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komm und sieh, Heft 46

Zeitschrift für die christliche Familie, Ausgabe Januar-März 2017

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Schöpfungs-<br />

Andacht<br />

VERSORGUNG AUS DER LUFT<br />

26<br />

24. Juni 1948. Washington D. C. Tiefer Ernst liegt auf<br />

den Gesichtern der Befehlshaber, die zur Krisenstabssitzung<br />

ins Weiße Haus gerufen worden sind.<br />

Der heraufdämmernde Morgen bringt beunruhigende<br />

Neuigkeiten aus Europa: Die Spannungen<br />

zwischen den westlichen Alliierten USA, Großbritannien,<br />

Frankreich <strong>und</strong> ihrem östlichen Bündnispartner,<br />

der Sowjetunion, sind eskaliert. Der gemeinsame<br />

Feind hatte sie in den letzten Kriegsjahren fest<br />

zusammengeschmiedet, doch nun traten die Gegensätze<br />

der politischen Systeme <strong>und</strong> Ziele immer<br />

deutlicher zutage. Es hatte sich keine gemeinsame<br />

Linie für die Zukunft des besiegten Deutschen Reiches<br />

gef<strong>und</strong>en. Deshalb hatten die drei Westmächte<br />

im Alleingang eine Währungsreform in ihren Besatzungszonen<br />

durchgeführt <strong>und</strong> die wertlos gewordene<br />

Reichsmark durch die „Deutsche Mark“ ersetzt.<br />

Daraufhin verhängte die sowjetische Militärverwaltung<br />

eine totale Blockade über die Westsektoren<br />

der aufgeteilten Hauptstadt Berlin. Schon um Mitternacht<br />

wurden die Zuleitungen des Stromnetzes unterbrochen,<br />

am frühen Morgen folgte die Schließung<br />

aller Grenzübergänge sowie die Sperrung der Transitstraßen,<br />

Bahnrouten <strong>und</strong> Binnenschifffahrtslinien.<br />

Die vom Krieg stark zerstörte Großstadt beherbergt<br />

nun in den drei Westzonen neben den 2,2 Millionen<br />

Einwohnern auch über 8000 Soldaten der westlichen<br />

Militärgarnisonen. Inmitten einer Trümmerwüste, in<br />

der es keine nennenswerte landwirtschaftliche Produktion<br />

gibt, sind sie ganz auf die Versorgung von<br />

außen angewiesen.<br />

Der Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone,<br />

General Lucius D. Clay, erfasst die Dramatik<br />

der Situation <strong>und</strong> ersucht um die Erlaubnis, die<br />

Sperren mit einem Panzerzug zu durchbrechen, um<br />

so der Blockade ein schnelles <strong>und</strong> gewaltsames Ende<br />

zu machen. Das würde mit ziemlicher Sicherheit zu<br />

einem neuen Krieg führen, doch der schrecklichste<br />

Krieg der Geschichte steckt ihnen noch in den Gliedern.<br />

Präsident Truman lehnt das Gesuch ab. Doch<br />

was ist dann? Das Leben in der abgeriegelten Stadt<br />

käme in kürzester Zeit zum Erliegen. Es scheint so, als<br />

ob die einzige Option darin bestünde, einen neuen<br />

Waffengang zu wagen oder Berlin aufzugeben.<br />

Doch dann <strong>komm</strong>t der rettende Gedanke: Die<br />

Land- <strong>und</strong> Seeverbindungen sind zwar blockiert,<br />

aber der Himmel ist frei! Für drei 32 Kilometer breite<br />

Streifen nach Berlin existiert ein Vertrag mit den Sowjets,<br />

der den Westalliierten die freie Nutzung dieses<br />

Raumes für den militärischen <strong>und</strong> zivilen Luftverkehr<br />

zusichert. Sollte es gelingen, über diese „Luftkorridore“<br />

ausreichend Nahrungsmittel <strong>und</strong> Waren<br />

einzufliegen, könnte die Stadt aus der Luft versorgt<br />

werden. Bereits am nächsten Tag erlässt General Clay<br />

die entsprechenden Befehle. Die Operation „Vittles“<br />

der U. S. Air Force beginnt. Wenig später schließt sich<br />

die Royal Air Force, die britische Luftwaffe, mit der<br />

Operation „Plainfare“ an. Gemeinsam „bauen“ sie mit<br />

über vierh<strong>und</strong>ert Flugzeugen eine „Luftbrücke“ nach<br />

Berlin, ein „himmlisches Förderband“, das die Belagerten<br />

mit dem Nötigsten beliefert.<br />

Schnell wird klar: Der enorme Bedarf an Gütern<br />

erfordert, dass man bis an die Grenzen des technisch<br />

Möglichen geht. Das Entladen kostet<br />

zu Beginn zu viel Zeit. Wie ein Boxenstopp<br />

in der Formel-1 wird es optimiert, bis man<br />

von den anfangs 75, später nur noch 30 <strong>und</strong><br />

mit speziellen Frachtboxen schließlich oft<br />

nur noch 10 Minuten für den Umschlag einer<br />

9-Tonnen-Flugzeugladung benötigt. Außer den<br />

lebenswichtigen Nahrungsmitteln müssen auch<br />

Baustoffe, Medikamente, Ersatzteile <strong>und</strong> vor<br />

allem riesige Mengen Kohle transportiert werden,<br />

die neben der Stromproduktion in den Wintermonaten<br />

auch zum Heizen gebraucht wird. Das Verhältnis<br />

zwischen Besatzern <strong>und</strong> Westberlinern wandelt<br />

sich mit Beginn der Blockade schlagartig – aus<br />

Feinden werden Verbündete. Trotz der angespannten<br />

Situation bleibt ab <strong>und</strong> zu noch ein wenig Platz,<br />

um Süßigkeiten für die Kinder mitzunehmen. Liebevoll<br />

bezeichnet man die Transportflugzeuge, die Tag<br />

<strong>und</strong> Nacht über die Köpfe dröhnen, schon bald als<br />

„Rosinenbomber“.<br />

Die Flugkorridore erscheinen zunächst riesig,<br />

doch schon nach kurzer Zeit wird es eng am Himmel.<br />

Der Raum kann die vielen Luftfahrzeuge nur sicher<br />

aufnehmen, weil man ihnen unterschiedliche Flughöhen<br />

auf fünf verschiedenen Ebenen zuteilt <strong>und</strong><br />

eine Einbahnstraßenregelung einführt. Der Flugplan<br />

ist so eng geschachtelt, dass am Ende allein auf dem<br />

Flugplatz Tempelhof alle drei Minuten eine Maschine<br />

landet. Jeder Pilot be<strong>komm</strong>t nur einen einzigen Landeversuch.<br />

Misslingt dieser, muss er, mitsamt Ladung,<br />

abdrehen <strong>und</strong> den Rückflug antreten. Trotz aller Verbesserungen<br />

<strong>komm</strong>t es zu 25 Abstürzen <strong>und</strong> Kollisionen,<br />

bei denen insgesamt 83 Menschen sterben.<br />

Foto: lizenzfrei, von USAF – United States Air Force Historical Research Agency via Cees Steijger (1991), „A History of USAFE“, Voyageur, ISBN: 1853100757; USAF<br />

photo 070119-F-0000R-101 [1], Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4559179

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