Berner Kulturagenda 2017 N° 6
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12 Anzeiger Region Bern 26<br />
16. – 22. Februar <strong>2017</strong><br />
Der «Künstler-Künstler»<br />
Michael Krebber gilt als Meister der «Malerei über Malerei».<br />
Die Kunsthalle Bern zeigt mit «The Living Wedge» eine<br />
Ausstellung zur «Verständniserweiterung» der Malerei.<br />
Die Kunsthalle Bern hat sich die Aufgabe<br />
auferlegt, «ein erweitertes Verständnis<br />
der Malerei» auszuloten. Die<br />
Einzelausstellung von Michael Krebber<br />
ist so gesehen ein besonderer<br />
Höhe punkt, hat er doch seine Bekanntheit<br />
als «Maler» mehr mit dem<br />
Hinterfragen von Authentizität sowie<br />
provokativen und selbstmitleidigen<br />
Aussagen über die Malerei erlangt als<br />
mit Werken. Sätze wie «Es fällt mir<br />
immer noch schwer, ein Bild zu<br />
malen» oder «Bin ich in der Lage, ein<br />
Bild zu malen, von dem ich meine,<br />
dass es etwas bewirkt?» sind typisch<br />
für den deutschen Künstler. Die<br />
Kunsthalle bezeichnet ihn als «Gerücht»<br />
in der Kunstwelt, als «Künstler-Künstler»,<br />
der «Malerei über Malerei»<br />
anfertigt.<br />
Anekdoten statt Gemälde<br />
Das Kunstmagazin «Art» sieht in<br />
Krebber einen «Maler-Darsteller», der<br />
Geschmeidig<br />
Am Konzert des <strong>Berner</strong> Amadeus Chors und des <strong>Berner</strong><br />
Kammerorchesters mit Beethoven und Brahms ist das<br />
Klaviertalent Kirill Zwegintsow zu erleben.<br />
Vom leidenschaftlich-dunklen c-Moll<br />
ins strahlende C-Dur führt das <strong>Berner</strong><br />
Kammerorchester im Kulturcasino.<br />
Das Konzert beginnt mit Beethovens<br />
einzigem in einer Moll-Tonart verfassten<br />
Klavierkonzert: dem Klavierkonzert<br />
Nr. 3 in c-Moll. Temperamentvoll<br />
am Klavier ist der junge, in Bern lebende<br />
Ukrainer Kirill Zwegintsow zu<br />
hören, dem eine grosse Zukunft prophezeit<br />
wird.<br />
Weiter geht es mit dem Amadeus<br />
Chor Bern, dem Vokalensemble Suppléments<br />
musicaux und Brahms<br />
Rhapsodie für eine Altstimme, Männerchor<br />
und Orchester op. 53. Brahms<br />
komponierte das Werk in Anlehnung<br />
Temperamentvoll: Kirill Zwegintsow spielt Beethoven.<br />
die Malerei in Anführungszeichen<br />
setze und es sich zur Aufgabe gemacht<br />
habe, «die Unmöglichkeit zu malen».<br />
So habe er «am Anfang seiner Laufbahn<br />
Anekdoten beinahe so verlässlich<br />
wie heute seltsame Gemälde produziert».<br />
Krebber wuchs in Köln mit<br />
Sigmar Polke, Markus Lüpertz und<br />
Martin Kippenberger auf, «lauter einschüchternde<br />
Helden», die mit den<br />
Mythen der Malerei dermassen gründlich<br />
aufgeräumt hätten, «dass der folgenden<br />
Generation nicht einmal etwas<br />
zum Zertrümmern übrig geblieben<br />
schien», schreibt «Art».<br />
Ein Surfbrett in acht Teilen: «Fanatic Hot Rabbit» (2011) von Michael Krebber.<br />
TICKETS<br />
an ein Gedicht von Goethe um 1896.<br />
Auch soll er darin seinen Liebeskummer<br />
in Musik gefasst haben.<br />
Schliesslich übernimmt wieder<br />
Beethoven. Dessen Messe in C-Dur op.<br />
86, komponiert 1807, sei «schon fast<br />
eine Sinfonie», wie die Veranstalter<br />
schreiben. Für einen geschmeidigen<br />
Übergang zu diesem Programmpunkt<br />
sorgen Tonartwechsel in der Alt-Rhapsodie<br />
von c-Moll in C-Dur. Céline Graf<br />
Kulturcasino, Bern<br />
So., 19.2., 17 Uhr<br />
www.amadeus-chor.ch<br />
www.bko.ch<br />
Wir verlosen 2 × 2 Tickets:<br />
tickets@bka.ch<br />
Priska Ketterer<br />
Ekko von Schwichow<br />
Jonas Lüscher karikiert die Tech-Elite und deren Dogmen.<br />
Abstrakte Verspieltheiten<br />
Fest steht, dass die Kunst des 1954<br />
in Köln geborenen Krebber einen Keil<br />
treibt in das gängige Verständnis von<br />
Malerei. Seine Bilder sind – wenn er<br />
nicht gerade feinsäuberlich zerschnittene<br />
Surfbrett-Objekte ausstellt oder<br />
leere Galerien zeigt – abstrakte Verspieltheiten<br />
in Acryl. Sie kokettieren<br />
mit dem Unmöglichen und einer fast<br />
gelangweilten Absage an Gehalt. Insofern<br />
verrät der Ausstellungstitel «The<br />
Living Wedge», zu Deutsch «Der<br />
leben de Keil», mehr über seinen Anspruch<br />
an die Kunst, als ihm vielleicht<br />
lieb ist.<br />
Katja Zellweger<br />
Kunsthalle Bern<br />
Vernissage: Fr., 17.2., 18 Uhr<br />
Ausstellung bis 30.4.<br />
www.kunsthalle-bern.ch<br />
Tränen im Silicon Valley<br />
Jonas Lüscher, Autor von «Frühling der Barbaren», liest im<br />
Zentrum Paul Klee aus seinem neuen Roman «Kraft». Die<br />
tragikomische Geschichte eines Professors, dem die Liebe<br />
misslingt, ist ein geistreiches Vergnügen.<br />
«Kraft weint.» Diese ehrliche Gefühlsäusserung<br />
des Protagonisten von<br />
«Kraft» lässt aufhorchen. Für einmal<br />
erlaubt sich Richard Kraft, Unsicherheit<br />
und Schwäche zu zeigen. Zudem offenbaren<br />
da zwei Worte die ganze Tragik<br />
seiner Existenz. Man wünschte dem<br />
Tübinger Rhetorikprofessor, der bei allem<br />
Nervigen einen guten Kern hat, ein<br />
Happy End. Aber man ahnte es und unmissverständlich<br />
versinnbildlicht nun<br />
jenes frühe Kapitel, das in Tränen endet,<br />
Krafts fortgeschrittenen Untergang:<br />
Beim Rudern in einem Naturschutzgebiet<br />
verliert der unglücklich<br />
Verheiratete sein Handy und die Orientierung,<br />
kentert und wird nackt herumirrend<br />
vom Bootsvermieter gerettet.<br />
Aus dem Graben<br />
In Zukunft wird diese Kolumne<br />
im Ausland geschrieben werden<br />
müssen, nicht einmal der<br />
Briefkasten bleibt hier.<br />
Joint Ventures for Jena<br />
Michael Krebber<br />
Roman statt Doktorarbeit<br />
Mitsamt seinen fast seitenlangen<br />
Sätzen ist «Kraft» von Jonas Lüscher –<br />
zu hören im Zentrum Paul Klee – ein<br />
grosses Lesevergnügen. Der Schweizer<br />
Autor, der in Deutschland lebt, hat anstelle<br />
der abgebrochenen Doktorarbeit<br />
in Philosophie einen zweiten Roman<br />
geschrieben. Wie der Bestseller «Frühling<br />
der Barbaren» (2013) ist die tragikomische<br />
Geschichte Bildungsroman<br />
und Satire zugleich. Nach Finanzspekulanten<br />
karikiert Lüscher die Tech-<br />
Elite und deren Dogmen im Silicon<br />
Valley. Hier will ausgerechnet Kraft<br />
mit einem Essay über die Frage, weshalb<br />
trotz des vielen Übels alles gut<br />
sei, eine Million Dollar gewinnen. Verzweifelt<br />
flüchtet sich der einst glühende<br />
Thatcherismus-Anhänger in Erinnerungen<br />
an seine Studienzeit in<br />
West-Berlin.<br />
Céline Graf<br />
Zentrum Paul Klee, Bern<br />
So., 19.2., 11 Uhr<br />
www.zpk.org<br />
ZVG<br />
Mann und Tabak<br />
«Durch die Liebe kann der Mann seine<br />
feigen Ängste verlachen. Die Liebe bewegt<br />
ihn von Ufer zu Ufer, die Liebe<br />
macht ihn arm. So auch der Tabak,<br />
denn Tabak ist wie Liebe.» So etwa<br />
könnte eine freie Übersetzung eines<br />
Teils des Liedes «Tobacco is like love»<br />
des schottischen Musikers und Soldaten<br />
Tobias Hume (1569–1645) lauten.<br />
Für das Konzert zum Saisonauftakt<br />
hat das <strong>Berner</strong> Barockensemble Die<br />
Freitagsakademie diesen Titel als Motto<br />
gewählt.<br />
Die auftretende Sopranistin Emma<br />
Kirkby (Bild) kann man durchaus als<br />
Ehrengast bezeichnen. Seit Jahrzehnten<br />
ist sie eine der führenden Sängerinnen<br />
im Bereich der historischen Aufführungspraxis.<br />
Das Programm ist für<br />
die Engländerin quasi ein musikalisches<br />
Heimspiel: Opernarien von<br />
Henry Purcell führen ins London des<br />
17. Jahrhunderts. Auch Texte aus dem<br />
geheimen Tagebuch des Erotomanen<br />
Samuel Pepys sind in den Konzertabend<br />
eingewoben. Den typisch britischen<br />
Humor darin präsentiert der<br />
deutsche Autor und Regisseur Thomas<br />
Höft als Sprecher. Ein wahrlich unterhaltsames<br />
Sittenbild. <br />
sr<br />
Konservatorium, Bern<br />
Do., 16.2., 19.30 Uhr<br />
www.freitagsakademie.com<br />
Frau und Tabak<br />
Der Komponist Joseph Haydn scheint<br />
ein strategischer Denker gewesen zu<br />
sein. Darauf deuten jedenfalls seine<br />
drei «Tageszeiten-Sinfonien» hin, die<br />
er ab 1761 als frisch ernannter Kapellmeister<br />
beim Fürsten Esterhazy in Eisenstadt<br />
komponierte. Um die Gunst<br />
der Hofmusiker zu gewinnen, schrieb<br />
er ihnen auf den Leib geschneiderte<br />
Partien und liess sie solistisch und<br />
virtuos konzertieren. Wie sich das anhört,<br />
erfährt man am Konzert des Orchesters<br />
für Alte Musik Bern Les Passions<br />
de l‘Ame. Durch den sinfonischen<br />
Tageslauf, von «Le Matin» über «Le<br />
Midi» zu «Le Soir», führt die musikalische<br />
Leiterin Meret Lüthi.<br />
Charakteristisch für diese Frühwerke<br />
ist auch eine spannende Stilvielfalt.<br />
Neben Anklängen an den Barock und<br />
die Epoche der Empfindsamkeit ist im<br />
ersten Satz von «Le Soir» auch die Melodie<br />
der damals populären Opernarie<br />
«Je n’aimais pas le tabac beaucoup» zu<br />
erkennen. In diesem «Tabaklied» singt<br />
eine Frau, dass sie sich umso mehr<br />
zum genussvollen Rauchen hingezogen<br />
fühlt, je stärker ihr Mann ihr dies<br />
verbietet. Durchaus verständlich. sr<br />
Yehudi Menuhin Forum, Bern<br />
Sa., 18.2., 19.30 Uhr<br />
www.lespassions.ch