden soll) Pirrone agiert Sommeliere Amyna Le, 28, gebürtig

im australischen Perth und seit vier Jahren in Berlin.

„Miss Charming“ Amyna Le präsentiert eine respektable Weinkarte,

insgesamt 190 Positionen: Deutschland, Frankreich, Italien,

Spanien, Österreich, Griechenland, Portugal, Neue Welt. Dazu

einige Kreszenzen aus Kroatien, Rumänien, Tschechien, Ungarn

und der Slowakei.

Respekt dafür und vor allem für die große Zahl von biodynamisch

erzeugten Gewächsen und Naturweinen, darunter etliche Lieblinge

wie der Silvaner „Ziegental“ von Konni & Evi Buddrus aus Freyburg

/ Unstrut, der Lemberger „roterfaden“ von Olympia Samara &

Hannes Hoffmann aus Vaihingen / Württemberg (nicht aus Franken,

wie die Weinkarte meint) und der als Pet Nat „Ancestrale“ ausgebaute

St. Laurent von Claus Preisinger aus Gols im österreichischen Burgenland

nahe des Vierwaldstättersees.

Der aktuelle Favorit von Amyna Le kommt von weiter her – ein

herrlich süffiger Chenin Blanc Orange namens „Baby Bandito“

von Testalonga, dem Naturwein-Projekt des südafrikanischen

Winemakers Craig Hawkins.

Barkeeper Giacomo Dondeo empfiehlt als Aperitif…

…seinen ORA Spritz.

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• Lokaltermin ORA

Küchenchef Sam Kindillon.

Das ORA steht natürlich nicht nur für eine ziemlich außergewöhnliche

Weinofferte und einen aufmerksamen, gästefreundlichen Service (das

von Kritikern bemängelte „Husch-Husch“ der Mitarbeiter konnten wir

bei keinem unserer Besuche nachempfinden), sondern auch für eine

ebenso befriedigende wie verantwortungsvolle metropole Küche.

Zuständig dafür ist der 31-jährige Sam Kindillon, Ire aus Dublin,

der sich sein Rüstzeug für den Job als Küchenchef in der Kopenhagener

Weinbar Manfreds holte, die neben dem Sternerestaurant

Relæ, der Pizzeria Bæst und der Bäckerei Mirabelle zum kleinen

Gastroimperium des italienisch-norwegischen Spitzenkochs Christian

Puglisi gehörte.

Kindillon und sein internationales Team bieten Kleinigkeiten für

Menschen, die nur mal eben auf ein Glas Wein oder einen Cocktail

ins ORA kommen: Butter und Brot; Burrata und Olivenöl; Rüben

und Bottarga; Gegrillte Languste und fermentierte Chilibutter sowie

natürlich Austern – Fine de Claire mit Shiso-Mignonette. Außerdem

gibt es je drei Vorspeisen, Hauptgerichte und Desserts sowie einen

Käseteller, aus denen sich die Gäste ein Drei- oder Vier-Gänge-Menü

zusammenstellen können: Zucchinisuppe mit Frischkäse, Rhabarber

und Haselnüssen; Jakobsmuscheln mit Kohlrabi, Meerrettich und

Holunderblüten oder Seezunge mit Queller, Erbsen und Sauce

Américaine – alles orientiert sich am saisonalen Marktangebot,

wird mit Liebe und Witz gekocht und ist vielleicht unter der Headline

„lässige Moderne“ am besten aufgehoben.

Sam Kindillon sind solche Schubladen egal. „Schreiben Sie lieber

über unsere Lieferanten“, bittet er und nennt Wilmars Gaerten in

Märkisch Wilmersdorf, den Siebengiebelhof in Drenkow, die eigene

Michelberger Farm in Vetschau, den WeideEi-Hof von Johannes

Habel in Falkenhagen und natürlich den Berliner Fish Klub (dessen

Chefin Margaux Friocourt ist übrigens Kindillons Lebenspartnerin).

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ORA Lokaltermin •

RESTAURANT ORA

Oranienplatz 14

10999 Berlin-Kreuzberg

Tel. 030 – 54 86 10 70

www.ora.berlin

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• Lokaltermin 30 Jahre Havelland Express

Große Jubiläumsparty mit viel kulinarischer Prominenz:

Sternekoch Philipp Liebisch (Stolberg / Harz)

und Havelland Express-Gründer Horst Bernd Paech…

Angekündigt war eine kleine Geburtstagsfeier. 30 Jahre Havelland

Express, Ort: Berlin-Tempelhof, Gottlieb-Dunkel-Straße, Zeit:

17.00 bis 21.00 Uhr. Wer kam – und es kamen viele – erlebte eine

Jubiläumsparty der Superlative, ein Get-together von Sterneköchen,

Spitzengastronomen und Top-Erzeugern aus Berlin, Brandenburg,

Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und anderen

Bundesländern. Großes kulinarisches Kino eben, wie immer, wenn

es bei Havelland Express etwas zu feiern gibt.

Die Firmengeschichte begann 1992 mit einem gebrauchten Lieferwagen,

einer Kühlkammer am Schwielowsee und zwei Männern,

deren Begeisterung für gute Produkte aus dem Berliner Umland

kaum Grenzen kannte. Horst Bernd Paech und Michael Kunzmann

hatten es sich in den Kopf gesetzt, die Berliner Gastronomie nach

dem Mauerfall wieder mit Spargel aus Beelitz, Erdbeeren aus Werder

und anderen regionalen Spezialitäten zu beliefern.

…Ritz-Carlton-Küchendirektor Frank Koppelkamm (Berlin)…

…Müritzfischer Steffen Steinbeck (Waren)…

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30 Jahre Havelland Express Lokaltermin •

…Sterneköchin Sonja Frühsammer (Berlin)…

Während die Konkurrenz über den „Ostkram“ bestenfalls müde

lächelte und weiter badischen Spargel und Erdbeeren aus der Pfalz

nach Berlin karrte, knüpften Paech und Kunzmann neue Netzwerke,

bauten Lieferketten auf und hatten mit ihrer Regional-Idee bald die

Nase vorn.

Die Havelland Express Frischdienst GmbH avancierte rasch zum so

genannten Vollsortimenter (weit über 3.000 Artikel, knapp ein Viertel

davon regionale Produkte), und weil der Charlottenburger Standort

dafür nicht ausgelegt war, suchten Horst Bernd Paech und Michael

Kunzmann „neue Ufer“. Die fanden sie in Tempelhof. In der Gottlieb-

Dunkel-Straße stemmten sie eine 5-Millionen-Euro-Investition und

eröffneten im September 2007 ein Frische-Logistik-Zentrum mit rund

3.500 Quadratmetern Nutzfläche. Das neue Hauptquartier der Firma

und ein guter Ort zum Feiern…

www.havelland-express.de

…Sternekoch Daniel Schmidthaler (Fürstenhagen)…

…und Patio-Küchenchef Christopher Kümper (Berlin), s. auch S. 36.

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• Advertorial

badische tradition

modern interpretiert

AdvertoriAl

blanc de blancS

der 1112 blanc de blancs ist eine

badische cuvée aus weißen rebsorten,

der mit fruchtigen noten von apfel und

Pfirsich begeistert. Er unterstreicht die

aromatik der verschiedenen komponenten

des gerichts hervorragend und passt auch

perfekt zu hellem gemüse, gegrilltem

Fisch oder auch zur Käseplatte.

der koch

Veganer hochgenuss ohne Verzicht –

dafür steht das restaurant zwei und

Zwanzig in Geisenheim am Rhein.

dirk Schritt machte seine leidenschaft für

Kulinarik 2015 zum Beruf. Heute ist das

restaurant eine beliebte anlaufstelle weit

über die Region hinaus. Sein Erfolgsrezept:

die veganen Speisen haben einen

sensationellen geschmack und

bestehen aus besten, größtenteils

regionalen Bio-Zutaten.

Semmelknödel mit

gebratenen Pfifferlingen

SPinatSalat und

malztrunk-Sauce

Zutaten für 4 Portionen

Semmelknödel

4 alte brötchen

1 zwiebel

1 bund Petersilie

2 g Pfeffer

3 g Salz

200 g Sojamilch

- frischhaltefolie

- alufolie

malztrunk-Sauce

1 zwiebel

30 g bratöl

3 g thymian

330 g malzbier

200 g karottensaft

5 g Salz

15 g Speisestärke

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400 g Pfifferlinge

1 zwiebel

5 g Salz

50 g margarine

10 g Petersilie

200 g babyspinat (frisch)

30 g Sesam (schwarz/

weiß)

1/2 zwiebel

100 g rapsöl nativ

5 g Salz

10 g zucker

10 g Senf

6 g apfelessig

Für die Semmelknödel Zwiebel

1schälen und fein würfeln. Die

Brötchen in ca. 2 x 2 cm große Stücke

schneiden. Sojamilch leicht erwärmen

und in der Folge alle Zutaten zusammen

in einer Schüssel durchkneten, bis ein

griffiger Teig entsteht. Den Teig nun

zunächst in Frischhaltefolie einrollen.

Danach in Alufolie einrollen und für

30 Minuten in einem großen Topf mit

kochendem Wasser garen. Sobald

die Knödel im Wasser sind, muss das

Wasser nicht mehr kochen.

Die Knödelrollen abkühlen lassen

2 und in ca. 2 cm breite Scheiben

schneiden. Diese können im Anschluss

in einer beschichteten Pfanne mit

Margarine anbraten.

Für das Salatdressing

3 Zwiebel schälen und grob

zerkleinern. Alle Zutaten in

einen Mixer geben und zu einem

homogenen Dressing mixen.

Für die Malzbiersauce die

4 Zwiebel schälen und fein

würfeln. In einem kleinen Topf

die Zwiebel anschwitzen.

Mit Malzbier und Karottensaft

ablöschen. Gewürze hinzugeben

und für 20 Minuten köcheln

lassen. Gegebenenfalls mit

etwas Stärke andicken.

Die Pfifferlinge säubern

5 und mit fein gewürfelten

Zwiebeln in einer Pfanne

anbraten. Zum Schluss fein

geschnittene Petersilie hinzugeben.

Beim Anrichten den Spinat

mit Dressing marinieren und

dem bunten Sesam dekorieren.

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Berliner Teller Geschmackssachen •

Berliner Teller

SERVIERT IN DER BAR BRASS IN CHARLOTTENBURG

Wir mögen Handwerk. Und deshalb mögen wir auch Restaurants,

die Handwerk zelebrieren – wie die Bar Brass in Charlottenburg.

Küchenchef Reza Daeinabi, Sous Chef Oliver Frahm und ihre Brigade

servieren hier Comfortfood at its best. Keine spektakulären Inszenierungen,

sondern durchdachte, geschmacksintensive Gerichte.

Zum Beispiel das gebratene Wildschweinfilet mit sautierten

Pfifferlingen, gegrilltem Grünspargel sowie sous vide gegarten und

angebratenen Pastinaken. Einen besonderen Kick liefert Vadouvan,

die indische Gewürzmischung aus Zwiebeln, Knoblauch, Kreuzkümmel,

Fenchel und Senfsaat (s. Bild oben). Das ist ein Teller,

der noch jeden Gast abholt – und deshalb unser Berliner Teller.

Jörg Teuscher und Thorsten Tonski

53


• Geschmackssachen Berliner Teller

Serviert wurde uns dieser Teller, wie gesagt, in der Charlottenburger

Bar Brass. Der Name steht nicht etwa für Brasserie, wie wir

anfangs annahmen, sondern kommt aus dem Englischen: Brass

wie Bronze, und das macht auch Sinn, denn das Restaurant hat

sein Domizil im Noack-Haus – so jedenfalls nennen Anwohner

den Gebäudekomplex zwischen Heizkraftwerk Charlottenburg

und Sömmeringstraße nördlich der Caprivibrücke.

Noack-Haus deshalb, weil hier eins der traditionsreichsten

Berliner Familienunternehmen seinen Sitz hat: die Bildgießerei

Hermann Noack, mit deren Namen nicht nur Schadows Quadriga

auf dem Brandenburger Tor und Drakes Viktoria auf der Siegessäule

verbunden sind, sondern auch die nach einem Entwurf von Renée

Sintenis gefertigten Berlinale-Bären.

Die längst weltbekannte Gießerei wurde 1897 von dem Berliner

Bronzegießermeister Hermann Noack I. in der Friedenauer

Brass-Geschäftsführer Reza Daeinabi, Inhaber Hermann Noack IV. und Restaurantleiter Alessandro Francioso, v. re.

54


Berliner Teller Geschmackssachen •

Restaurantleiter Alessandro Francioso.

Fehlerstraße gegründet und war dort auch über ein Jahrhundert

ansässig. Als der Standort Anfang der 2000er aus allen Nähten zu

platzen drohte, entschied sich Urenkel Hermann Noack IV., gelernter

Sandformer und Gießereimechanikermeister, für einen Neubau auf

größerem Gelände. Am Charlottenburger Spreebord entstanden in

den Folgejahren sowohl eine moderne Gießerei, ein großzügiger

Atelierbau, Ausstellungsflächen, ein Verwaltungsgebäude als auch –

ein Restaurant. Alles zusammengenommen ist es das Skulpturenzentrum

am Spreebord. „Es soll die Skulptur aus dem Schatten der

Kunstgeschichte wieder in den Mittelpunkt der Kunst rücken“, so

Hermann Noack IV. zur Einweihung 2009.

Mit der Eröffnung der Bar Brass setzte er übrigens eine Familientradition

fort. Auch sein Urgroßvater betrieb nämlich ein Lokal, angeblich,

weil er für ein ordentlich gezapftes Bier partout nicht mehr

als 100 Schritte laufen wollte.

Im Service: Elias Braun…

…und Diego Hunoz.

55


• Geschmackssachen Berliner Teller

Geschäftsführer und Küchenchef Reza Daeinabi und Sous Chef Oliver Frahm, v. re.

Natürlich hat die Bierkneipe von Noack I. weder ambientisch

noch kulinarisch irgendetwas gemeinsam mit dem Edelbistro von

Noack IV. – das wäre dann doch wohl zuviel der Traditionspflege –

o. k., Bier gibt’s in der Bar Brass auch.

Das Lokal gehört zu jener Kategorie Restaurants, für die sich

durchaus eine weitere Anreise lohnt. Die das gewisse Wohlfühl-

Etwas haben. Wo man bei schönem Wetter im gepflegten Garten

und ansonsten zwischen viel Kunst an fein gedeckten Tischen von

der ersten Minute an entspannen kann. Wo es nie langweilig ist, weil

die Küche stets Neues, zuweilen auch Kühnes wagt.

Dort agieren Reza Daeinabi, 52, der gleichzeitig Pächter und Geschäftsführer

ist, und der 33-jährige Oliver Frahm an einem maßgeschneiderten

Riesentrumm von Molteni, dessen in Messing

gegossenes Firmenschild allein 700 Euro kostet. „Das Grandiose

an diesem Herd ist seine weiche Wärme“, schwärmt Daeinabi.

Hier zeigen die beiden Köche, was sie können: französische Klassik,

mediterrane Leichtigkeit, dazu den einen oder anderen asiatischen

Kick. Das gilt sowohl für den Mittagstisch als auch fürs Abendmahl –

so jedenfalls sind die beiden Speisekarten für die verschiedenen

Essenszeiten überschrieben.

Da gibt es mittags zum Beispiel eine wunderbare Piccata vom

Weißen Heilbutt, die mit Rote-Bete-Bulgur und Blattspinat sowohl

eine farbenfrohe als auch geschmacksstarke Liaison eingeht. Und

abends überzeugte uns nicht nur die Wildschweinkeule (unser Berliner

Teller), voll des Lobes waren wir auch über eine Vorspeise, bei der

Puntarella (eine hierzulande leider viel zu selten servierte italienische

Endivienart mit schönen Bitternoten) mit Kapuzinerwurzel, Walnuss

und einem intensiven Parmesandressing bestens harmoniert. Lobend

erwähnen wollen wir auch das Mais-Dinkel-Risotto, das mit wildem

Brokkoli, einem wachsweichen Ei und kräftigem Pecorino auf die

56


Berliner Teller Geschmackssachen •

Teller kommt. Das alles ist weltläufig gekocht, subtil abgeschmeckt,

apart arrangiert und – obwohl wir selten über Preise reden, in diesem

Fall tun wir’s – äußerst fair kalkuliert.

„In der Bar Brass im Charlottenburger Skulpturenforum wird die

Verbindung zwischen Kunst und Handwerk nicht nur betont, sondern

noch verstärkt – mit gutem Essen und gutem Wein“, so Reza Daeinabi,

52, diplomierter Modedesigner, früherer Bistrobetreiber und spät

berufener Küchenkünstler.

BAR BRASS

Am Spreebord 9

10589 Berlin-Charlottenburg

Tel. 030 – 38 30 32 00

www.barbrass.de

57


• Geschmackssachen Berliner Teller

58


Berliner Teller Geschmackssachen •

Freie Termine sind bei Isabella Mannozzi derzeit rar. Ein Jubiläum steht

ins Haus, und die Chefkuratorin der Bildgießerei ist im Stress. „125 Jahre

Noack, das ist ja schon was“, lächelt sie, „dafür macht man gerne mal

Überstunden.“ Die Kunst- und Literaturwissenschaftlerin zeigt einen

opulenten Bild-Text-Band. „Unsere Jubiläumspublikation“, sagt sie mit

einigem Stolz, „in der die Geschichte unserer Bildgießerei erzählt wird.“

Sie beginnt 1897 in einem unbelüfteten Friedenauer Kellergeschoss.

Wenn der junge Firmengründer Hermann Noack I. nicht

gerade Mitarbeiter an die frische Luft tragen muss, die während des

Gusses der 1.000 Grad heißen Bronze in Ohnmacht gefallen sind, bespricht

er mit den aufstrebenden Bildhauertalenten August Gaul und

Fritz Klimsch ihre plastischen Projekte und führt sie in die handwerklichen

Grundlagen ihrer Kunst ein. „Schnell stand der Name Noack für

etwas, das für Künstler eine Verheißung ist“, so Isabella Mannozzi, „für

einen Ort, an dem Kunst und Handwerk miteinander verschmelzen.“

Kuratorin Isabella Mannozzi.

Eineinviertel Jahrhunderte später wird die Bildgießerei noch immer

von einem Hermann Noack geführt, mittlerweile in vierter Generation.

Und noch immer wenden sich die Größen der Kunstwelt mit ihren

Entwürfen an ihn. Hier lassen Anselm Kiefer, Georg Baselitz und Tony

Cragg ihre monumentalen Werke gießen, hier versammelt sich die

internationale Kunstszene, um ihre Ideen zu verwirklichen.

„Als mein Urgroßvater vor 125 Jahren das Unternehmen gründete,

wurde noch sehr figürlich gearbeitet“, so Hermann Noack IV., heute

sind es häufig komplexe Geschichten mit verschiedenen Materialien

und Techniken, etwa mit 3-D oder Wasserstrahlschneiden.“

Zum Jubiläum wird es auch eine Sonderausstellung geben –

kuratiert von Isabella Mannozzi, die übrigens seit 2006 im Hause

Noack tätig ist. „Sie erzählt von der wechselvollen Geschichte der

Werkstattgalerie“, gibt sie zu Protokoll, „vor allem von der Verbindung

zu den namhaftesten Künstlern der Nachkriegsmoderne bis heute.“

59


• Geschmackssachen Weltmeisterschaft der Nachwuchsbäcker

Jugend backt

50. WELTMEISTERSCHAFT DES BÄCKERNACHWUCHSES

VON JÖRG TEUSCHER

60


Weltmeisterschaft der Nachwuchsbäcker Geschmackssachen •

Das isländische Team verarbeitet kiloweise Zucker

für sein Schaustück – einen lavaspeienden Vulkan.

Fanden wir übrigens auch (s. S. 60) und fügen der Vollständigkeit

halber noch den Namen der Künstlerin hinzu. Gemalt hat das Bild

Birgit Schulz, Verkaufsleiterin der Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks

Berlin-Brandenburg.

Was es mit dem Backen und der Kunst auf sich hat, verorteten wir

bäckerischen Laien zuerst bei den so genannten Schaustücken, von

denen bei dieser Weltmeisterschaft jedes Team eins – welches Verb

passt jetzt eigentlich am besten? – backen oder bauen musste. Das

Thema: Natur. Ehrlich gesagt standen wir etwas ratlos vor den bis zu

1,60 Meter hohen Back-Skulpturen und fragten uns, ob der Zeit- und

Produktaufwand die ganze Sache wirklich wert ist, zumal aus den

Schaustücken am Ende des Tages auch keine Essstücke werden.

Günther Koerffer, deutsch-schwedischer Bäcker- und Konditormeister,

Hofkonditor des schwedischen Königshauses, Vizepräsident

der International Union of Bakers and Confectioners

(UIBC) und Juror beim großen RTL-Profibacken, nennt die „Show

pieces“ das „Nonplusultra der Backkunst“. „Hier kommen künstlerische

Fähigkeiten und handwerkliche Fertigkeiten zusammen“,

sagte er uns, „es geht um Perfektion und gegebenenfalls

um Improvisation und um Teamwork.“ Das klang zwar

überzeugend, räumte aber dennoch unsere Zweifel

nicht völlig aus, ob solche Schaustück-Show wirklich

noch zeitgemäß ist.

Das „Bäckerhaus“ in der Lankwitzer Seydelstraße –

so genannt, weil hier die Akademie des Deutschen

Bäckerhandwerks Berlin-Brandenburg und die

Bäcker-Innung Berlin unter einem Dach residieren – ist

normalerweise ein Ort eher stillen Schaffens. Am zweiten

Junidonnerstag allerdings herrschte im Haus bereits um 6.30 Uhr

morgens ein Gewimmel wie auf einem Berliner Wochenmarkt zur

Mittagszeit – mit dem Unterschied, dass dort vorwiegend deutsch gesprochen

wird, hier das Sprachengewirr aber nachgerade babylonisch

wirkte. Johannes Kamm, Geschäftsführer der Berliner Bäcker-Innung,

lächelte milde: „So ist das eben bei einer Weltmeisterschaft.“

Der 43-jährige Jurist, seit 2016 im Innungsamt, begleitete uns,

begrüßte Teilnehmer, Trainer und Kampfrichter der 50th UIBC International

Competition of Young Bakers – so die offizielle Bezeichnung

dieses Championats – erläuterte Medienleuten aus verschiedenen

Ländern Regeln und Räumlichkeiten und fungierte ganz nebenbei

auch noch als Kunst-Erklärer.

Ein Kameramann aus Singapur hatte in der Cafeteria des Bäckerhauses

ein Bild entdeckt und bat um ein Statement. Johannes Kamm

studierte die farbenfrohe Malerei intensiv, wies auf das Motiv und

lächelte wieder milde: „It means, baking is art!“ „Oh, it’s great“, bedankte

sich der singapurische Kameramann, „it’s a very good title

for our story!“

Das Schaustück des spanischen Teams trägt den Titel

„Cristina“ – ein Frauen-Torso aus dunklem Brotteig.

61


• Geschmackssachen Weltmeisterschaft der Nachwuchsbäcker

CHILE: Antonia Coppola, und Maria Fernandez, v. li.

SPANIEN: Jesús López und Mohammad Abdeselam Lazrak, v. re.

Jury-Präsident Bernd Kütscher.

Acht Mannschaften aus acht Ländern und von drei Kontinenten –

Amerika, Asien, Europa – waren angereist, um die weltbesten Jungbäcker

zu ermitteln. Keiner der Teilnehmer über 25, so verlangt es das

Reglement. Daneben ist in dem Papier auch festgelegt, welche Backwaren

zu produzieren sind – Brot, Brötchen, Blätterteiggebäck und

natürlich das Schaustück – in welcher Zeit und mit welchem Gerät.

Die insgesamt neun Bäckerinnen und sieben Bäcker hatten sich

bei nationalen Meisterschaften für das Weltchampionat qualifiziert –

Deutschland zum Beispiel wurde von der 24-jährigen Bäckermeisterin

Susanna Rupp aus Neu-Ulm und der Bäckergesellin Tina Reicherter,

22, aus Reutlingen vertreten.

Gecoacht übrigens wurde das deutsche Team von Bäckermeister

Dominic Reuter aus Rotenburg (Wümme) und von Lisa Sophie Schultz,

die 2021 in Lyon den Weltmeister-Titel gewonnen hatte und der wir

Jahre zuvor schon einmal begegnet sind.

FRANKREICH: Julie Unterreiner und Léa Paturel, v. li.

SCHWEDEN: Michaela Andersten und Mattias Jogmark, v. li.

62


Weltmeisterschaft der Nachwuchsbäcker Geschmackssachen •

DEUTSCHLAND: Tina Reicherter und Susanna Rupp, v. li.

VIETNAM: Nguyen Hoang Viet Huy und Nguyen Huu Kha, v. li.

Hallo Lisa, wir kennen uns doch…

Natürlich, Sie haben mich während meiner Lehre bei Christa Lutum in

Charlottenburg interviewt und dann über den Bäckerberuf geschrieben

und weshalb er so wenig Achtung in der Gesellschaft genießt.

Wie lange ist das her?

Ich meine vier Jahre, ich war gerade mit dem Abi fertig und demnach

im ersten Ausbildungsjahr.

Genau, Sie haben mir erzählt, dass Sie, als Sie sich für eine Bäckerlehre

entschieden hatten, von Freunden gefragt wurden, ob Sie mit

Gewalt verblöden wollten.

Wie Sie sehen, bin ich es nicht. Und ich sage es heute wieder und mit

noch größerer Überzeugung: Bäcker ist ein abwechslungsreicher und

unfassbar kreativer Beruf, man muss viele Prozesse gleichzeitig auf

dem Schirm haben und braucht jede Menge Wissen.

Wie man hier beobachten kann. Danke und viel Erfolg für Ihr Team!

Coach Lisa Sophie Schultz.

ISLAND: Finnur Guðberg Ívarsson und Matthías Jóhannesson, v. re.

SINGAPUR: Sarah Tan und Jessica Lee, v. li.

63


• Geschmackssachen Weltmeisterschaft der Nachwuchsbäcker

Die Teilnehmer „im Tunnel“: Julie Unterreiner, Frankreich…

Das deutsche Duo ist ein bestens eingespieltes Team, das merkten

auch die Konkurrenten aus den anderen Ländern schnell. Tina

Reicherter und Susanna Rupp arbeiteten konzentriert und beinahe

wortlos, vermieden überflüssige Handgriffe und weite Wege – alles

bei den beiden Bäckerinnen lief nach einem offenbar vorher genau

ausgetüftelten Plan.

„Kein Wunder, die haben ja auch wochenlang wirklich hart trainiert“,

erzählte Kerstin Reicherter, „sowohl an der Akademie des Deutschen

Bäckerhandwerks in Weinheim als auch am heimischen Herd.“ Die

Mutter der späteren Weltmeisterin war mit einem kleinen Fanclub

eigens aus Reutlingen nach Berlin gekommen, um ihre Tochter zumindest

moralisch zu unterstützen. Doch die hatte während des

Wettkampfes keinen Blick für ihre Freunde. Tina Reicherter war

„im Tunnel“, lediglich das permanente Blitzen einiger Fotografen

kommentierte sie mit einem kategorischen „Licht aus!“

…Susanna Rupp und Coach Dominik Reuter, Deutschland…

…Sarah Tan, Singapur…

64


Weltmeisterschaft der Nachwuchsbäcker Geschmackssachen •

…Antonia Coppola, Chile…

…Jesús Lopez, Spanien…

Auch Judy Koh, Trainerin der Mannschaft aus Singapur und Mitglied

der internationalen Jury, hat das deutsche Team lange beobachtet.

Das Urteil der Meisterbäckerin und Gründerin der Kulinarischen

Akademie des Stadtstaates in Südostasien war schnell klar: „Die

beiden deutschen Bäckerinnen sind bei dieser 50. Weltmeisterschaft

die Favoritinnen, ihnen am nächsten kommen wahrscheinlich

die Französinnen, und die beiden Jungs aus Island finde ich

auch ganz gut.“

Und welche Chancen geben Sie Ihrem Team, Frau Koh? „Ich

bin realistisch, gegen diese Backprofis haben wir keine Chance.

Allerdings sind Sarah Tan und Jessica Lee mit ihren 15 bzw. 17 Jahren

auch noch sehr jung. Sie konnten hier viele Erfahrungen sammeln und

werden vielleicht in vier, fünf Jahren dann auch mal auf dem Podest

stehen.“ So sah es auch Juror Günther Koerffer. „Erfahrungsaustausch

ist allemal die billigste Investition“, sagte er.

…und Tina Reicherter, Deutschland.

65


• Geschmackssachen Weltmeisterschaft der Nachwuchsbäcker

Die Jury bei der Arbeit: Amanda Bäckström (Schweden)

und Daniela Paz Pizzarro Díaz (Chile), v. li…

…Jean-Claude Iltis (Frankreich)…

Während die Juroren am Ende jedes Wettkampftages die Backwaren

der Kontrahenten ebenso konzentriert wie wort- und (zumindest

äußerlich) emotionslos unter die sprichwörtliche Lupe nahmen,

schien Oliver Fettke schier aus dem Häuschen angesichts der

kreativen Vielfalt. „Einfach nur geil“, murmelte er, „mein Gott, so

jung und schon so gut.“

Fettke ist 52, Berliner und selbst ein gestandener Bäcker. Zaungast

der Weltmeisterschaft war Fettke zufällig, weil er aktuell im gleichen

Haus die fünfmonatige Ausbildung zum Meister seines Handwerks

absolviert. Und er nutzte diesen Zufall. „Die Croissants des Teams

aus Island beispielsweise sind um Klassen besser als das, was ich

bisher kennengelernt habe“, sagte er, „den Grund will ich mit Hilfe

der beiden jungen Kollegen aus Reykjavík unbedingt noch herausfinden.“

Weshalb? „Wenn’s passt, mache ich meine Croissants in

Zukunft genauso!“

Zaungast Oliver Fettke, Meisterschüler aus Berlin.

…Günther Koerffer (Schweden)…

…und Bernd Kütscher (Deutschland).

66


Weltmeisterschaft der Nachwuchsbäcker Geschmackssachen •

67


• Geschmackssachen Weltmeisterschaft der Nachwuchsbäcker

Apropos Zukunft. Fettke wird sich nach seiner Meisterausbildung

im nächsten Jahr selbstständig machen – allerdings nicht in Berlin,

sondern 4.000 Kilometer entfernt, in Maspalomas auf der Urlaubsinsel

Gran Canaria. Seine Frau ist Spanierin, er spricht die Landessprache

und weiß, dass deutsches Brot dort geschätzt wird. Und sicher auch

isländische Croissants. Also dann, viel Erfolg, Maestro Fettke.

Den wünschte Christa Lutum, Obermeisterin der Bäcker-Innung

Berlin, nach den beiden Wettbewerbstagen auch den Teilnehmern

dieser 50. Nachwuchs-Weltmeisterschaft. Die normalerweise nicht

eben zu verbalem Überschwang neigende Meisterin lobte die beeindruckende

Kreativität und die bemerkenswerte Perfektion der jungen

Bäcker und – ja – sie sprach sogar von Backkunst.

Bevor sie den Siegern ihre Pokale, Medaillen und Urkunden überreichte,

sagte sie: „Alle haben gewonnen, an erster Stelle unser

schönes altes Handwerk!“ Eine gute Botschaft.

50 TH UIBC INTERNATIONAL COMPETITION

OF YOUNG BAKERS 2022

1. Platz:

› Team Deutschland (Tina Reicherter & Susanna Rupp)

2. Platz:

› Team Frankreich (Julie Unterreiner & Léa Paturel)

3. Platz:

› Team Schweden (Michaela Andersten & Mattias Jogmark)

Sonderpreis der Jury:

› Team Spanien (Jesús López & Mohammad Abdeselam Lazrak)

Sonderpreis für Newcomer:

› Team Island (Finnur Guðberg Ìvarsson & Matthias Jóhannesson)

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69


• Geschmackssachen Anaïs Causse empfiehlt…

Anaïs Causse, 43, ist gebürtige Berlinerin. Nach dem Abitur an der

Goethe-Oberschule in Steglitz studierte sie Arabistik und Islamwissenschaften,

merkte aber zunehmend, dass das nicht ihr Ding ist.

Sie verabschiedete sich von der Freien Universität und einer möglichen

akademischen Laufbahn, heuerte bei Feinkost-Lindner an und

absolvierte eine Ausbildung zur Fachfrau für Systemgastronomie.

2003 stieg sie in das Feinkostgeschäft ihres Vaters ein, aus

„Maître Philippe“ wurde „Maître Philippe & Filles“ – ein Spezialitätenhandel,

der beste Beziehungen vor allem nach Frankreich

pflegt und kulinarisch wie atmosphärisch zu den ersten Adressen

der Branche in Berlin zählt.

Für Garçon schreibt Anaïs Causse regelmäßig über ihre exquisiten

Spezereien und deren Produzenten.

www.maitrephilippe.de

UIVO AQUA NAT,

POR FAVOR

VON ANAÏS CAUSSE

Der Sommer ist nun wirklich vorbei und der Herbst hat Einzug gehalten.

Ich mag den Herbst eigentlich ganz gerne, vor allem seine

Farben. Trotzdem trauere ich den lauen Sommernächten und den

erfrischenden Drinks nach. Da trifft es sich ganz gut, dass ich das

perfekte Getränk gefunden habe, um den Sommer noch ein bisschen

festzuhalten, wenigstens im Glas. Ich rede vom Aqua Nat des

portugiesischen Winzers Tiago Sampaio.

Der Aqua Nat ist eine Piquette. Piquette? Für die bekannte britische

Weinkritikerin Jancis Robinson ist sie „a summer wine for everyone“,

ein Sommerwein für Jedermann. Genaue Anweisungen für seine

Herstellung finden sich übrigens bereits 1786 in Francois Rosiers

„Cours complet d’agriculture“(Vollständiger Landwirtschaftskurs).

Kurz gesagt ist die Piquette ein Tresterwein, hergestellt aus

Schalen, Kernen und allem, was sonst noch nach dem Pressen der

Trauben übrig bleibt. Diesem Trester wird Wasser zugesetzt und

nach kurzer Zeit beginnt die Gärung. Das Ergebnis ist ein leicht

moussierendes Getränk mit fünf bis sechs Vol.% Alkohol. Für mich

schmeckt es wie eine Art Wein-Brause, nicht besonders süß, sondern

eher herb und schön erfrischend. Eine flüchtige Erinnerung an Wein…

70


Anaïs Causse empfiehlt… Geschmackssachen •

Das Weinbaugebiet Alto Douro, seit 2001 Teil des UNESCO-Welterbes.

Tiago Sampaio ist Jahrgang 1978 und wuchs in Porto auf. Er studierte

in seiner Heimat Agrarwissenschaften und promovierte in den USA

in Weinbau und Önologie. Nach seiner Rückkehr übernahm er das

Familienweingut, das bis dahin sein Großvater geführt hatte. Die

Weinberge des Gutes liegen vorwiegend im Alto Douro, in der Subregion

Cima-Corgo, wo sich die Rebstöcke auf einer Höhe von 500

bis 700 Metern an die Hänge aus Schiefer und Granit klammern.

Früher gab es in der Gegend sogar Wölfe, und Tiago Sampaio hofft,

dass sie vielleicht eines Tages zurückkehren…

Das ist wohl auch der Grund, weshalb die meisten seiner Weine inzwischen

unter dem Namen UIVO laufen. UIVO ist das portugiesische

Wort für Wolfsgeheul, das für Tiago Sampaio die Rückkehr zur Natur

symbolisiert. Und so findet sich auf jedem UIVO-Etikett auch ein

Verweis auf den Wolf: auf dem Rabigato ist der Schwanz zu sehen,

auf dem Renegado die Tatze und auf dem Moscatel Galeto das Ohr.

Das alles sind Weine, die übrigens einen reißenden Absatz finden – in

Portugal und weltweit.

Auch seine Piquette, die in Sampaios Heimat Aqua Nat heißt, verkauft

der Winzer vorwiegend nach Übersee. Für ihn ist das Getränk

„eine gute Alternative zum Bier, erfrischend und leicht zu trinken,

ohne, dass man allzuviel darüber nachdenken muss.“ Also dann:

SaÚde! Prost!

Anaïs Causse und der Winzer Tiago Sampaio.

71


• Geschmackssachen Schulessen

Herbst auf dem Bauernhof!

Großer Kürbismarkt

mit über

30 Kürbissorten!

Kürbisküche

Sonntagsbraten

Maislabyrinth

großer Spielplatz

Wohnmobilstellplätze

Tausende bunte Kürbisse haben unseren

Hof mit ihren leuchtenden Farben längst

in herbstliches Licht getaucht, auf der

Speisekarte locken neben brandneuen

Köstlichkeiten rund um den Kürbis regionale

Spezialitäten, wie der „Falsche

Hase vom Wasserbüffel“ und auch der

prächtige Sonntagsbraten sorgt für große

Freude bei seinen vielen Fans…

Auch den Herbst genießt man unserer

Meinung nach am besten in der Natur

und an der frischen Luft. Entdeckt unser

großes Maislabyrinth und den Abenteuerspielplatz,

besucht unsere vielen

Hof-Tiere und lauscht den Rufen tausender

Kraniche, die sich nun wieder auf

den Feldern rund um unseren Hof sammeln!

Am ersten Oktoberwochenende freuen

wir uns auf euch in Dirndl und Krachlederner

– erlebt eine lustige Wiesnparty

in der urigen Location unseres Restau-

rants „LandWirt“ – mehr dazu unter

https://spargelhof-kremmen.de/

veranstaltungen/

Auch die Gänse- und Entenzeit wirft

bereits ihre Schatten voraus – sichert

euch eurer Freilandgeflügel rechtzeitig

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Anfang November wird dann diese letzte

unserer Vier Jahreszeiten auf unserem

Hof eingeläutet – hier erwartet euch neben

dem heiß geliebten Gänseschmaus

unsere fast 400 m² große Eisbahn, der

Weihnachtsurwald und an den Feiertagen

unser Festtagsbuffet!

Ihr seid neugierig geworden und wollt

mit uns in Kontakt bleiben? Dann abonniert

doch einfach unseren Newsletter

oder stöbert von Zeit zu Zeit auf unserer

Homepage.

Wir freuen uns auf euren Besuch!

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Schulessen Geschmackssachen •

Gemeinschaftsverpflegung:

Aufbruch zu neuen Ufern

Als die Kantine Zukunft Ende August 2021 im Rahmen der Veranstaltung

„Berliner Meisterköche“ den Preis als Gastronomischer

Innovator erhielt, fragten etliche Gäste auf dem Hof der Königlichen

Porzellanmanufaktur: „Kantine Zukunft? Wo ist denn das und was

kochen die überhaupt?“

Die Begründung der Meisterköche-Jury lieferte Aufklärung. „Die

Berliner Gemeinschaftsgastronomie“, so deren Vorsitzender Dr.

Stefan Elfenbein, „soll gesünder und nachhaltiger werden. Das Ziel:

60 Prozent Bio-Anteil am Gesamtwareneinsatz, möglichst ohne Mehrkosten.

Das interdisziplinäre Team der Kantine Zukunft steht den

Betreibern der Gemeinschaftsgastronomie als Partner in diesem

Transformationsprozess zur Seite. Mit Workshops, Mitarbeit im

laufenden Betrieb und vielen frischen Ideen sorgt es dafür, dass der

Wandel nachhaltig gelingt.“

Inzwischen muss das deutschlandweit einmalige Projekt keiner mehr

erklären. Die vom Senat mit 1,15 Millionen Euro jährlich geförderte

Kantine Zukunft zur Verbesserung des Essens in Betrieben, Kitas,

Krankenhäusern und Schulen ist längst in vieler Munde – auch, weil

sich beispielsweise in den Kantinen der Berliner Wasserbetriebe

sowie von BSR und BVG, im Krankenhaus Havelhöhe in Kladow, im

Kindergarten Fröbelspatzen in Friedrichshain oder in der Mensa der

Freien Waldorfschule in Mitte in den letzten Jahren viel getan hat.

Dort kommt längst weniger Fleisch oder im Falle der Waldorfschule

gar kein Fleisch auf die Teller, stattdessen mehr frisches Gemüse,

im besten Fall aus regionalem Bio-Anbau.

„Ja, es hat sich schon viel zum Besseren gewendet“, so Phillipp

Stierand, promovierter Stadt- und Raumplaner und Leiter des Projekts,

„wir müssen aber gemeinsam auch noch jede Menge umkrempeln.“

Projektleiter Dr. Philipp Stierand.

73


• Geschmackssachen Schulessen

Podiumsdiskussion am 17. Mai 2022: Gemeinschaftsgastronomie im Wandel.

Was Stierand damit meinte, wurde auf einem Workshop deutlich,

der Mitte Mai 2022 in der Trainingsküche der Kantine Zukunft in der

Markthalle Neun stattfand. Rund 30 am Thema „Gemeinschaftsgastronomie

im Wandel“ Interessierte kamen zusammen und diskutierten

mit Experten aus Landwirtschaft und Ernährungspolitik,

was die Gemeinschaftsgastronomie im internationalen Vergleich

voneinander lernen kann.

Per Video zugeschaltet waren Ruth Westcott, Kampagnenleiterin

Climate and Nature Emergency aus London und Thomas Mosor,

Leiter von ÖkoKauf Wien. Während Mosor über die Erfahrungen bei

der öffentlichen Beschaffung nachhaltig produzierter Lebensmittel

für die Gemeinschaftsverpflegung in der Donaumetropole sprach

und dafür viel Anerkennung erntete, bekam Ruth Westcott für das

englische Projekt, in dem Spitzenköche Kantinen „adoptieren“, um

dort als Berater zu fungieren, sogar Szenenapplaus.

Und in der Diskussion hieß es: „Für die Transformation der Gemeinschaftsgastronomie

braucht es Menschen, die den Wandel aktiv

und persönlich begleiten.“ „Ein Expertenrat“, so Ann-Christin Weber,

Ernährungsreferentin in der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität,

Verbraucher- und Klimaschutz, „wäre ein wichtiger Schritt zu mehr

Austausch und Zusammenarbeit, ähnlich wie in Kopenhagen.“

Tatsächlich gelang es der dänischen Hauptstadt innerhalb weniger

Jahre, den Bio-Anteil in fast allen öffentlichen Küchen auf 90 Prozent

zu erhöhen. Doch das ist nicht alles.

Der Veränderungsprozess muss dem Gedanken folgen, dass es

für eine Umstellung des Speisenangebotes weit mehr bedarf, als

nur Lebensmittelkomponenten auszutauschen. Ein nachhaltigeres

Verpflegungskonzept erfordert eine Veränderung des Speiseplans,

des Einkaufs, der Zubereitung bis hin zum Abfallmanagement.

www.kantine-zukunft.de

Ann-Christin Weber, Senatsverwaltung für

Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz.

74


Schulessen Geschmackssachen •

Von wegen igitt

ZU GAST IN DER MENSA DER FREIEN

WALDORFSCHULE BERLIN-MITTE

VON JÖRG TEUSCHER

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• Geschmackssachen Schulessen

„Für heute ist alles klar“, sagt Bettina Zehner, „wir machen den Eierreis,

dazu Gemüse – Auberginen, Paprika, Zucchini – und Hummus.

Und zum Nachtisch unsere Honigwaffeln.“ Dann bespricht die

Mensaleiterin der Freien Waldorfschule Berlin-Mitte mit ihren Mitarbeitern

Chiara Strobl und Michael Lechner noch den Speiseplan

für die kommende Woche.

Am Montag soll es Ravioli mit Erbsenfüllung geben – „entweder

mit Salbeibutter oder mit Tomatensauce“, so Bettina Zehner –

am Dienstag Risotto ai funghi, ein italienisches Reisgericht mit

Pilzen, mittwochs Ofenkartoffeln mit Kräuterquark, donnerstags

Gemüselasagne und am Freitag rote Linsensuppe. „Hatten wir

nicht noch Milchreis geplant?“, fragt Chiara Strobl. „Den kochen wir

auch am Freitag“, entscheidet Bettina Zehner, „am besten unsere

orientalische Variante mit Kokosmilch, Kardamom und Zimt und

servieren ihn mit gekühlter Aprikosensauce als Dessert.“

Morgenmeeting: Mensaleiterin Bettina Zehner, Mi., Köchin Chiara Strobl und Beikoch Michael Lechner.

76


Schulessen Geschmackssachen •

Beikoch Michael Lechner.

Küchenhelfer Mahmoud Mohamad.

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• Geschmackssachen Schulessen

Gott sei Dank, ich bin a Frank. Das „Roll-R“ verrät die Herkunft von

Bettina Zehner. Die 58-Jährige stammt aus Ostheim, einem Städtchen

in Unterfranken, das kulinarisch Interessierte sofort mit einer

fleischigen Spezialität in Verbindung bringen – dem Ostheimer

Leberkäs’, aber das ist schon wieder eine andere Geschichte…

Bettina Zehner absolvierte ihre Ausbildung zur Köchin im Allgäu

und stand danach sieben Jahre lang in Schweizer 5-Sterne-Hotels am

Herd: Luzern, Pontresina, Zürich. 2010 kam sie nach Berlin, studierte

Betriebswirtschaft für das Hotel- und Gaststättenwesen und erfuhr

mehr zufällig von einer Ausschreibung, die sie interessierte.

Rund 340 Schüler werden heute täglich in der Mensa in der Weinmeisterstraße

versorgt, deren Ambiente übrigens einen Extrapunkt

verdient hat. „Alle Gerichte sind vollwertig und vegetarisch und vorwiegend

mit Demeter-Produkten aus der Region zubereitet“, so die

Mensaleiterin, „auf isolierte und raffinierte Produkte wie Zucker,

Auszugsmehl oder geschältes Getreide verzichten wir völlig.“

Die Küchenmannschaft süßt mit Ahornsirup oder Honig, verwendet

ausschließlich kaltgepresste Öle und naturbelassene Butter und

achtet genau auf Allergien und Unverträglichkeiten. „Und jedes Kind

darf natürlich von jedem Gericht probieren“, so Bettina Zehner.

Die 1990 als eine der ersten Waldorfschulen der damals noch

existierenden DDR gegründete Freie Waldorfschule Berlin-Mitte

plante die Eröffnung einer eigenen Mensa und suchte dafür ein

entsprechendes Konzept und geeignetes Personal. Bettina Zehner

schrieb einen Ernährungs- und Küchenplan und reichte ihn ein. Mit ihr

am Start – 25 weitere Bewerber. Zehners Konzept einer abwechslungsreichen,

vegetarisch-vollwertigen Frischeküche überzeugte und die

erfahrene Köchin bekam den Zuschlag. 2011 wurde die Mensa eröffnet,

Bettina Zehner übernahm deren Leitung und etablierte eine

moderne, pflanzenbasierte Gemeinschaftsverpflegung.

Vor dem Kochen kommt der Einkauf. Dabei setzen wir auf

gewachsene Beziehungen zu Biobauern, die in der Region

arbeiten. Bestes Beispiel ist der Demeterhof von Torsten Voigt

in Gumtow in der Prignitz. Von dort bekommen wir Eier und

Kartoffeln. Der Syringhof in Zauchwitz bei Beelitz beliefert

uns mit Spargel, und unser Honig stammt zu 100 Prozent

aus der Demeter-Imkerei von Olaf Nils Dube in Blankenfelde.

Bettina Zehner, Köchin und Mensaleiterin

78


Schulessen Geschmackssachen •

Neben Bettina Zehner steht Chiara Strobl am Mensa-Herd, eine junge

Frau, die jedes Sternerestaurant in Berlin und anderswo mit Kusshand

einstellen würde. Doch die 35-jährige winkt ab: „Besten Dank, hatte

ich schon, brauche ich nicht mehr.“

Chiara Strobl ist Österreicherin, geboren und aufgewachsen in

Dornbirn, einer 50.000-Einwohner-Stadt im Bundesland Vorarlberg.

Den eigenwilligen, ein bisschen nach Schweizerdeutsch klingenden

Dialekt, der im westlichen Zipfel der Alpenrepublik gesprochen wird,

hat sie allerdings abgelegt. „Wahrscheinlich war ich zu lange woanders

unterwegs“, sagt sie und nennt Städtenamen: „Madrid, Wien, Berlin.“

Drei Jahre blieb sie in Billy Wagners Sternerestaurant, dann zog es

Chiara Strobl nach Südamerika. Sieben Monate reiste sie kreuz und

quer durch den Kontinent. Ihr rückblickender Kommentar: „Neue

Welten, neue Küchen, neue Erfahrungen.“ 2019 Rückkehr nach Berlin,

Sous Chefin im Kreuzberger Lode&Stijn und viel Lob der beiden

Holländer: „Ihre Arbeit ist von der Lust am Geschmack geprägt und

bei allem handwerklichen Können fern von Routine.“

Dann kam Corona. Sie nahm das Angebot der Waldorfschule an,

drei Monate in deren Mensa auszuhelfen. Als die vorbei waren, fragte

Bettina Zehner, ob sie bleiben wolle. Chiara Strobl wollte.

Nach einer „Such- und Findungsphase“, zu der ein einjähriges Medienpraktikum

und ein ebenso langes Universitätsgastspiel gehörten,

beschloss sie, Köchin zu werden. Sie bewarb sich um eine Lehrstelle

bei Markus Mraz und wurde genommen. Dessen Restaurant in Wien-

Brigittenau war bereits damals mit einem Michelin-Stern und drei

Gault&Millau-Hauben ausgezeichnet und zählte in Österreich zur

kulinarischen Spitze. „Hier habe ich gelernt, was fundiertes Handwerk

ist und was kreatives Kochen bedeutet“, so Chiara Strobl.

Nach dem Abschluss folgte sie ihrem damaligen Partner – ebenfalls

Koch von Beruf – nach Berlin und heuerte im Nobelhart & Schmutzig an.

Die wichtigsten Unterschiede zwischen einem Sternerestaurant

und unserer Mensa? Kann ich Ihnen sagen. Wir

kochen in einem 100-Liter-Kessel, benutzen schaufelgroße

Kochlöffel und brauchen zum Anrichten keine Zahnarztpinzetten,

das ist der erste. Und der zweite: Der Kontakt zu

den Gästen ist hier direkter und deren Meinung zu dem, was

wir servieren, unverblümter.

Chiara Strobl, Köchin

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• Geschmackssachen Schulessen

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Schulessen Geschmackssachen •

Mit der Österreicherin kamen auch einige neue Gerichte auf den

Speiseplan: Frittatensuppe zum Beispiel, Spinatknödel oder Vollkornbuchteln.

„Unser signature dish allerdings ist eine vegetarische

Lasagne“, so Chiara Strobl. Die Basis der Bolognese dafür besteht

in der Waldorf-Mensa natürlich nicht aus Hackfleisch, sondern aus

geschroteten und über Nacht eingeweichten Kichererbsen, die mit

reichlich Gewürzen gekocht werden – neben Pfeffer und Salz sorgen

auch Lorbeer, Oregano, Thymian und eine Prise Zimt für den feinen

Geschmack des Lieblingsgerichts der meisten Mensagäste.

„Kochen für viele darf nicht nur reine Verpflegung sein“, sagt

Bettina Zehner, „wir wollen mit unseren Gerichten unsere Gäste auch

glücklich und zufrieden machen.“ Dann fügt sie noch hinzu: „Genau

das ist auch der Grund, weshalb wir neben der hohen Produktqualität

auch das nachhaltige, saisonale und regionale Kochen favorisieren.“

www.waldorfschule-mitte.de

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• Geschmackssachen Schulessen

(Geschmack) und Möchtest du dieses Essen

nochmal haben? Antwort einer Schülerin:

„Nur wenn der Spinat nicht mehr aus

Blättern besteht!“

Als ich diesen Satz las, erinnerte ich

mich, dass ich vor vielen Jahren in einer

französischen Schule in Avallon in der

Bourgogne am Geschmacksunterricht – ja,

sowas gibt es dort – teilnehmen durfte.

Der Sternekoch Marc Meneau referierte

über den ernährungsphysiologischen Wert

von Spinat und dessen Zubereitung. Als er

erklärte, dass man ihn auch pürieren könne,

erregte sich einer der Fünftklässler: „Mon

Dieu, wer macht denn sowas?“…

Selmas Liebeserklärung war nicht die einzige

für die Küchencrew der Schulmensa

in diesem Jahr. Franziska fand die Nudeln

super und tat ihr Urteil ebenso schriftlich

kund wie Marie, der eine Lasagne besonders

gut geschmeckt hatte.

„Wir bekommen natürlich auch reichlich

Kritik“, sagt Chiara Strobl und erzählt

von hausgemachten Müsliriegeln, die wohl

„einen Hauch zu lange“ im Backofen waren.

„Da gab’s einen regelrechten Shitstorm“,

lacht sie. Bettina Zehner schließlich holt

ein paar so genannte Feedbackbogen,

darauf drei Fragen: Wie hat dir das Essen gefallen?

(Optik), Wie hat es dir geschmeckt?

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150 Jahre Windmühlenmesser Geschmackssachen •

MEIN LIEBLINGSMESSER

ZUM 150. JUBILÄUM DER

WINDMÜHLENMANUFAKTUR SOLINGEN

VON JÖRG TEUSCHER

Nein, eine Schönheit ist dieses Messer

nicht (mehr) und ja, ich habe auch Schneidwerkzeuge,

die deutlich mehr hermachen.

Dennoch benutze ich es fast täglich, weil

es sich für so viele Küchen- und andere

Arbeiten bestens eignet. Ich brauche es zum

Kartoffelschälen ebenso wie zum Gemüseschnippeln,

ich entsteine mit seiner Hilfe

Obst, schneide Käse und schuppe Fisch.

Es dient mir aber auch zum Anspitzen

meiner Bleistifte, und ich bekomme damit

lockere Schrauben wieder fest und feste

endlich locker. Es hat mich in schätzungsweise

dreißig Jahren nie im Stich gelassen,

und als sich vor langer Zeit mal die Spitze

verbog, brachte ich es zu Meister Lehmann,

der hat sie einfach abgeschliffen. Seitdem

ist die Klinge nur noch 7,5 Zentimeter lang

anstelle der ursprünglichen 8,5 Zentimeter.

Aber das ist kein Problem, es bleibt meine

Allzweckwaffe – natürlich nur im haushaltstechnischen

Sinn – mein Lieblingsmesser.

Hergestellt wurde es Anfang der 1990er

in der Solinger Windmühlenmanufaktur, die

offiziell Robert Herder GmbH & Co. KG heißt

und vor ein paar Wochen ihr 150-jähriges

Bestehen feierte.

Bereits 1872, im Gründungsjahr der Manufaktur,

wurde dort das Modell meines

Lieblingsmessers gefertigt – aus nicht-

rostfreiem Carbonstahl und einem Buchenholzgriff,

die Klinge nach dem Prinzip des

Solinger Dünnschliffs bearbeitet und von

Hand feingepließtet (das ist ein spezieller

Feinschliff), dazu zwei Alu-Nieten, die Griff

und Klinge zusammenhalten.

Wohl auch deshalb hat es keinen besonderen

Namen bekommen, sondern heißt

schlicht „Der Klassiker“. Natürlich sind die

„Windmühler“ stolz auf diese Tradition, und

Solingen ist stolz auf die traditionsreiche

Manufaktur. „Sie ist ein Teil des Stolzes

unserer Stadt“, sagte Oberbürgermeister

Tim Kurzbach auf der Jubiläumsfeier, und

das sagt wohl alles.

Firmengründer Robert Herder.

Geschäftsführerin Giselheid Herder-Scholz.

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FINDE DEINEN GIN

• Geschmackssachen Kostproben

91

Punkte

BAR- & SPIRITS GUIDE

Kostproben

Fünf Supermarkt- und Discounterketten beherrschen 90 Prozent des

Lebensmittelhandels in Deutschland. In den Regalen aromaverstärkte

Fertiglebensmittel, plastikverschweißter Billigkäse, geschmacksuniforme

Industrieware. Nicht nur, aber größtenteils.

Die verbleibende Zehn-Prozent-Nische haben engagierte Genusshandwerker,

kenntnisreiche Feinkosthändler und Onlineverkäufer mit

ihrem Gegenentwurf zur Mas senware der Lebensmittelindustrie be -

setzt: manufakturell hergestellte Aufstriche; Würste, die nicht aus der

Schlachtfabrik kommen; handgefertigte Schokoladen, haus gemachte

Liköre, Konser ven ohne E-Zusätze, vieles in Bioqualität. Das meiste

ist teurer als Supermarktware gleichen Namens, aber eben auch

gesünder, nachhaltiger und geschmackvoller.

Vier Kostproben dessen, was wir neben den vielen anderen erstklassigen

Produkten in diesem Heft in den letzen Wochen sonst

noch entdeckten, probierten und als kulinarisch bemerkenswert

empfanden, servieren wir Ihnen auf der folgenden Seite.

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Kostproben Geschmackssachen •

GTS

Großküchentechnik &

Service GmbH

Cha ist zwar das japanische Wort für Tee, dennoch

ist Mugi-cha kein Tee im eigentlichen Sinn, denn das

traditionelle Nippon-Getränk besteht aus gerösteter

Nacktgerste. Sie wird mit kochendem Wasser aufgegossen,

und nach zehnminütigem Ziehen ist der

Mugi-cha fertig. Serviert wird der intensiv duftende und

angenehm nussige Gerstensud im Sommer eisgekühlt

und im Winter heiß. Übrigens: In diesem Fall stammt die

Gerste aus bayerischem Bioanbau – also: ein kräftiges

Kampai auf Nachhaltigkeit und Regionalität!

Lange im kulinarischen Abseits, entdeckten Küchenchefs

und Cocktailkreateure vor 20, 25 Jahren den

Verjus neu. Der Saft unreifer Trauben passte besser

in die Zeit, weil er bekömmlicher ist als etwa Weinessig

und aromatisch vielfältiger als Zitronensaft.

Ein junges Berliner Startup erkannte den Trend und

brachte Ende 2019 einen Verjus aus der Grünlese von

Riesling-, Kerner- und Spätburgundertrauben auf den

Markt, dessen Eleganz und dezente Säure ihn zu einem

Geschmackserlebnis der besonderen Art machen.

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Taste Bar und Showroom

Kantstraße 26

10627 Berlin-Charlottenburg

Online-Bestellung: www.avaaverjus.com

Kochgruppen, Herde, Kombidämpfer,

Bratplatten, Kochkessel, Fritteusen u.v.m.

Gewerbe-Geschirrspülmaschinen

Tiefkühl- und Kühlanlagen

Arbeits- und Spültische

Der Gutshof Einklang liegt in Jahnsfelde im Landkreis

Märkisch-Oderland, rund 50 Kilometer östlich

von Berlin. In der Feinkost-Manufaktur des Gutes

entstehen meisterliche Chutneys, Pesti und Sirupe,

deren Herstellung einem gleichen Credo folgt: beste

Zutaten, kleine Chargen und Handarbeit. Wir empfehlen

ein unverschämt gutes Bärlauchpesto (ohne Käse!),

das bestens zu jeder Art Pasta passt, Lammlachse

auf kulinarisches Hochniveau hebt oder gebratene

Zucchini krönt.

Bio-Buffet-Chefin Ulrike Piecha und ihr Team – allen

voran Küchenchef Marcus Wolf – starteten vor gut

zwei Jahren ihr Projekt „Feine Convenience“. Dabei

handelt es sich um fix und fertig zubereitete und einzeln

vakuumierte Komponenten für diverse Gerichte – etwa

Rindsroulade, Polenta und Rotkohl. Neueste Kreation

dieser Produktlinie ist das BBQ-Schwein: mit Fenchel,

Koriander und Rauchpaprika trocken marinierter

Schweinerücken, der anschließend sous vide gegart

wurde. Ein Kracher!

Preis: 5,60 Euro / 120 g

Gutshof Einklang

15374 Müncheberg OT Jahnsfelde

Wochenmarkt Boxhagener Platz

Samstag, 9.00–15.30 Uhr

www.gutshof-einklang.de

Preis: 4,99 Euro / je 100 g

Piechas BioBuffet in der Marheinekehalle

Biofleischerei und Ladenlokal

10961 Berlin-Kreuzberg

Marheinekeplatz 15

www.piechas.com

GTS Großküchentechnik & Service GmbH

Schwedter Str. 45-46

10435 Berlin

Tel.: 030 - 440 540 48

www.gts-grosskuechentechnik.de

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• Kopfsalat Serhat Aktas

Der Weinlobbyist

SERHAT AKTAS MACHT FURORE

VON JÖRG TEUSCHER

Als Serhat Aktas am letzten Junitag 2020 in der Schöneberger

Kolonnenstraße seine Weinbar eröffnete (s. Bilder S. 87), blieb die

Zahl der Premierengäste überschaubar. Eine kleine Schar guter

Freunde gratulierte dem jungen Gastronomen brav und mit dem gebotenen

Abstand zu seinem Mut, sich in diesen Zeiten selbstständig

zu machen, aber an den Erfolg der Pandemiegründung glaubten wohl

nur die größten Optimisten. Kein Wunder, der elfwöchige Lockdown

im ersten Halbjahr 2020 wirkte wie eine Vollbremsung im deutschen

Gastgewerbe, allein in Berlin verloren rund 5.500 Beschäftigte ihren

Job, über 64.000 mussten in Kurzarbeit. Als Ende Mai Restaurants,

Bars und Cafés unter strengen Hygieneauflagen wieder Gäste bewirten

durften, blieben die Türen etlicher gastronomischer Betriebe

bereits geschlossen, weitere folgten, und in der Branche machte die

schwarzseherische Prophezeiung von Großmeister Tim Raue die

Runde, „dass Corona über kurz oder lang unser kulinarisches Leben

in Schutt und Asche legen werde.“ Serhat Aktas, kein Freund solcher

Kassandrarufe, entgegnete trotzig: „Ich bin doch nicht an den Start

gegangen, um gleich wieder aufzugeben.“

86


Serhat Aktas Kopfsalat •

87


• Kopfsalat Serhat Aktas

Der 31-jährige Aktas überstand auch den zweiten Lockdown und

blickte Anfang 2022 mit dem ihm eigenen Optimismus nach vorn:

„Jetzt kann es nur noch aufwärts gehen.“

Es ging tatsächlich aufwärts – und wie! Am 24. April nahm

Serhat Aktas in der Mainzer Rheingoldhalle den Sonderpreis des

Verbandes Deutscher Prädikatsweingüter für die beste Offerte einheimischer

Winzersekte entgegen. Begründung: „Seine mehr als

50 Positionen an deutschem Flaschengärsekt sind mit viel Knowhow

zusammengestellt und bilden nahezu die gesamte innovative

deutsche Sektszene ab.“

Gut drei Wochen später nominierte ihn die Meisterköche-Jury

für die Titel in gleich zwei Kategorien: Berliner Gastgeber 2022

und Berliner Barkultur 2022. Und Ende Juni schließlich lobte der

Gault&Millau sein Konzept und zeichnete die Weinbar mit einer Kochmütze

aus. Die steht immerhin für „sehr empfehlenswert.“

Einer der ersten Gratulanten: Herbert Beltle,

Serhat Aktas’ einstiger Ausbilder.

Alle Achtung, Herr Aktas und herzlichen Glückwunsch, da ist ja

in kurzer Zeit ziemlich viel zusammengekommen. Welche Ehrung

wiegt denn für Sie besonders schwer?

Glauben sie im Ernst, dass ich jetzt ein Auszeichnungs-Ranking

aufmache? Nein, ich bin auf alle Ehrungen gleichermaßen stolz, weil

sie am Ende des Tages belegen, dass wir, ich meine unser gesamtes

Team, doch vieles richtig gemacht haben. Und dass der Weg, den

wir gehen und auf dem wir noch einiges vorhaben, der richtige ist.

Welche Projekte sind denn bei Ihnen derzeit in der Pipeline?

Na ja, aktuell läuft der Countdown für unsere ersten eat! berlin-Auftritte.

Am 28. Oktober laden wir zu einem 4-gängigen Menü ein, das

von Weinen begleitet wird, die alle aus dem Sieger-Weingut unseres

diesjährigen Lagencups stammen.

Also aus dem VDP. Weingut Burggarten in Heppingen.

Genau. Inhaber Paul-Josef Schäfer, Kellermeister Paul-Michael

Schäfer und sicher noch weitere Familienmitglieder kommen aus

dem Ahrtal nach Berlin und bringen Gewächse ihrer besten Lagen

mit, etwa vom Neuenahrer Sonnenberg oder dem Heimersheimer

Burggarten. Und wir werden an diesem Abend natürlich auch erfahren,

wie es um die Weingüter an der Ahr bestellt ist, von denen

viele von der Jahrhundertflut im vorigen Jahr heimgesucht wurden.

Am 1. November dann zieht die gesamte Weinlobbyist-Crew in

Clärchens Ballhaus, wo unser Küchenchef Ronny Marx gemeinsam

mit Arne Anker vom BRIKZ und Thomas Kammeier vom the CORD

ein 6-gängiges Menü zubereiten wird, zu dem wir ausschließlich

deutsche Winzersekte servieren – vom VDP. Wein- und Sektgut Barth

aus Hattenheim im Rheingau, vom Sekthaus Griesel aus Bensheim

an der Hessischen Bergstraße und vom VDP. Weingut Reichsrat von

Buhl aus Deidesheim in der Pfalz. Damit wollen wir gleichzeitig einen

Vorgeschmack auf ein Megaevent geben, das wir für 2023 planen.

Ein Megaevent?

Ganz genau. Im kommenden Jahr soll das 1. Berliner Sektfestival

steigen, zu dem wir Weinlobbyisten alle deutschen Hochkaräter der

Schaumwein-Szene nach Berlin holen wollen – Barth, Griesel, Gützler,

Hattemer, Raumland, Schloss Vaux, Stengel, St. Laurentius, von Buhl.

Man merkt, Sie sind bei Ihrem Lieblingsthema…

Absolut, und ich will Ihnen auch sagen, warum. Niemand auf der Welt

liebt das große Prickeln so sehr wie wir Deutschen. Mehr als 300

Millionen Liter Schaumwein werden hierzulande jährlich getrunken:

Champagner aus Frankreich, Franciacorta und Trentodoc aus Italien,

Cava aus Spanien und eben Winzersekt aus Deutschland – alle nach

der Méthode champenoise hergestellt. Was das Resultat betrifft,

können sich die besten deutschen Winzersekte durchaus mit den

großen Franzosen messen und mit den Italienern und Spaniern

sowieso. Deshalb plädiere ich so vehement für die Winzersekte aus

Deutschland und sehe mich auch als deren Lobbyist.

Vielen Dank für die interessanten Auskünfte, Herr Aktas.

88


Serhat Aktas Kopfsalat •

89


• Kopfsalat Serhat Aktas

Regelmäßig organisiert Serhat Aktas Branchentreffen:

Hier der Bio-Winzer Mark Barth aus dem Rheingau…

…zu Gast in Berlin und im Gespräch

mit hauptstädtischen Weinexperten.

Dass Serhat Aktas mal zu den erfolgreichsten Berliner Gastronomen

gehören würde, wurde ihm nicht an der Wiege gesungen, die übrigens

in der westtürkischen Provinzhauptstadt Izmir am Ägäischen Meer

stand. Als Zwölfjähriger kam er 2003 mit seinen Eltern nach Berlin,

lernte die fremde Sprache seiner neuen Heimat schnell und träumte

von einem Techniker-Job. „Irgendwas mit Computern, am liebsten

Programmierer.“

Dass es nach dem Schulabschluss was ganz anderes wurde,

empfand er nicht als Niederlage. „Restaurantfachmann stand auf

meinem Ausbildungs-Wunschzettel auf Platz zwei.“ Und dass er

ins Restaurant Aigner und dort zu Herbert Beltle kam, nennt Aktas

heute „einen Glücksfall“.

Zu einer Zeit, in der Essen und Trinken zu Megathemen wurden

und Köche zu Popstars avancierten, versuchten auch die Vertreter

des Service-Berufes ihre Rolle neu zu definieren. Irre locker und

dabei wahnsinnig besonders, das erschien vielen als die gängigste

Masche. Beltle, erfahrener Gastgeber und schon damals eine Berliner

Legende, erdete die jungen Leute. „Ein guter Kellner zeichnet sich

durch Empathie und Natürlichkeit aus“, predigte er, „und durch die

Fähigkeit, die Gäste zu lesen.“

Serhat Aktas verstand, begriff seinen Beruf rasch als Berufung

und die Binse, dass Wissen den Weg nach vorn ebnet, als Aufgabe.

Er wandte sich dem Wein zu, heimste bei Berufswettbewerben erste

Lorbeeren ein, absolvierte nach der Lehre eine Sommelierausbildung

und steht heute kurz vor seinem Abschluss als Weinakademiker an

der Hochschule Geisenheim – Voraussetzung übrigens für die Aufnahme

in das Master-of-Wine-Studienprogramm…

Doch der 31-Jährige hält den Ball flach. „Jetzt muss erst mal unser

Baby erwachsen werden, das heißt, in Bar und Bistro gibt es noch

einiges zu tun, Feinschliff sozusagen.“

Unter den 70 Winzersekten auf der über 600 Positionen

umfassenden Weinkarte des Weinlobbyisten…

…finden sich natürlich auch die

berühmten Lagensekte von Mark Barth.

90


Serhat Aktas Kopfsalat •

Küchenchef Ronny Marx.

Seit August 2021 mit an Bord im Weinlobbyisten ist Küchenchef Ronny

Marx. Der eher stille Zwei-Meter-Mann stammt aus der südbrandenburgischen

Sängerstadt Finsterwalde, lernte sein Handwerk in der

Bodensee-Metropole Koblenz – feinbürgerliche Küche mit badischem

Akzent – und stand nach der Ausbildung u. a. im Brechts am Schiffbauerdamm

und im legendären Kreuzberger Café Rizz am Herd.

Im Weinlobbyisten verzichtet er tunlichst auf abgehobene

kulinarische Experimente und setzt auf zuverlässige Weinbegleiter:

Jakobsmuschel im Steinpilzsud, Rindertatar mit Forellenkaviar und

fermentiertem Grünspargel, Schweinebauch mit Rettichkimchi und

schwarzem Knoblauch oder Salat von alten Tomatensorten mit

Burrata und Sauerteigbrot.

Apropos Sauerteigbrot. Wir verorteten dessen Herkunft in eine

der hauptstädtischen Edelschmieden – Albatross, Domberger oder

Brot&Butter – doch denkste und das auf ganzer Linie.

Das ebenso kernige wie saftige Weinbar-Brot stammt von Ronny

Marx höchstselbst und wird in einem Holzfässchen serviert. Darauf

angesprochen, grinst der 31-jährige Küchenchef: „Das mit dem Mini-

Fass ist eine Idee des Chefs (von Serhat Aktas also, d. Red.), für den

Rest bin ich zuständig.“ Kurz, knapp, knackig – typisch Marx.

Nach einer gefühlten Ewig-Pause spricht er dann doch noch

über den Wert lokaler Mehle, den hauseigenen Sauerteig, dessen

tagesfrische Führung und händische Aufarbeitung. Und er bekennt

schließlich sogar – ganz und gar untypisch Marx – wie stolz er auf

das Gästelob ist: „Jeder Zweite will bei mir Brot kaufen.“

Das entging natürlich auch Serhat Aktas nicht, und als das Angebot

auf seinen Tisch kam, neben der Weinbar noch den Nachbarladen

zu übernehmen, griff er beherzt zu. In Kürze wird der Weinlobbyist

also in der Kolonnenstraße mit einem Brot-, Wein- und Sekhandel

an den Start gehen.

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• Kopfsalat Serhat Aktas

14. Juni 2022 – Der Weinlobbyist feiert seinen 2. Geburtstag mit prominenten Gästen:

Rolf Paasburg.

Dr. Stefan und Ana Franzke.

Dr. Stefan Elfenbein.

Bernhard Moser.

Anja Schmidt.

Fazit: Der Weinlobbyist ist ein wirklich

heißer Tipp für Menschen, die dem Leben

ein paar Besonderheiten abringen wollen.

Die stärksten Faktoren an diesem charmanten

Schöneberger After-Office-Treffpunkt

nahe der wuselnden Hauptstraße: das unschnöselhafte

Konzept, die sympathische

Atmosphäre, der behagliche Innenhof, das

enorme Weinangebot mit seinen 30 offenen

Positionen, die kreative Küche mit ihren

genialen Kleinigkeiten und – natürlich –

Serhat Aktas.

DER WEINLOBBYIST

Kolonnenstraße 62

10827 Berlin-Schöneberg

Tel. 030 – 30 64 07 72

www.derweinlobbyist.de

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Serhat Aktas Kopfsalat •

Wir lieben Fleisch

Original regional, eigene Zerlegung, Portionierung und Produktion.

B2B-BEREICH (für den Wiederverkauf) — T (030) 344 600 7 — F (030) 390 636 80 — bestellung@gezer-fleisch.de

EINZELHANDEL (für Privatkunden) — T (030) 344 600 819 — F (030) 390 636 80 — bestellung@gezer-fleisch.de

BISTRO (für den Vor-Ort-Genuss) — T (030) 344 600 843

Gezer Fleischmanufaktur Berlin GmbH — Riedemannweg 61– 63, 13627 Berlin — www.gezer-fleisch.de

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• Kopfsalat Elena Chechendaieva

Das Steglitzer Le Café war eine gastronomische Institution und blieb es auch, als Annette Baier

das stilvolle Kaffeehaus in der ersten Etage eines noblen Jugendstilhauses am Zusammentreffen

von Schloß- und Zimmerstraße übernahm. Anwälte, Architekten, Geschäftsleute,

Künstler, Lehrer und Wissenschaftler sind Stammgäste hier – sie schätzen die Atmosphäre,

die gutbürgerlichen Offerten und den diskreten Service. Die Sehen-und-Gesehenwerden-

Society bevorzugt Etablissements mit mehr Tamtam und Tralala.

Dieses Café Baier und einige Menschen, die mit oder in ihm zu tun haben, spielen in der

folgenden Geschichte über die Ukrainerin Elena Chechendaieva und ihre Familie eine wichtige

Rolle. Sie wollen allerdings weder ihre Namen in der Zeitung lesen noch ein Bild von sich

dort gedruckt sehen.

Wir respektieren das und nennen sie Helfer im Hintergrund, obwohl sie es verdient hätten,

öffentlich genannt zu werden. Schließlich haben sie Elena Chechendaieva völlig uneigennützig

und ohne die in solchen Fällen häufig üblichen großen Gesten das gegeben, was die

aus Charkiw geflüchtete Konditorin am dringendsten brauchte: eine gute Arbeit und eine

ordentliche Wohnung…

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Elena Chechendaieva Kopfsalat •

„Wir wollten nur noch weg…“

Die Konditorin und Unternehmerin Elena Chechendaieva floh am 28. Februar

2022 mit ihrer Familie aus Charkiw nach Berlin. Ende März traf ich sie hier.

Protokoll eines Kennenlernens.

VON JÖRG TEUSCHER

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• Kopfsalat Elena Chechendaieva

28. März 2022: Meine erste Begegnung mit Elena Chechendaieva, geflohen Ende Februar aus Charkiw.

Die ukrainischen Flüchtlinge wollen sich im Ausland nicht

nur als Vertriebene fühlen, sondern auch als Menschen,

die dazugehören, die das Leben leben und genießen

wollen. Wir sind sehr auf den Willkommenswillen, die

Zuvorkommenheit und Offenheit der Gastgebergesellschaften

angewiesen. Das ist ein sehr kostbarer Schatz.

Also bitte, seht uns nicht nur als Entrechtete, sondern auch

als Teil unserer gemeinsamen europäischen Kultur – als

Menschen, die diese auch leben wollen und können.

Jurko Prochasko,

ukrainischer Schriftsteller am 13. März 2022

in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung

96


Elena Chechendaieva Kopfsalat •

Am 28. März 2022 begegne ich Elena Chechendaieva zum ersten

Mal. Wir sitzen in einem Café am Olivaer Platz, die junge Frau wirkt

müde und irgendwie weit weg. Kein Wunder, denke ich, nach dem,

was sie in den letzten Wochen erlebt hat.

Zustande gekommen ist das Treffen übrigens durch Julia, eine

Bekannte, die ein paar Wochen zuvor von einer jungen Konditorin aus

Charkiw und deren Flucht nach Berlin erzählt hatte. Ich bat Julia, ein

Interview zu vermitteln.

Nun sitzt mir Elena Chechendaieva also gegenüber, wir nippen

an unseren Cappuccini, sie buchstabiert mir ihren Nachnamen und

ich überlege, wie man ein Gespräch über Krieg und Zerstörung,

Flucht und Vertreibung eigentlich beginnt – mit einer Frau, die man

gerade kennengelernt hat, an einem sonnigen Montagmorgen im

sicheren Berlin.

Elena Chechendaieva ist es, die das Schweigen beendet. Sie zeigt

auf meine Brille und fragt, ob grün meine Lieblingsfarbe sei. Als

ich bejahe, weist sie auf ihren Pullover. „Meine auch, weil die Farbe

Hoffnung bedeutet.“ Ihr Englisch ist hervorragend, das macht die

Verständigung leicht. Wir sprechen über Persönliches. Elena ist 30,

geboren und aufgewachsen in Charkiw, der zweitgrößten Stadt der

Ukraine. Nach dem Schulabschluss folgte sie dem Wunsch ihrer

Mutter und begann ein IT-Studium. „Das war mir aber zu theoretisch“,

sagt sie, „nach anderthalb Jahren habe ich der Uni good-bye gesagt.“

Etwas Handwerkliches wollte sie machen, etwas mit Kochen

und Backen, ihren beiden großen Leidenschaften. Sie beschloss,

Konditorin zu werden. Eine gute Entscheidung, denn der Erfolg ließ

nicht lange auf sich warten. 2017 eröffnete Elena Chechendaieva

in ihrer Heimatstadt eine Konditorei – Che Bakery –, die schnell

zum Liebling vieler Charkiwer avancierte. Weil der Ansturm auf ihre

Kuchen und Torten anhielt, brachte sie drei Jahre später eine zweite

Konditorei an den Start, 2021 dann das Che Bakery Café.

Sie zeigt mir Fotos auf ihrem Smartphone (s. unten). Wie unwiederbringlich

wunderbar sind solche Bilder aus besseren Zeiten: ihr kleiner

bunter Laden mit Sternenhimmel-Decke, die Torten in den Vitrinen,

sie selbst mit Hund Vavlya und ihrem berühmten Osterkuchen, der in

der Ukraine Tvoroshnaya paska heißt. Sie swipt weiter. Kinderbilder.

Drei Töchter hat sie – Kseniia, Yeseniia und Serafina – fröhliche

Kinder. Normalität, Leben, Frieden.

Als am 24. Februar 2022 um 6 Uhr morgens in Charkiw Sirenen

heulen, weiß Elena Chechendaieva, dass es damit jetzt vorbei ist. Im

Radio hört sie, dass Russlands Präsident Putin seinen Truppen den

Befehl zum Angriff auf die Ukraine gegeben hat. Als noch am gleichen

Tag die ersten Bomben fallen, fassen sie und ihr Mann Wassilij den

Entschluss, das Land zu verlassen. Mögliche Ziele: Deutschland,

Georgien oder Zypern, weil sie diese Länder von Urlaubsreisen kennen

und dort Freunde leben. Sie entscheiden sich für Berlin.

97


• Kopfsalat Elena Chechendaieva

17. April 2022: Osterbrunch im Café Baier. Elena Chechendaieva, ihr Mann Wassilij und die Töchter Kseniia, re., Yeseniia, li. und Sefarina, Mi.

In Daniel Libeskinds Jüdischem Museum führt die ‚Achse des

Exils‘ in den ‚Garten des Exils‘ mit seinen schrägen Stelen, die

die Perspektive verschieben und einen schwanken lassen.

Die Koordinaten sind aus dem Lot nach einer Vertreibung.

Krieg, Gewalt, Gräueltaten, selbst nur als Schreckensbilder in

den Fernsehnachrichten, ist es ein Zuviel an Wirklichkeit, ein

Realitätsschock. Wir möchten die Augen verschließen, wollen,

dass es vorbei ist. Aber auch der Ukraine-Krieg dauert, es ist

nie vorbei mit dem Töten. Auch deshalb die Unfassbarkeit des

Osterfests: Da soll einer von den Toten auferstanden sein? Die

Freunde des Gekreuzigten reiben sich ungläubig die Augen.

Christiane Peitz,

Publizistin und Redakteurin am 17. April 2022

im Tagesspiegel

Der 17. April, Ostersonntag, ist der 53. Tag des Krieges. Die Zeitungen

berichten von russischen Raketenangriffen auf ukrainische Städte

und drucken Bilder von leeren Straßen und Barrikaden und von

Menschen, die in den U-Bahn-Schächten von Kyjiw und Charkiw

Schutz suchen.

„Noch vor zwei Monaten war Charkiw eine ganz normale

Metropole“, sagt Elena Chechendaieva, „hip und jung, fröhlich und

voller Leben. Und nun ist nichts mehr, wie es einmal war.“ Wir sitzen

in der Steglitzer Schloßstraße im Café Baier. Das Café ist ein kinderund

familienfreundlicher Ort, und ich kenne die Inhaberin – deshalb

habe ich Elena, ihren Mann Wassilij und die Töchter Kseniia, 11,

Yeseniia, 7, und die fünfjährige Serafina hierher zum Osterbrunch

eingeladen.

Wir frühstücken, Annette Baier, die Chefin, bringt den Kindern

Buntstifte und Malbücher und setzt sich zu uns. Wir sprechen über

die Flucht. Wassilij Chechendaiev markiert mit dem Finger auf einer

Osteuropa-Karte eine Linie zwischen Charkiw und Berlin. „Das sind

rund 1.800 Kilometer“, sagt er, „normalerweise schafft man das

mit dem Auto in zwei Tagen.“ Und wie lange haben Sie gebraucht?

„Fünfeinhalb.“ Er zeigt auf die ukrainisch-ungarische Grenze. „Um 22

Uhr abends waren wir hier, erst am folgenden Nachmittag konnten

wir passieren. Über Ungarn, die Slowakei und Polen sind wir dann

nach Berlin gefahren.“

98


Elena Chechendaieva Kopfsalat •

„Obwohl nach Kriegsbeginn Männern zwischen 18 und 54 Jahren

die Ausreise aus der Ukraine verboten wurde, durfte ich mit“, sagt er

noch, „der Kinder wegen.“ Gefragt hatten wir danach nicht.

Seine Frau berichtet über die ersten Wochen in Berlin, über

Freunde, die halfen, eine Bleibe besorgten, mit Möbeln und

Kleidung unterstützten, sich um die Kinder kümmerten. „Wir sind

mit offenen Armen barmherzig aufgenommen worden“, fügt Elena

Chechendaieva hinzu, „dafür sind wir enorm dankbar.“ Ob sie wisse,

wie es um ihr Café stehe, fragt Annette Baier. „Einige meiner Mitarbeiter

sind geblieben“, erzählt die ukrainische Konditorin, „und

backen jetzt Brot für unsere Soldaten.“ Wieder zeigt sie Fotos.

Dann ist da das Bild eines jungen Mannes in Uniform, ein Bild von

der Front. Elena Chechendaievas jüngerer Bruder Ivan. „Er ist am

1. April bei der Verteidigung des Asow-Stahlwerks in Mariupol gefallen“,

sagt sie leise, „er war erst 24…“

99


• Kopfsalat Elena Chechendaieva

23. Mai 2022: Die Konditorin Elena Chechendaieva unterschreibt einen Arbeitsvertrag, re. Café-Baier-Betreiberin Annette Baier.

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist ein Krieg,

in dem es um fundamentale Fragen geht: In welcher Welt

werden wir künftig leben? Welche Werte und Grundsätze sehen

wir als unverrückbar und damit auch als global gültig an?

Sind Demokratie, Menschenrechte, Freiheit und Frieden die

Resultate eines Fortschritts, den zu verteidigen wir bereit und

im Stande sind? Oder werden sich totalitäre Regime wieder

auf brutale Art und Weise über alles hinwegsetzen können,

was wir als Fundament unserer europäischen Friedensordnung

betrachten? Werden Autokraten auch in Europa wieder Völker

vereinnahmen und unterjochen können?

Katrin Eigendorf,

ZDF-Korrespondentin in der Ukraine in ihrem Buch

„Putins Krieg“, S. Fischer Verlag 2022

Der 23. Mai 2022 ist ein Montag. Ich bin mit Elena Chechendaieva

verabredet, 16 Uhr, Café Baier. In den letzten Wochen haben wir lediglich

telefoniert. Ich weiß, dass sie sich bei Berlitz in Charlottenburg

zum Deutschkurs angemeldet hat, dass ihre Mutter Viktoria und

ihr 17-jähriger Bruder Kirill inzwischen auch in Deutschland sind, in

Lübeck. Und dass ihr Vater und Vsewolod, ihr dritter Bruder, noch

immer in Charkiw leben. Eine zerrissene Familie, eine Familie im

Ausnahmezustand.

Und wir haben viel über Butscha gesprochen, über das, was sich

während der 33 Tage russischer Besetzung vom 27. Februar bis zum

31. März dort ereignete. „Einige der Russlandversteher in Deutschland

begreifen hoffentlich jetzt, worum es Putin in diesem Krieg geht“,

hatte sie mir gesagt, „sein Ziel ist unsere Vernichtung.“

Später lese ich in Katrins Eigendorfs Buch „Putins Krieg“ über den

Aufenthalt der ZDF-Korrespondentin am 4. April 2022 in Butscha:

„Dieser 4. April 2022 wird zu einem Tag, der die Wahrnehmung des

russischen Angriffskrieges in der Ukraine verändert – auch meine

eigene. Was wir in den Orten im Norden des Landes sehen, aus

denen sich die russische Armee am 31. März zurückgezogen hat,

offenbart erstmals den wahren Charakter des Krieges, den Putin

gegen die Ukrainer: innen führt. Er zeigt die enthemmte Grausamkeit

und Entmenschlichung der Soldaten, die für den Kreml morden,

vergewaltigen und plündern.“

100


Elena Chechendaieva Kopfsalat •

Annette Baier, die Inhaberin des gleichnamigen Cafés, ist erstaunt,

dass ich an diesem 23. Mai in ihr Kaffeehaus komme. „Elena hat mich

eingeladen“, erwidere ich auf die entsprechende Frage. „Eigentlich

war der Termin heute nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, auch

nicht für dich“, so Annette Baier. Ich erfahre schließlich, dass es

ein besonderer Tag ist und darf sogar ein paar Fotos machen: Elena

Chechendaieva und Annette Baier unterschreiben Elenas Arbeitsvertrag

als Konditorin im Café Baier…

CAFÉ BAIER

Schlossstraße 26

12163 Berlin-Steglitz

Tel. 030 – 22 02 27 04

www.cafe-baier.com

101


• Rubriken Fuhrmanns Früchtekorb

Marcus Fuhrmann.

Wenn in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern die weißen

7,5-Tonnen-Kühltransporter mit dem Zeichen der Kirsche Hotels,

Restaurants, Kantinen, Krankenhäuser und Kitas ansteuern, heißt es

bei den Küchenchefs dort meist kurz und knapp: Fuhrmann kommt.

Mit Dieter und Marcus Fuhrmann lenkte jahrelang eine Vater-Sohn-

Doppelspitze die Geschicke des renommierten Fruchtgroßhandels

mit Sitz auf dem Berliner Großmarkt an der Beusselstraße. Nach dem

plötzlichen Tod seines Vaters im Mai 2020 trägt nun Marcus Fuhrmann

die alleinige Verantwortung für das 1977 gegründete Unternehmen.

Der 55-Jährige trat nach seinem BWL-Studium in Bochum und

einem Intermezzo als Tennistrainer 1996 in die Firma seines Vaters

ein, absolvierte eine Großhandelsausbildung und lernte die Besonderheiten

des Geschäfts mit Obst, Gemüse, Kartoffeln und Kräutern

von der Pike auf. Sein unternehmerisches Credo fasst er heute so

zusammen: Zuverlässigkeit, unbedingte Serviceorientierung und

ein ausgeprägtes Bewusstsein für Qualität. Dem fühlen sich auch die

28„Fuhrmänner“ verpflichtet, die ihre Kunden täglich mit rund 500

Produkten beliefern – von A wie Artischocke bis Z wie Zitronengras.

Für unser Magazin stellt Marcus Fuhrmann seine „Früchtchen“ vor.

Heute: Die Brombeere

Fuhrmanns Früchtekorb

DIE FRUCHT DES JAHRES 2022

VON MARCUS FUHRMANN

Brombeere vor Avocado und Granatapfel –

so lautete das Votum der Frucht-des-Jahres-

Jury 2022. Eine gute Wahl, fand ich, vor

allem deshalb, weil die Brombeere in der

Verbrauchergunst ziemlich weit hinten

rangiert – auf jeden Fall hinter Erdbeere,

Himbeere und Johannisbeere. Und das hat

die zur Familie der Rosengewächse zählende

Brombeere nun wirklich nicht verdient.

Die schwarz glänzenden, prallen Früchte

sind schon optisch eine Augenweide, sie

punkten geschmacklich mit ihrer einzigartigen

Aromatik, in der sich Fruchtigkeit,

Süße und Herbheit harmonisch vereinen, sie

enthalten nur wenig Zucker, sind kalorienarm

und bringen jede Menge wichtiger

Inhaltsstoffe mit.

Da sind zum einen die Mineralien

Kalzium, Kalium, Magnesium, Phosphor

102


Fuhrmanns Früchtekorb Rubriken •

bereits im Mittelalter den Ruf des „gemeinsten aller Beerensträucher“

ein. Die Früchte fanden als Armenspeise nur wenig Beachtung, die

Beerensuche galt als Volksrecht. Dennoch stand die Brombeere als

Heilpflanze in hohem Ansehen – bereits in der Antike bezeichneten

Ärzte ihren Saft als „Blut der Titanen“ und behandelten damit Gelenk-

und andere Entzündungen.

Begehrt waren auch die Wurzelstöcke der Brombeersträucher –

zum einen, um daraus Pfeifen zu schnitzen, zum anderen, um Holzkohle

herzustellen, die wiederum für die Schießpulverproduktion

außerordentlich gut geeignet gewesen sein soll.

Eine zielgerichtete Brombeerzüchtung und -kultivierung begann

übrigens erst im 19. Jahrhundert – die ersten Sorten wurden 1859 beschrieben,

stammten überwiegend aus den USA und waren stachelig

und kleinfrüchtig. Inzwischen gibt es auch zahlreiche stachellose

Sorten mit größeren Früchten, die auch aromatisch durchaus mit

den Wildformen mithalten können – etwa Asterina, Hull Thornless

oder Navaho. Diese Züchtungen machten in vielen Ländern auch den

gewerbsmäßigen Anbau attraktiv. In Deutschland beispielsweise

finden sich Brombeerplantagen vor allen in den Weinbauregionen

von Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz.

Kulinarisch steht natürlich der Frischverzehr an erster Stelle, wobei

der Banon, ein zum Reifen in getrocknete Kastanienblätter gewickelter

provenzalischer Ziegenkäse, als Traumpartner gilt.

und Mangan, die sich positiv auf den Knochenbau und die Zähne

auswirken sowie für einen ausgewogenen Flüssigkeitshaushalt im

Körper sorgen. Hinzu kommen immerhin 17 Milligramm Vitamin C

je 100 Gramm Brombeeren, die wichtigsten B-Vitamine sowie eine

gehörige Portion des Provitamins A, das als effektives natürliches

Anti-Aging-Mittel gilt.

Last but not least: Brombeeren enthalten große Mengen an natürlichen

Pflanzenfarbstoffen, so genannte Anthocyane, die nicht nur für

die dunkle Farbe der Früchte sorgen, sondern auch in der Lage sind,

freie Radikale abzufangen, bevor sie in den Körperzellen Schaden

anrichten können.

Übrigens: Auch die Blätter des Brombeerstrauches haben es in

sich. Die Naturheilkunde empfiehlt ihre Verwendung – frisch oder

getrocknet – als Tee, der bei Fieber, Entzündungen im Mund-Rachen-

Raum oder bei Durchfallerkrankungen gute Dienste leistet.

Die ursprünglich in den Wäldern Europas, Nordamerikas und

einiger Teile Asiens beheimatete Brombeere gehört zu den ältesten

Obstarten der Welt, und die Vermutung liegt nahe, dass sie bereits

den Speiseplan der Jäger und Sammler bereicherte.

Ihr Name stammt übrigens aus dem Althochdeutschen, wo „bramo

beri“ so viel wie „Dornbeere“ bedeutete. Ihre Dornen, bei denen es

sich – botanisch genau genommen – um Stacheln handelt und die Tatsache

der weiten Verbreitung des Brombeerstrauches brachten ihm

103


• Rubriken Fuhrmanns Früchtekorb

Ich war schon als Kind ein begeisterter

Brombeersammler. Ich

pflückte die wilden Beeren auf dem

Heimweg von der Schule auf einem

Feld im ländlichen Worcestershire,

das ein bedrohlicher Hereford-Bulle

mit Nasenring vervollständigte…

Die heutigen modernen Zuchtsorten

sind zwar auch nicht schlecht, aber

oft zu groß und auch zu süß, um als

Erinnerung an meine kindlichen

Hecken-Festessen zu taugen.

Nigel Slater

Bei mir belegt dann noch die gute alte Rote Grütze einen Spitzenplatz,

gekocht aus Sauerkirschen, Erdbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren,

Brombeeren, dem Saft dieser Früchte und einem trockenen Rotwein.

Ansonsten erwies sich meine Suche nach Rezepten, die dem eigenwilligen,

leicht säuerlichen und an Zedernholz erinnernden Aroma der

Brombeere gerecht werden, als schwieriger als erwartet. Einschlägige

deutsche Kochbücher offerieren lediglich einige Desserts, bei denen

die Brombeere allerdings meist nur als Deko-Statistin fungiert.

Anders ist das schon bei Nigel Slater. Der vielfach ausgezeichnete

englische Kochbuchautor – seine wichtigsten Titel (u. a. Das Küchentagebuch:

Mit 250 Rezepten durch das Jahr) erschienen auch in

Deutschland – gilt als ausgemachter Brombeer-Fan. So bekannte

der 64-jährige „britische Siebeck“ in einer seiner monatlichen Koch-

Kolumnen für die Londoner Sonntagszeitung The Observer: „Wenn

die Ranken mit ihren arterienbedrohenden Dornen und den reifen

Früchten sich aus Nachbars Garten über meine Mauer winden, schaffe

ich es nur selten, dieses Stadium ihrer Saison ohne ein Punkt-Komma-

Strich-Muster aus verschorften Kratzern auf den Unterarmen zu

erleben.“ Von Slaters vielen Brombeer-Rezepten gefiel mir sein Rollbraten

am besten (s. Bild unten, Zubereitung: Garcon-Autorin Sandra

Schwarzwälder). Dafür wird ein rund zwei Kilogramm schweres und

25 × 35 Zentimeter großes Stück Schweinebauch benötigt, entbeint

und auf der Hautseite eingekerbt. Die Füllung besteht aus acht EL

Panko, fünf EL grob gehackter Petersilie, drei TL gemörsertem

Fenchelsamen, dem Abrieb einer unbehandelten Zitrone, Salz und

schwarzem Pfeffer. Die Mischung wird auf dem Schweinebauch

verteilt, darauf kommen 300 Gramm Brombeeren. Dann wird das

Fleisch aufgerollt, mit Küchengarn gebunden und rund zwei Stunden

lang gebraten.

www.dieter-fuhrmann.de

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Fuhrmanns Früchtekorb Rubriken •

www.dieter-fuhrmann.de

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• Rubriken Kulinarische Nachlese

Johannes Mohr und Swen Kernemann-Mohr, v. re.

„Trotz Internet und vieler Fernsehküchen – Die beiden Männer zogen im Januar 2010

Koch bücher werden immer ein Kulturgut aus dem Ruhrpott nach Berlin und betreiben

seitdem in einem restaurierten

bleiben“, davon sind Johannes Mohr und

Swen Kernemann-Mohr überzeugt.

Altbau-Souterrain in Berlin-Mitte, in der

Nähe des Rosenthaler Platzes, Deutschlands

vermutlich größtes, auf jeden Fall

aber Berlins einziges Kochbuchantiquariat.

Rund 60.000 Titel aus zweieinhalb

Jahrhunderten umfasst ihre Bibliotheca

Culinaria. Neben bibliophilen Ausgaben,

etwa von Auguste Escoffier, stehen büttengedruckte

Originale, handgeschriebene

Unikate, kulinarische Enzyklopädien,

Magazine und Zeitschriften, Promikochbücher

von Sophia Loren bis Vico Torriani,

Kriegs- und Nachkriegskochbücher.

„Das Stöbern in diesem Fundus ist

für uns immer auch eine Art besonderer

Geschichtsstunde“, sagen die Antiquare.

Nun stöbern Johannes Mohr und

Swen Kernemann-Mohr sozusagen auch

öffentlich. Für Garçon blättern sie in

Kochbüchern aus vergangenen Zeiten und

notieren, was sie dabei bewegt.

Kulinarische Nachlese

IN ALTEN KOCHBÜCHERN GEBLÄTTERT

VON JOHANNES MOHR UND SWEN KERNEMANN-MOHR

Wiener Küche

Sammlung von Kochrezepten

von Olga Hess und Adolf F. Hess

Dreiunddreißigste Auflage

mit 107 Abbildungen im Text

und 4 farbigen Fleischtafeln als Anhang

Verlag von Franz Deuticke, Wien 1963

404 Seiten

Preis (antiquarisch): 140,00 Euro

106


Kulinarische Nachlese Rubriken •

Adolf F. Hess (1862–1928) und seine Frau Olga Hess (1881–1965)

gehörten in den ersten Dezennien des 20. Jahrhunderts zur besseren

Wiener Gesellschaft. Hess (Bild links) war Handelsschulprofessor

und führte den Titel Hofrat. Bereits 1891 gehörte er zu den Gründern

der Wiener Fachschule für Gastwirte, Hoteliers und Kaffeesieder,

die übrigens heute noch existiert und zu den österreichweit

renommiertesten Ausbildungsstätten ihrer Art zählt.

Hess machte sich aber nicht nur als Ausbilder von Gastronomen

und Hoteliers einen Namen, er war auch einer der wichtigsten Förderer

des Tourismus in der Donaumetropole. So geht beispielsweise die

Gründung des Vereins zur Hebung des Fremdenverkehrs in Wien auf

sein Konto, des ersten Tourismusvereins in Österreich überhaupt.

Krönung seiner kulinarischen Karriere war zweifellos das Buch

„Wiener Küche“, das er 1912 gemeinsam mit seiner Frau Olga,

Hauswirtschaftslehrerin, Kochschulinspektorin und später auch

Regierungsrätin (Bild rechts), herausgab.

Bereits die erste Auflage der über 400-seitigen Rezeptsammlung

war schnell vergriffen. In rascher Folge erschienen weitere Auflagen,

während der Weltkriegsjahre 1914 bis 1918 auch mit neuen Gerichten,

die dem Mangel an hochwertigen Zutaten Rechnung trugen.

Die „Wiener Küche“ avancierte zum Standardwerk. „Der Hess“, wie

der Band bald nur noch genannt wurde, fehlte in kaum einem österreichischen

Haushalt, er war Pflichtlektüre für alle Kochschüler des

Alpenlandes und wurde in viele Sprachen übersetzt.

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• Rubriken Kulinarische Nachlese

Ein Klassiker eben – etwa wie „Der Silberlöffel“ – im Original „Il

Cucchiaio d’Argento“ – mit über 2.000 Rezepten der italienischen

Küche oder „Das Bayerische Kochbuch“ von Maria Hofmann und

Helmut Lydtin mit 1.700 Rezepten.

Wie für diese und andere Werke gilt auch für die „Wiener Küche“

von Olga und Adolf Hess: unbegrenzt haltbar. Der Grund liegt auf

der Hand. Alle Rezepte funktionieren, ob es sich um Bohnengulyas,

Kalbsbeuschel, Krautomelette, Leberknödel, Schinkenkipfel, Tafelspitz,

Topfenschnitten oder Wildhaschee handelt, um Salzburger

Nockerln, Tiroler G’röstl, Wiener Schnitzel oder Znaimer Braten.

In diesem Zusammenhang zitieren wir gern den Wiener Sternekoch

Ewald Plachutta, der mit über einer Million verkaufter Exemplare

seiner Kochbücher (u. a. „Die gute Küche. Das österreichische Jahrhundertkochbuch“)

als erfolgreichster Kochbuchautor der Alpenrepublik

gilt. „Einem funktionierenden Rezept“, so Plachutta, „kann

die Zeit nichts anhaben. Ein guter Strudelteig bleibt immer ein guter

Strudelteig.“

Übrigens: Immer, wenn wir in Wien waren, wurden wir auf den Zusammenhang

von Wiener Küche und Wiener Wirtshaus – auf gut

Wienerisch „Beisl“ – hingewiesen. Weil dort die typische Wiener

Küche gekocht wird und wo sie zu jedem Gang am liebsten den

Kaiserwalzer spielen würden.

Allerdings war’s mit dem Beisl-Stolz nicht immer so heiß wie heuer.

Tatsächlich musste man sich Anfang der Nullerjahre um die Fixpunkte

im Wiener Stadtleben ein bisschen Sorgen machen. Knödel, Kutteln

und selbst der Tafelspitz hatten irgendwie ihren Spin verloren, und die

Wirte griffen, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden,

zu Wok und Wasserspinat. Sogar vom großen Beislsterben war die

Rede, doch inzwischen scheint der Turnaround gelungen: Viele alte

Wirtshäuser wurden in die Jetztzeit geholt – mit fescher Einrichtung

und traditionellen Gerichten. Manche Neueröffnungen versuchten ihr

Glück auch mit Modischerem, Gulasch mit Bitterschokolade-Bier-

Safterl etwa oder ganz und gar fleischlos.

www.bibliotheca-culinaria.de

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Kulinarische Nachlese Rubriken •

Übrigens: Was es wirklich mit der Wiener

Küche auf sich hat, wie sie entstand, wie

sie sich entwickelte und was von ihr tatsächlich

übrig ist, das beantwortet Ingrid

Haslinger.

Als ihr Titel „Die Wiener Küche –

Kulturgeschichte und Rezepte“ 2018 erschien,

übertrafen sich die meist eher

auf Verriss gebürsteten Rezensenten der

Alpenrepublik in elativen Formulierungen.

In der Wiener Tageszeitung DIE PRESSE

jubelte die Autorin Anna Burghardt: „Ein

Standardwerk… ein Opus magnum.“ In

die gleiche Richtung formulierte Kritiker

Armin Thurnher im FALTER: „Ein Werk,

welches das Prädikat ‚monumental‘

verdient.“

Wir haben das Buch gelesen und verstehen

die Elogen der österreichischen

Journalisten. Was die promovierte

Wiener Historikerin Ingrid Haslinger, die

seit Jahrzehnten die kaiserliche Hofwirtschaft

und die Tafelkultur der Donaumonarchie

erforscht, zu jeder Menge

kulinarischer Themen publiziert und

zahlreiche Ausstellungen kuratiert hat,

in diesem Band darlegt, ist tatsächlich

mit dem Attribut „umfassend“ wohl am

besten beschrieben.

Wie intensiv sich die Autorin mit der

Wiener Küche beschäftigt hat, deren

namentliche Geburtsstunde übrigens

erst in der zweiten Hälfte des 18.

Jahrhunderts schlug, wird in einem

14-seitigen Verzeichnis der zum Thema

ausgewerteten Kochbücher deutlich, das

für uns Kochbuch-Antiquare natürlich

besonders interessant ist.

Dieser Anhang reicht vom Wiener

Dorotheenklosterkochbuch, einer

Handschrift aus dem 15. Jahrhundert,

über das berühmte Neue Lexicon der

französischen, sächsischen, österreichischen

und böhmischen Kochkunst,

Dr. Ingrid Haslinger.

das 1785 in Wien erschien und die damals

in Mitteleuropa beliebtesten Küchen

zusammenfasste, bis zu den neuzeitlichen

Klassikern solcher Kochgrößen

wie Werner Matt, Ewald Plachutta, Franz

Ruhm und Franz Zimmer.

Großen Genuss bereitete uns, die

wir nördlich der Alpen aufgewachsen

sind, auch das Kapitel „Wiener Küchensprache“,

in dem Ingrid Haslinger

nachweist, wie weit das Wiener

Küchendeutsch, das mitunter schon

in Salzburg kaum noch verstanden

wird, vom Hochdeutschen entfernt ist.

Es präsentiert sich als Konglomerat

sprachlicher Einflüsse der ehemaligen

Kronländer der Donaumonarchie, die

die Wiener Küche maßgeblich mitprägten

und besonderer Ausdrücke des

Wiener Dialekts.

Dabei plädiert Haslinger eindringlich

für die unbedingte Bewahrung dieser

Küchensprache und gibt dem geneigten

Leser ein über 600 Begriffe umfassendes

Glossar des Wiener Küchenwortschatzes

an die Hand. Das reicht von A wie Ananas

(Wienerisch für große Erdbeere) bis Z wie

Zuckerl (Wienerisch für Bonbon).

Erschienen ist dieser 372-seitige

Band, der übrigens ganz ohne stylishes

Cover, bunte Fotos und expressives

Layout auskommt, im Wiener Mandelbaum

Verlag. Dessen kulinarische

Editionen bewiesen schon häufiger, dass

Kochbücher weit mehr als bloße Rezeptschleudern

sein können.

Mandelbaum Verlag

Feine Gourmandisen

Wien 2018

www.mandelbaum.at

ISBN 978 385 476-558-5

109


GARÇON-QUIZ

IMPRESSUM

VERLAG UND REDAKTION

Bild Art Media Verlag

Inh. Yvonne Weinlich

Marzahner Promenade 26

12679 Berlin

Fon 030 – 28 86 79 70

Fax 030 – 28 86 79 69

info@bildart-verlag.de

www.garcon24.de| facebook.de/garcon24

HERAUSGEBERIN

Yvonne Weinlich (V. i. S. d. P.)

REDAKTION

Petra Leonhardt (Leitung)

Hans-Jürgen Bergs, Heiko Gralki, Marc

Steyer, Wolf-Dietrich Strobel, Henning Tietze,

Beatrix Kranz, Jessica Flügel (Praktikanten)

AUTOREN UND KOLUMNISTEN

Uwe Ahrens, Anaïs Causse, Hans Diener,

Stephan Falke, Marcus Fuhrmann,

Swen Kernemann-Mohr, Shoko Kono,

Dagmar Maas, Johannes Mohr,

Rafael Neitzsch, Sandra Schwarzwälder,

Jörg Teuscher, Thorsten Tonski

GRAFIK UND LAYOUT

Hannes Schulze

design.nur-mut.com

TITELBILD

Marie Geißler

www.mariegeissler.de

Der Berliner Unternehmer Eberhard Paech

(1910–2000, Bild oben) gehörte zu den

Pionieren des industriellen Backens in

Deutschland.

1936 hatte der gelernte Bäcker die

neun Jahre zuvor von seinem Vater erworbene

Reformbäckerei Vitamin-Brot in

der Moabiter Stephanstraße übernommen

und sie Schritt für Schritt zu einem der hierzulande

erfolgreichsten Backwarenunternehmen

entwickelt.

Die im Jahr 1949 gegründete Paech-Brot

GmbH zählte bis zu ihrem Verkauf 1987 an

die ebenfalls in Berlin ansässige Firma

Geschi-Brot Schiesser & Sohn mit über

1.300 Mitarbeitern und rund 120 Millionen

D-Mark Jahresumsatz zu den deutschen

Branchenführern.

Der Star in Paechs Brotregal war ein Ein-Kilogramm-Roggenmischbrot,

von dem seinerzeit

bis zu 40.000 Stück täglich gebacken

und verkauft wurden.

Unsere Preisfrage heute: Wie hieß dieses

legendäre Brot:

A Oldenburger Landbrot

B Siegerländer Drittelbrot

C Tiefenfurter Bauernbrot

Ihre Antwort bitte an:

Bildart Media Verlag

Redaktion GARÇON

Marzahner Promenade 26

12679 Berlin

E-Mail: info@bildart-verlag.de

Die Gewinne, drei wertvolle Kochbücher, werden

unter den Teilnehmern verlost, die die Frage

richtig beantwortet haben.

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Einsendeschluss: 26. November 2022.

Die Gewinne werden per Post zugesandt.

FOTOS UND ILLUSTRATIONEN

Jörg Teuscher, Archiv Garçon,

Mila Teshaieva (2 / S. 3), EUREF AG / Florian

Bolk (1 / S. 4 o. re.), Der Weinlobbyist (1 / S.

5 Mi. re.), EUREF AG / Andreas Schwarz

(2 / S. 11 u. li. und S. 12 o.), Archiv Dr. KADE

Pharmazeutische Fabrik GmbH Berlin (1 / S.

44 und 5 / S. 45 o.), Birgit Schulz / ADB Berlin-

Brandenburg (1 / S. 60), Anaïs Causse privat

(3 / S. 71), Kantine Zukunft Berlin (1 / S. 73 u.

li.), Robert Herder GmbH & Co. KG Solingen

(1 / S. 83 u. li.), VDP. Prädikatsweingüter

(1 / S. 88 o.), Elena Chechendaieva privat

(4 / S. 96 u. 97 u.), Dr. Ingrid Haslinger privat

(1 / S. 109 Mi.), Archiv Hartmut Grahn / Vereinigung

Der Backbranche e. V.(1 / S. 110)

ANZEIGEN

Heiko Gralki, Petra Strohbeck

anzeigen@bildart-verlag.de

DRUCK

www.pingoprint.de

Zu beziehen im Zeitschriftenhandel oder im

Abon nement. Einzelheftbestellung: Jedes

Heft kostet 6,00 Euro, zuzüglich 1,55 Euro

Versandkosten pro Sendung. Bezahlung

nach Erhalt der Rechnung oder im Lastschrifteinzugsverfahren.

Alle Beiträge

und Abbildungen sind urheberrechtlich

geschützt. Jede Verwertung bedarf der

Zustimmung des Ver lages. Aufnahme in

Online-Dienste, Internet und Ver vielfältigung

auf Datenträgern nur nach schriftlicher

Bestätigung des Verlages.

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Zukunft ist Herkunft

Brandenburg schafft Wohlgefühle

Rubriken •

Das Jahresthema

Die Leitidee

Seit 30 Jahren haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, gemeinsam mit den

Brandenburger Gastronomen, Handwerkern und Produzenten die Regionen

Brandenburgs zu stärken und Menschen für unsere Regionen zu begeistern.

Mit der Einführung von jährlich wechselnden Jahresthemen möchte der

Verband pro agro Unternehmen, Traditionen und die lebendige Kultur des

ländlichen Raumes in Brandenburg stärken und damit einen immer wieder

veränderten Blickwinkel auf die kreativen Produktideen des Landes aus

regionaler Kulinarik und ländlichem Tourismus bieten.

Regionale Spezialitäten, Hofläden,

Kulinarik, Gastronomie und Aktiv-

Tourismus für den Körper; Kultur und

Kunst für den Geist; Land, Landschaft

und entspanntes Entdecken für die

Seele… Wir zeigen tolle Menschen mit

Ideen, was und warum so vieles original

Brandenburg ist und dass in Regionalität

der Schlüssel für morgen liegen kann.

UNSERE BOTSCHAFTER

Tobias Exner: Führt die Bäckerei

Exner in 3. Generation. Gegründet

1928 in Beelitz, seit 1976 unter

Führung der Familie Exner ist sie

inzwischen mit rund 40 Fachgeschäften

und Cafés in Brandenburg-Berlin

vertreten.

Andi Neumann: Moderner

Fleischsommelier, Grillspezialist und

Teil des Meat-Bringer-Netzwerks.

Neumann arbeitet im Baruth (Mark)

noch im traditionellen Handwerksverfahren

und verarbeitet ausschließlich

regionale Tiere.

Heike Thomas: Führt den Thomashof

im Zehdenicker Ortsteil Kleinmutz.

Ein regionaltypischer Bauernhof

wurde hier erhalten, bietet nun

Ferienwohnungen, Hofcafé und ist

Ort für Seminare und vielfältige

Veranstaltungen.

Foto: Frank Liebke Illustration: Martin Rümmele

Informationen finden Brandenburgentdecker auf:

brandenburger-landpartie.de

Natürlich Brandenburg – pro agro, Brandenburger Landpartie

pro_agro_eV pro agro e.V.

gefördert durch

EUROPÄISCHE UNION

Europäischer Landwirtschaftsfonds

für die Entwicklung des

ländlichen Raums

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EUROPÄISCHE UNION

Europäischer Landwirtschaftsfonds

für die Entwicklung des

ländlichen Raums


• Titel

Unser Trinkwasser.

Ganz klar für Berlin.

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berlinerwasser.de

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