Garcon_Genuss_Magazine_Nr.61©BildArt media
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• Titel Campus kulinarisch
Der Maler war ein scharfer Beobachter und ein Chronist seiner Zeit.
In Dutzenden Bildern hielt er die Industriemetropole Berlin von der
Jahrhundertwende bis zum Ende der Weimarer Republik fest: Eisenbahnen,
Mietskasernen, Fabrikanlagen, der Alltag der Arbeiterschicht
waren seine bevorzugten Themen.
Dass der Schöneberger Gasometer und dessen Umgebung so
oft Gegenstand seiner Bilder wurden, liegt daran, dass Baluschek
jahrelang in unmittelbarer Nachbarschaft des zwischen 1908 und
1910 erbauten stählernen Riesen wohnte, der damals zu den drei
größten Gasometern Europas gehörte.
Cheruskerstraße 5, Vorbergstraße 5, Akazienstraße 30, Hauptstraße
34 / 35 – das waren Hans Baluscheks Schöneberger Adressen.
Und auch von seinem späteren Atelier in den Ceciliengärten aus hatte
er einen Blick auf die Bahngleise, das Gaswerk und den Gasometer…
1946, elf Jahre nach Hans Baluscheks Tod, wurde das Gaswerk
Schöneberg abgeschaltet, der Gasometer allerdings weiter als
Gasspeicher genutzt – bis die GASAG 1995 auf Fernversorgung
mit Erdgas umstellte. 2007 schließlich verkaufte das Unternehmen
das Industriedenkmal an die EUREF AG. Es avancierte zum Wahrzeichen
des neuen Schöneberger Campus, auf dessen Gelände es
inzwischen – unser Thema – auch gute Gastronomie gibt.
Hans Baluschek wurde 1870 als Sohn eines Eisenbahningenieurs
in Breslau geboren, sechs Jahre später zog die Familie nach Berlin.
Baluschek besuchte das Askanische Gymnasium und studierte nach
dem Abitur an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste
Malerei. 1893 schloss er sein Studium ab und ließ sich als freier
Künstler in Schöneberg nieder, damals noch eine 30.000-Einwohner-
Landgemeinde vor den Toren von Berlin.
1898 gehörte er neben Käthe Kollwitz, Max Liebermann und Walter
Leistikow zu den Gründern der Künstlergruppe „Berliner Secession“.
Dennoch wurde Baluschek kunstgeschichtlich eher stiefmütterlich
behandelt und musste viele Schmähungen einstecken.
Kaiser Wilhelm II. diffamierte ihn als „Rinnsteinkünstler“, für den
zeitgenössischen Kritiker Willy Pastor hatten Baluscheks Bilder
„zu wenig Parfüm und zu viel Pfütze“ und sein Malerkollege Max
Beckmann schließlich urteilte ebenso verachtend wie bewundernd:
„Schade, der Kerl hat so famose Einfälle, zu dumm, dass er wie ein
farbiger Photograph arbeitet.“
Fabian Reifferscheidt, Kurator des Berliner Bröhan-Museums, das
vor zwei Jahren dem Künstler anlässlich seines 150. Geburtstages
eine Werkschau widmete, fand einen neuen Zugang zu Baluschek,
den er unter die Überschrift „synthetischer Realismus“ stellte.
Der Gasometer im Spätsommer 2022.
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