hugo-maria-ross-zauberer
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Beitrag zum 27. GayKiss Wettbewerb<br />
Gregory kurbelt das Fenster von seinem alten Benz runter und schneidet mit seiner<br />
Hand Wellenlinien durch den Fahrtwind. Eine elementare Angst begleitet ihn jedes Mal<br />
bei solchen Aufträgen: Fährt ihm einer hinten drauf, steckt er in wirklich ernsten<br />
Schwierigkeiten. Selbst wenn er sich für den Transport eine Einverständniserklärung<br />
unterzeichnen liesse, würde die Sachlage dadurch sogar noch übler für ihn ausfallen.<br />
Schuldbewusstsein und Vorsatz waren die Schlüsselworte, die sein alter Herr benutzt hat,<br />
als er ihm beim Sonntagsbraten eine dieser was-wäre-wenn-Fragen beantwortete. Er<br />
hörte als Anwalt diese www-Hypothesen ständig und konnte es eigentlich nicht leiden,<br />
wenn seine Freunde ihm beim Tennis oder Golfen mal eben so eine Rechtsberatung aus<br />
der Hüfte zu leiern versuchten. Bei ihm, seinem einzigen Sohn, machte er da gerne eine<br />
Ausnahme. Und er holte immer weit aus und untermauerte seine Erklärungen mit<br />
spannenden Beispielen, als wollte er einen aller letzten Versuch starten, seinen Sprössling<br />
doch noch für seine Fußstapfen zu begeistern. Bis zu seinem Tod hat er die Hoffnung<br />
nicht aufgegeben, erinnert Gregory wehmütig. Dann gibt er Vollgas und verlässt die<br />
Beschleunigungsspur. Die Musik dreht er so weit auf, dass er nur noch die düstere Stimme<br />
des Sängers von Skinny Puppy in seinem Gehör wahrnimmt. Was für ein geiler Tag, sagt<br />
sein kantig-smartes Gesicht zum Rückspiegelbild. Zähnefletschend überprüft er die<br />
Reinheit seiner Zahnlücken, dann drängt er eine Schlafmütze nach der anderen von der<br />
linken Spur. Sein Handy klingelt, er steckt sich einen Kopfhörer ins Ohr und dreht die<br />
Musik leiser.<br />
»Finn! Schätzelein! Was gibts?«<br />
»Greg, ich hab ein dickes Problem. Meine Karre ist mal wieder abgesoffen!«<br />
»Ruf den ADAC!«, versucht Gregory ihm als praktische Lösung vorzuschlagen, weil ihm<br />
keine Ausrede einfällt, warum er seinem Freund jetzt eigentlich nicht selber helfen kann.<br />
»Greg, ich bin doch in keinem Club. Du weißt das doch, dass ich nur Hubert da ran lasse.«<br />
»Ja, stimmt ja. Aber das hast du jetzt davon. Wo bist du denn?«<br />
»A 46, Höhe Heinsberg.«<br />
»Ich komme. Reg dich nicht auf und zieh die schicke, gelbe Weste an. Du weißt schon, die<br />
im Handschuhfach, die mich so anmacht. Roaaaarrrrrr!«<br />
»Greg, sehr witzig. Es ist echt heiß und ich hab voll Durst.«<br />
»Dann zieh alles andere aus und leck bloß nicht an deinem Schweiß, weil das Salz dich<br />
noch durstiger machen würde.«