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36 | DER MAINZER 02.2017 | MAINZER KOPF<br />

FASTNACHTS-<br />

ALTERNATIVE<br />

MIT PUNK-ANKLANG<br />

In seiner Kultkneipe zelebriert Christoph<br />

Kaster »alternative Fastnacht« mit einem<br />

besonderen Faible für Verkleidungen<br />

und ausgelassene Stimmung. Der<br />

Hafeneck-Wirt weiß mit und ohne<br />

Mozart-Kostüm wie gute Partys<br />

funktionieren.<br />

Ein Verehrer der überorganisierten Fastnacht<br />

ist Christoph Kaster nicht. Aggressives<br />

Verhalten und »Ballermann-Musik«<br />

bei der Straßenfastnacht gehen ihm zunehmend<br />

auf die Nerven. Als Neustadt-Wirt<br />

kann er sich aus dem Altstadt-Treiben raushalten<br />

und sorgt seit 1999 im Hafeneck<br />

für »alternative« Fastnacht. Beginnend am<br />

Weiber-Donnerstag mit »Nuttich und Tuntich«,<br />

der Fastnachtsparty im 80er Flair<br />

und geschlechtsspezifischen Verkleidungen,<br />

die selten ernst gemeint sind. »Da kommen<br />

fast ausschließlich Stammgäste, die Mehrzahl<br />

Frauen, die der sozialen Kontrolle<br />

vertrauen und wissen, wir passen auf«,<br />

sagt der Hafeneck-Wirt. Freitags, zur Fernsehsitzungs-<br />

Zeit, weilt die Hafeneck-Klientel<br />

bei der »RAF-Sitzung«, die ihren<br />

Ursprung 2000 im Hafeneck hatte, mittlerweile<br />

aber im »Kulturclub schon schön«<br />

stattfindet. Samstags »amtiert« Christoph<br />

Kaster bei der Sitzung im eigenen Haus<br />

als »Präsident«: »Wir pflegen ja eine linksalternative<br />

Tradition. Unsere Kneipenfastnacht<br />

ist in politsicher Hinsicht direkter<br />

und in der Ausdrucksweise bestimmt derber.«<br />

Zum Sitzungsende gemeinsam Heile,<br />

Heile Gänsje zu singen, muss aber sein.<br />

Der Hafeneck-Wirt stammt aus Simmern,<br />

lebt seit 1970 in Mainz, hat gerade den<br />

50. Geburtstag hinter sich gebracht und<br />

in einer Ingelheimer Kneipe sein Geld verdient,<br />

während er an der Mainzer Uni<br />

Soziologie, Pädagogik und Strafrecht studierte.<br />

Beruflich widmete er sich Mitte<br />

der 80er »schwer erziehbaren« Kindern<br />

und Jugendlichen, bzw. deren »Wiedereingliederung«<br />

in die Gesellschaft. Ursprünglich<br />

wollte er sich in diesem Bereich selbstständig<br />

machen, was nicht funktionierte.<br />

Zufällig und in etwa zeitgleich bekam er<br />

mit, dass im Hafeneck ein Nachfolger<br />

gesucht wird und griff zu. Am 30.4.1998<br />

war es soweit. Seine Frau Suse kannte<br />

»Kaster«, wie er meist genannt wird, da<br />

schon mehr als zehn Jahre, sie stemmen<br />

das Projekt Hafeneck gemeinsam. Suse,<br />

die Lehrerin mit Waldorf-Erfahrung, übernahm<br />

das Kommando in der Küche und<br />

schafft es bis heute, richtig gut schmeckendes<br />

Essen ohne viel Brimborium für<br />

nicht viel Geld aufzutischen.<br />

WO SIND DIE SCHUHE VON TURK?<br />

Während Suse für den lukullischen<br />

Anspruch zuständig ist, tobt sich Christoph<br />

in der Kneipenorganisation aus und sorgt<br />

für die »internationale musikalische Kleinkunst«<br />

im Hafeneck: »Gute Musiker, die in<br />

Deutschland aber nicht so bekannt sind,<br />

kommen ganz gerne zu uns, wenn die auf<br />

Europatour sind, ist Mainz, ob seiner Lage,<br />

gut einzuplanen.« Allerdings, resümiert<br />

Christoph Kaster, verdient das Hafeneck<br />

kaum Geld mit diesen Veranstaltungen:<br />

»Mir macht das aber Spaß und ich hole<br />

mir so die Welt ins Hafeneck, zum Verreisen<br />

haben wir als Wirtsleute kaum Zeit.«<br />

Außerdem macht der Hafeneck-Wirt<br />

selbst Musik. Seit 30 Jahren ist er Sänger<br />

in der Punkrock-Band »Frohlix« und singt,<br />

begleitet von dem Jazz-Pianisten Karl<br />

Heinz Nagel, Chansons. Die Zeit zum<br />

Singen fehlt ihm aber seit längerem. Seitdem<br />

im Hafeneck wochentags zwischen<br />

12 und 15 zu Mittag gegessen werden<br />

kann, ist der Kneipenarbeitstag von Christoph<br />

und Suse noch länger geworden.<br />

»Kaster« trägt es mit Fassung, schließlich<br />

ist er Wirt mit Leib und Seele. Fassungslos<br />

ist er allerdings ob der Unauffindbarkeit<br />

der Schuhe von Michael Turk. »Ich habe<br />

die nach dem ersten Aufstieg in die 1.<br />

Bundesliga ersteigert und dann thronten<br />

sie jahrelang in einem Schrein über der<br />

Hafeneck-Theke, bis ich sie in einer Flutlicht-Sendung<br />

dem damaligen Manager<br />

Christian Heidel schenkte – als Gabe für<br />

ein irgendwann aufzubauendes Nullfünf-<br />

Museum.« Seither sind die Schuhe verschwunden,<br />

was den Hafeneck-Wirt mächtig<br />

wurmt.<br />

www.hafeneck.de ACHTUNG: Die Karten<br />

für die Fastnachtsveranstaltungen im<br />

Hafeneck sind leider alle schon verkauft.<br />

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