COMPACT-Magazin 07-2016
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<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Sachverständige fürs Spitzeln? Anetta Kahane 2012 im Thüringer<br />
Landtag. Foto: picture alliance/ZB<br />
Nazikeule. So würde durch die Neufassung auch die<br />
«Tätertypenlehre» der NS-Zeit ausgemerzt – denn die<br />
heutige Textfassung des Gesetzes stammt aus dem<br />
Jahre 1941. Selbst beim Koalitionspartner stieß Maas‘<br />
Freibrief für Gewaltverbrecher auf entsetzte Reaktionen.<br />
«Der Entwurf bestätigt leider genau das, wovor<br />
ich immer gewarnt habe, nämlich dass bei einer – im<br />
Grunde überflüssigen – Reform die absolute Strafdrohung<br />
”lebenslang” für Mord zur Disposition gestellt<br />
wird», kommentierte Bayerns Justizminister Winfried<br />
Bausback (CSU) im Spiegel.<br />
Mit seinem Eifer im Stile eines Großinquisitors<br />
hat sich der Justizminister mittlerweile zu einem der<br />
Aushängeschilder der SPD hochgearbeitet. Der Spiegel<br />
sah ihn 2015 bereits als «Kanzlerkandidaten der<br />
Reserve». Dabei war der heute 49-Jährige bundesweit<br />
ein kaum beschriebenes Blatt, als Parteichef Sigmar<br />
Gabriel ihn 2013 nach Berlin holte. Programmiert<br />
war dieser Aufstieg nicht. Als Kind war er Messdiener,<br />
im Übrigen «kein Schüler, an den sich meine Lehrer<br />
mit leuchtenden Augen erinnern», räumte Maas im<br />
Landtagswahlkampf 2009 im SPD-<strong>Magazin</strong> Vorwärts<br />
ein. Auch die Maloche schien es ihm nicht unbedingt<br />
angetan zu haben: «Nach der Bundeswehr arbeitete<br />
ich ein Jahr am Band bei den Fordwerken in Saarlouis.<br />
Dort war Früh- und Mittagschicht angesagt – und das<br />
war eine echte Erfahrung.»<br />
Stattdessen versuchte sich Maas neben einem<br />
Jurastudium in der Politik. Kräftig protegiert durch den<br />
damaligen saarländischen Ministerpräsidenten Oskar<br />
Lafontaine zog er 1994 – mit 26 Jahren – erstmals in<br />
den Landtag ein. Nur zwei Jahre später – eine Blitzkarriere!<br />
– wechselte der Jungpolitiker als Staatssekretär<br />
ins Ministerium für Umwelt, Energie und Verkehr, stieg<br />
1998 sogar zum Ressortchef auf. Nach der Wahlniederlage<br />
der SPD im Saarland 1999 zog Maas als Oppositionsführer<br />
in den Landtag ein. Seine Bilanz: Von<br />
44,4 Prozent der Stimmen bei der Wahl 1999 rutschte<br />
die SPD auf ihr saarländisches Allzeit-Tief von 24,5 Prozent<br />
beim Urnengang 2009. Persönliche Konsequenzen<br />
zog Maas nie. 2012, nach drei erfolglosen Spitzenkandidaturen<br />
in Folge und der Bildung einer großen Koalition,<br />
wurde Maas Wirtschaftsminister in Saarbrücken.<br />
Gestörtes Demokratieverständnis<br />
Dass es mit dem Verständnis des Juristen Maas<br />
für den Rechtsstaat vielleicht nicht weit her ist,<br />
schien auch der mediale Mainstream früh zu ahnen.<br />
Der Sozialdemokrat sei «ein Justizminister, dem die<br />
Justiz fremd ist», so das Verdikt von Heribert Prantl<br />
2013 in der Süddeutschen Zeitung. Gemeint war, dass<br />
Maas zwar 1996 das zweite juristische Staatsexamen<br />
ablegte, aber offenbar nie als Jurist tätig war.<br />
«Welches Bild von Demokratie hat<br />
Heiko Maas?» Jakob Augstein<br />
Diese Warnungen sollten sich bewahrheiten. Allerdings<br />
war es nicht der Feldzug gegen das eigene Volk,<br />
der Maas Negativschlagzeilen der Konformistenpresse<br />
einbrachte. Nachdem das im grünen Milieu angesiedelte<br />
Onlinemagazin netzpolitik.org Interna des Verfassungsschutzes<br />
zur Onlineschnüffelei veröffentlichte,<br />
ermittelte im Frühjahr 2015 Generalbundesanwalt<br />
Harald Range wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen.<br />
Ein Rechtsgutachten der Staatsanwaltschaft<br />
ließ Maas jedoch stoppen und wies an, den zuständigen<br />
Gutachter zu entlassen. Selbst der Vorsitzende des<br />
Richterbundes, Christoph Frank, zeigte sich empört. Es<br />
sei «nicht hinnehmbar, wenn der Bundesjustizminister<br />
direkt in der Sache Einfluss genommen hat, nur weil<br />
ihm ein mögliches Ergebnis der Ermittlungen politisch<br />
nicht opportun erscheint». Wider Maas’ Willen ließ<br />
Range dennoch gegen die Netzpolitik-Blogger Markus<br />
Beckedahl und André Meister ermitteln. Kurzentschlossen<br />
feuerte der Minister seinen Chef-Staatsanwaltschaft,<br />
da das «Vertrauen in seine Amtsführung<br />
nachhaltig gestört ist». Aus Sicht des Vereins der Bundesrichter<br />
und Bundesanwälte am Bundesgerichtshof<br />
gebe es «Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Behinderung<br />
der Ermittlungen des Generalbundesanwalts».<br />
Sogar der vom Salonlinken Jakob Augstein herausgegebene<br />
Freitag fragte: «Welches Bild von Demokratie<br />
hat Heiko Maas?»<br />
Maas ausgepfiffen<br />
Arrogante Beschimpfungen von<br />
Andersdenkenden gehören zu<br />
Maas‘ Repertoire. So bezeichnete<br />
er die Pegida-Demonstranten<br />
Ende 2014 als «Schande<br />
für Deutschland». Mittlerweile<br />
wächst der Widerstand gegen<br />
das Treiben des Ministers.<br />
Bei einem öffentlichen Auftritt<br />
im sächsischen Zwickau wurde<br />
Maas am 1. Mai von Bürgern<br />
ausgepfiffen und ergriff<br />
die Flucht. Bei einem Auftritt im<br />
brandenburgischen Dallgow-Döberitz<br />
am 31. Mai wurde Maas<br />
von Dutzenden Aktivisten ausgebuht.<br />
Auch privat sorgte der Sozialdemokrat<br />
für mehr als zweifelhafte<br />
Schlagzeilen. 2014 gab Maas<br />
den Raffke. Die Maklergebühr<br />
für die Vermietung seines Hauses<br />
in Saarlouis ließ er – damaliges<br />
Ministergehalt 14.293<br />
Euro – von seinem Mieter berappen.<br />
Zwei Kaltmieten plus<br />
Umsatzsteuer waren angefallen.<br />
Das entspreche «der gängigen<br />
Praxis und auch der geltenden<br />
Rechtslage», so Maas kaltschnäuzig.<br />
Damit war er formal<br />
im Recht, doch der SPD-Politiker<br />
hatte selbst gerade das sogenannte<br />
Bestellerprinzip eingeführt,<br />
welches Mieter von den<br />
Maklergebühren befreien sollte<br />
– und sich für die zu diesem<br />
Zeitpunkt allerdings noch nicht<br />
in Kraft getretene Neuregelung<br />
feiern lassen. Erst auf öffentlichen<br />
Druck erstattete Maas<br />
die Summe zurück.<br />
Heiko Maas in Zwickau.<br />
Foto: picture alliance/dpa<br />
Mit dieser Zensurbrille erschien<br />
Pegida-Führer Lutz Bachmann im April<br />
vor Gericht. Foto: picture alliance/dpa<br />
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