Dezember / Januar 2012 - Evang.-Luth. Kirchengemeinde Leerstetten
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Über unseren Kirchturm hinaus<br />
Jetzt, in der Advents- und Weihnachtszeit<br />
flattern uns wieder viele Spendenaufforderungen<br />
mit der Post zu. Auch in den öffentlichen<br />
Medien wird für „milde Gaben“ an<br />
kirchliche und andere gemeinnützige Institutionen<br />
geworben. Und auch in diesem<br />
Gemeindebrief bitten wir Sie herzlich, die<br />
Aktion „Brot für die Welt“ zu unterstützen.<br />
Ja, und da ist z.B. zusätzlich die Kirchenrenovierung<br />
in <strong>Leerstetten</strong>, deren Finanzierung<br />
noch auf lange Zeit auf Ihren freiwilligen<br />
finanziellen Obolus angewiesen ist.<br />
Spendenaufrufe in Hülle und Fülle.<br />
Und jetzt kommt noch ein weiterer Spendenaufruf!<br />
Allerdings kostet dieser im Gegensatz<br />
zu sämtlichen anderen keinen einzigen<br />
Euro! Es geht um die Organspende,<br />
deren gesetzliche Neuregelung gegenwärtig<br />
kontrovers diskutiert und von der Politik<br />
vorbereitet wird. Wie steht es darum? Wie<br />
ist die ganze Problematik der Organspende<br />
aus christlicher Sicht einzuschätzen?<br />
Einen knappen, aber treffenden Überblick<br />
dazu gibt ein Artikel von Brigitte Vordermayer<br />
mit der Überschrift „Prinzip der Freiwilligkeit<br />
gescheitert. Organspende, ja oder<br />
nein? Jeder muss sich äußern um Leben<br />
zu retten.“ Erschienen ist dieser Artikel im<br />
Sonntagsblatt, der <strong>Evang</strong>elischen Wochenzeitung<br />
für Bayern, Nr. 45, vom 6. November<br />
2011. Ich zitiere ihn hier in ungekürzter<br />
Fassung:<br />
„Der Staat muss die Menschen dazu bringen,<br />
sich aktiv mit dem Thema Organspende<br />
auseinanderzusetzen. Denn jedes Jahr<br />
sterben in der Bundesrepublik Tausende<br />
Patienten, weil es zu wenige Organspender<br />
gibt. Doch das liegt nicht daran, dass<br />
Menschen ihre Organe nach dem Tod nicht<br />
spenden wollen, sondern dass sie zu Lebzeiten<br />
schlicht keiner danach fragt.<br />
74 Prozent der Deutschen würden laut<br />
einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche<br />
Aufklärung ihre Organe spenden.<br />
Doch fatalerweise haben das nur 25<br />
4<br />
Ungewöhnlicher Spendenaufruf: Kein Geld, Organe!<br />
Prozent in einem Spenderausweis dokumentiert.<br />
Grund dafür ist meistens, dass sie<br />
sich nie mit dem Thema befassten. Eine katastrophale<br />
Diskrepanz, die deutlich zeigt:<br />
Der freiwillige Organspende-Ausweis ist<br />
gescheitert. Denn diese Freiwilligkeit führte<br />
dazu, dass 2010 gerade einmal 1300 Menschen<br />
mit ihren Organen Leben retteten.<br />
Außerdem trägt sie dazu bei, dass aktuell<br />
mehr als 12000 Patienten auf ein passendes<br />
Organ warten, im Durchschnitt sechs<br />
Jahre lang. Schließlich ist diese Freiwilligkeit<br />
der Entscheidung schuld daran, dass<br />
jährlich bis zu 3000 Menschen sterben, weil<br />
sie nicht mehr länger warten können.<br />
Deutschland braucht einerseits eine Neuregelung<br />
mit mehr Druck. Der Blick in<br />
Nachbarländer zeigt, was möglich wäre:<br />
In Österreich, Frankreich und Spanien erhalten<br />
mehr als doppelt so viele Patienten<br />
Spenderorgane. Denn dort ist jeder grundsätzlich<br />
Spender, solange er dem nicht<br />
widerspricht. Andererseits wird diese so<br />
genannte Widerspruchslösung in Deutschland,<br />
wie schon beim Reformversuch 2007,<br />
kaum Chancen haben. „Körperteile sind<br />
keine Verfügungsmasse für andere – auch<br />
nicht für den Staat“ kritisierte der ehemalige<br />
EKD-Ratsvorsitzende, Wolfgang Huber,<br />
ehemaliges Ethikratsmitglied.<br />
Zu Recht. Denn Herz, Haupt oder Augen<br />
zu spenden, ist eine intime Entscheidung,<br />
die einem keiner abnahmen darf. Nicht der<br />
Staat – aber eben auch nicht Angehörige.<br />
Hat sich der Verstorbene nicht geäußert,<br />
müssen derzeit sie über seine Organe bestimmen.<br />
Eine ungeheure und unzumutbare<br />
Belastung.Deshalb darf niemand zur Organspende<br />
gedrängt werden – wenngleich<br />
sie gerade aus christlicher Sicht ein Akt<br />
der Nächstenliebe ist. Es mag berechtigte<br />
Gründe geben, sich dagegen zu entscheiden.<br />
Deshalb ist es in Ordnung, im Spenderausweis<br />
„nein“ anzukreuzen. Hauptsache,<br />
man trifft eine Entscheidung. Aktuell<br />
rangeln die Politiker um die Ausgestaltung<br />
einer solchen Entscheidungslösung. Glückt<br />
sie, muss bald jeder angeben, dass er<br />
spenden, dass er nicht spenden oder dass<br />
er sich derzeit nicht festlegen möchte.<br />
Auch wenn diese Reform, die auch die<br />
christlichen Kirchen befürworten, nur als<br />
Mittelweg gilt, ist sie längst überfällig. Denn<br />
an jedem Tag, an dem sich der Staat weiter<br />
auf die Freiwilligkeit der Entscheidung des<br />
Einzelnen beruft, bezahlen das drei Menschen<br />
mit ihrem Leben.“<br />
Soweit diese Bestandsaufnahme von Brigitte<br />
Vordermayer.<br />
Was meinen Sie dazu? Haben Sie schon einen<br />
Organspenderausweis? Ich jedenfalls<br />
trage ihn schon seit vielen Jahren stets in<br />
meiner Geldbörse mit mir. Wenn sie zu den<br />
75 Prozent unserer Bevölkerung gehören<br />
sollten, die sich noch keinen Organspenderausweis<br />
zugelegt haben, dann bitte ich<br />
Sie, in einer ruhigen Stunde der „besinnlichen<br />
Adventszeit“ doch auch mal darüber<br />
nachzudenken - auch ohne gesetzliche<br />
Vorgabe. Wäre dieser Ausweis nicht mal<br />
ein Weihnachtsgeschenk der ganz besonderen<br />
Art? Sie beschenken damit nicht nur<br />
Ihre Liebsten, sondern uns alle, und dies,<br />
ohne ins Portemonnaie greifen zu müssen.<br />
Man kann sich den Ausweis übrigens kostenlos<br />
aus dem Internet herunterladen<br />
(www.organspenderausweis.de). Oder,<br />
wenn Sie es noch leichter und ebenfalls<br />
kostenlos haben wollen: „Fragen Sie Ihren<br />
Arzt oder Apotheker!“<br />
Dr. Gerhard Kühlewind<br />
Gemeindebrief Nr 25