s'Magazin usm Ländle, 8. Jänner 2017
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VORARLBERGERIN IN WIEN<br />
<br />
„Krippele sufa“<br />
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schief angesehen. Das Wichtige ist<br />
aber die Qualität des Beisammenseins<br />
und nicht die Quantität. Da<br />
braucht esnatürlich viele Rahmenbedingungen<br />
–und in Wien ist das definitivleichter<br />
alsinVorarlberg –keine<br />
Frage.<br />
Politiker werden oft als egomanische<br />
Menschen abgestempelt, die nur auf<br />
den Vorteil der eigenen Partei bedacht<br />
sind. Sie kennen viele Politiker persönlich.<br />
Wie ist Ihr Eindruck?<br />
Ja, das hört man oft, erst heute wieder<br />
vom Taxifahrer, der meinte, dass<br />
wir unbedingt wieder einen starken<br />
Mann brauchen. Ich kann mir schon<br />
vorstellen, wen er gemeint hat, aber<br />
wirsehen ja in Kärnten, wohindas geführt<br />
hat. Ich finde es bewundernswert,<br />
wenn man in die Politik geht,<br />
denn es gibt wohl keinen undankbareren<br />
Job als diesen.Das Imageist ähnlich<br />
schlecht wie jenes der Journalisten.<br />
Ich attestiere den meisten Politikern,<br />
dass sie sich aus Idealismus für<br />
diesen Beruf entschieden haben. In<br />
der Wirtschaft könnten viele wesentlich<br />
mehr verdienen. Da denke ich etwa<br />
an Christian Kern und Sebastian<br />
Kurz.Deshalbfinde ich das so beliebtePolitiker-Bashingeinfach<br />
nur traurigund<br />
entbehrlich.<br />
Fotos: KRISTIANBISSUTI<br />
Mein Vater war ein stiller,sehr zurückgezogener<br />
Mann. Eigentlich wollte er Mönch werden, Eremit in<br />
einer unauffindbaren Klause, damit er vonder Welt<br />
Ruhe hätte und nicht auf Fragen antworten müsste,<br />
die er nicht beantworten konnte. Seine Mutter,<br />
meine Großmutter,machte ihm einen Strich durch<br />
die Rechnung. Als er 36 Jahrealt war und noch immer<br />
ledig,soll sie angeblich auf Brautsuche gegangen<br />
sein. Mein Vater war wohl zu schüchtern, ein<br />
Mädchen anzusprechen. Sie fand eine Frau, und er<br />
musste heiraten. Meine Eltern hatten keine Kinder.<br />
Sie adoptierten vier.Ein mutiges Unternehmen in<br />
der damaligen Zeit –das Glück meines Lebens.<br />
Mein Vater unterhielt eine Milchsammelstelle.<br />
Jeden Tagfuhr er vonHof zu Hof,wuchtete die vollen<br />
Milchkannen auf die Wagen-Pritsche, um die<br />
Fuhrenach Dornbirn zu bringen, in die Großmolkerei,<br />
die es schon lange nicht mehr gibt.Etwa um<br />
Dreikönig war Zahltag. Mein Vater wanderte dann<br />
vonHof zu Hof,umden Bauern die Jahresabrechnung<br />
vorzulegen. Ich durfte ihn als kleiner Junge oft<br />
dabei begleiten. Wir stapften durch den tiefen<br />
Schnee, und bevor wir in ein Haus traten, ermahnte<br />
er mich, still zu sein. Ich fürchte, mit wenig Erfolg.<br />
Ich war neugierig,wie es in den Häusern aussah, wie<br />
die Christbäume geschmückt waren. Besondersdie<br />
Weihnachtskrippen hatten es mir angetan. Deshalb<br />
nannten wir die jährliche Tour „Krippele aluaga“.<br />
Neben den üblichen Neujahrswünschen gab es natürlich<br />
Kekse und immer wieder Eierlikör.Wie habe<br />
ich als Kind dieses Gesöff geliebt! Einmal jedoch<br />
muss ich zu viel davon abbekommen haben, denn<br />
mir wurde schlecht.Vater musste mich auf den<br />
Schultern den ganzen Wegheimtragen. Ich erinnere<br />
mich, dass es unaufhörlich schneite und ich davon<br />
überzeugt war,dass ich sterben würde. Schade. Als<br />
ich den Rausch ausgeschlafen hatte, trat Vater ans<br />
Bett und flüsterte „Krippele sufa, Schnäpsle aluaga“.<br />
Er legte seine raue Hand an meine Wange. Die<br />
Hand war so heiß, dass sie mich vonoben bis zu den<br />
Zehenspitzen wärmte.<br />
s’Magazin 9