komm und sieh, Heft 46
Zeitschrift für die christliche Familie, Ausgabe Januar-März 2017
Zeitschrift für die christliche Familie, Ausgabe Januar-März 2017
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Januar – März 2017, <strong>Heft</strong> <strong>46</strong><br />
Aufrechtstehend<br />
Versorgung aus der Luft<br />
500 Jahre Reformation
ZUM ANFANG<br />
2<br />
Ein neues Jahr, das schon nicht mehr ganz jung ist – wir sind<br />
schon wieder voll im Trott oder im Stress oder wie auch immer<br />
du deinen Alltag bezeichnen würdest.<br />
Es wird wohl wieder ein Jahr mit schnellen Veränderungen.<br />
Unzählige Informationen werden auf dich einprasseln, das<br />
Meiste davon, wie so oft, völlig belanglos.<br />
Eine ganz wichtige Frage ist für uns: Wird es in diesem Jahr<br />
gelingen, in Ruhe auf Gottes Stimme zu hören? Werde ich in<br />
diesem Jahr die Zeit haben, mich von Gott verändern zu lassen?<br />
Für unser Glaubensleben gibt es weder Fast-Food noch<br />
Power-Napping. Wir brauchen dafür Zeit <strong>und</strong> Ruhe.<br />
Denn Veränderung erreichen wir durch das Anschauen der<br />
Herrlichkeit des Herrn Jesus Christus. Das ist ein geistliches<br />
Prinzip aus 2. Korinther 3,18. Wir haben einen alten Artikel von<br />
J. N. Darby ausgegraben <strong>und</strong> wünschen viel geistlichen Gewinn<br />
<strong>und</strong> Freude beim „Verändern-Lassen“ ab Seite 5.<br />
3 BIBEL AKTUELL<br />
Aufrechtstehend<br />
5 BIBEL PRAKTISCH<br />
Die verändernde Kraft durch<br />
die Betrachtung des Herrn in<br />
der Herrlichkeit<br />
7 FRAGE / ANTWORT<br />
Frage zum Seelenschlaf<br />
8 BIBELSTUDIUM<br />
Sehnsucht nach der himmlischen<br />
Heimat<br />
12 BIBELSTUDIUM<br />
Beten <strong>und</strong> Lobsingen<br />
13 ERMUTIGUNG<br />
Lk 12,25.26<br />
14 BIBELSTUDIUM<br />
Das Geheimnis „Christus<br />
<strong>und</strong> die Gemeinde“<br />
17 LUTHERJAHR 2017<br />
500 Jahre Reformation<br />
20 BUCHEMPFEHLUNG<br />
J. Busch, Stille Gespräche<br />
22 BIBEL PRAKTISCH<br />
Die Plage meines Herzens<br />
erkennen?<br />
25 ZUM NACHDENKEN<br />
Das Herz <strong>und</strong> die Arme<br />
des Vaters<br />
26 SCHÖPFUNGSANDACHT<br />
Versorgung aus der Luft<br />
IMPRESSUM<br />
Cover-Foto: lizenzfrei, von U.S. Air Force – U.S. Navy National Museum of Naval Aviation<br />
photo No. 2000.043.012; National Museum of the U.S. Air Force photo 050426-F-<br />
1234P-008, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3552352<br />
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Bibel<br />
aktuell<br />
AUFRECHTSTEHEND<br />
BRETTER, DIE DEM MENSCHEN<br />
BEDEUTUNG GEBEN<br />
„Und die Bretter zur der Wohnung sollst du von<br />
Akazienholz machen, aufrechtstehend: 10 Ellen<br />
die Länge eines Brettes, <strong>und</strong> eine <strong>und</strong> eine halbe<br />
Elle die Breite eines Brettes“ (2Mo 26,15).<br />
Was könnte uns Menschen besser beschreiben<br />
als dieses eine Wort: aufrechtstehend. Das unterscheidet<br />
uns wesentlich vom Tier, das macht<br />
unsere Position unserem Schöpfer gegenüber<br />
aus, <strong>und</strong> das markiert unsere Haltung unserem<br />
Nächsten gegenüber. Aber was ist geschehen?<br />
Stehen wir noch 2017, stehen wir wirklich<br />
aufrecht oder sind wir längst gekrümmt unterwegs?<br />
Ist der Mensch nicht im wahrsten Sinn<br />
des Wortes unterwegs auf einer krummen Tour?<br />
Sind wir eigentlich noch richtige Menschen?<br />
Bedeutet der griechische Ausdruck für Mensch<br />
anthropos nicht der Aufrechtgehende, der nach<br />
oben Blickende?<br />
DIE BRETTER DER STIFTSHÜTTE<br />
Zwar kannte ich die Beschreibung der Stiftshütte<br />
<strong>und</strong> hatte selbst in einer Jugendfreizeit an einem<br />
Modell des ersten Gotteshauses mitgearbeitet.<br />
Aber als ich den Text vor einigen Wochen<br />
wieder las, begann dieses Wort mich regelrecht<br />
anzuspringen – aufrechtstehend. Es steht einfach<br />
so da, ein Satzteil, bestehend aus einem<br />
Wort. Von Gott durch die Einfachheit betont<br />
<strong>und</strong> hervorgehoben. Und heute, 2017, mit einer<br />
hochaktuellen Botschaft.<br />
Aus mehreren Stellen des Neuen Testamentes<br />
kann man entnehmen, dass häufig Dinge<br />
oder Geschichten des Alten Testamentes eine<br />
sinnbildliche Bedeutung haben. So ist es auch<br />
mit der Stiftshütte. Weisen mehrere Einrichtungsgegenstände<br />
auf Christus hin (wie z. B.<br />
die B<strong>und</strong>eslade oder der Leuchter), so reden<br />
diese Bretter von einzelnen Gläubigen, die zusammen<br />
das Haus Gottes bilden <strong>und</strong> durch besondere<br />
Mechanismen miteinander verb<strong>und</strong>en<br />
sind. Die Lagebeschreibung dieser Gläubigen<br />
ist eindeutig: aufrechtstehend! Das ist Gott wichtig.<br />
Das hebt Er hervor. Und genau das ist uns<br />
verlorengegangen.<br />
DER MENSCH<br />
Als der Mensch erschaffen wurde, war schnell<br />
deutlich, dass er kein veredeltes oder weiterentwickeltes<br />
Tier ist, sondern eine einmalige<br />
Spezies. Er wurde im Bild Gottes erschaffen.<br />
Gott legte ihm nach dem Buch Prediger die<br />
Ewigkeit ins Herz <strong>und</strong> machte ihn fähig, mit<br />
Gott zu <strong>komm</strong>unizieren (Pred 3,11). Man könnte<br />
auch sagen: Er legte die Sehnsucht nach<br />
Gott in den Menschen. Äußerlich gesehen war<br />
die aufrechte Körperhaltung ein deutliches Erkennungsmerkmal.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erte später anerkennt<br />
der weiseste Mensch des Alten Testaments,<br />
Salomo: „Allein, <strong>sieh</strong>e, dieses habe ich<br />
gef<strong>und</strong>en, dass Gott den Menschen aufrichtig<br />
geschaffen hat; sie aber haben viele Ränke gesucht“<br />
(Pred 7,29). Statt aufrichtig haben hier<br />
einige Übersetzungen die Fußnote aufrecht,<br />
gerade. Sein Blick sollte nach oben zu seinem<br />
göttlichen Gegenüber gerichtet sein. Für den<br />
Schreiber des 123. Psalms eine Selbstverständlichkeit:<br />
„Ich hebe meine Augen auf zu dir, der<br />
du thronst in den Himmeln!“<br />
NEBUKADNEZAR<br />
Der Unterschied zwischen Tier <strong>und</strong> Mensch<br />
wird besonders deutlich am Beispiel des gewaltigen<br />
Herrschers von Babel, Nebukadnezar. Seine<br />
Geschichte wird in den ersten Kapiteln des<br />
Buches Daniel beschrieben. Gott hatte ihm für<br />
den Fall fortdauernden Hochmuts eine markante<br />
Bestrafung angekündigt. Er würde ihn von<br />
den Menschen ausstoßen <strong>und</strong> bei den Tieren<br />
des Feldes wohnen lassen (Dan 4). Genau das<br />
geschah dann – aber im weiteren Verlauf demütigte<br />
sich dieser Herrscher vor Gott. In diesem<br />
Prozess der Umkehr berichtet die Bibel einen<br />
bemerkenswerten Ausspruch Nebukadnezars:<br />
„Und am Ende der Tage erhob ich, Nebukadnezar,<br />
meine Augen zum Himmel <strong>und</strong> mein Verstand<br />
kam mir wieder.“ Der Übergang vom Tierzum<br />
Menschsein wird dadurch markiert, dass<br />
dieser Mann seine Augen wieder nach oben<br />
richtete. Er wird gerade. Das macht ihn wahrhaft<br />
zum Menschen. Und das ist wiederum untrennbar<br />
damit verb<strong>und</strong>en, dass ihm sein Verstand<br />
wiederkam. Dazu später mehr.<br />
3<br />
<strong>komm</strong> <strong>und</strong> <strong>sieh</strong>, <strong>Heft</strong> 1/2017
4<br />
Bibel<br />
aktuell<br />
ACHTZEHN JAHRE KRUMM<br />
In Lukas 13 wird von der Heilung einer Frau<br />
berichtet, die 18 Jahre lang einen Geist der<br />
Schwachheit hatte. Die äußeren Auswirkungen<br />
waren, dass sie vollständig gekrümmt war. Lukas<br />
berichtet: „Als aber Jesus sie sah, rief er ihr<br />
zu <strong>und</strong> sprach zu ihr: Frau, du bist gelöst von<br />
deiner Schwachheit! Und er legte ihr die Hände<br />
auf, <strong>und</strong> sofort wurde sie gerade <strong>und</strong> verherrlichte<br />
Gott“ (Lk 13,12.13). Wieder verbindet die<br />
Bibel das Aufrichten des Körpers mit der Wiederherstellung<br />
der Gottesbeziehung des Menschen<br />
– „sie verherrlichte Gott“ – die Hauptaufgabe<br />
des Menschen.<br />
Seit dem Sündenfall ist das die große Provokation<br />
des Menschen, dass er Gott die Ehre<br />
<strong>und</strong> den Dank verweigert, ja, er verweigert die<br />
Anbetung. Paulus formuliert in Römer 1 genau<br />
diesen Anklagepunkt: „Weil sie Gott kennend,<br />
ihn weder als Gott verherrlichten, noch ihm<br />
Dank darbrachten“ (Röm 1,21). Das ist bis heute<br />
die große Schuld des Menschen. Darin ist er<br />
gekrümmt, unfähig, Gott zu verherrlichen, wie<br />
diese Frau aus Lukas 13.<br />
Und wir Christen? Sind unsere Gemeinden<br />
noch Orte, wo Gott verherrlicht wird, oder sind<br />
es nicht wir selbst, die unterhalten <strong>und</strong> bespaßt<br />
werden wollen? Gehört Gott wirklich die Ehre?<br />
Ist Er die Mitte, der, um den sich alles dreht?<br />
Sind wir nicht ein egoistischer Rummelplatz geworden,<br />
der unsere eigenen Ideen ins Scheinwerferlicht<br />
stellt <strong>und</strong> den Herrn Jesus aus der<br />
Mitte verdrängt? Sind wir gerade oder bis zur<br />
Unkenntlichkeit verkrümmt?<br />
„Du aber bleibe in dem,<br />
was du gelernt hast<br />
<strong>und</strong> wovon du<br />
völlig überzeugt bist“<br />
(2Tim 3,14).<br />
PAULUS AN TIMOTHEUS<br />
In seinem Vermächtnisbrief schrieb Paulus seinem<br />
geliebten Kind unter anderem Folgendes<br />
auf: „Du aber bleibe in dem, was du gelernt<br />
hast <strong>und</strong> wovon du völlig überzeugt bist“<br />
(2Tim 3,14). Man könnte auch sagen: „Timotheus,<br />
bleib gerade!“ Haben wir eigentlich noch<br />
Überzeugungen? Bist du überzeugt, dass die Bibel<br />
Wort für Wort inspiriert ist? Dann bleibe dabei.<br />
Die Geraden sind heute nicht in der Mehrzahl.<br />
Gerade zu sein ist ein geistlicher Kraftakt.<br />
Ich wünsche es dir <strong>und</strong> mir, dass wir uns von<br />
Gott dazu die Kraft geben lassen.<br />
ZWEI MELDUNGEN<br />
Zwei Meldungen des vergangenen Jahres zeigen,<br />
wie krumm wir sind. Da ist das Ehepaar, das<br />
den Staat verklagt, weil er ihnen keinen Platz für<br />
ihr Kind in einer Kinderverwahranstalt bereitstellt.<br />
Hat niemand diesen Eltern gesagt, dass<br />
sie ihrem Kind einen Schaden zufügen, wenn<br />
sie es in den ersten drei Jahren von der Mutter<br />
trennen? Wird nicht eines Tages das Kind seine<br />
Eltern verklagen, weil sie das Wohl des Kindes<br />
gefährdet haben? Wie krumm sind wir eigentlich?<br />
Und wir Christen blasen mit in dieses Horn<br />
<strong>und</strong> behandeln Mütter verächtlich, die es wagen,<br />
für ihre Kinder zu Hause zu bleiben? Ich bitte<br />
dich: Bleib gerade! Und vertraue Gott, der die<br />
Finanzierung dieses anstrengenden Jobs längst<br />
übernommen hat: „Nimm dieses Kind <strong>und</strong> säuge<br />
es mir, <strong>und</strong> ich werde dir deinen Lohn geben“<br />
(2Mo 2,9). Er lügt nicht.<br />
Zweite Meldung: Am 17.10.2016 hat nun<br />
auch die sächsische Landeskirche die Segnung<br />
Homosexueller möglich gemacht. Diese Entscheidung<br />
ist nur die Spitze des Eisbergs schriftwidriger<br />
Lehren der evangelischen Kirche. Wie<br />
bestürzend <strong>und</strong> wie „krumm“. Wenige Tage später<br />
stand ich vor einh<strong>und</strong>ert Gläubigen, die diese<br />
Kirche verlassen haben. Sie haben sich aufgerichtet,<br />
<strong>und</strong> ich möchte ihnen heute zurufen: „Bleibt<br />
gerade!“ Es gibt Verachtung <strong>und</strong> Not, aber es<br />
gibt auch große Freude <strong>und</strong> großen Segen, dem<br />
Wort Gottes die erste Stelle einzuräumen.<br />
DIE BRETTER<br />
Aufrechtstehend. Dafür brauche ich auch die<br />
beiden Bretter neben mir. Der Herr bewahre uns<br />
vor Hochmut <strong>und</strong> Selbstgefälligkeit. Da gibt es<br />
zu vieles, was uns krümmt, <strong>und</strong> wir brauchen<br />
ganz nötig den Rat unseres Mit-„Brettes“, das<br />
uns die Augen für den Balken in unserem eigenen<br />
Auge öffnet.<br />
Luther ist in diesen Tagen <strong>und</strong> Wochen in aller<br />
M<strong>und</strong>e. „Hier stehe ich“ – soll er in Worms<br />
gesagt haben. Auf diesem Reichstag war er in<br />
der Tat ein aufrechtstehendes Brett <strong>und</strong> ein Vorbild<br />
für unsere Zeit. So hoffe ich, dass diese Zeilen<br />
eine aufrichtende Wirkung haben <strong>und</strong> dazu<br />
dienen, dass wir aufrechtstehend unseren Gott<br />
verherrlichen.<br />
Klaus Güntzschel<br />
<strong>komm</strong> <strong>und</strong> <strong>sieh</strong>, <strong>Heft</strong> 1/2017
DIE VERÄNDERNDE KRAFT DURCH<br />
DIE BETRACHTUNG DES HERRN IN<br />
DER HERRLICHKEIT<br />
Bibel<br />
praktisch<br />
DIE GRUNDLAGE JEDER<br />
CHRISTLICHEN WAHRHEIT<br />
Es gibt einen Mittler zwischen Gott <strong>und</strong> Menschen,<br />
eine dritte Person. Weil der Mensch nicht<br />
zu Gott <strong>komm</strong>en konnte, war ein Mittler bereit,<br />
den Platz schuldiger Menschen einzunehmen<br />
<strong>und</strong> sich ihrer Sache anzunehmen. Er hat für sündige<br />
Menschen die Annahme bei Gott bewirkt.<br />
Das beinhaltet zwei Dinge (2Kor 3):<br />
• „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“<br />
(2Kor 3,17), die Freiheit der Gnade, <strong>und</strong><br />
• wir sind „ein Brief Christi …, geschrieben<br />
… mit dem Geist des lebendigen Gottes“<br />
(2Kor 3,3).<br />
Allerdings sind wir unvoll<strong>komm</strong>en <strong>und</strong> versagen<br />
noch. Doch wir sind nicht Briefe von uns<br />
selbst. Nach der vom Geist Gottes gegebenen<br />
Definition sind wir Abschriften (oder amtliche<br />
Kopien) Christi. Das sind wir, wir sollten es nicht<br />
nur sein.<br />
GLÄUBIGE HABEN MANCHMAL DEN<br />
FALSCHEN BLICK<br />
Manchmal sagen Gläubige: „Ich sehe diese Abschrift<br />
nicht in mir.“ Beschäftige dich nicht damit,<br />
ob Christus in dir zu sehen ist. Du solltest<br />
vielmehr auf Christus Jesus schauen. Nur wenn<br />
du dich mit Ihm beschäftigst, wirst du Ihn widerspiegeln.<br />
Mose sah sein eigenes Angesicht<br />
nicht leuchten, aber er sah das Angesicht Gottes<br />
leuchten. Andere sahen das Angesicht Moses<br />
leuchten (<strong>sieh</strong>e 2Mo 34,29–35; 2Kor 3,13–16).<br />
Die Herrlichkeit des Herrn, die das Volk im<br />
Angesicht Moses sah, erschreckte das Volk.<br />
Sie konnten diese Herrlichkeit nicht ertragen.<br />
Sie waren sich ihrer Schuld vor Gott bewusst.<br />
Sie wussten, dass die Frage ihrer Sünden noch<br />
nicht geregelt war. Deshalb musste das geringste<br />
Anzeichen der Herrlichkeit Gottes sie in<br />
Furcht versetzen, dass Er sie strafen würde. Wir<br />
Christen jedoch sehen die Herrlichkeit Gottes<br />
mit aufgedecktem, unverhülltem Angesicht in<br />
Christus (2Kor 3,18). Wir fürchten uns nicht im<br />
Geringsten. Wenn wir die Herrlichkeit des Herrn<br />
betrachten, finden wir Freiheit, Trost <strong>und</strong> Freude.<br />
Wir betrachten sie mit Staunen <strong>und</strong> Jubel,<br />
ohne uns zu fürchten. Woher <strong>komm</strong>t dieser gewaltige<br />
Unterschied?<br />
CHRISTUS LEBT JETZT IN DER<br />
HERRLICHKEIT<br />
Ich sehe Christus, wie Er jetzt in der Herrlichkeit<br />
ist, nicht wie Er hier auf der Erde gelebt hat (so<br />
eindrucksvoll das auch war). Er ist jetzt zur Rechten<br />
Gottes. Obwohl das eine Herrlichkeit ist, die<br />
sich im Himmel befindet, kann ich sie beständig<br />
anschauen. Christus befindet sich inmitten der<br />
Herrlichkeit <strong>und</strong> der Majestät des Thrones Gottes.<br />
Diese gewaltige Herrlichkeit ängstigt mich<br />
nicht, weil sie im Angesicht des Menschen erstrahlt,<br />
der meine Sünden weggetan hat <strong>und</strong> als<br />
Beweis dafür nun dort ist. „Nachdem er durch<br />
sich selbst die Reinigung von den Sünden bewirkt<br />
hat, hat er sich gesetzt zur Rechten der<br />
Majestät in der Höhe“ (Heb 1,3).<br />
„Nachdem er durch sich<br />
selbst die Reinigung von<br />
den Sünden bewirkt hat,<br />
hat er sich gesetzt zur<br />
Rechten der Majestät in<br />
der Höhe“ (Heb 1,3).<br />
Es gab eine Zeit, als ich mich fürchtete, seine<br />
Stimme zu hören, <strong>und</strong> wie die Kinder Israel<br />
sagte: „Gott möge nicht mit uns [mir] reden“<br />
(2Mo 20,19). Ich versuchte, wie Adam, mich mit<br />
einem schuldbeladenen Gewissen vor Gott zu<br />
verstecken (1Mo 3,8). Jetzt denke ich jedoch<br />
nicht mehr so. Nein, ich möchte seine Stimme<br />
hören. Wenn ich die Herrlichkeit Christi jetzt<br />
sehe, weiß ich, dass ich gerettet bin!<br />
Wie kam Christus zu diesem Platz in der Herrlichkeit?<br />
Er kam auf die Erde, war in seiner Gestalt<br />
wie ein Mensch erf<strong>und</strong>en, kam zu Zöllnern<br />
5<br />
<strong>komm</strong> <strong>und</strong> <strong>sieh</strong>, <strong>Heft</strong> 1/2017
66<br />
Bibel<br />
praktisch<br />
<strong>und</strong> Sündern als Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> wählte sie als seine<br />
Weggefährten. Er ist der Mann, der den Zorn<br />
Gottes wegen der Sünde erlitt <strong>und</strong> meine Sünden<br />
in seinem eigenen Leib auf dem Holz getragen<br />
hat (1Pet 2,24). Er ist jetzt in der Herrlichkeit<br />
– hier auf der Erde lebte Er in einer sündigen<br />
Umgebung <strong>und</strong> trug die Last der Sünden. Doch<br />
nun darf ich in seinem Angesicht die Herrlichkeit<br />
Gottes sehen (2Kor 4,6). Ich sehe Ihn jetzt<br />
dort, weil Er meine Sünden weggetan hat <strong>und</strong><br />
meine Erlösung bewirkt hat.<br />
„Wir alle aber, mit aufgedecktem<br />
Angesicht die<br />
Herrlichkeit des Herrn<br />
anschauend, werden verwandelt<br />
nach demselben<br />
Bild von Herrlichkeit zu<br />
Herrlichkeit, als durch<br />
den Herrn, den Geist“<br />
(2Kor 3,18).<br />
DIE SÜNDE IST WEGGETAN<br />
Ich könnte Christus in der Herrlichkeit nicht sehen,<br />
wenn nur ein einziger Sündenflecken noch<br />
nicht entfernt worden wäre. Je mehr ich von dieser<br />
Herrlichkeit sehe, desto mehr erkenne ich,<br />
wie voll<strong>komm</strong>en das Werk ist, das Christus vollbracht<br />
hat, <strong>und</strong> wie voll<strong>komm</strong>en die Gerechtigkeit<br />
ist, aufgr<strong>und</strong> deren ich angenommen bin.<br />
Jeder Strahl dieser Herrlichkeit ist im Angesicht<br />
Christi zu sehen, der meine Sünden als seine eigenen<br />
bekannt hat <strong>und</strong> dafür am Kreuz gestorben<br />
ist. Er hat Gott hier auf der Erde verherrlicht<br />
<strong>und</strong> das Werk vollbracht, das der Vater Ihm aufgetragen<br />
hatte (Joh 17,4). Die Herrlichkeit, die<br />
ich sehe, ist die Herrlichkeit der Erlösung. Nachdem<br />
Er Gott im Blick auf die Sünde verherrlicht<br />
hat, hat der Vater den Sohn dort bei sich selbst<br />
verherrlicht.<br />
Wenn ich Christus in der Herrlichkeit sehe,<br />
sehe ich, dass all meine Sünden weggetan sind.<br />
Der Mittler trug meine Sünden: „Der Herr hat<br />
ihn treffen lassen unser aller Ungerechtigkeit“<br />
(Jes 53,6). „Der selbst unsere Sünden an seinem<br />
Leib auf dem Holz getragen hat“ (1Pet 2,24). Er<br />
hat alle meine Sünden bekannt – sie wurden im<br />
Vorbild auf den Kopf des Ziegenbocks gelegt<br />
<strong>und</strong> so weggenommen (3Mo 16,21.22).<br />
CHRISTUS HAT GOTT VERHERRLICHT<br />
Gott ist durch das, was Christus wegen meiner<br />
Sünden getan hat, verherrlicht worden. Dadurch<br />
hat Er sich das Recht erworben, zur Rechten Gottes<br />
zu sein. Ich habe keine Furcht mehr, wenn ich<br />
Christus dort sehe, denn meine Sünden sind jetzt<br />
weder auf der Erde noch im Himmel zu finden.<br />
Einmal wurden sie auf den Herrn Jesus gelegt.<br />
Nun sie sind weg, sie sind nie mehr zu finden. Ich<br />
sehe nur Christus in der Herrlichkeit.<br />
Sähe ich einen toten Christus, müsste ich<br />
fürchten, dass meine Sünden noch irgendwo<br />
gef<strong>und</strong>en werden könnten. Da aber Christus<br />
in der Herrlichkeit lebt, ist diese Suche vergeblich.<br />
Er hat sie alle getragen <strong>und</strong> ist danach zum<br />
Thron Gottes aufgenommen worden. Dort kann<br />
es keine Sünde mehr geben.<br />
DAS ERGEBNIS –<br />
DIE VERWANDLUNG IN SEIN BILD<br />
Wenn ich daher Christus in der Herrlichkeit betrachte,<br />
werde ich in sein Bild verwandelt: „Wir<br />
alle aber, mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit<br />
des Herrn anschauend, werden verwandelt<br />
nach demselben Bild von Herrlichkeit<br />
zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist“<br />
(2Kor 3,18). Die Kraft der gegenwärtigen, praktischen<br />
Ebenbildlichkeit mit Christus ist da, weil<br />
der Heilige Geist die Dinge Christi nimmt <strong>und</strong><br />
sie uns Gläubigen offenbart. Ich erfreue mich an<br />
Christus. Ich liebe Ihn. Ich werde Christus durch<br />
den Heiligen Geist gleichgestaltet. Er offenbart<br />
mir Christus.<br />
Dann beginne ich nicht nur die Herrlichkeit<br />
zu lieben, sondern es ist Christus selbst, den<br />
ich liebe. Ich bew<strong>und</strong>ere Ihn <strong>und</strong> interessiere<br />
mich für Ihn. Ich denke über Ihn nach, der<br />
für mich seinen Leib hingegeben <strong>und</strong> sein Blut<br />
vergossen hat. Ist es dann ein W<strong>und</strong>er, dass<br />
ich Christus ähnlich werde? Ein Christ wird<br />
so zu einem Brief Christi: Er spricht für Christus,<br />
schätzt Christus <strong>und</strong> handelt für Christus.<br />
Er will nicht reich werden, denn er hat unerforschliche<br />
Reichtümer in Christus. Der Gläubige<br />
will nicht die Vergnügungen der Welt, sondern<br />
hat seine Freude an dem, der für immer<br />
zur Rechten Gottes ist.<br />
Sagst du immer noch: „Oh, ich sehe jedoch<br />
diese Abschrift Christi nicht in mir selbst“? Ist<br />
es nicht weit besser, dass du Christus <strong>sieh</strong>st? Es<br />
geht nicht darum, dass ich auf mich selbst blicke,<br />
sondern dass ich auf Christus blicke. Gott<br />
hat Ihn dazu bestimmt, dass ich geistlich wachse,<br />
Ihm ähnlich werde, wenn ich Ihn betrachte.<br />
<strong>komm</strong> <strong>und</strong> <strong>sieh</strong>, <strong>Heft</strong> 1/2017
Wenn ich die Arbeit eines großen Künstlers<br />
kopieren würde, würde ich doch<br />
nicht eine Imitation zum Vorbild nehmen<br />
<strong>und</strong> dann den schlechten Versuch bedauern?<br />
Nein. Man kann das gewünschte<br />
Ergebnis nur erreichen, wenn man das<br />
Original betrachtet, es genau betrachtet,<br />
die Einzelheiten beachtet <strong>und</strong> das Wesen<br />
einfängt. Darin liegt ein Trost: Der Heilige<br />
Geist offenbart Christus, wie Er in der<br />
Herrlichkeit ist. Dadurch weiß ich, dass<br />
ich angenommen bin, <strong>und</strong> nun kann ich<br />
ohne Furcht beständig auf Ihn schauen<br />
<strong>und</strong> mich an dieser Herrlichkeit <strong>und</strong> dem<br />
Glanz erfreuen!<br />
STEPHANUS –<br />
VOLL HEILIGEN GEISTES<br />
Stephanus war voll Heiligen Geistes <strong>und</strong><br />
blickte zum Himmel empor <strong>und</strong> sah die<br />
Herrlichkeit Gottes <strong>und</strong> Jesus zur Rechten<br />
Gottes stehen (Apg 7). Sein Antlitz<br />
leuchtete wie das Antlitz eines Engels.<br />
Und erinnere dich daran, wie er starb! Er<br />
betete genauso für seine Mörder wie sein<br />
Meister. Stephanus starb mit den Worten:<br />
„Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht<br />
zu!“ (Apg 7,60). Zuvor hatte Christus sterbend<br />
gesagt: „Vater, vergib ihnen, denn<br />
sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lk 23,34).<br />
Stephanus zeigte die Liebe Christi zu seinen<br />
Feinden. Er wurde durch den Heiligen<br />
Geist verändert, <strong>und</strong> zwar auf sehr<br />
gesegnete Weise – in dasselbe Bild.<br />
Wer die voll<strong>komm</strong>ene Freiheit in Gott<br />
kennt, schaut mit Frieden <strong>und</strong> glücklich<br />
auf die Herrlichkeit Gottes, wie man sie<br />
im Angesicht Jesu Christi sehen kann.<br />
Wer diese Herrlichkeit <strong>sieh</strong>t <strong>und</strong> ihre Entfaltung<br />
kennt, geht seinen Weg in der Gegenwart<br />
Gott in heiligem Vertrauen. Wer<br />
in der Gegenwart Gottes zur Ruhe ge<strong>komm</strong>en<br />
ist, trinkt dort im Geist das, was<br />
die Gegenwart Gottes ausmacht, <strong>und</strong><br />
wird zum „Brief Christi“ für die Welt. Auf<br />
diese Weise zeigt er allen, dass er durch<br />
den Glauben in der Gegenwart Gottes<br />
war, wo er Christus in der Herrlichkeit angeschaut<br />
hat.<br />
Mögen wir uns mehr <strong>und</strong> mehr Seiner<br />
rühmen, dessen Angesicht all diese Herrlichkeit<br />
entfaltet – das Lamm, das für uns<br />
gestorben ist <strong>und</strong> unsere Sünden durch<br />
sein eigenes kostbares Blut abgewaschen<br />
hat.<br />
John Nelson Darby<br />
FRAGE ZUM SEELENSCHLAF<br />
Im Gespräch mit anderen Christen bin ich schon<br />
ein paar Mal darauf gestoßen, dass manche<br />
Christen denken, man wäre nach dem Sterben<br />
noch nicht beim Herrn Jesus, sondern würde Ihn<br />
erst bei seiner Wiederkehr sehen. So lange wäre<br />
ein Christ in einem Schlafzustand.<br />
Was sagt die Bibel dazu?<br />
ANTWORT<br />
Die Vorstellung eines Seelenschlafes ist stärker verbreitet, als man im<br />
Allgemeinen annimmt. Sie wird unter anderen von Adventisten vertreten.<br />
Doch die Schrift lehrt etwas völlig anderes.<br />
Ich nenne fünf Gründe, warum ich die Auffassung eines Seelenschlafes<br />
für unbiblisch halte:<br />
1. In Lukas 16,19–31 können wir einen Blick in die Zeit nach dem<br />
Tod von Menschen werfen. Der reiche Mann dort ist im Hades, der<br />
arme Lazarus ist im Paradies. Nach dem Tod haben beide sofort die<br />
Augen aufgeschlagen. Lazarus war in Glückseligkeit <strong>und</strong> wurde getröstet,<br />
der reiche Mann befand sich in entsetzlichen Qualen. Dort<br />
können die Toten <strong>komm</strong>unizieren, obwohl sie keinen Leib haben; sie<br />
haben dann nur eine Seele <strong>und</strong> einen Geist.<br />
2. Paulus freute sich abzuscheiden, um bei Christus zu sein: „Ich werde<br />
aber von beidem bedrängt, indem ich Lust [eig. ein starkes Verlangen]<br />
habe, abzuscheiden <strong>und</strong> bei Christus zu sein, denn es ist<br />
weit besser“ (Phil 1,23). Diese Stelle macht klar, dass heimgegangene<br />
Gläubige die Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus erleben; sie sind in<br />
seiner unmittelbaren Nähe.<br />
3. In 2. Korinther 12,3–6 lesen wir Folgendes: „Und ich kenne einen<br />
solchen Menschen (ob im Leib oder außerhalb des Leibes, weiß ich<br />
nicht, Gott weiß es), dass er in das Paradies entrückt wurde <strong>und</strong> unaussprechliche<br />
Worte hörte, die ein Mensch nicht sagen darf. Über einen<br />
solchen werde ich mich rühmen; über mich selbst aber werde ich mich<br />
nicht rühmen, es sei denn der Schwachheiten. Denn wenn ich mich<br />
rühmen will, werde ich nicht töricht sein, denn ich werde die Wahrheit<br />
sagen. Ich enthalte mich aber dessen, damit nicht jemand höher von<br />
mir denke als das, was er an mir <strong>sieh</strong>t oder was er von mir hört.“<br />
Hier lesen wir, dass Paulus in das Paradies versetzt wurde <strong>und</strong> dort<br />
unaussprechliche Worte der Glückseligkeit hörte. Auch das zeigt,<br />
dass die Gläubigen mit vollem Bewusstsein alles erleben.<br />
4. Der Herr Jesus sagte zu dem Räuber am Kreuz, dass er mit Ihm am<br />
selben Tag im Paradies sein würde. Welchen Sinn hätten die Worte<br />
des Herrn gehabt, wenn der Räuber nichts mitbe<strong>komm</strong>en hätte?<br />
5. Die Seelen der Märtyrer in Offenbarung 6,9–11 sind unter dem<br />
Altar. Sie rufen zu Gott um Rache an ihren Feinden. Sie sind also bei<br />
vollem Bewusstsein.<br />
So könnte man fortfahren. Ich belasse es bei diesen Beispielen. Es ist<br />
eine große Freude für Gläubige, dass sie sofort nach dem Tod in der<br />
Nähe des Herrn Jesus sein dürfen <strong>und</strong> sich an Ihm erfreuen können.<br />
Werner Mücher<br />
77
Bibelstudium<br />
SEHNSUCHT NACH DER<br />
HIMMLISCHEN HEIMAT<br />
8<br />
Denn wir wissen, dass, wenn unser irdisches Haus,<br />
die Hütte, zerstört wird, wir einen Bau von Gott haben,<br />
ein Haus, nicht mit Händen gemacht, ein ewiges,<br />
in den Himmeln. Denn in diesem freilich seufzen<br />
wir <strong>und</strong> sehnen uns, mit unserer Behausung,<br />
die aus dem Himmel ist, überkleidet zu werden; sofern<br />
wir allerdings, wenn wir auch bekleidet sind,<br />
nicht für nackt bef<strong>und</strong>en werden. Denn wir freilich,<br />
die in der Hütte sind, seufzen beschwert, weil<br />
wir nicht entkleidet, sondern überkleidet werden<br />
möchten, damit das Sterbliche verschlungen werde<br />
von dem Leben. Der uns aber eben dafür zubereitet<br />
hat, ist Gott, der uns das Unterpfand des<br />
Geistes gegeben hat.<br />
So sind wir nun allezeit guten Mutes <strong>und</strong> wissen,<br />
dass wir, während wir einheimisch in dem<br />
Leib sind, von dem Herrn ausheimisch sind (denn<br />
wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen);<br />
wir sind aber guten Mutes <strong>und</strong> möchten lieber<br />
ausheimisch von dem Leib <strong>und</strong> einheimisch bei<br />
dem Herrn sein. Deshalb beeifern wir uns auch,<br />
ob einheimisch oder ausheimisch, ihm wohlgefällig<br />
zu sein. Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl<br />
des Christus offenbar werden, damit jeder<br />
empfange, was er in dem Leib getan hat, nach<br />
dem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses<br />
(2. Korinther 5,1–10).<br />
Am Ende der Schöpfungswoche erschuf Gott<br />
den Menschen als Krone der sichtbaren Schöpfung<br />
(1Mo 1 <strong>und</strong> 2). Er erschuf ihn mit einem<br />
Geist, einer Seele <strong>und</strong> einem Körper. Der<br />
Mensch war in jeder Hinsicht sehr gut, auch sein<br />
Körper war voll<strong>komm</strong>en (vgl. Ps 139,13–16). Mit<br />
dem Sündenfall änderte sich das leider. Danach<br />
stand fest, dass Adam <strong>und</strong> Eva einmal sterben<br />
würden. Ohne den Sündenfall wären die beiden<br />
nicht mit dem Tod in Berührung ge<strong>komm</strong>en,<br />
sie hätten ewig auf der Erde im Paradies<br />
leben können.<br />
DER KÖRPER IST EIN ZELT<br />
Seitdem ist unser Körper – unser „irdisches Haus“<br />
– nur eine vorübergehende Wohnung, die eines<br />
Tages zerstört wird. Er ist wie ein Zelt, das man<br />
eine Zeitlang bewohnt. Ein Zelt wird aufgebaut<br />
<strong>und</strong> wieder abgebaut. Das ist vergleichbar mit<br />
der Geburt <strong>und</strong> dem Tod eines Menschen. Errichtet<br />
wird das Zelt bei der Geburt, abgebaut<br />
wird es im Augenblick des Todes.<br />
EIN BAU VON GOTT<br />
Paulus spricht in diesem Abschnitt, mit dem wir<br />
uns jetzt beschäftigen, von „wir“. Damit meint er<br />
die Gläubigen. Daher kann er auch sagen, dass<br />
wir – <strong>und</strong> das trifft nicht für die Ungläubigen zu<br />
– einen Bau, ein Haus „von Gott“ haben, „nicht<br />
mit Händen gemacht“ 1 , ein ewiges in den Himmeln.<br />
Das irdische Zelt ist vergänglich, der Bau<br />
von Gott wird unvergänglich sein. Von diesem<br />
Bau heißt es: Er ist …<br />
1. von Gott (V. 1)<br />
2. ein ewiges Haus (V. 1)<br />
3. in den Himmeln (V. 1)<br />
4. eine Behausung, die aus dem Himmel ist<br />
(V. 2)<br />
Das ewige Haus be<strong>komm</strong>en wir, wenn wir in<br />
den Himmel – in das Vaterhaus – eingehen werden.<br />
Und wann wird das geschehen? Wenn die<br />
in Christus Entschlafenen in ihrem neuen Körper<br />
auferweckt werden <strong>und</strong> der Körper der Gläubigen,<br />
die dann auf der Erde leben, verwandelt<br />
wird. Gemeinsam werden dann beide Gruppen<br />
von Gläubigen vom Herrn entrückt werden, um<br />
im Vaterhaus zu wohnen. Dann haben sie alle dieses<br />
ewige Haus in den Himmeln.<br />
WIR SEUFZEN UND SEHNEN UNS<br />
Am Ende des vorigen Kapitels schrieb der Apostel:<br />
„… wenn auch unser äußerer Mensch verfällt“<br />
(2Kor 4,16). Nicht nur alte Menschen haben<br />
Gebrechen <strong>und</strong> Krankheiten, auch junge<br />
Leute haben sie; manche werden sogar bereits<br />
mit Behinderungen geboren. Und es gibt nicht<br />
nur körperliche Leiden, sondern auch viele psychische<br />
Erkrankungen, die häufig körperliche<br />
Ursachen haben (die psychosomatischen Krankheiten).<br />
Wie groß sind oft die Not <strong>und</strong> das Seufzen,<br />
<strong>und</strong> davon sind wir als Gläubige, solange<br />
wir noch zur gefallenen Schöpfung gehören,<br />
nicht ausgenommen.<br />
<strong>komm</strong> <strong>und</strong> <strong>sieh</strong>, <strong>Heft</strong> 1/2017<br />
1<br />
„Nicht mit Händen gemacht“ legt Betonung darauf, dass Gott etwas<br />
gemacht hat oder macht (vgl. Mk 14,58; Kol 2,11; Heb 9,11.24).
Bibelstudium<br />
Zum Seufzen <strong>komm</strong>t beim Gläubigen die Sehnsucht<br />
hinzu. Paulus setzt das sozusagen als<br />
selbstverständlich voraus. Doch sehnen wir<br />
wirklich den Augenblick herbei, wo wir unser irdisches<br />
Zelt gegen unser ewiges Haus eintauschen?<br />
Singen wir mit Freuden Lieder vom Kommen<br />
des Herrn? Oder streichen wir sie aus unseren<br />
Liederbüchern, weil sie ohnehin nicht mehr gesungen<br />
werden? Es ist tatsächlich eine Frage, ob<br />
man Lieder singen sollte, mit deren Inhalt man<br />
sich nicht identifizieren kann. Doch dann sollten<br />
wir uns auch fragen, wie es um unser geistliches<br />
Leben <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Sehnsucht<br />
nach der himmlischen Heimat bestellt ist.<br />
Wenn du Mitgläubigen sagst, dass du auf die<br />
Entrückung wartest, wirst du erfahren, dass einige<br />
anfangen zu strahlen. Andere werden dir<br />
sagen, dass es genauso gut sein kann, dass der<br />
Herr erst in h<strong>und</strong>ert Jahren <strong>komm</strong>t …<br />
NICHT FÜR NACKT BEFUNDEN<br />
Es gibt eine Einschränkung, was den Empfang<br />
des neuen Körpers betrifft: Nur diejenigen be<strong>komm</strong>en<br />
ihn, die „nicht für nackt bef<strong>und</strong>en“<br />
(V. 3) werden. Wer nackt ist, hat keine Kleider<br />
an. In der symbolischen Sprache der Heiligen<br />
Schrift geht es um Menschen, die sich weigern,<br />
die Kleider des Heils anzunehmen. 2 Sie meinen,<br />
dass ohne den Glauben an Christus <strong>und</strong> sein<br />
vollbrachtes Werk schon alles gut werden würde<br />
oder dass mit dem Tod alles aus sei. Sie sind<br />
es, die einmal „für nackt bef<strong>und</strong>en“ werden. Ich<br />
möchte nicht das Entsetzen dieser Menschen<br />
miterleben, wenn sie das erkennen werden.<br />
WIR SEUFZEN BESCHWERT<br />
Paulus <strong>und</strong> seine Mitarbeiter seufzten „beschwert“.<br />
Davon be<strong>komm</strong>t man einen Eindruck,<br />
wenn man die Abschnitte 2. Korinther 6,4–10<br />
<strong>und</strong> 11,23–28 liest. Seufzen auch wir beschwert?<br />
Oder fühlen wir uns wirklich so wohl hier auf der<br />
Erde? Werden solche, die sich nach dem Himmel<br />
sehnen, gar von anderen beargwöhnt, sie hätten<br />
kein Herz für die Verlorenen <strong>und</strong> stünden<br />
nicht mehr mit beiden Beinen auf der Erde?<br />
NICHT ENTKLEIDET<br />
Ein Gläubiger wird „entkleidet“, wenn er heimgeht.<br />
Dann hat er eine Zeitlang keinen Körper.<br />
Geist <strong>und</strong> Seele werden vom Herrn abgerufen,<br />
der Körper wird ins Grab gelegt. Wir können<br />
uns heute nicht vorstellen, wie Geist <strong>und</strong> Seele<br />
sich ohne Körper im Paradies aufhalten können.<br />
Paulus wusste, wovon er sprach, denn er war<br />
bereits ins Paradies entrückt worden, wie er in<br />
2. Korinther 12,2–4 schreibt:<br />
Ich kenne einen Menschen in Christus, vor vierzehn<br />
Jahren (ob im Leib, weiß ich nicht, oder außerhalb<br />
des Leibes, weiß ich nicht, Gott weiß es),<br />
einen Menschen, der entrückt wurde bis in den<br />
dritten Himmel. Und ich kenne einen solchen Menschen<br />
(ob im Leib oder außerhalb des Leibes, weiß<br />
ich nicht, Gott weiß es), dass er in das Paradies entrückt<br />
wurde <strong>und</strong> unaussprechliche Worte hörte,<br />
die ein Mensch nicht sagen darf.<br />
Zweifelsohne werden die entschlafenen Gläubigen<br />
nicht nur den Herrn sehen, sondern<br />
sich auch gegenseitig erkennen <strong>und</strong> miteinander<br />
<strong>komm</strong>unizieren. Es ist ihre Glückseligkeit,<br />
beim Herrn Jesus zu sein, der zu dem Schächer<br />
am Kreuz sagte: „Wahrlich, ich sage dir: Heute<br />
wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43).<br />
Einen Eindruck vom Paradies be<strong>komm</strong>en wir<br />
auch, wenn wir die Begebenheit von dem reichen<br />
Mann <strong>und</strong> dem armen Lazarus lesen<br />
(Lk 16,19–31). Und Paulus schrieb an die Philipper<br />
in Kapitel 1,21–23 Folgendes:<br />
Denn das Leben ist für mich Christus, <strong>und</strong> das Sterben<br />
Gewinn. Wenn aber das Leben im Fleisch mein<br />
Los ist – das ist für mich der Mühe wert, <strong>und</strong> was ich<br />
erwählen soll, weiß ich nicht. Ich werde aber von<br />
beidem bedrängt, indem ich Lust habe, abzuscheiden<br />
<strong>und</strong> bei Christus zu sein, denn es ist weit besser.<br />
Hier schreibt Paulus über das Paradies, obwohl<br />
er es nicht ausdrücklich erwähnt. Es bedeutet<br />
vor allem, bei Christus zu sein.<br />
SONDERN ÜBERKLEIDET<br />
Obwohl es nichts Geringes ist, durch den Tod<br />
zum Herrn zu gehen <strong>und</strong> dadurch einmal an<br />
der Auferstehung des Leibes teilzuhaben (vgl.<br />
Phil 3,10.11), wünschen wir uns dennoch, „überkleidet“<br />
zu werden. Wir wünschen uns, zum<br />
Herrn zu gehen, ohne sterben zu müssen. Was<br />
wird es sein, wenn wir von einem Augenblick<br />
zum anderen verwandelt werden! Gerade waren<br />
wir noch mit einer Arbeit beschäftigt, im<br />
Bruchteil einer Sek<strong>und</strong>e haben wir einen neuen<br />
Körper <strong>und</strong> werden dem Herrn entgegengerückt!<br />
Jemand befindet sich gerade in tiefem<br />
Schlaf, hört die Posaune <strong>und</strong> wird dem Herrn<br />
entgegengerückt – unvorstellbar! So geschieht<br />
die Überkleidung. Von einem Augenblick zum<br />
9<br />
2<br />
Gott machte Adam <strong>und</strong> Eva Kleider aus Fell, damit sie nicht mehr<br />
nackt wären (1Mo 3,21). Das ist ein früher symbolischer Hinweis auf<br />
die Erlösung durch den Tod Christi.<br />
<strong>komm</strong> <strong>und</strong> <strong>sieh</strong>, <strong>Heft</strong> 1/2017
Bibelstudium<br />
10<br />
anderen werden wir ohne Sünde sein. Von einem<br />
Augenblick zum anderen werden wir die<br />
Erde verlassen haben <strong>und</strong> den sehen, der am<br />
Kreuz sein Leben für uns gegeben hat! Von einem<br />
Augenblick zum anderen ist das Sterbliche<br />
vom Leben verschlungen (2Kor 5,4).<br />
DAS UNTERPFAND DES GEISTES<br />
Gott hat seinen Kindern bereits ein Unterpfand,<br />
eine Anzahlung des zukünftigen Segens gegeben<br />
(vgl. Eph 1,14). Allerdings ist es ein Pfand,<br />
das wir nicht zurückgeben müssen. Als wir uns<br />
bekehrt haben, hat Gott uns nicht nur neues Leben<br />
– das ewige Leben – durch die neue Geburt<br />
gegeben, sondern auch seinen Heiligen Geist.<br />
Durch seinen Geist wohnt Gott bereits jetzt in<br />
uns.<br />
Dieser Geist weckt in uns einen Vorgeschmack<br />
der zukünftigen Segnungen. Er tröstet<br />
uns in den oft schwierigen Umständen. Er führt<br />
uns in die Schriften ein <strong>und</strong> schließt sie uns auf.<br />
Er verwendet sich sogar mit unaussprechlichen<br />
Seufzern für uns bei Gott, wenn wir nicht wissen,<br />
was oder wie wir beten sollen (Röm 8,26).<br />
ALLEZEIT GUTEN MUTES<br />
Die Aussicht, bald mit verherrlichten Körpern<br />
beim Herrn zu sein, ermutigt uns nicht nur<br />
zum Ausharren, sondern wir gewinnen aus dieser<br />
freudigen Erwartung auch guten Mut, <strong>und</strong><br />
das nicht nur für ein paar St<strong>und</strong>en, sondern allezeit.<br />
Solange wir hier auf der Erde sind, sind<br />
wir „einheimisch in dem Leib“ mit all den dazugehörenden<br />
Beschwernissen. Und wenn es uns<br />
selbst ganz erträglich geht, dann lasst uns doch<br />
vermehrt Anteil nehmen am Ergehen derer, die<br />
durch starke Bedrängnisse gehen. So gibt es<br />
solche, die beispielsweise querschnittsgelähmt<br />
sind oder deren Ehepartner an Demenz leiden<br />
usw. Manche können besser auf Menschen zugehen,<br />
andere tun sich schwerer damit – doch<br />
wäre es nicht gut, wenn wir alle danach trachteten,<br />
die Lasten anderer zu tragen? Wir können<br />
andere trösten <strong>und</strong> ermutigen, auf den<br />
Herrn zu vertrauen, <strong>und</strong> in dem Maß werden<br />
wir auch selbst ermutigt. Wie wurde Paulus im<br />
Gefängnis durch Bruder Onesiphorus erquickt<br />
(2Tim 1,16)!<br />
VON DEM HERRN AUSHEIMISCH<br />
Noch sind wir nicht beim Herrn, noch sind wir<br />
„ausheimisch“. Wenn wir den Bau von Gott be<strong>komm</strong>en,<br />
unser ewiges Haus, die Behausung<br />
aus dem Himmel, dann sind wir beim Herrn.<br />
Paulus schreibt in Verbindung mit der Entrückung:<br />
„Und so werden wir allezeit bei dem<br />
Herrn sein“ (1Thes 4,17). John Gifford Bellett,<br />
einer der Brüder der Anfangszeit 3 , hat einmal<br />
sinngemäß gesagt, dass in diesem kurzen<br />
Versteil ein Meer von Glückseligkeit enthalten<br />
sei. Ist es unser beständiges Sehnen, dass der<br />
Herr <strong>komm</strong>e <strong>und</strong> wir für immer bei Ihm seien?<br />
Und wenn wir uns nicht so danach sehnen …?<br />
DURCH GLAUBEN, NICHT DURCH SCHAUEN<br />
Unser Leben als Christen gründet sich auf den<br />
Glauben an Gott <strong>und</strong> an das vollbrachte Werk<br />
Jesu Christi auf dem Kreuz für unsere Sünden.<br />
Im Glauben blicken wir in einen geöffneten<br />
Himmel <strong>und</strong> sehen den Herrn Jesus „mit Herrlichkeit<br />
<strong>und</strong> Ehre gekrönt“ (Heb 2,9). Durch<br />
Glauben verstehen wir, „dass die Welten durch<br />
Gottes Wort bereitet worden sind“ (Heb 11,3).<br />
Der Glaube erschließt uns die unsichtbare<br />
Welt <strong>und</strong> die glorreiche Zukunft. Aus Glauben<br />
sind wir gerechtfertigt <strong>und</strong> haben wir Frieden<br />
mit Gott. Auch haben wir durch den Glauben<br />
Zugang zu der Gnade, in der wir jetzt stehen<br />
(Röm 5,1.2). Für den Glauben sind unsichtbare<br />
Dinge so real, als würde man sie schon sehen.<br />
Die Heimgegangenen schauen bereits jetzt<br />
den Herrn im Paradies. Wir werden Ihn sehen,<br />
wenn Er zur Entrückung <strong>komm</strong>t: Wir werden<br />
„ihm gleich sein …, denn wir werden ihn sehen,<br />
wie er ist“ (1Joh 3,2).<br />
EINHEIMISCH – AUSHEIMISCH<br />
Wir sind also guten Mutes, doch wir möchten<br />
lieber „ausheimisch von dem Leib“ <strong>und</strong> „einheimisch<br />
bei dem Herrn sein“, in unserem Herrlichkeitsleib.<br />
Doch ob einheimisch oder ausheimisch<br />
– entscheidend ist, dass wir jetzt danach<br />
streben, Ihm in all unserem Denken, Reden <strong>und</strong><br />
Tun wohlgefällig zu sein. Das Wohlgefallen des<br />
Herrn <strong>und</strong> unseres Gottes <strong>und</strong> Vaters hat zur<br />
Folge, dass Er uns in geistlicher Hinsicht überreich<br />
segnen wird, indem Er uns einen Frieden<br />
schenkt, der allen Verstand übersteigt. Und in<br />
dem Maß nimmt die Sehnsucht nach der himmlischen<br />
Heimat zu. Gott sehnt sich nach solch einer<br />
Gemeinschaft mit seinen Kindern, mit den<br />
Erlösten. Sehnen wir uns auch danach?<br />
Henoch war ein Gläubiger zur Zeit des Alten<br />
Testamentes, der das Zeugnis hatte, „dass<br />
er Gott wohlgefallen habe“ (Heb 11,5). Im Alten<br />
Testament lautet der entsprechende Ausdruck:<br />
Er wandelte mit Gott (1Mo 5,22.24).<br />
<strong>komm</strong> <strong>und</strong> <strong>sieh</strong>, <strong>Heft</strong> 1/2017<br />
3<br />
https://de.wikipedia.org/wiki/John_Gifford_Bellett.
Bibelstudium<br />
Eine Sonntagsschullehrerin erklärte einmal die<br />
Entrückung Henochs ihren Schülern so: Henoch<br />
wandelte mit Gott; er machte lange Spaziergänge<br />
mit Gott, weil sie sich immer viel zu erzählen<br />
hatten. Das taten sie immer wieder. Doch eines<br />
Tages hatten sie sich so viel zu erzählen <strong>und</strong> waren<br />
so weit gegangen, dass es zu spät war, dass<br />
Gott Henoch wieder nach Hause brachte. Da<br />
nahm Er ihn einfach mit in den Himmel.<br />
VOR DEM RICHTERSTUHL DES CHRISTUS<br />
Die Begründung oder der Anreiz für ein Gott<br />
wohlgefälliges Leben ist die Tatsache, dass wir<br />
einmal vor dem Richterstuhl des Christus offenbar<br />
werden müssen. Dann empfangen wir das,<br />
was wir in dem Leib getan haben. Wir be<strong>komm</strong>en<br />
Lohn für das Gute. Haben wir hingegen Böses<br />
getan, be<strong>komm</strong>en wir als Gläubige keinen<br />
Lohn. Für ewig gerettet sind wir allerdings allein<br />
aufgr<strong>und</strong> des Versöhnungswerkes Christi. Der<br />
Herr wird uns all das Falsche in unserem Leben<br />
zeigen, doch dann werden wir auch sehen, wie<br />
viele Sünden uns vergeben worden sind, weil<br />
der Herr sie am Kreuz gesühnt hat.<br />
Am Richterstuhl wird der Herr Jesus uns unser<br />
Leben zeigen, wie Er es <strong>sieh</strong>t. Auf diese Weise<br />
gelangen wir zur völligen Gemeinschaft mit<br />
Ihm <strong>und</strong> mit dem Vater. So wird der Himmel für<br />
uns der Ort einer tiefen <strong>und</strong> ungetrübten Gemeinschaft<br />
mit göttlichen Personen sein, mit<br />
dem Vater <strong>und</strong> dem Sohn, <strong>und</strong> auch untereinander<br />
(1Joh 1,3.7).<br />
„Amen; <strong>komm</strong>, Herr Jesus!“<br />
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Bibelstudium<br />
BETEN UND LOBSINGEN<br />
12<br />
ORT UND ZEIT FÜR BETEN UND<br />
LOBSINGEN?<br />
Nachdem Silas, Timotheus <strong>und</strong> Lukas auf die Vision<br />
des Paulus hin nach Mazedonien gegangen<br />
waren, war Philippi die erste Stadt, wo sie<br />
das Evangelium verkündigten (Apg 16,9.10).<br />
Eine große Ermutigung war die Bekehrung der<br />
Lydia, einer Purpurverkäuferin, die aus Thyatira<br />
stammte. Der Herr hatte gerade in Philippi das<br />
Herz der Lydia geöffnet, so dass sie auf das achtgab,<br />
was Paulus sagte. Unmittelbar nach ihrer<br />
Bekehrung wurden sie <strong>und</strong> ihr Haus (= ihre Sklaven<br />
<strong>und</strong> Freigelassenen) getauft, <strong>und</strong> Lydia erwies<br />
Paulus <strong>und</strong> seinen Begleitern Gastfre<strong>und</strong>schaft<br />
(Apg 16,10–15). Auf diese Weise bestätigte<br />
der Herr, dass sie sich auf seinem Weg befanden.<br />
Möglicherweise hatten sie nun Zeit für Gebet<br />
<strong>und</strong> Lob. Vielleicht haben sie in Lydias Haus<br />
auch aus voller Kehle gesungen, denn ihr Haus<br />
bildete ja den Kern des jungen christlichen<br />
Zeugnisses in Europa (vgl. auch Apg 16,40). Es<br />
wird uns allerdings nichts darüber mitgeteilt,<br />
auf welche Weise die Anbetung <strong>und</strong> Verehrung<br />
Gottes stattfand.<br />
EIN ANDERER ORT<br />
Eine öffentliche <strong>und</strong> hörbare Verehrung Gottes<br />
fand jedoch an einem Ort statt, den wir wahrscheinlich<br />
nicht dafür ausgesucht hätten. Paulus<br />
<strong>und</strong> Silas kamen unerwartet ins Gefängnis,<br />
wo man ihre Füße fest in einen Block presste.<br />
Das war an sich kein Gr<strong>und</strong> zum Loben, sondern<br />
vielmehr zum Beten, sollte man denken …! Es<br />
ist jedoch bemerkenswert, dass Paulus <strong>und</strong> Silas<br />
beides taten, <strong>und</strong> das gleichzeitig. Wörtlich<br />
lesen wir in Apostelgeschichte 16,25: „Um Mitternacht<br />
aber beteten Paulus <strong>und</strong> Silas <strong>und</strong><br />
lobsangen Gott.“ Das Erste, was sie taten, war<br />
zu lobsingen. Im Griechischen steht an dieser<br />
Stelle hymnoun, die Imperfekt-Form des Verbs<br />
hymneo, das „lobsingen“ bedeutet (<strong>sieh</strong>e auch<br />
Mt 26,30; Mk 14,26; Heb 2,12). Im Griechischen<br />
bezeichnet das Imperfekt eine Handlung der<br />
<strong>komm</strong> <strong>und</strong> <strong>sieh</strong>, <strong>Heft</strong> 1/2017<br />
Vergangenheit in ihrem Verlauf, also eine nicht<br />
abgeschlossene Handlung: Sie waren am Lobsingen.<br />
Das war es, was sie mitten in der Nacht<br />
taten! Zuvor steht das Wort „beteten“ (proseuchómenoi).<br />
Wörtlich heißt es dort also: „Betend<br />
lobsangen sie Gott“, oder auch: „Während<br />
sie beteten, lobsangen sie Gott.“ Man könnte<br />
sagen, dass Paulus <strong>und</strong> Silas zwar beteten, aber<br />
ihr Gebet hatte den Charakter eines Lobes, eines<br />
Lobgesangs. Es ging ihnen also nicht darum,<br />
Gott auf ihre eigene wenig behagliche Situation<br />
aufmerksam zu machen, sondern um<br />
Gott Lob zu singen! Haben diese beiden Diener<br />
Gottes damit nicht in eindrucksvoller Weise Hebräer<br />
13,15 in die Praxis umgesetzt? Dort heißt<br />
es: „Durch ihn nun lasst uns Gott stets ein Opfer<br />
des Lobes darbringen, das ist die Frucht der<br />
Lippen, die seinen Namen bekennen.“ Was die<br />
beiden dort sangen, bekamen auch ihre Mitgefangenen<br />
mit: Sie hörten ihnen zu (Apg 16,25).<br />
Diese bemerkenswerte Kombination von Lobgesang<br />
<strong>und</strong> Gebet – oder besser gesagt von<br />
Lobgesang im Gebet – finden wir auch in Psalm<br />
42,9, wo die Söhne Korahs sagten: „Am Tag wird<br />
der Herr seine Güte entbieten, <strong>und</strong> bei Nacht<br />
wir sein Lied bei mir sein, ein Gebet zu dem Gott<br />
meines Lebens.“<br />
LOBSINGEN<br />
Das Verb hymneo ist verwandt mit dem Nomen<br />
hymnos, das „Lob“ oder „Lobgesang“ bedeutet.<br />
Dieses Wort <strong>komm</strong>t in Epheser 5,19 <strong>und</strong> Kolosser<br />
3,16 vor. Interessanterweise taucht es auch<br />
einmal in Homers Odyssee (ca. 800 v. Chr.) auf;<br />
hier scheint es eher „Melodie“ zu bedeuten: Jemand<br />
hört dort auf den hymnos eines Liedes.<br />
Herodot (5. Jh. v. Chr.) verwendet das Wort sowohl<br />
für den Text als auch die Melodie eines<br />
Liedes. In allen späteren heidnischen Texten bilden<br />
Götter, Halbgötter oder bedeutende Eroberer<br />
den Mittelpunkt des Lobgesangs. In diesen<br />
Schriften ist kein Platz für Lobgesänge zur Ehre<br />
Gottes oder Christi. Nur ihnen gebührt auf ewig<br />
unsere Huldigung!<br />
G. H. Kramer
Ermutigung<br />
ERMUTIGUNG<br />
„Wer aber unter euch vermag mit Sorgen seiner<br />
Größe eine Elle zuzufügen? Wenn ihr nun<br />
auch das Geringste nicht vermögt, warum<br />
seid ihr um das Übrige besorgt?“<br />
(Lk 12,25.26).<br />
Unser körperliches Wachstum ist ein natürlicher<br />
Prozess, der so abläuft, wie Gott es für<br />
uns vorgesehen hat. Auf diese Weise ist es der<br />
einfachste Teil unseres Lebens, denn Wachstum<br />
geschieht, ohne dass wir uns anstrengen<br />
müssten. Der Herr erinnert seine Jünger – <strong>und</strong><br />
damit auch uns – daran, dass wir nichts zu unserem<br />
natürlichen Wachstum beitragen können.<br />
Warum sollten wir uns dann Sorgen wegen<br />
anderer Dinge machen, da wir Gott als<br />
unseren Vater haben, der unsere Bedürfnisse<br />
kennt?<br />
Es ist wichtig, sich daran zu erinnern. Und es ist<br />
umso wichtiger, wenn wir unsere Schwachheit<br />
<strong>und</strong> unser Unvermögen mit Gottes unbegrenzten<br />
Möglichkeiten vergleichen. Er vermag über<br />
alles hinaus zu tun, „über die Maßen mehr, als<br />
was wir erbitten oder erdenken“ (Eph 3,20). Er<br />
vermag uns „völlig zu erretten“ (Heb 7,25) <strong>und</strong><br />
uns zu „bewahren“ (Jud 24). In unserem Dienst<br />
für Ihn vermag Er alle Gnade überströmen zu<br />
lassen (2Kor 9,8). Bei unseren Leiden für Ihn vermag<br />
Er alles zu bewahren, was wir Ihm im Blick<br />
auf den Tag der Belohnung anvertraut haben<br />
(2Tim 1,12). Wenn Versuchungen uns erschrecken,<br />
vermag Er uns zu helfen (Heb 2,18), <strong>und</strong><br />
wenn andere uns verurteilen, vermag Er uns<br />
aufrechtzuhalten (Röm 14,4).<br />
Es ist wirklich so: „Er vermag, auch alle Dinge<br />
sich zu unterwerfen“ (Phil 3,21)! Welche Person<br />
könnte es daher geben, die sich seiner Autorität<br />
nicht unterwerfen müsste? Welche Widrigkeit<br />
könnte es geben, die seiner Kraft widerstehen<br />
könnte? Welche Versuchung oder Entmutigung<br />
könnte uns da verschlingen, wenn unsere<br />
Augen auf Ihn gerichtet sind? Als Mose erkannte,<br />
dass er die Last <strong>und</strong> den Streit innerhalb des<br />
Volkes nicht tragen konnte, hatte der Herr siebzig<br />
andere in Reserve, dieser Not zu begegnen<br />
(4Mo 11,11–17). Wenn wir mit uns selbst zu<br />
Ende <strong>komm</strong>en <strong>und</strong> sagen: „Ich vermag nicht“<br />
– auch nicht in den geringsten Dingen –, dann<br />
finden wir alle Hilfsquellen bei dem Gott, der alles<br />
vermag.<br />
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13<br />
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Bibelstudium<br />
DAS GEHEIMNIS<br />
„CHRISTUS UND DIE GEMEINDE“<br />
14<br />
Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch der Christus<br />
die Versammlung geliebt <strong>und</strong> sich selbst für sie<br />
hingegeben hat, damit er sie heiligte, sie reinigend<br />
durch die Waschung mit Wasser durch das Wort,<br />
damit er die Versammlung sich selbst verherrlicht<br />
darstellte, die nicht Flecken oder Runzel oder etwas<br />
dergleichen habe, sondern dass sie heilig <strong>und</strong><br />
untadelig sei. So sind auch die Männer schuldig,<br />
ihre Frauen zu lieben wie ihre eigenen Leiber. Wer<br />
seine Frau liebt, liebt sich selbst. Denn niemand<br />
hat jemals sein eigenes Fleisch gehasst, sondern<br />
er nährt <strong>und</strong> pflegt es, wie auch der Christus die<br />
Versammlung. Denn wir sind Glieder seines Leibes,<br />
von seinem Fleisch <strong>und</strong> von seinen Gebeinen.<br />
„Deswegen wird ein Mensch den Vater <strong>und</strong> die<br />
Mutter verlassen <strong>und</strong> seiner Frau anhangen, <strong>und</strong><br />
die zwei werden ein Fleisch sein.“ Dieses Geheimnis<br />
ist groß; ich sage es aber in Bezug auf Christus<br />
<strong>und</strong> auf die Versammlung (Epheser 5,25–32).<br />
1. DIE GEMEINDE IST SOWOHL DER<br />
LEIB ALS AUCH DIE BRAUT CHRISTI<br />
Christen sind Glieder des Leibes Christi. „Denn<br />
wir sind Glieder seines Leibes, von seinem<br />
Fleisch <strong>und</strong> von seinen Gebeinen“, schreibt Paulus<br />
im Brief an die Epheser (Eph 5,30). Das ist<br />
in mehrfacher Hinsicht eine erstaunliche Feststellung.<br />
Die Gemeinde ist mit dem auferstandenen<br />
Christus verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> hat teil an seiner<br />
Natur. Sie hat bereits jetzt in geistlicher Hinsicht<br />
ihr Leben aus Ihm <strong>und</strong> offenbart Christus<br />
auf der Erde, während Er verworfen ist. Doch<br />
die Gemeinde wird bald auch an der Herrlichkeit<br />
der Auferstehung Christi teilhaben, wenn<br />
unser Leib seinem Leib der Herrlichkeit gleichförmig<br />
gemacht werden wird (vgl. Lk 24,39;<br />
Phil 3,21). Der Leib Christi wird dann in seiner<br />
ganzen Herrlichkeit gesehen werden <strong>und</strong> eine<br />
völlige Einheit mit Ihm bilden (vgl. die Einheit<br />
der Familie Gottes in Johannes 17,23).<br />
Darüber hinaus ist die Gemeinde nicht nur<br />
der Leib Christi, sondern auch seine Braut. Diese<br />
beiden Bilder stehen in engem Zusammenhang,<br />
wie wir das hier deutlich sehen können.<br />
Der Apostel weist in Epheser 5 auf die ersten Kapitel<br />
des ersten Buches Mose hin. Eva ging aus<br />
Adam hervor, nachdem ein tiefer Schlaf über<br />
ihn ge<strong>komm</strong>en war. Als sie zu ihm gebracht<br />
wurde, erkannte Adam, dass sie Gebein von seinen<br />
Gebeinen <strong>und</strong> Fleisch von seinem Fleisch<br />
war (1Mo 2,21–23). Die Gemeinde ist ebenso<br />
von den Gebeinen Christi <strong>und</strong> Fleisch von seinem<br />
Fleisch.<br />
So wie Adam eine Frau bekam, die aus seiner<br />
Seite genommen war, so hat Christus ebenfalls<br />
eine Braut, die im Bild aus seiner durchstochenen<br />
Seite hervorge<strong>komm</strong>en ist. Die Gemeinde<br />
– die Braut des Lammes, das geschlachtet ist –<br />
ist die Frucht „der Mühsal seiner Seele“, seines<br />
Leidens <strong>und</strong> Sterbens (Jes 53,11). Adam sehnte<br />
sich nach jemandem, der seinen Gedanken<br />
<strong>und</strong> Wünschen entsprach, eine Hilfe, die zu ihm<br />
passte. Er fand sie erst, nachdem der Herr Gott<br />
ihn in einen tiefen Schlaf versetzte <strong>und</strong> eine Frau<br />
aus einer seiner Rippen bildete (1Mo 2,18–23).<br />
So hat Christus auch erst eine Braut gef<strong>und</strong>en,<br />
nachdem Er einen tiefen Todesschlaf erduldet<br />
hatte <strong>und</strong> aus dem Tod auferweckt worden war.<br />
Die Brautgemeinde, zu der alle wahren Gläubigen<br />
während der Zeit seiner Verwerfung gehören,<br />
konnte erst für Christus gebildet werden,<br />
nachdem Er als Mensch in den Tod gegangen<br />
<strong>und</strong> wieder auferstanden war.<br />
2. DIE GEMEINDE BESTEHT SEIT DEM KREUZ<br />
Es ist sehr wichtig, gut zu verstehen, dass die<br />
Gemeinde erst nach dem Kreuz gebildet worden<br />
ist. Zweifellos gab es zur Zeit des Alten Testamentes<br />
viele wahre Gläubige, aber sie bildeten<br />
nicht die Braut Christi, der Mensch geworden,<br />
gestorben <strong>und</strong> auferstanden ist. Vor dem Kreuz<br />
konnte keine Rede von der Gemeinde als dem<br />
Leib <strong>und</strong> der Braut Christi sein. Vor dem Kreuz<br />
war keine Einsmachung mit dem Menschen<br />
Christus Jesus möglich. Das geht zum Beispiel<br />
aus den Worten Christi hervor, als Er sich selbst<br />
mit dem Weizenkorn verglich, das in die Erde<br />
fällt <strong>und</strong> stirbt, um Frucht bringen zu können:<br />
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das<br />
Weizenkorn nicht in die Erde fällt <strong>und</strong> stirbt,<br />
bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es<br />
viel Frucht“ (Joh 12,24).<br />
Christus war als Mensch auf der Erde bis zu<br />
seinem Kreuzestod allein. Er war der einzigartige<br />
<strong>und</strong> voll<strong>komm</strong>ene Mensch, an dem Gott<br />
Wohlgefallen fand. Doch Er war allein. Er hatte<br />
<strong>komm</strong> <strong>und</strong> <strong>sieh</strong>, <strong>Heft</strong> 1/2017
Bibelstudium<br />
keine Menschen, die als Glieder seines Leibes<br />
mit Ihm vereinigt waren. Er hatte keine Braut,<br />
die zu Ihm passte <strong>und</strong> Ihm entsprach. Das wurde<br />
erst möglich, nachdem Er gestorben war <strong>und</strong><br />
das Erlösungswerk vollbracht hatte.<br />
Die Art <strong>und</strong> Weise der Erschaffung Evas<br />
macht das vorbildlich deutlich. Etwas Ähnliches<br />
sehen wir im Bild in der Geschichte Isaaks, des<br />
geliebten Sohnes des Erzvaters Abrahams. Erst<br />
nachdem in 1. Mose 22 der Sohn gleichsam geopfert<br />
worden war, ist zum ersten Mal die Rede<br />
von Rebekka, die später die Braut Isaaks wurde<br />
(1Mo 22,23). Doch erst nach dem Tod Saras zog<br />
der Knecht Abrahams hin, um Rebekka als Braut<br />
für Isaak zu holen (1Mo 23–24). Und so wie der<br />
Knecht eine Braut für den Sohn seines Herrn<br />
suchte, so sammelt der Heilige Geist jetzt eine<br />
Brautgemeinde für den Sohn, der sich tatsächlich<br />
als Opfer in den Tod gegeben hat <strong>und</strong> auferstanden<br />
ist. Das entsprach völlig dem Plan Gottes,<br />
des Vaters.<br />
Während seines Lebens auf der Erde blieb<br />
Christus also allein in dem Sinn, dass zwischen<br />
Ihm <strong>und</strong> Menschen, die tot waren in Missetaten<br />
<strong>und</strong> Sünden (Eph 2,1), keine Lebensverbindung<br />
möglich war, keine wirkliche Verwandtschaft.<br />
Tote Sünder brauchen einen gestorbenen <strong>und</strong><br />
auferstandenen Heiland, der den Tod überw<strong>und</strong>en<br />
hat <strong>und</strong> ihnen sein Auferstehungsleben<br />
schenkt! Darum sagte der Prophet Jesaja, dass<br />
Christus erst Nach<strong>komm</strong>en sehen würde, nachdem<br />
Er sich selbst als Schuldopfer gegeben haben<br />
würde (Jes 53,10). Durch sein Sterben hat<br />
Christus viel Frucht gebracht. Diese feste Verbindung<br />
zwischen Ihm <strong>und</strong> uns konnte erst<br />
zustande<strong>komm</strong>en, nachdem unsere Sünden<br />
vergeben waren <strong>und</strong> unser sündiges Wesen<br />
als Nach<strong>komm</strong>en eines gefallenen Adams im<br />
Tod Christi gerichtet wurde, so dass unser alter<br />
Mensch mit Christus gekreuzigt ist (Röm 6,6).<br />
Jede Lebensverbindung mit Ihm ist die Folge<br />
seines Todes <strong>und</strong> seiner Auferstehung. Das<br />
gilt sowohl für<br />
1. die Familienbeziehung zwischen Christus als<br />
dem letzten Adam <strong>und</strong> den vielen, die als ein<br />
neues Menschengeschlecht mit Ihm verb<strong>und</strong>en<br />
sind (Röm 5; 1Kor 15) – das gilt auch für<br />
die beiden wichtigen Beziehungen, die wir<br />
im Epheserbrief finden:<br />
2. die Beziehung der Abhängigkeit zwischen<br />
dem Haupt <strong>und</strong> dem Leib (Eph 1 <strong>und</strong> 4);<br />
3. die Liebesbeziehung zwischen dem Bräutigam<br />
<strong>und</strong> der Brautgemeinde (Eph 5).<br />
3. DAS HAUPT UND DER LEIB<br />
Alle diese Beziehungen sind auf den Tod <strong>und</strong><br />
die Auferstehung Christi gegründet. Er ist erst<br />
nach seiner Auferstehung aus den Toten das Familienhaupt<br />
eines neuen Menschengeschlechtes<br />
geworden, das mit Ihm verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> vereinigt<br />
ist. Christus ist ein lebendig machender<br />
Geist, der all den Seinen neues Leben mitteilt<br />
(Joh 20,22; 1Kor 15,45). So ist auch die Beziehung<br />
zwischen dem himmlischen Haupt <strong>und</strong><br />
der Gemeinde als Leib Christi hier auf der Erde<br />
erst nach seiner Auferstehung <strong>und</strong> Verherrlichung<br />
möglich geworden.<br />
Die Beziehung zwischen Ihm als dem Haupt<br />
<strong>und</strong> den Gläubigen als dem Leib ist durch den<br />
Heiligen Geist zustandege<strong>komm</strong>en. Der Heilige<br />
Geist ist aus dem Himmel herabge<strong>komm</strong>en,<br />
um in denen zu wohnen, die Christus angehören.<br />
Diese Einheit ist durch den Heiligen Geist<br />
gebildet worden; wir sind durch einen Geist zu<br />
einem Leib getauft worden – da ist ein Leib <strong>und</strong><br />
ein Geist (1Kor 12,13; Eph 4,4). Der Heilige Geist<br />
ist das lebendige Band zwischen dem Haupt im<br />
Himmel <strong>und</strong> den Gliedern seines Leibes auf der<br />
Erde <strong>und</strong> auch zwischen den Gliedern des Leibes<br />
untereinander.<br />
4. DER BRÄUTIGAM UND DIE BRAUT<br />
Was die Beziehung zwischen Christus als dem<br />
Bräutigam <strong>und</strong> der Gemeinde als der Braut<br />
des Lammes betrifft, so ist es auch hier deutlich,<br />
dass sie nach dem vollbrachten Erlösungswerk<br />
gebildet worden ist. Christus hat zwar<br />
die Gemeinde schon vor der Zeit geliebt <strong>und</strong><br />
sich selbst für sie hingegeben, doch von einer<br />
wirklichen Beziehung der Liebe kann man<br />
erst sprechen, nachdem Er durch sein Werk die<br />
Gr<strong>und</strong>lage dafür gelegt hat. Adam erkannte,<br />
dass Eva von seinem Fleisch <strong>und</strong> von seinen<br />
Gebeinen war, denn sie war aus ihm genommen.<br />
So erkennt Christus die Gemeinde jetzt<br />
als seine Braut, weil sie die Frucht seines Opfers<br />
<strong>und</strong> seines Erlösungswerkes ist. Sie ist von<br />
seinem Fleisch <strong>und</strong> seinen Gebeinen <strong>und</strong> entspricht<br />
ganz <strong>und</strong> gar seinen Wünschen <strong>und</strong> hat<br />
an seinem Leben teil.<br />
Die Gemeinde ist die himmlische Braut des<br />
zweiten Menschen (Er ist auch der letzte Adam),<br />
<strong>und</strong> das wird bald bei der Hochzeit des Lammes<br />
vor der ganzen Schöpfung offenbar werden<br />
(Off 19,6–10). Die heutige Beziehung zwischen<br />
Christus <strong>und</strong> der Gemeinde entspricht<br />
der Beziehung eines Mannes zu seiner verlobten<br />
Braut (Röm 7,4; 2Kor 11,2.3). Israel ist hinge-<br />
15<br />
<strong>komm</strong> <strong>und</strong> <strong>sieh</strong>, <strong>Heft</strong> 1/2017
Bibelstudium<br />
16<br />
gen die Frau Jahwes; das ist eine andere Beziehung<br />
der Liebe. Diese Beziehung wird nach der<br />
Entrückung der Gemeinde öffentlich wiederhergestellt<br />
werden.<br />
5. WIR SIND VON SEINEM FLEISCH UND<br />
SEINEN GEBEINEN<br />
Die Wörter „von seinem Fleisch <strong>und</strong> von seinen<br />
Gebeinen“ (Eph 5,30) fehlen in verschiedenen<br />
Handschriften. Das hindert uns jedoch<br />
nicht, eine Parallele zwischen Christus <strong>und</strong> der<br />
Gemeinde einerseits <strong>und</strong> Adam <strong>und</strong> Eva andererseits<br />
zu erkennen. Der Abschnitt in Epheser<br />
5 enthält jedenfalls mehrere Hinweise auf<br />
1. Mose 2. Die Gemeinde ist sowohl der Leib<br />
Christi als auch die Braut Christi – genauso wie<br />
Eva von Adams Fleisch <strong>und</strong> seinen Gebeinen<br />
war <strong>und</strong> zugleich als „seine Braut“ zu ihm gebracht<br />
<strong>und</strong> mit ihm vereinigt wurde.<br />
Das zeigt uns Verpflichtungen von zwei Seiten:<br />
1. Christus sorgt beständig für seine Gemeinde<br />
<strong>und</strong> liebt sie – Er nährt <strong>und</strong> pflegt sie.<br />
2. Die Brautgemeinde ist verpflichtet, sich<br />
Christus als ihrem Haupt unterzuordnen.<br />
Christus ist in jeder Hinsicht voll<strong>komm</strong>en in<br />
seiner Treue <strong>und</strong> Sorge für die Gemeinde. Er<br />
wird nicht eher ruhen, bis Er sie untadelig <strong>und</strong><br />
ohne Flecken oder Runzel in seine Herrlichkeit<br />
gebracht hat. Was uns betrifft, müssen wir uns<br />
schon fragen, ob wir uns seiner Autorität unterordnen.<br />
Tun wir, was damals zur Braut des Königs<br />
gesagt wurde: „Er ist dein Herr: So huldige<br />
ihm!“ (Ps 45,12)?<br />
In diesem Zusammenhang möchte ich zum<br />
Schluss noch auf eine andere alttestamentliche<br />
Begebenheit hinweisen, wo ein ähnlicher Ausdruck<br />
vor<strong>komm</strong>t. Als das Volk Israel zu der Erkenntnis<br />
kam, dass es teilhatte an König David<br />
<strong>und</strong> mit ihm verwandt war, rief es aus: „Siehe, wir<br />
sind dein Gebein <strong>und</strong> dein Fleisch“ (2Sam 5,1;<br />
1Chr 11,1). Das bedeutete: Das Volk erkannte die<br />
Autorität Davids an <strong>und</strong> salbte ihn zum König!<br />
Hier haben wir ein sehr passendes Bild davon,<br />
wie das Volk Gottes die Tatsache anerkennt,<br />
dass Christus das Haupt seines Leibes ist. Die<br />
Wahrheit von der Gemeinde als der eine Leib<br />
<strong>und</strong> als die Braut Christi konnte im Alten Testament<br />
noch nicht offenbart werden, doch hier sehen<br />
wir, wie die, die Christus angehören, das anerkennen<br />
können. Auf diese Weise erkennen wir<br />
an, dass wir mit Christus einsgemacht sind <strong>und</strong><br />
seine Autorität achten, die Er als unser himmlisches<br />
Haupt besitzt.<br />
Hugo Bouter<br />
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besiegt, „der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel“ (Hebräer<br />
2,14). Jedem, der sich als Sünder erkennt <strong>und</strong> an Jesus Christus<br />
glaubt, verspricht er: „Kommt her zu mir, alle, die ihr euch abmüht<br />
<strong>und</strong> belastet seid, <strong>und</strong> ich werde euch Ruhe geben.“ „Wer zu mir<br />
<strong>komm</strong>t, den werde ich nicht hinausstoßen.“ Und: „Wer mein Wort<br />
hört <strong>und</strong> glaubt dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben <strong>und</strong><br />
<strong>komm</strong>t nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod in das Leben<br />
übergegangen“ (Matthäus 11,28; Johannes 6,37; 5,24). Wer dieses<br />
Angebot jedoch ablehnt, wird einmal für seine Sünden zur Rechenschaft<br />
gezogen <strong>und</strong> bestraft werden, nämlich<br />
mit ewigen Qualen (vgl. Offenbarung 21,8).<br />
Das zu verstehen, ist Reformation. Als<br />
Martin Luther dies erkannte <strong>und</strong> dass<br />
nur der Glaube <strong>und</strong> die Gnade ihn retten<br />
konnten, war es für ihn der zentrale<br />
Durchbruch <strong>und</strong> ebenso auch für viele<br />
andere – <strong>und</strong> das bis heute.<br />
WUSSTEN SIE SCHON,<br />
… dass viele schon von der REFORMATION gehört<br />
haben, aber ihre BEDEUTUNG NICHT KENNEN?<br />
… dass viele Menschen schon einiges von der BIBEL gehört haben,<br />
aber nichts von ihrer RETTENDEN BOTSCHAFT wissen?<br />
… dass die BIBEL <strong>und</strong> IHRE BOTSCHAFT bis heute eine zentrale<br />
Bedeutung für die Menschen in GLÜCK UND UNGLÜCK hat?<br />
… DASS DIE BOTSCHAFT DER BIBEL<br />
AUCH FÜR SIE GILT?<br />
Jochen Klein
500 JAHRE<br />
REFORMATION<br />
Lutherjahr<br />
2017<br />
Überall in Deutschland werden<br />
jetzt schon zum 500-jährigen<br />
Reformationsjubiläum Texte<br />
geschrieben <strong>und</strong> Beiträge geliefert.<br />
Als Eckdatum dafür wird der<br />
Thesenanschlag Martin Luthers<br />
am 31. Oktober 1517 genommen.<br />
Nehmen wir das zum Anlass, uns<br />
zu fragen: Was ist das Zentrale an<br />
der Reformation?<br />
17<br />
Wussten Sie schon, …<br />
Bild von Luther in Luthers Sterbehaus in Eisleben<br />
… wie die Reformation begann?<br />
Der Thesenanschlag am 31. Oktober 1517 an der Wittenberger<br />
Schlosskirche gilt als Geburtsst<strong>und</strong>e der<br />
Reformation. Martin Luther hatte die 95 Thesen in lateinischer<br />
Sprache verfasst <strong>und</strong> wollte mit Gelehrten<br />
darüber diskutieren – „aus Liebe zur Wahrheit <strong>und</strong> im<br />
Verlangen, sie zu erhellen“, wie er schrieb. Innerhalb<br />
von vierzehn Tagen verbreiteten sich verdeutschte<br />
Fassungen der Thesen in weiten Teilen des Landes.<br />
… wer Martin Luther war?<br />
Luther wurde am 10. November 1483 in Eisleben geboren.<br />
Sein Vater war ein Bauernsohn, der kurz nach<br />
Martins Geburt nach Mansfeld zog. Durch die Beteiligung<br />
am Kupferbergbau wurde er wohlhabend <strong>und</strong><br />
bald gehörte er zu den Angesehensten der Stadt.<br />
Martin hatte etliche Geschwister. Er besuchte die<br />
Lateinschule in Mansfeld <strong>und</strong> nach einer Zwischenstation<br />
in Magdeburg ab 1498 eine Schule in Eisenach.<br />
Der Wunsch des Vaters war es, den begabten<br />
Sohn Jura studieren zu lassen.<br />
… was während seines Studiums geschah?<br />
1501 begann Luther ein Studium an der Universität<br />
Erfurt. In seiner Jugend war er ein eher fröhlicher Typ<br />
gewesen. Um 1505 begann aber in Erfurt eine Art Lebenskrise,<br />
in der ihn gr<strong>und</strong>legende Fragen beschäftigten.<br />
Am 2. Juli dieses Jahres geriet er in einen Gewittersturm.<br />
Von Angst überwältigt, gelobte er, Mönch zu<br />
werden. Er verließ alles, um ins Kloster zu gehen, dort<br />
Gott zu dienen <strong>und</strong> fromm zu werden.<br />
… was das Zentrale in dieser Krise war?<br />
Der Hintergr<strong>und</strong> seines Wunsches, Mönch zu werden,<br />
war die Sorge um sein Seelenheil. Mit dem Mönchsein<br />
wollte er dem Gericht <strong>und</strong> der Hölle ent<strong>komm</strong>en. Luther<br />
trieb die Angst vor dem richtenden Gott um, der<br />
nach Werken vergilt. Durch eigene fromme Anstrengungen<br />
<strong>und</strong> Leistungen hoffte er sich das ewige Leben<br />
verdienen zu können <strong>und</strong> dem drohenden Unheil<br />
zu ent<strong>komm</strong>en. Er befürchtete auch, von der Gnade<br />
Gottes verlassen oder vielleicht sogar zum ewigen<br />
Verderben vorherbestimmt zu sein.<br />
… wie er diese Krise bewältigte?<br />
Während seiner Bibellektüre stieß er auf folgenden<br />
Bibelvers: „Denn Gottes Gerechtigkeit wird darin offenbart<br />
aus Glauben zu Glauben, wie geschrieben<br />
steht: ‚Der Gerechte aber wird aus Glauben leben‘“<br />
(Römer 1,17). Diesen Vers empfand er als große „Erleuchtung“<br />
<strong>und</strong> Befreiung. Ihm wurde nun nämlich<br />
klar, dass Gottes Gerechtigkeit nicht in erster Linie<br />
<strong>komm</strong> <strong>und</strong> <strong>sieh</strong>, <strong>Heft</strong> 1/2017
18<br />
Lutherjahr<br />
2017<br />
eine fordernde Gerechtigkeit ist, bei<br />
der der Mensch mit eigener Anstrengung<br />
gute Taten vollbringen muss.<br />
Er verstand, dass der Mensch diese Gerechtigkeit<br />
nur durch den Glauben an Jesus<br />
Christus erhalten kann <strong>und</strong> dass keine Eigenleistungen<br />
sie bewirken können. So gewann auch Römer<br />
3,28 für ihn eine große Bedeutung: „… dass ein<br />
Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke.“<br />
… welche Rolle die Bibel für Martin Luther<br />
spielte?<br />
Seit dem Beginn seiner inneren Krise 1505 griff Luther<br />
hin <strong>und</strong> wieder zur Bibel. Vorher hatte er noch<br />
nie eine in der Hand gehalten, wie er selbst sagte.<br />
Im Kloster in Erfurt fand er dann den engen Bezug<br />
zur Bibel, der sein späteres Arbeiten <strong>und</strong> seine Schriften<br />
kennzeichnen sollte. Hier wurde er Priester <strong>und</strong><br />
begann ein Theologiestudium. Am Ende des Studiums<br />
hatte er die Bibel liebgewonnen. 1512 wurde er<br />
Doktor der Theologie <strong>und</strong> erhielt dann an der Wittenberger<br />
Universität eine Bibelprofessur. Und hier wurde<br />
er auch 1514 als Prediger an die Stadtkirche berufen.<br />
… wie es nun zum Thesenanschlag kam?<br />
Die damalige Kirche war in einem sehr schlechten Zustand.<br />
Machtgier, Unmoral <strong>und</strong> Habgier prägten das<br />
Bild. Weil die Kirche Geld benötigte, verkaufte sie sogenannte<br />
„Ablassbriefe“. Sie behauptete, dass den<br />
Menschen gegen einen Geldbetrag „zeitliche Sündenstrafen“<br />
erlassen werden könnten. Bereits ein Jahr<br />
vor dem Thesenanschlag predigte Luther gegen die<br />
Ablasspraxis, da sie den Aussagen der Bibel widersprach.<br />
Nun also wollte er anhand der 95 Thesen mit<br />
Gelehrten darüber diskutieren, auch um selbst Klarheit<br />
zu be<strong>komm</strong>en.<br />
… was dann passierte?<br />
Die Entwicklung, die zur sogenannten Reformation<br />
führte, nahm ihren Verlauf. Sie sollte bald von<br />
Deutschland aus auch auf andere europäische Länder<br />
ausstrahlen. Die römische Kirche erkannte bald<br />
die von Luther ausgehende Gefahr <strong>und</strong> leitete einen<br />
Prozess gegen ihn ein, weil er zunehmend zentrale<br />
Kritik an der Kirche äußerte, diese einer breiten Öffentlichkeit<br />
mitteilte <strong>und</strong> dort auch immer mehr Widerhall<br />
fand.<br />
Auf dem Wormser Reichstag im April 1521 versuchte<br />
Kaiser Karl V. als Vorkämpfer der Kirche vergeblich,<br />
Luther zum Widerruf seiner biblisch begründeten Position<br />
zu bewegen. Luther berief sich aber kompromisslos<br />
auf die Bibel. Zur Änderung seiner Ansichten<br />
wäre er nur bereit gewesen, wenn man ihn durch die<br />
Heilige Schrift eines Irrtums überführt hätte.<br />
Der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise ließ Luther<br />
dann auf die Wartburg in Sicherheit bringen, bevor<br />
die „Reichsacht“ gegen ihn ausgesprochen wurde<br />
(d. h., er wurde völliger Recht- <strong>und</strong> Schutzlosigkeit<br />
preisgegeben).<br />
Wartburg in Eisenach<br />
<strong>komm</strong> <strong>und</strong> <strong>sieh</strong>, <strong>Heft</strong> 1/2017
Lutherjahr<br />
2017<br />
in der Lutherstube auf der Wartburg<br />
Dort verdeutschte er in elf Wochen die Basis seines<br />
Glaubens, das Neue Testament, aus dem Griechischen.<br />
In den folgenden Jahren übersetzte er, teilweise<br />
von Kollegen unterstützt, auch das Alte Testament<br />
aus dem Gr<strong>und</strong>text, so dass 1534 die erste Gesamtausgabe<br />
seiner deutschen Bibel erschien. So konnte<br />
sie nun auch in der Volkssprache gelesen werden. Dadurch,<br />
dass viele Luthers Schriften lasen, wurde auch<br />
die Vereinheitlichung der neuhochdeutschen Schriftsprache<br />
massiv vorangetrieben.<br />
Dass die Reformation sich schnell ausbreiten konnte,<br />
war nicht zuletzt einer wichtigen Erfindung von Johannes<br />
Gutenberg zu verdanken: dem Druck mit beweglichen<br />
Lettern, der bereits seit etwa 1445 möglich<br />
war. In der Folge entstanden überall in Deutschland<br />
Druckereien. Zur Verbreitung der Reformation trugen<br />
auch noch andere bei, wie z.B. Philipp Melanchthon,<br />
Johannes Calvin, Huldrych Zwingli.<br />
So wurde die Bibel immer weiter verbreitet, <strong>und</strong> jeder<br />
konnte das für sich erforschen, was Luther wieder<br />
neu entdeckt <strong>und</strong> was am Beginn seiner Umkehr gestanden<br />
hatte: „So halten wir es nu / das der mensch<br />
gerecht werde / on des Gesetzes werck / allein durch<br />
den glauben“ (Römer 3,28).<br />
Lutherjahr<br />
2017<br />
… wie Luther starb?<br />
In seinen letzten Lebensjahren hatte<br />
Luther mit einigen körperlichen Leiden<br />
zu kämpfen, <strong>und</strong> er fühlte sich „alt,<br />
abgelebt <strong>und</strong> erschöpft“. Am 7. Januar 15<strong>46</strong><br />
brach er zur letzten Reise seines Lebens in seine Geburtsstadt<br />
Eisleben auf, um dort Streitigkeiten in der<br />
Mansfelder Grafenfamilie zu schlichten. Die Verhandlungen<br />
endeten erfolgreich. Er hatte aber nicht mehr<br />
die Kraft, nach Wittenberg zurückzukehren, <strong>und</strong> starb<br />
am 18. Februar 15<strong>46</strong> in Eisleben.<br />
Auf seinem Sterbebett betete er: „Mein himmlischer<br />
Vater, ewiger, barmherziger Gott, du hast mir<br />
deinen lieben Sohn, unseren Herrn Jesus Christus offenbart,<br />
den habe ich gelehrt, den habe ich bekannt,<br />
den liebe ich <strong>und</strong> den ehre ich als meinen lieben Heiland<br />
<strong>und</strong> Erlöser … nimm mein Seelchen zu dir.“ Und<br />
er sagte auch: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er<br />
seinen einzigen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn<br />
glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige<br />
Leben haben“ (Johannes 3,16).<br />
… was die Reformation heute noch bedeutet?<br />
Als Luther zu Beginn des 16. Jahrh<strong>und</strong>erts ein tiefes<br />
Verlangen nach Zufriedenheit, Erfüllung <strong>und</strong> der<br />
Gnade Gottes spürte, erkannte er, dass er dies nicht<br />
allein finden konnte, <strong>und</strong> suchte intensiv. Antwort<br />
fand er in der Bibel. Diese sagt, dass das Hauptproblem<br />
darin liegt, dass jeder Mensch gesündigt hat (vgl.<br />
Römer 3,10–12.22.23). Sündigen bedeutet zum Beispiel:<br />
lügen, stehlen, Unrecht tun, habgierig <strong>und</strong> egoistisch<br />
sein, neiden, streiten, verleumden, sich berauschen,<br />
huren <strong>und</strong> okkulte oder abergläubische Praktiken<br />
ausüben (vgl. Römer 1,18–32).<br />
Doch es gibt eine Möglichkeit, von diesen Sünden<br />
befreit zu werden <strong>und</strong> seine Sehnsüchte gestillt<br />
zu be<strong>komm</strong>en: Weil Gott die Menschen liebt, ist sein<br />
Sohn Jesus Christus vom Himmel auf die Erde ge<strong>komm</strong>en,<br />
am Kreuz an unserer Stelle für die Sünden gestorben<br />
<strong>und</strong> dann auferstanden. Durch seinen Tod<br />
hat Er den besiegt, „der die Macht des Todes hat, das<br />
ist den Teufel“ (Hebräer 2,14). Jedem, der sich als Sünder<br />
erkennt <strong>und</strong> an Jesus Christus glaubt, verspricht<br />
Er: „Kommt her zu mir, alle, die ihr euch abmüht <strong>und</strong><br />
belastet seid, <strong>und</strong> ich werde euch Ruhe geben.“ – „Wer<br />
zu mir <strong>komm</strong>t, den werde ich nicht hinausstoßen.“<br />
Und: „Wer mein Wort hört <strong>und</strong> glaubt dem, der mich<br />
gesandt hat, hat ewiges Leben <strong>und</strong> <strong>komm</strong>t nicht ins<br />
Gericht, sondern ist aus dem Tod in das Leben übergegangen“<br />
(Matthäus 11,28; Johannes 6,37; 5,24).<br />
Wer dieses Angebot jedoch ablehnt, wird einmal für<br />
seine Sünden zur Rechenschaft gezogen <strong>und</strong> bestraft<br />
werden, nämlich mit ewigen Qualen (vgl. Offenbarung<br />
21,8).<br />
Das zu verstehen, ist Reformation. Als Martin Luther<br />
dies erkannte <strong>und</strong> dass nur der Glaube <strong>und</strong> die<br />
Gnade ihn retten konnten, war es für ihn der zentrale<br />
Durchbruch <strong>und</strong> ebenso auch für viele andere – <strong>und</strong><br />
das bis heute.<br />
Jochen Klein<br />
19
OHNMACHT UND VOLLMACHT IN UNSEREM DIENST<br />
20<br />
Da <strong>komm</strong>t ein sehr sympathischer junger<br />
Mann zu mir. „Ich möchte Jugendführer<br />
werden.“ Ich lasse mir zunächst einmal die<br />
Geschichte seines Lebens erzählen. Und<br />
dann <strong>komm</strong>t heraus, daß er früher einmal<br />
HJ-Führer gewesen sei. Während des<br />
Krieges war er in einem Arbeitsdienst tätig.<br />
Als er dann zurückkam, hat er sich wacker<br />
an manchen anderen Stellen herumgeschlagen.<br />
Und nun drängt es ihn, an irgendeiner<br />
Stelle wieder Jugend zu führen.<br />
Nun frage ich ihn: „Kennen Sie eigentlich<br />
christliche Jugendarbeit?“ Nein, die kennt<br />
er nicht. Er kennt auch Jesus nicht. Seit dem<br />
Religionsunterricht in der Schule hat er<br />
auch keine Bibel mehr in der Hand gehabt.<br />
Aber er will Jugendführer werden. Es war<br />
mir merkwürdig, wie es in dem Gespräch<br />
ISBN 978-3-7615-6116-4<br />
Johannes Busch<br />
STILLE GESPRÄCHE<br />
Seelsorge für Mitarbeiter<br />
kartoniert<br />
184 Seiten<br />
Neukirchener Aussaat<br />
€ 7,99<br />
kaum möglich war, ihm deutlich zu machen,<br />
dass wir nicht einfach Jugendführer<br />
brauchen, sondern etwas ganz, ganz anderes.<br />
Ich habe ihm schließlich folgendes<br />
Bild gesagt: Wenn ich den Weg nach Hannover<br />
nicht weiß, dann suche ich mir einen,<br />
der mich nach Hannover führen kann.<br />
Ich werde aber dann nur einen suchen, der<br />
den Weg nach Hannover bestimmt kennt,<br />
sonst kann ich mich ihm nicht anvertrauen.<br />
Das Ziel unserer Arbeit ist nicht irgendeine<br />
allgemeine Jugendführung <strong>und</strong> Jugenderziehung.<br />
Wir wollen Menschen zu Jesus<br />
führen. Das kann nur der unter uns ausrichten,<br />
der selbst den Weg zu Jesus kennt.<br />
Dadurch unterscheidet sich unsere Arbeit<br />
von allen anderen Jugendarbeiten. Wir<br />
haben kein Programm, wir haben eine Botschaft.<br />
Daher <strong>komm</strong>t es aber, dass unter<br />
jungen Mitarbeitern die Frage immer brennender<br />
wird: Wie kann ich diese Botschaft<br />
so ausrichten, dass junge Menschen sie hören?<br />
Ich möchte es immer eindrücklicher<br />
jedem Einzelnen unserer Mitarbeiter ins<br />
Herz hineinrufen: Damit ist es doch nicht<br />
getan, dass du ein paar nette Geschichten<br />
erzählen kannst oder interessante Spiele<br />
durchführst. Hast du eine Botschaft? Nur<br />
da, wo diese Botschaft wirklich glaubwürdig<br />
ausgerichtet wird, geschieht etwas.<br />
Vielleicht habt ihr es auch schon gespürt,<br />
dass der Fortgang unserer ganzen<br />
Arbeit entscheidend davon abhängt, ob<br />
wir unter uns Mitarbeiter haben, die in der<br />
Vollmacht Gottes ihren Dienst tun.<br />
1. WAS IST DENN VOLLMACHT?<br />
Zu Jesus kam einmal ein ganz verzweifelter<br />
Vater <strong>und</strong> berichtete ihm von seinem kranken<br />
Jungen, der offenbar unheilbar mondsüchtig<br />
war. Mit besonderer Bitterkeit berichtete<br />
dieser Vater: „Ich habe ihn zu deinen<br />
Jüngern gebracht, <strong>und</strong> sie konnten<br />
ihm nicht helfen.“ Von wie viel Mitarbeitern<br />
wird es auch so heißen! Wir alle kennen<br />
solche St<strong>und</strong>en, in denen wir spüren,<br />
dass Menschen Hilfe von uns erwarten;<br />
aber helfen konnten wir nicht. Es fehlte uns<br />
dazu die Vollmacht.<br />
Ja, was fehlt uns denn in diesem Augenblick?<br />
Vollmacht ist zunächst ein Wort, das<br />
auch im natürlichen Sprachgebrauch vor<strong>komm</strong>t.<br />
Es bezeichnet die „Berechtigung”<br />
<strong>und</strong> auch die „Befähigung”, einen Auftrag<br />
auszurichten. So bekam z. B. Saulus vor seiner<br />
Bekehrung von der Obrigkeit in Jerusalem<br />
die „Vollmacht”, die jungen Christengemeinden<br />
zu verfolgen. Das war ihm bestätigt<br />
<strong>und</strong> versiegelt, dass er diesen Auftrag<br />
ausrichten sollte. Nun verstehen wir, was<br />
Vollmacht im Dienste Jesu bedeutet. Es gehört<br />
dazu eine klare Ausstattung mit einer<br />
Vollmacht durch unseren Herrn, in dessen<br />
Namen wir arbeiten. Er muss uns bestätigen,<br />
dass wir Berechtigung <strong>und</strong> Befähigung<br />
zu diesem Dienst haben.<br />
Aber damit wird zugleich der ganze<br />
Ernst in der Frage nach der Vollmacht deutlich.<br />
Es ist ja keiner unter uns, der das Recht<br />
oder die Fähigkeit hätte, Gottes Dinge hier<br />
zu treiben. Ich verstehe schon, dass selbst<br />
der Apostel Paulus den Korinthern schrieb,<br />
dass er nicht wert sei, ein Apostel zu heißen,<br />
weil es eine Zeit in seinem Leben gegeben<br />
habe, in der er gegen diesen Jesus<br />
gestanden habe (1. Kor. 9,15). Ich verstehe<br />
schon, dass Mose in dem Augenblick seiner<br />
Berufung nur eins sah, dass er in keiner Weise<br />
dazu fähig sei, einen Auftrag Gottes auszurichten.<br />
Ihr müsst einmal gerade dieses<br />
Kapitel 2. Mose 3 durchlesen, wie hier Mose<br />
immer neue Einwände vorbringt, gar nicht<br />
deshalb, weil er zu träge war, einen Dienst<br />
zu tun, sondern nur weil er auf der ganzen<br />
Linie <strong>sieh</strong>t, dass er weder Recht noch Macht<br />
hat, Gottes Auftrag auszurichten.<br />
Wir sind ja so schnell bei der Hand, von<br />
Menschen zu sagen, sie hätten Vollmacht.<br />
Wir sollten darauf achten, dass die Bibel<br />
eigentlich nur von Einem redet, der Vollmacht<br />
hatte, von Jesus ganz allein. Aber Er<br />
hatte sie wirklich in ganzer <strong>und</strong> reicher Fülle.<br />
Es würde mich verlocken, euch an dieser<br />
Stelle einmal das Leben Jesu vor Augen<br />
zu führen, allein unter dem Gesichtspunkt,<br />
dass hier einer stand, der Vollmacht hatte.<br />
Selbst das ungläubige <strong>und</strong> blinde Volk ruft<br />
mit Furcht <strong>und</strong> Staunen aus: „Was ist das für<br />
ein Ding? Er gebietet mit Macht <strong>und</strong> Gewalt<br />
den unsauberen Geistern, <strong>und</strong> sie fahren<br />
aus” (Luk. 4, 36). Ja, das war Vollmacht<br />
dass hier einer stand, der mit der Kraft seines<br />
Wortes den bösen Geistern <strong>und</strong> den<br />
Geistern der Krankheit wehren konnte. Es<br />
war seine Vollmacht, die Er dem Meeressturm<br />
entgegensetzte, dass schließlich<br />
die Wellen schweigen müssen. Da spürte<br />
sie etwas von seiner Vollmacht, als Er dem<br />
toten Jüngling den Befehl gab, aufzustehen.<br />
Und Er selbst hat dem Volk erklärt:<br />
„Damit ihr aber wisst, dass des Menschen<br />
Sohn Vollmacht hat, auf Erden die Sünden<br />
zu vergeben (Matth. 9,6). Da war also der<br />
Glanz seiner Vollmacht am herrlichsten,<br />
als Er das tat, was kein Mensch vermag,<br />
als Er Menschen von ihrer belasteten Vergangenheit<br />
befreite <strong>und</strong> selbst einen zum<br />
Tode verurteilten Verbrecher in die Herrlichkeit<br />
des Paradieses erhob. Wo überall<br />
Mitarbeiter stehen, sollen sie wissen, dass<br />
unter ihnen nur ein Einziger Vollmacht hat<br />
bis zum heutigen Tage, das ist ganz allein<br />
der Siegesfürst <strong>und</strong> Ehrenkönig Jesus Christus.<br />
Es gibt keinen Jugendführer <strong>und</strong> keinen<br />
Prediger, keinen Pastor <strong>und</strong> Vereinsleiter,<br />
von dem wir sagen könnten, er hätte<br />
Vollmacht. Dies Wort gebührt allein unserem<br />
Herrn selbst. Er allein ist von Gott<br />
mit Vollmacht ausgerüstet.<br />
2. GIBT ES DENN FÜR UNS KEINE VOLL-<br />
MACHT?<br />
Jetzt kann ich euch nur bitten, mit mir auf<br />
jenen Berg zu <strong>komm</strong>en, auf dem ihr den<br />
Heiland mit seinen Jüngern in der Abschiedsst<strong>und</strong>e<br />
seht. Es sind jene Augenblicke<br />
vor der Thronbesteigung <strong>und</strong> vor<br />
der Himmelfahrt Jesu. Gleich wird der Herr<br />
zum Himmel erhöht werden <strong>und</strong> die arme<br />
Schar seiner Leute muss hinaus, um den<br />
Zeugendienst für ihren Herrn auszurichten.<br />
Jesus hat ihnen oft genug gesagt, dass<br />
der Weg, der vor ihnen liegt, nicht leicht<br />
sein wird. „Ich sende euch wie Schafe mitten<br />
unter die Wölfe.“ Was soll denn diese<br />
arme Schar in einer Welt voll Anfechtung<br />
<strong>und</strong> Widerständen ausrichten, wenn<br />
sie nicht ganz besondere Vollmacht be<strong>komm</strong>t?<br />
Und diese Vollmacht ist ihr verliehen<br />
worden: „Siehe, ich bin bei euch alle<br />
Tage bis an der Welt Ende.“ Jesus hat das<br />
noch näher erklärt: „Ihr werdet die Kraft<br />
des Heiligen Geistes empfangen.“ Die zwei<br />
Worte gehören eng zueinander <strong>und</strong> meinen<br />
beide dasselbe. Das ist die Kraft des<br />
Heiligen Geistes, dass Jesus unter uns gegenwärtig<br />
ist. Jetzt wird das Geheimnis unserer<br />
Vollmacht deutlich. Wir bleiben arme,<br />
<strong>komm</strong> <strong>und</strong> <strong>sieh</strong>, <strong>Heft</strong> 1/2017
kümmerliche Leute, die aber eine Kraft haben,<br />
die unüberwindlich ist, weil Jesus neben<br />
uns steht. Nicht die Kraft unserer Überzeugung<br />
hat die Verheißung, sondern allein<br />
das, dass wir nicht ohne den Heiland<br />
zu arbeiten brauchen.<br />
Ich möchte so ausführlich <strong>und</strong> ausdrücklich<br />
davon schreiben, weil ich meine,<br />
wir sollten darüber nun wirklich eine<br />
stille St<strong>und</strong>e haben. Ich habe so oft in bedrückten<br />
CVJM-Vorstandssitzungen gesessen,<br />
bei denen man hin <strong>und</strong> her überlegte,<br />
warum die Arbeit nicht vorwärtsgeht. Und<br />
jedesmal nahm man dann seine Zuflucht<br />
zu irgendeinem äußeren Hilfsmittel. Das<br />
Programm wurde aufgestellt, oder man<br />
suchte irgendeinen Menschen, der helfen<br />
konnte. Kennt ihr nicht diese Wellen der<br />
Aktivität, der gesteigerten Betriebsamkeit,<br />
in die wir uns hineinstürzen aus Angst,<br />
weil die Arbeit im Gr<strong>und</strong>e schon längst zurückgeht?<br />
Eine Weile ist dann ungeheurer<br />
Hochbetrieb, aber nachher <strong>komm</strong>t es heraus,<br />
dass der Jammer eigentlich noch viel<br />
größer geworden ist.<br />
Nein, soll es wirklich bei euch vorwärtsgehen,<br />
dann lasst jetzt einmal alles stillwerden.<br />
Die Entscheidung, ob du Vollmacht in<br />
Bezug auf junge Männer hast, fällt ganz<br />
allein in der Stille deines Gebetskämmerleins.<br />
Je mehr du mit Jesus eins bist, desto<br />
mehr stehst du in deiner Arbeit in Kraft. Je<br />
mehr dein Leben Ihm gehört, desto vollmächtiger<br />
kannst du an anderen arbeiten.<br />
Wir brauchen Menschen „voll Heiligen<br />
Geistes”. Habt ihr das nicht schon gemerkt,<br />
dass man Bibelst<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Predigten mitmachen<br />
kann, bei denen gar nichts auszusetzen<br />
ist, die völlig rechtgläubig <strong>und</strong> ordentlich<br />
sind, aber es spürt halt jeder, dass<br />
kein Salz in der Verkündigung war? Es ging<br />
keine Kraft vom Wort Gottes aus. Es denke<br />
nur ja keiner, diese Kraft hinge etwa von einer<br />
Rednergabe ab. Die Kraft <strong>komm</strong>t allein<br />
aus dem persönlichen Umgang mit Jesus.<br />
Darum gibt es auch ein Wachsen in der<br />
Vollmacht. Das hängt aufs Engste mit dem<br />
Wachstum deiner Heiligung zusammen. Je<br />
reifer dein Gebetsleben, je gründlicher dein<br />
Bibellesen, je gehorsamer dein Leben wird,<br />
desto vollmächtiger wird dein Dienst sein.<br />
3. WAS KANN DIE VOLLMACHT<br />
HINDERN?<br />
Ich bin so dankbar, dass uns die Bibel Bilder<br />
über Bilder zeigt, aus denen wir ganz<br />
schlicht lernen können, wie erschütternd<br />
das aus<strong>sieh</strong>t, wenn Vollmacht, die Jesus geben<br />
will, durch uns verhindert <strong>und</strong> ins Gegenteil<br />
verkehrt wird. Lass mich ein paar<br />
solcher Bilder zeichnen: Kennt ihr die Geschichte<br />
des Mose? Der war ja in einem<br />
unterdrückten <strong>und</strong> geschlagenen Volk auf<br />
merkwürdige Weise schon als Knäblein gerettet<br />
worden, ja, die Königstochter selbst<br />
hatte ihn aufgenommen, um ihn zu erziehen.<br />
Es gefällt uns, dass der junge Mose keine<br />
Ruhe hatte, dass er im Königsschloss leben<br />
konnte, während seine Volksgenossen<br />
in der Sklaverei schmachteten. So ging er<br />
denn hinab zu seinen Brüdern, um ihnen<br />
zu helfen. Man <strong>sieh</strong>t geradezu, wie er darin<br />
brennt, etwas Großes zur Befreiung seines<br />
Volkes auszurichten. Erschütternd! Der einzige<br />
Erfolg ist der, dass es dem Volk nachher<br />
noch schlechter geht <strong>und</strong> er selbst als<br />
ein Mörder fliehen muss. Alle edlen Absichten<br />
haben sich in das Gegenteil verkehrt.<br />
Handeln ohne Vollmacht! Er wollte<br />
etwas sehr Gutes, aber es waren eigene Pläne.<br />
Es war nicht eine Tat aus dem Gehorsam<br />
Gottes heraus. Wie viel edle Absichten, wie<br />
viel gute Pläne stiften nur Verwirrung, weil<br />
das Entscheidende nicht am Anfang stand,<br />
das Ringen um den rechten Gehorsam.<br />
Ich denke an Gehasi, den Knecht des<br />
Elisa. Er war ein Mann, der wirklich die entscheidendsten<br />
Dinge in der damaligen Gemeinde<br />
miterlebte <strong>und</strong> der an verantwortlicher<br />
Stelle hatte mitarbeiten können.<br />
Eines Tages <strong>komm</strong>t zu Elisa eine arme, verzweifelte<br />
Frau <strong>und</strong> erzählt, dass ihr Sohn<br />
gestorben sei. Elisa möchte gern helfen<br />
<strong>und</strong> schickt schon einmal den Gehasi voraus,<br />
er soll dort nach dem Rechten sehen.<br />
Gehasi nimmt den Stab des Propheten,<br />
<strong>komm</strong>t dorthin zu dem toten Knaben, <strong>und</strong><br />
feierlich schwingt er den Prophetenstab.<br />
Wie mag sich der Gehasi gewaltig vorge<strong>komm</strong>en<br />
sein; aber – „da war keine Stimme<br />
noch Fühlen” (2. Kön. 4, 31).<br />
Verstehst du, Prophetenstäbe <strong>und</strong> äußerlich<br />
feierliches Getue helfen nicht. Wie<br />
ersetzen wir oft Vollmacht mit einer feierlichen<br />
Scheingeistigkeit, die doch nicht<br />
verbergen kann, dass keine Stimme noch<br />
Fühlen da ist!<br />
Lest einmal die Sendschreiben an die<br />
Gemeinden Laodizea <strong>und</strong> Sardes (Offb.<br />
2 <strong>und</strong> 3)! Da hören wir, warum ganze Gemeinden<br />
vollmachtlos waren. „O, dass du<br />
kalt oder warm wärest! Weil du aber lau<br />
bist, muss ich dich aus meinem M<strong>und</strong>e<br />
ausspeien.” Nichts hindert die Vollmacht<br />
so sehr als die Unklarheit <strong>und</strong> Unentschiedenheit<br />
in unserem eigenen Leben. Wenn<br />
im Herzpunkt deines Lebens verborgene<br />
Unordnung einkehrt, dann spürt man das<br />
bis ins letzte Wort hinein, dass dir die Vollmacht<br />
genommen ist. Dann geht es wie<br />
bei jenem Achan (Jos. 7), dass der Sieg<br />
Gottes verhindert wird, weil heimlicher<br />
Bann alles belastet.<br />
Ach, lasst euch doch in die Stille führen<br />
<strong>und</strong> euch von Gott aufdecken, wo die<br />
verborgenen Schäden liegen, die eure Vollmacht<br />
hindern! Immer <strong>und</strong> immer wieder<br />
möchte ich dies eine sagen, dass die Entscheidung<br />
darüber, ob eure Arbeit von der<br />
Kraft Gottes begleitet ist, ganz allein da<br />
fällt, wo Jesus mit dir persönlich redet <strong>und</strong><br />
wo Er dein Leben erfüllt mit seiner heiligen<br />
Gegenwart. Sorge nur dafür, dass nichts<br />
seine Gegenwart hindern kann!<br />
4. GESEGNETE OHNMACHT<br />
Ich habe einmal ein Lutherspiel gesehen.<br />
Es war geradezu großartig, wie zum<br />
Schluss unter herrlicher Scheinwerferbeleuchtung<br />
Luther auf dem Reichstag zu<br />
Worms erschien mit der Sicherheit eines<br />
Operntenors <strong>und</strong> mit der Würde eines drei<br />
Zentner schweren Ratsherrn. Nein, so <strong>sieh</strong>t<br />
Vollmacht bestimmt nicht aus. Lest einmal<br />
die Geschichte der Männer Gottes, von denen<br />
uns berichtet wird, dass sie wirklich<br />
Vollmacht hatten! Wie hat ein Jeremia über<br />
sich selber gezittert <strong>und</strong> wie hat er verzweifelt<br />
die Hände gerungen, dass er selber<br />
so schwach <strong>und</strong> elend sei! Aber dann<br />
Buchempfehlung<br />
hat er sich daran anklammern<br />
dürfen:<br />
„Der Herr ist bei mir<br />
wie ein starker Held.“<br />
Das war seine Vollmacht.<br />
In 2. Korinther 12 wird<br />
uns ein verborgenes Heiligtum<br />
aus dem Gebetsleben des Apostels<br />
Paulus gezeigt. Da hören wir zu unserem<br />
Erstaunen, dass derselbe Paulus, der die<br />
gewaltigsten Strapazen <strong>und</strong> die ungeheuerlichste<br />
Arbeitslast Tag für Tag durchstehen<br />
musste, ein kranker Mann war, offenbar<br />
aufs Äußerste schwach <strong>und</strong> elend.<br />
Darum versteht man es schon, dass er seinen<br />
Gott bat, ihn doch völlig ges<strong>und</strong> zu<br />
machen, es sei doch für die Arbeit notwendig.<br />
Aber Gott hat Paulus nicht ges<strong>und</strong><br />
gemacht. Er hat ihn in der ganzen<br />
Schwachheit belassen. „Lass dir an meiner<br />
Gnade genügen, denn meine Kraft<br />
ist in den Schwachen mächtig.” Und nun<br />
schreibt derselbe Paulus, der durch die<br />
Erfahrung hindurchgegangen ist, Sätze,<br />
von denen ich nicht anstehe zu sagen: Sie<br />
sind das Lehrbuch rechter <strong>und</strong> wirklicher<br />
Vollmacht. „Darum will ich mich am allerliebsten<br />
rühmen meiner Schwachheit, auf<br />
dass die Kraft Christi bei mir wohne. Darum<br />
bin ich gutes Muts in Schwachheiten, in<br />
Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgung,<br />
in Ängsten um Christi willen; denn wenn<br />
ich schwach bin, dann bin ich stark.” Das<br />
verstehe, wer will, begreifen kann ich das<br />
nicht. Aber im Umgang mit Jesus darf ich<br />
es lernen <strong>und</strong> darf ich es erfahren: Jünger<br />
Jesu sollen nichts anderes sein als ein Gefäß,<br />
das immer mehr ausgeleert wird, dass<br />
die Kraft Christi allein darin wohnen kann.<br />
Darum gibt es falsche Sorgen, die uns<br />
der Teufel je <strong>und</strong> dann einflüstert, die uns<br />
aber in Wirklichkeit nie bekümmern sollen.<br />
Da sagt einer, wir sind ja nur so wenige,<br />
wir können doch nichts ausrichten.<br />
Hast du denn wirklich geglaubt, ihr solltet<br />
mit einer großen Zahl euren Sieg erringen?<br />
Und wenn ihr nur zwei oder drei<br />
Mann seid, so seid ihr bestimmt einer<br />
mehr, als ihr vor Augen seht; bei euch<br />
steht doch Jesus. Und der hat Vollmacht<br />
genug, auch bei euch durch alle Widerstände<br />
zu brechen.<br />
Da sagt ein anderer: „Ich habe gar keine<br />
Begabung für die Arbeit, ich kann auch<br />
überhaupt nicht reden.” Hast du denn wirklich<br />
geglaubt, du könntest mit deinen Gaben<br />
etwas ausrichten? Ich treffe oft Mitarbeiter,<br />
die eine natürliche Gabe zur Jugendarbeit<br />
haben. Denen fliegen die Jungen<br />
nur so zu. Wenn ich aber länger zusehe,<br />
so fällt es mir immer auf, dass gerade<br />
die, denen es so leicht fällt, selten bleibende<br />
Frucht schaffen. Bleibende Frucht<br />
finde ich viel eher bei denen, die sich sehr<br />
mühen müssen; denn gerade in ihrem<br />
ständigen Versagen lernen sie es, der Kraft<br />
Christi Raum zu machen.<br />
Brüder, die Gottlosigkeit wächst um<br />
<strong>und</strong> um. Ich weiß nicht, wie lange wir noch<br />
Zeit haben, die Botschaft unseres Gottes<br />
auszurichten. Wo sind die Männer, die sich<br />
Vollmacht schenken lassen? Wir haben einen<br />
lebendigen Herrn! Darin liegt unsere<br />
Vollmacht.<br />
21<br />
<strong>komm</strong> <strong>und</strong> <strong>sieh</strong>, <strong>Heft</strong> 1/2017
Bibel<br />
praktisch<br />
DIE PLAGE MEINES<br />
HERZENS ERKENNEN?<br />
22<br />
DAS GEBET SALOMOS BEI<br />
DER TEMPELEINWEIHUNG<br />
Im ersten Buch der Könige, im 8. Kapitel, lesen<br />
wir ein ergreifendes Gebet des Königs Salomo.<br />
Er betet zu Gott, als der neu erbaute Tempel eingeweiht<br />
wird. Ihm ist bewusst, wie unendlich<br />
groß <strong>und</strong> heilig Gott ist, <strong>und</strong> er staunt darüber,<br />
dass Gott an diesem Ort wohnen will. Die Herrlichkeitswolke<br />
der Gegenwart Gottes ist soeben<br />
in das Haus ge<strong>komm</strong>en, nachdem die Priester<br />
die heiligen Geräte hineingebracht <strong>und</strong> besonders<br />
die B<strong>und</strong>eslade in den innersten Raum, das<br />
sogenannte Allerheiligste, gestellt hatten. Salomo<br />
betet:<br />
Aber sollte Gott wirklich auf der Erde wohnen? Siehe,<br />
die Himmel <strong>und</strong> der Himmel Himmel können<br />
dich nicht fassen; wie viel weniger dieses Haus,<br />
das ich gebaut habe (1Kön 8,27)!<br />
DER KÖNIG-PRIESTER<br />
Und dann beginnt Salomo, vorausblickend für<br />
das Volk Israel um Gottes Vergebung zu bitten.<br />
Er zählt verschiedene Situationen auf, in die das<br />
Volk durch Ungehorsam oder Untreue geraten<br />
könnte, <strong>und</strong> bittet Gott, ihnen zu vergeben,<br />
wenn sie in Reue zu Ihm umkehren <strong>und</strong> zu seinem<br />
Haus, das heißt in seine Gegenwart, <strong>komm</strong>en.<br />
Salomo ist hier ein Vorbild auf den Herrn<br />
Jesus, der als unser Hoherpriester für uns betet.<br />
Er hatte auch für Simon Petrus gebetet – bevor<br />
dieser Ihn dreimal verleugnete –, dass sein<br />
Glaube nicht aufhöre (Lk 22,32). Ich empfehle<br />
dir, einmal das Gebet von Salomo in 1. Könige 8<br />
mit dem Gebet des Herrn Jesus in Johannes 17<br />
zu vergleichen.<br />
VERSCHIEDENE PRÜFUNGEN UND PLAGEN<br />
FÜR DAS VOLK ISRAEL<br />
Salomo zählt in den Versen 35 bis 40 mögliche<br />
äußere Prüfungen <strong>und</strong> Gerichte auf, die das<br />
Volk Israel treffen könnten. Dazu gehören zum<br />
Beispiel Trockenheit, Hungersnot, Pest <strong>und</strong> Verlust<br />
der Ernte durch Krankheitsbefall oder Heuschrecken.<br />
Er rechnet damit, dass Gott solche<br />
Prüfungen schickt, weil das Volk gegen Gott gesündigt<br />
hat; aber er zählt auch Prüfungen auf,<br />
ohne dass er sie als unmittelbare Folgen von<br />
Sünde <strong>sieh</strong>t.<br />
Wir erkennen im Neuen Testament, dass<br />
Gott in seinen Erziehungswegen mit uns beide<br />
Möglichkeiten gebraucht: Es gibt Prüfungen, in<br />
die wir wegen Ungehorsam geraten <strong>und</strong> durch<br />
die uns Gott erzieht; es gibt aber auch Leiden,<br />
die dazu dienen, uns im Glauben zu stärken <strong>und</strong><br />
uns näher zu Gott zu bringen, ohne dass sie ihre<br />
Ursache in unserer Untreue haben. Oft sind es<br />
die treuen Christen, die durch viel Leiden gehen,<br />
während mancher laue Christ sich ein bequemes<br />
Leben macht. Doch wer wird mehr<br />
Lohn haben? So lesen wir unter anderem:<br />
Ihr habt noch nicht, gegen die Sünde ankämpfend,<br />
bis aufs Blut widerstanden <strong>und</strong> habt die Ermahnung<br />
vergessen, die zu euch als zu Söhnen<br />
spricht: „Mein Sohn, achte nicht gering des Herrn<br />
Züchtigung, noch ermatte, wenn du von ihm gestraft<br />
wirst. Denn wen der Herr liebt, den züchtigt<br />
er; er geißelt aber jeden Sohn, den er aufnimmt.“<br />
Was ihr erduldet, ist zur Züchtigung: Gott handelt<br />
mit euch als mit Söhnen; denn wer ist ein Sohn,<br />
den der Vater nicht züchtigt (Heb 12,4–7)?<br />
Geliebte, lasst euch durch das Feuer der Verfolgung<br />
unter euch, das euch zur Prüfung geschieht,<br />
nicht befremden, als begegne euch etwas Fremdes;<br />
sondern insoweit ihr der Leiden des Christus<br />
teilhaftig seid, freut euch, damit ihr auch in der Offenbarung<br />
seiner Herrlichkeit mit Frohlocken euch<br />
freut (1Pet 4,12.13).<br />
DIE PLAGE MEINES HERZENS ERKENNEN<br />
Doch mitten hinein in diese Beschreibung von<br />
Plagen <strong>und</strong> Prüfungen, die das Volk Gottes von<br />
außen treffen können, sagt Salomo Folgendes:<br />
Wenn sie jeder die Plage seines Herzens erkennen<br />
werden <strong>und</strong> er seine Hände ausbreitet zu diesem<br />
Haus hin, so höre du im Himmel, der Stätte<br />
deiner Wohnung, <strong>und</strong> vergib, <strong>und</strong> tu <strong>und</strong> gib je-<br />
<strong>komm</strong> <strong>und</strong> <strong>sieh</strong>, <strong>Heft</strong> 1/2017
Bibel<br />
praktisch<br />
dem nach allen seinen Wegen, wie du sein Herz<br />
kennst – denn du allein kennst das Herz aller<br />
Menschenkinder –; damit sie dich fürchten alle<br />
Tage, die sie in dem Land leben werden, das du unseren<br />
Vätern gegeben hast (1Kön 8,38–40).<br />
Als ich das las, hat es mich getroffen! Gottes Absicht<br />
in allen Prüfungen <strong>und</strong> Leiden besteht darin,<br />
dass wir selbst unser eigenes Herz erkennen.<br />
Er kennt die wahre Not, weil er allein unser Herz<br />
<strong>und</strong> das Herz jedes Menschen kennt. Das ist Gottes<br />
Absicht im Alten wie im Neuen B<strong>und</strong>: Dass<br />
der Mensch sein sündiges, durch <strong>und</strong> durch verdorbenes<br />
Wesen, seine sündigen Neigungen<br />
<strong>und</strong> Begierden, seine pervertierten Freuden vor<br />
Gott erkennt, bereut <strong>und</strong> zu Gott umkehrt, damit<br />
er von Gott ein neues Herz mit neuen Wünschen,<br />
Zielen <strong>und</strong> Freuden be<strong>komm</strong>t.<br />
Das Sinnen des menschlichen Herzens ist böse von<br />
seiner Jugend an (1Mo 8,21). … Und ich werde<br />
euch ein neues Herz geben <strong>und</strong> einen neuen Geist<br />
in euer Inneres geben; <strong>und</strong> ich werde das steinerne<br />
Herz aus eurem Fleisch wegnehmen <strong>und</strong> euch ein<br />
fleischernes Herz geben (Hes 34,26).<br />
WAS IST IN MEINEM HERZEN?<br />
Wie treffend hat Salomo erkannt, dass es bei<br />
Prüfungen <strong>und</strong> Leiden, die uns von außen treffen,<br />
nicht darum geht, deren Ursachen <strong>und</strong> Wirkungen<br />
möglichst zu verstehen <strong>und</strong> Strategien<br />
zu entwickeln, wie wir mit ihnen umgehen<br />
oder ihnen entgehen können! Nein, es geht darum,<br />
dass wir Gottes Absichten erkennen, die<br />
auf unser Herz zielen. Schon David betete in<br />
Psalm 139,23: „Erforsche mich, Gott, <strong>und</strong> erkenne<br />
mein Herz; prüfe mich <strong>und</strong> erkenne meine<br />
Gedanken!“<br />
Daher spricht Salomo in den Sprüchen der<br />
Weisheit sehr viel vom Herzen. Einer der wichtigsten<br />
Verse dazu lautet: „Behüte dein Herz<br />
mehr als alles, was zu bewahren ist; denn<br />
von ihm aus sind die Ausgänge des Lebens“<br />
(Spr 4,23).<br />
Der Herr Jesus selbst lehrte die Jünger, dass<br />
sie nicht durch das verunreinigt würden, was<br />
von außen an sie heran<strong>komm</strong>t, sondern dass<br />
die Quelle von sündiger Verunreinigung in ihnen<br />
selbst ist, in ihrer alten sündigen Natur:<br />
Was aus dem Menschen ausgeht, das verunreinigt<br />
den Menschen. Denn von innen aus dem Herzen<br />
der Menschen gehen hervor die schlechten Gedanken:<br />
Hurerei, Dieberei, Mord, Ehebruch, Habsucht,<br />
Bosheit, List, Ausschweifung, böses Auge,<br />
Lästerung, Hochmut, Torheit; alle diese bösen Dinge<br />
gehen von innen aus <strong>und</strong> verunreinigen den<br />
Menschen (Mk 7,20–23).<br />
Als Kinder Gottes haben wir ein neues Herz be<strong>komm</strong>en,<br />
<strong>und</strong> der Geist Gottes wohnt in uns.<br />
Doch wir haben neben der neuen göttlichen<br />
Natur noch die alte menschliche Natur in uns.<br />
Das nennt die Bibel „das Fleisch“. Jeder von uns<br />
steht in dem Streit zwischen den Regungen des<br />
„Fleisches“, das uns zu entsprechenden Werken<br />
veranlassen will, wie sie in Galater 5,19 beschrieben<br />
werden, <strong>und</strong> dem Geist, dem neuen<br />
Leben in uns. Mir macht zum Beispiel der Hochmut<br />
zu schaffen. Wie schnell bilde ich mir etwas<br />
darauf ein, wenn ich meine, geistlicher zu sein<br />
als mein Bruder!<br />
DIE EIGENTLICHE PLAGE<br />
Da frage ich mich: Ist es mir wirklich bewusst,<br />
dass diese alte verdorbene Natur der Sünde die<br />
eigentliche Plage ist? Die Sünde ist unheilbar,<br />
lässt sich nicht einfach vertreiben. Sie ist hartnäckiger<br />
als das schlimmste Unkraut. Sie ist in<br />
der Welt das, was die Menschen im unerbittlichen<br />
Würgegriff des Todes hält. Leider hat sie<br />
immer noch viel zu viel Spielraum in unserem<br />
Leben <strong>und</strong> in unseren Gemeinden.<br />
Aber dabei darf ich nicht auf andere zeigen,<br />
sondern ich muss lernen, über mein eigenes<br />
Herz Buße zu tun <strong>und</strong> mich vor Gott zu demütigen.<br />
John Nelson Darby hat einmal geschrieben:<br />
„Eine einzelne Sünde ist in Gottes Augen<br />
schlimmer als tausend Sünden in unseren Augen,<br />
ja die Sünden der ganzen Welt.“ 4<br />
DAS EINZIGE HEILMITTEL: GOTTESFURCHT<br />
Salomo nennt in seinem Gebet das einzige Heilmittel<br />
gegen diese Plage: Gottesfurcht. Je mehr<br />
ich lerne, Gott in Ehrfurcht zu begegnen <strong>und</strong><br />
vor Ihm zu leben, desto mehr werde ich von<br />
dieser Plage der alten sündigen Natur befreit.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich bin ich ja befreit von der Macht<br />
der Sünde durch den Tod des Herrn Jesus, aber<br />
es gilt, nun auch in dieser Freiheit zu leben.<br />
Für die Freiheit hat Christus uns freigemacht;<br />
steht nun fest <strong>und</strong> lasst euch nicht wieder unter<br />
einem Joch der Knechtschaft halten. … Denn ihr<br />
seid zur Freiheit berufen worden, Brüder; nur gebraucht<br />
nicht die Freiheit zu einem Anlass für das<br />
Fleisch, sondern durch die Liebe dient einander<br />
(Gal 5,1.13).<br />
4<br />
John Nelson Darby: „A single sin is more horrible to God than a<br />
thousand sins – nay, than all the sins in the world are to us“. Aus „The<br />
true grace of God in which you stand“, Collected Writings.<br />
23
Bibel<br />
praktisch<br />
24<br />
Ich möchte lernen, wie Salomo zu Gott zu beten,<br />
dass Er mir die Plage meines Herzens bewusstmacht<br />
<strong>und</strong> ich seine Heiligkeit <strong>und</strong> Gnade<br />
mehr <strong>und</strong> mehr erkenne.<br />
EINE PERSÖNLICHE UND<br />
INDIVIDUELLE SACHE<br />
Noch etwas fällt mir auf: Während Salomo mehrfach<br />
von dem Volk Gottes in seiner gemeinschaftlichen<br />
Verantwortung gegenüber Gott spricht,<br />
betont er an dieser Stelle, dass der Mensch als Individuum<br />
für sein Herz verantwortlich ist:<br />
Wenn sie jeder die Plage seines Herzens erkennen<br />
werden <strong>und</strong> er seine Hände ausbreitet zu diesem<br />
Haus hin, so höre du im Himmel, der Stätte deiner<br />
Wohnung, <strong>und</strong> vergib, <strong>und</strong> tu <strong>und</strong> gib jedem<br />
nach allen seinen Wegen, wie du sein Herz kennst<br />
– denn du allein kennst das Herz aller Menschenkinder<br />
(1Kön 8,38–40).<br />
Salomo wechselt von der Mehrzahl zur Einzahl.<br />
Menschen können nicht in mein Herz schauen,<br />
aber Gott <strong>sieh</strong>t mein Herz; Ihm ist nichts verborgen.<br />
Und Er weiß, wo meine Schwachstellen<br />
„Denn so spricht<br />
der Hohe <strong>und</strong> Erhabene,<br />
der in Ewigkeit wohnt <strong>und</strong><br />
dessen Name der Heilige ist:<br />
Ich wohne in der Höhe<br />
<strong>und</strong> im Heiligtum <strong>und</strong> bei dem,<br />
der zerschlagenen <strong>und</strong><br />
gebeugten Geistes ist,<br />
um zu beleben den Geist<br />
der Gebeugten <strong>und</strong> zu beleben<br />
das Herz der Zerschlagenen“<br />
(Jes 57,15).<br />
sind, wo sich die Plage der Sünde bei mir auswirkt.<br />
Statt leichtfertig mit meinen Sünden umzugehen,<br />
möchte ich lernen, ehrlich vor Gott<br />
mein Versagen zu bekennen <strong>und</strong> intensiv um<br />
Veränderung zu ringen <strong>und</strong> zu beten.<br />
Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte,<br />
so lasst uns uns selbst reinigen von jeder Befleckung<br />
des Fleisches <strong>und</strong> des Geistes, indem wir die<br />
Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes (2Kor 7,1).<br />
DAS GROSSE ZIEL GOTTES: GEMEINSCHAFT<br />
MIT UNS HABEN<br />
Salomo fragt sich zu Recht, warum Gott auf<br />
der Erde wohnen sollte. Das Thema des Hauses<br />
Gottes auf der Erde beziehungsweise das Wohnen<br />
Gottes bei den Menschen zieht sich wie<br />
ein roter Faden durch die Bibel – von der Gemeinschaft<br />
mit Adam <strong>und</strong> Eva im Garten Eden<br />
(1Mo 2 <strong>und</strong> 3) bis zur Hütte Gottes bei den Menschen<br />
auf der neuen Erde (Off 21,3).<br />
Es sollte uns den Atem rauben, dass Gott<br />
sich nach Gemeinschaft mit uns sehnt! Wie<br />
stark ist meine Sehnsucht, diese Gemeinschaft<br />
täglich zu pflegen? Leider ist sie oft zu<br />
schwach. Und zu leicht schieben sich Verunreinigungen<br />
dazwischen <strong>und</strong> beeinträchtigen<br />
diese Beziehung. Denn Gott ist rein <strong>und</strong> heilig,<br />
<strong>und</strong> die Voraussetzung für den Genuss der Gemeinschaft<br />
ist Reinheit des Herzens: „Glückselig,<br />
die reinen Herzens sind, denn sie werden<br />
Gott sehen“ (Mt 5,8). Das wusste auch schon<br />
David:<br />
Wer wird auf den Berg des Herrn steigen, <strong>und</strong> wer<br />
wird an seiner heiligen Stätte stehen? Der unschuldiger<br />
Hände <strong>und</strong> reinen Herzens ist, der nicht zur<br />
Falschheit seine Seele erhebt <strong>und</strong> nicht schwört<br />
zum Trug (Ps 24,3.4).<br />
Ja, wie kann Gott bei mir wohnen, mit mir Gemeinschaft<br />
haben, wenn ich nicht über die Plage<br />
meines Herzens traurig bin <strong>und</strong> Buße tue?<br />
Jesaja schrieb:<br />
Denn so spricht der Hohe <strong>und</strong> Erhabene, der<br />
in Ewigkeit wohnt <strong>und</strong> dessen Name der Heilige<br />
ist: Ich wohne in der Höhe <strong>und</strong> im Heiligtum<br />
<strong>und</strong> bei dem, der zerschlagenen <strong>und</strong> gebeugten<br />
Geistes ist, um zu beleben den Geist der Gebeugten<br />
<strong>und</strong> zu beleben das Herz der Zerschlagenen<br />
(Jes 57,15).<br />
Dieser Vers bewegt mich zutiefst, <strong>und</strong> ich kann<br />
es nicht fassen, dass der hohe, erhabene <strong>und</strong><br />
ewige Gott, der ein unzugängliches Licht bewohnt,<br />
mir in dem Herrn Jesus so nahe <strong>komm</strong>t<br />
– unter den genannten Voraussetzungen.<br />
Fühlst du dich von Leid <strong>und</strong> Schwierigkeiten<br />
gebeutelt <strong>und</strong> zerschlagen? Gehe zum Herrn<br />
Jesus <strong>und</strong> sage Ihm, dass dich vor allem die<br />
Not <strong>und</strong> das Elend der Sünde <strong>und</strong> ihre Folgen<br />
schmerzen. Beuge dich vor Ihm <strong>und</strong> du wirst<br />
seine belebende <strong>und</strong> tröstende Gemeinschaft<br />
erfahren!<br />
Andreas Kuhs<br />
<strong>komm</strong> <strong>und</strong> <strong>sieh</strong>, <strong>Heft</strong> 1/2017
DAS HERZ UND DIE ARME DES VATERS<br />
Vor kurzem beeindruckte mich wieder das Vaterherz<br />
Gottes. Der Gr<strong>und</strong> war ein Lied, das in<br />
der Gemeinde gesungen wurde. Es handelt sich<br />
um ein schon etwas älteres Lied (ungefähr aus<br />
dem Jahr 1750). Ich habe dieses Lied schon oft<br />
gesungen, doch es war mir, als würde ich es<br />
zum ersten Mal singen. Du kennst das vielleicht<br />
auch. Das Lied handelt von dem ewigen Vorsatz<br />
Gottes, Sünder in sein Herz zu schließen. In wenigen<br />
Zeilen gibt die erste Strophe dieses Liedes<br />
den ganzen Ratschluss Gottes wieder:<br />
Es ist das ewige Erbarmen,<br />
das alles Denken übersteigt,<br />
dess’, der mit offnen Liebesarmen<br />
sich nieder zu den Sündern neigt;<br />
der uns von Fluch <strong>und</strong> Tod befreit,<br />
uns führt zu Jesu Herrlichkeit.<br />
(Geistliche Lieder, Lied 143)<br />
Die ersten Zeilen der dritten Strophe zeigen,<br />
warum Gott so mit dem Sünder handeln konnte<br />
<strong>und</strong> handeln kann:<br />
O Gnade, welche alle Sünden<br />
durch Christi Blut jetzt tilgen kann.<br />
Ich hörte einmal einen Vergleich, der gut illustriert,<br />
was Gott mit jemandem getan hat, der<br />
von seinen Sünden durch das Blut seines Sohnes<br />
gereinigt wurde. Es geht dabei um einen<br />
reichen Mann <strong>und</strong> einen armen Straßenjungen.<br />
Ein reicher Mann könnte einem armen Straßenjungen<br />
einen großen Dienst erweisen,<br />
wenn er für ihn eine Bußgeldzahlung begleicht,<br />
die der Junge wegen eines Vergehens schuldig<br />
ist. Das wäre wirklich fre<strong>und</strong>lich von dem<br />
Mann, denn so ent<strong>komm</strong>t der Junge auch den<br />
Folgen, die er tragen müsste, wenn er das Bußgeld<br />
selbst nicht bezahlen kann. Die Fre<strong>und</strong>lichkeit<br />
des Mannes wäre nun noch größer, wenn er<br />
dem Jungen nun auch ermöglichte, eine Schule<br />
zu besuchen, um ihn so von seiner mangelnden<br />
Bildung zu befreien. Wenn er nun auch noch für<br />
den Lebensunterhalt des Jungen sorgte, wäre<br />
dieser sogar nicht mehr arm. Alle diese Wohltätigkeiten<br />
orientieren sich allein an der großen<br />
Not, in der der Junge steckt.<br />
Wenn der Mann den Straßenjungen jedoch<br />
als Sohn adoptieren würde, ihn somit ganz eng<br />
in seiner Nähe hätte <strong>und</strong> ihm Reichtum <strong>und</strong><br />
Einfluss gäbe, stünde das in keinem Verhältnis<br />
mehr zu der Not des Jungen. Dies zeigt dann<br />
nur noch, wie der reiche Mann selbst ist, wie<br />
seine Gesinnung ist <strong>und</strong> woran er selbst Freude<br />
findet. Ja, so denkt Gott an den Sünder <strong>und</strong><br />
so handelt Er mit ihm, dessen Sünden durch das<br />
Blut Christi abgewaschen sind.<br />
Psalm 23 zeigt uns das Herz Gottes <strong>und</strong> sein<br />
unermüdliches Sorgen für seine Kinder. Die<br />
Kehrseite des ewigen Erbarmens aber ist der<br />
Ernst der ewigen Strafe. Das Bewusstsein der<br />
überwältigenden Güte <strong>und</strong> Gnade führt auch<br />
zum Bewusstsein unseres eigenen Versagens.<br />
Wir sehen das bei Esra. Demut <strong>und</strong> Gebet sind<br />
Auswirkungen des neuen Lebens. Bei Ahab sehen<br />
wir das nicht. Bei Josaphat kann man es<br />
schon erkennen, aber er handelte nicht danach.<br />
Elia handelte entsprechend, brachte dem Volk<br />
den Segen Gottes, den es durch seine Untreue<br />
verspielt hatte.<br />
Verlangen wir danach, den Reichtum des Vaterherzens<br />
Gottes besser zu kennen <strong>und</strong> wertzuschätzen<br />
<strong>und</strong> dass das auch in unserem Leben<br />
sichtbar wird? Das wird zur Freude Gottes<br />
<strong>und</strong> zum Segen für andere sein.<br />
Ger de Koning<br />
25
Schöpfungs-<br />
Andacht<br />
VERSORGUNG AUS DER LUFT<br />
26<br />
24. Juni 1948. Washington D. C. Tiefer Ernst liegt auf<br />
den Gesichtern der Befehlshaber, die zur Krisenstabssitzung<br />
ins Weiße Haus gerufen worden sind.<br />
Der heraufdämmernde Morgen bringt beunruhigende<br />
Neuigkeiten aus Europa: Die Spannungen<br />
zwischen den westlichen Alliierten USA, Großbritannien,<br />
Frankreich <strong>und</strong> ihrem östlichen Bündnispartner,<br />
der Sowjetunion, sind eskaliert. Der gemeinsame<br />
Feind hatte sie in den letzten Kriegsjahren fest<br />
zusammengeschmiedet, doch nun traten die Gegensätze<br />
der politischen Systeme <strong>und</strong> Ziele immer<br />
deutlicher zutage. Es hatte sich keine gemeinsame<br />
Linie für die Zukunft des besiegten Deutschen Reiches<br />
gef<strong>und</strong>en. Deshalb hatten die drei Westmächte<br />
im Alleingang eine Währungsreform in ihren Besatzungszonen<br />
durchgeführt <strong>und</strong> die wertlos gewordene<br />
Reichsmark durch die „Deutsche Mark“ ersetzt.<br />
Daraufhin verhängte die sowjetische Militärverwaltung<br />
eine totale Blockade über die Westsektoren<br />
der aufgeteilten Hauptstadt Berlin. Schon um Mitternacht<br />
wurden die Zuleitungen des Stromnetzes unterbrochen,<br />
am frühen Morgen folgte die Schließung<br />
aller Grenzübergänge sowie die Sperrung der Transitstraßen,<br />
Bahnrouten <strong>und</strong> Binnenschifffahrtslinien.<br />
Die vom Krieg stark zerstörte Großstadt beherbergt<br />
nun in den drei Westzonen neben den 2,2 Millionen<br />
Einwohnern auch über 8000 Soldaten der westlichen<br />
Militärgarnisonen. Inmitten einer Trümmerwüste, in<br />
der es keine nennenswerte landwirtschaftliche Produktion<br />
gibt, sind sie ganz auf die Versorgung von<br />
außen angewiesen.<br />
Der Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone,<br />
General Lucius D. Clay, erfasst die Dramatik<br />
der Situation <strong>und</strong> ersucht um die Erlaubnis, die<br />
Sperren mit einem Panzerzug zu durchbrechen, um<br />
so der Blockade ein schnelles <strong>und</strong> gewaltsames Ende<br />
zu machen. Das würde mit ziemlicher Sicherheit zu<br />
einem neuen Krieg führen, doch der schrecklichste<br />
Krieg der Geschichte steckt ihnen noch in den Gliedern.<br />
Präsident Truman lehnt das Gesuch ab. Doch<br />
was ist dann? Das Leben in der abgeriegelten Stadt<br />
käme in kürzester Zeit zum Erliegen. Es scheint so, als<br />
ob die einzige Option darin bestünde, einen neuen<br />
Waffengang zu wagen oder Berlin aufzugeben.<br />
Doch dann <strong>komm</strong>t der rettende Gedanke: Die<br />
Land- <strong>und</strong> Seeverbindungen sind zwar blockiert,<br />
aber der Himmel ist frei! Für drei 32 Kilometer breite<br />
Streifen nach Berlin existiert ein Vertrag mit den Sowjets,<br />
der den Westalliierten die freie Nutzung dieses<br />
Raumes für den militärischen <strong>und</strong> zivilen Luftverkehr<br />
zusichert. Sollte es gelingen, über diese „Luftkorridore“<br />
ausreichend Nahrungsmittel <strong>und</strong> Waren<br />
einzufliegen, könnte die Stadt aus der Luft versorgt<br />
werden. Bereits am nächsten Tag erlässt General Clay<br />
die entsprechenden Befehle. Die Operation „Vittles“<br />
der U. S. Air Force beginnt. Wenig später schließt sich<br />
die Royal Air Force, die britische Luftwaffe, mit der<br />
Operation „Plainfare“ an. Gemeinsam „bauen“ sie mit<br />
über vierh<strong>und</strong>ert Flugzeugen eine „Luftbrücke“ nach<br />
Berlin, ein „himmlisches Förderband“, das die Belagerten<br />
mit dem Nötigsten beliefert.<br />
Schnell wird klar: Der enorme Bedarf an Gütern<br />
erfordert, dass man bis an die Grenzen des technisch<br />
Möglichen geht. Das Entladen kostet<br />
zu Beginn zu viel Zeit. Wie ein Boxenstopp<br />
in der Formel-1 wird es optimiert, bis man<br />
von den anfangs 75, später nur noch 30 <strong>und</strong><br />
mit speziellen Frachtboxen schließlich oft<br />
nur noch 10 Minuten für den Umschlag einer<br />
9-Tonnen-Flugzeugladung benötigt. Außer den<br />
lebenswichtigen Nahrungsmitteln müssen auch<br />
Baustoffe, Medikamente, Ersatzteile <strong>und</strong> vor<br />
allem riesige Mengen Kohle transportiert werden,<br />
die neben der Stromproduktion in den Wintermonaten<br />
auch zum Heizen gebraucht wird. Das Verhältnis<br />
zwischen Besatzern <strong>und</strong> Westberlinern wandelt<br />
sich mit Beginn der Blockade schlagartig – aus<br />
Feinden werden Verbündete. Trotz der angespannten<br />
Situation bleibt ab <strong>und</strong> zu noch ein wenig Platz,<br />
um Süßigkeiten für die Kinder mitzunehmen. Liebevoll<br />
bezeichnet man die Transportflugzeuge, die Tag<br />
<strong>und</strong> Nacht über die Köpfe dröhnen, schon bald als<br />
„Rosinenbomber“.<br />
Die Flugkorridore erscheinen zunächst riesig,<br />
doch schon nach kurzer Zeit wird es eng am Himmel.<br />
Der Raum kann die vielen Luftfahrzeuge nur sicher<br />
aufnehmen, weil man ihnen unterschiedliche Flughöhen<br />
auf fünf verschiedenen Ebenen zuteilt <strong>und</strong><br />
eine Einbahnstraßenregelung einführt. Der Flugplan<br />
ist so eng geschachtelt, dass am Ende allein auf dem<br />
Flugplatz Tempelhof alle drei Minuten eine Maschine<br />
landet. Jeder Pilot be<strong>komm</strong>t nur einen einzigen Landeversuch.<br />
Misslingt dieser, muss er, mitsamt Ladung,<br />
abdrehen <strong>und</strong> den Rückflug antreten. Trotz aller Verbesserungen<br />
<strong>komm</strong>t es zu 25 Abstürzen <strong>und</strong> Kollisionen,<br />
bei denen insgesamt 83 Menschen sterben.<br />
Foto: lizenzfrei, von USAF – United States Air Force Historical Research Agency via Cees Steijger (1991), „A History of USAFE“, Voyageur, ISBN: 1853100757; USAF<br />
photo 070119-F-0000R-101 [1], Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4559179
lizenzfrei, eigenes<br />
Werk, CC BY-SA 3.0,<br />
https://commons.wikimedia.org/w/index.<br />
php?curid=2714737<br />
Mitten im Stadtgebiet ihres Sektors stampfen die<br />
Franzosen in nur neunzig Tagen den neuen Flughafen<br />
Berlin-Tegel aus dem Boden. Die Briten fliegen in ihrer<br />
Zone den notdürftig wiederhergestellten Flughafen<br />
Gatow an <strong>und</strong> nutzen außerdem die Wasserflächen<br />
von Havel <strong>und</strong> Großem Wannsee, um dort mit Flugbooten<br />
zu landen. Die Stadt erhält das modernste Radarsystem<br />
der Welt, damit man den Flugverkehr bei<br />
jedem Wetter, Tag <strong>und</strong> Nacht aufrechterhalten kann.<br />
Die Auswirkungen dieses monumentalen Kraftaktes<br />
reichen weit über Deutschland hinaus: Amerikanische<br />
Getreidelieferungen, die für Großbritannien<br />
bestimmt waren, werden nach Hamburg umgeleitet<br />
<strong>und</strong> nach Berlin geflogen. Für Direktflüge über den<br />
Atlantik gab es noch keine geeigneten Flugzeuge,<br />
aber über Zwischenlandungen auf ihren Stützpunkten<br />
in Grönland dehnen die Amerikaner die „himmlische<br />
Nachschublinie“ bis in ihre Heimat aus. Etwa<br />
150 000 Menschen helfen mit, die eingeschlossene<br />
Stadt in 280 000 Flügen mit 2,3 Millionen<br />
Tonnen Gütern zu versorgen. Die ganze Welt<br />
schaut zu. Nach 322 Tagen geben die Sowjets<br />
auf, überrascht vom Widerstandswillen des<br />
Westens. Unmittelbar danach wird die Luftbrücke<br />
eingestellt. Das Unternehmen gilt als größte<br />
logistische Meisterleistung der Geschichte, die<br />
Versorgung so vieler Menschen über den Luftweg<br />
als historisches Novum.<br />
Aber war es das tatsächlich? Viele Jahrh<strong>und</strong>erte<br />
zuvor wanderte das Volk Israel durch die<br />
Wüstenregionen von Sinai <strong>und</strong> Negev in Richtung<br />
Kanaan. Sie rechneten mit einer kurzen Reise – die<br />
schnellste Route, der Weg durchs Land der Philister<br />
(2Mo 13,17), wäre in zwei Wochen zu schaffen<br />
gewesen. Doch einen Monat später, als die Vorräte<br />
aufgebraucht waren, lagerten sie noch immer<br />
tief in der Wüste <strong>und</strong> stellten sich die besorgte Frage:<br />
„Sollte Gott in der Wüste einen Tisch bereiten können?<br />
Siehe, den Felsen hat er geschlagen, <strong>und</strong> Wasser<br />
flossen heraus, <strong>und</strong> Bäche strömten; wird er auch<br />
Brot geben können?“ (Ps 78,19.20).<br />
Elektrizität war noch unbekannt, Stromversorgung<br />
nicht nötig. Gott hatte dem<br />
Volk einen lebenswichtigen Versorgungsstrom<br />
gegeben: Wasser aus dem Felsen! Die<br />
Israeliten betrachteten dieses W<strong>und</strong>er allerdings<br />
nach kurzer Zeit als gewöhnlich – Quellen, die<br />
aus dem Gestein hervorsprudelten, waren schließlich<br />
eine ganz natürliche Sache. Die Frage nach der<br />
Nahrung war da schon von ganz anderem Kaliber.<br />
Woher sollte es in der Wüste Brot geben? Ihr Problem<br />
wurde von oben her gelöst; um sie her war nichts als<br />
lebensfeindliche Wüste – aber der Himmel war frei:<br />
„Da sprach der Herr zu Mose: Siehe, ich werde euch<br />
Brot vom Himmel regnen lassen; <strong>und</strong> das Volk soll hinausgehen<br />
<strong>und</strong> den täglichen Bedarf an jedem Tag<br />
sammeln“ (2Mo 16,4).<br />
Gott führte sein Vorhaben aus <strong>und</strong> versorgte das<br />
Volk Israel nicht nur 322, sondern fast 15 000 Tage,<br />
trotz ihrer Zweifel <strong>und</strong> ihres Murrens:<br />
„Und doch hatte er den Wolken oben geboten <strong>und</strong> die<br />
Türen des Himmels geöffnet <strong>und</strong> Manna auf sie regnen<br />
lassen, damit sie äßen, <strong>und</strong> ihnen Himmelsgetreide gegeben.<br />
Der Mensch aß Brot der Starken, Speise sandte<br />
er ihnen bis zur Sättigung“ (Ps 78,23–25).<br />
Das Himmelsbrot (Ps 105,40) diente einem großen<br />
Volk vierzig Jahre lang als Gr<strong>und</strong>nahrungsmittel.<br />
Es ist ein symbolischer Hinweis auf den <strong>komm</strong>enden<br />
Erlöser Jesus Christus, das „wahrhaftige Brot<br />
aus dem Himmel / Brot Gottes / Brot des Lebens / lebendige<br />
Brot“ (Joh 6,32.33.35.51). Er ist es, der die<br />
tiefsten Bedürfnisse des Menschen stillt – die Sehnsucht<br />
nach Erlösung, Vergebung, Annahme, Gemeinschaft,<br />
Frieden, Befreiung <strong>und</strong> Hoffnung. Das<br />
Reden mit Ihm im Gebet, das Lesen der Bibel <strong>und</strong><br />
das Nachdenken darüber finden eine schöne Entsprechung<br />
im täglichen Aufsammeln des Mannas<br />
in der Wüste, denn „nicht von Brot allein soll der<br />
Mensch leben, sondern von jedem Wort Gottes“<br />
(Lk 4,4; vgl. 5Mo 8,3).<br />
Schöpfungs-<br />
Andacht<br />
27<br />
Alexander von Stein<br />
SCHÖPFUNGSWUNDER?<br />
Mit dem Begriff Schöpfungsw<strong>und</strong>er verbindet man zuerst die 6-Tage-Schöpfung <strong>und</strong> die außergewöhnlichen Geschöpfe<br />
in dem uns umgebenden Mikro- <strong>und</strong> Makrokosmos. Schaut man jedoch genauer hin, so enthalten fast alle W<strong>und</strong>ertaten<br />
Gottes, über die die Bibel berichtet, den eindeutigen Schöpfungsaspekt des Ins-Dasein-Rufens <strong>und</strong> Neu-Erschaffens.<br />
Viele kluge Köpfe haben versucht, das Manna mit irgendeiner natürlich vor<strong>komm</strong>enden Substanz pflanzlichen oder tierischen<br />
Ursprungs zu identifizieren. Zu diesen Bemühungen ist nur zu sagen: „Nomen est omen.“ Der Name Manna leitet<br />
sich vom hebräischen man hu? – „Was ist das?“ – ab, eine Frage, die offenbleibt.<br />
Es ist nichts bekannt, was die Eigenschaften fein, körnig (o. schuppenartig), wie Reif <strong>und</strong> weiß wie Koriandersamen mit<br />
einem Geschmack wie Honigkuchen (2Mo 16,14.31) in sich vereint <strong>und</strong> dazu noch so außerordentlich nahrhaft ist, dass es<br />
zum Hauptnahrungsmittel taugt. Die wenigen Kandidaten, die dafür überhaupt in Erwägung gezogen wurden, wie zum<br />
Beispiel die Mannaflechte (Lecanora esculenta) oder ein Ausscheidungssekret der Schildlaus (Najococcus serpentinus o. Trabutina<br />
mannipura) scheitern außerdem daran, dass sie nie in größeren Mengen auftreten <strong>und</strong> nicht vom Himmel fallen.<br />
<strong>komm</strong> <strong>und</strong> <strong>sieh</strong>, <strong>Heft</strong> 1/2017
Mitarbeiter-Seminar<br />
23.-25. Februar<br />
für Jugendliche, die in der<br />
Kinderarbeit mithelfen<br />
oder dies beabsichtigen<br />
Familien-Freizeiten<br />
24.-28. Mai<br />
27. August - 1. September<br />
Bibelstudiertage<br />
Thema: Die kleinen Propheten<br />
5.-11. März<br />
für Teilnehmer ab 18 Jahre<br />
Thema: Die 0ffenbarung<br />
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mit Pflege- oder<br />
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Kinderfreizeiten<br />
1.-8. Juli (I)<br />
19.-26. August (II)<br />
für Kinder von 8-12 Jahren<br />
Jungen-Freizeit<br />
24. Juni - 1. Juli<br />
für Jungen von 12-14 Jahren<br />
Kanufreizeiten<br />
19.-22. Juli (Jungen)<br />
26.-29. Juli (Mädchen)<br />
für Jugendliche ab 14 Jahren<br />
TFB<br />
Teenager-Ferien-Bibelschule<br />
23.-29. Juli (Jungen ab 14 Jahren)<br />
30. Juli - 5. August (Mädchen ab 14 Jahren)<br />
Musical-Freizeit<br />
für Kids & Teens<br />
8.-14. 0ktober<br />
22.-28. 0ktober<br />
Sommerbibeltage<br />
1.-3. September<br />
Ehe-Vorbereitungs-<br />
Seminar<br />
20.-22. 0ktober<br />
NEU<br />
Freizeitgelände Reiherhals, Lychener Straße 7, 17279 Lychen<br />
Anmeldungen unter: • online: www.reiherhals.de • tel: 039888-52157 • fax: 039888-52310<br />
• mail: ute@reiherhals.de<br />
... niemand als Jesus allein