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Monte Vista Magazin 3

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Unser etruskisches Erbe - <strong>Monte</strong> <strong>Vista</strong>s Etruskischer Park<br />

von Maurizio Cicconi (Kunsthistoriker)<br />

Die seriöse Archäologie hört es nicht gern, wenn man vom<br />

Geheimnis der Etrusker spricht. Ist es denn ein Geheimnis und nicht<br />

schlicht Forschungsbedarf, wenn noch immer kein Mensch weiß, ob<br />

die Etrusker um 1000 vor Christi aus Kleinasien an die toskanischen<br />

Küsten gewandert sind - oder ob sie vielleicht schon immer hier<br />

wohnten und nur plötzlich ans Licht der Geschichte gelangten?<br />

Wenn bis heute nur etwa 500 Grundwörter der etruskischen Sprache<br />

entschlüsselt sind und keine Verwandtschaft zu irgendeiner anderen<br />

Sprache auszumachen ist? Wenn keine Literatur und fast kein Tempel<br />

der Etrusker erhalten ist, sondern kaum mehr als Gräber?<br />

Wenn niemand so recht weiß, wie es geschehen konnte, dass ein<br />

Volk, das im sechsten Jahrhundert vor Christi das gesamte westliche<br />

Mittelmeer beherrschte, dazu die Apenninenhalbinsel vom Po bis<br />

Pompeji, sich schon zwei Jahrhunderte später lautlos von Rom<br />

überrollen ließ?<br />

Von außen sehen die Grabstätten schmucklos und grau aus. Über<br />

steile Stufen führt der Weg in die Grabkammern hinab, ins Dunkel.<br />

Dann steht der Pilger am Eisengitter, drückt auf den Lichtschalter -<br />

und sieht eine neue, bessere Welt. Im "Grab der Löwinnen" tanzen<br />

Menschen, Wellen und Delfine. Im "Grab der Leoparden" liegen drei<br />

träge Paare beim Mahl, beharft von Musikanten, bedient von nackten<br />

Sklaven. Im "Grab der Züchtigung" geht es so zügellos her, dass<br />

spätere, prüdere Kulturen die intimen Stellen mit Ruß geschwärzt<br />

haben. Auf den Wänden im "Cardarelli-Grab" spielt man "kòttabos",<br />

ein Spiel, bei dem es gilt, Wein aus einer Schale in ein schwimmendes<br />

Gefäß zu schleudern und dabei den Namen der Geliebten zu rufen.<br />

Und im "Grab der Charonten" steht neben den ungekämmten<br />

Totengöttern eine gemalte Tür als letzter Ausweg offen. In diese<br />

Gräber hatten die Etrusker ihren Reichtum gesteckt.<br />

Kann es ein Zufall sein, dass die Etrusker sich zwischen den<br />

toskanischen Hügeln und Tyrrhenischem Meer niederließen?<br />

"Tyrrhenoi" wurden sie von den Griechen, "Tusci" von den Römern<br />

genannt, und offenbar waren sie die Toskana-Fraktion der Antike:<br />

denn der Römer Catull beschrieb den "feisten Etrusker", Vergil den<br />

"beleibten Tyrrhenier". Der griechische Philosoph Poseidonios von<br />

Apameia tadelte "übertriebenen Luxus" und "Weichlichkeit" eines<br />

Volkes, das "sich zweimal am Tag umfangreiche Mahlzeiten<br />

auftischen" ließ, "mit allem, was zu einem feinen Leben gehört, mit<br />

blumenbestickten Decken, Silbergeschirr und einer Unmenge<br />

Sklaven, die sie bedienen".<br />

Auf den Wandmalereien in den Gräbern feiert sich Etruriens bessere<br />

Gesellschaft in ihrem ganzen Überschwang: Hier ist das Leben wie<br />

der Tod ein einziges Flötenspiel, ein Jagen, Schlemmen und Lieben.<br />

24 MVM 3/2017<br />

Grab der Leoparden

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