23.02.2017 Aufrufe

COMPACT-Magazin 07-2016

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Sachverständige fürs Spitzeln? Anetta Kahane 2012 im Thüringer<br />

Landtag. Foto: picture alliance/ZB<br />

Nazikeule. So würde durch die Neufassung auch die<br />

«Tätertypenlehre» der NS-Zeit ausgemerzt – denn die<br />

heutige Textfassung des Gesetzes stammt aus dem<br />

Jahre 1941. Selbst beim Koalitionspartner stieß Maas‘<br />

Freibrief für Gewaltverbrecher auf entsetzte Reaktionen.<br />

«Der Entwurf bestätigt leider genau das, wovor<br />

ich immer gewarnt habe, nämlich dass bei einer – im<br />

Grunde überflüssigen – Reform die absolute Strafdrohung<br />

”lebenslang” für Mord zur Disposition gestellt<br />

wird», kommentierte Bayerns Justizminister Winfried<br />

Bausback (CSU) im Spiegel.<br />

Mit seinem Eifer im Stile eines Großinquisitors<br />

hat sich der Justizminister mittlerweile zu einem der<br />

Aushängeschilder der SPD hochgearbeitet. Der Spiegel<br />

sah ihn 2015 bereits als «Kanzlerkandidaten der<br />

Reserve». Dabei war der heute 49-Jährige bundesweit<br />

ein kaum beschriebenes Blatt, als Parteichef Sigmar<br />

Gabriel ihn 2013 nach Berlin holte. Programmiert<br />

war dieser Aufstieg nicht. Als Kind war er Messdiener,<br />

im Übrigen «kein Schüler, an den sich meine Lehrer<br />

mit leuchtenden Augen erinnern», räumte Maas im<br />

Landtagswahlkampf 2009 im SPD-<strong>Magazin</strong> Vorwärts<br />

ein. Auch die Maloche schien es ihm nicht unbedingt<br />

angetan zu haben: «Nach der Bundeswehr arbeitete<br />

ich ein Jahr am Band bei den Fordwerken in Saarlouis.<br />

Dort war Früh- und Mittagschicht angesagt – und das<br />

war eine echte Erfahrung.»<br />

Stattdessen versuchte sich Maas neben einem<br />

Jurastudium in der Politik. Kräftig protegiert durch den<br />

damaligen saarländischen Ministerpräsidenten Oskar<br />

Lafontaine zog er 1994 – mit 26 Jahren – erstmals in<br />

den Landtag ein. Nur zwei Jahre später – eine Blitzkarriere!<br />

– wechselte der Jungpolitiker als Staatssekretär<br />

ins Ministerium für Umwelt, Energie und Verkehr, stieg<br />

1998 sogar zum Ressortchef auf. Nach der Wahlniederlage<br />

der SPD im Saarland 1999 zog Maas als Oppositionsführer<br />

in den Landtag ein. Seine Bilanz: Von<br />

44,4 Prozent der Stimmen bei der Wahl 1999 rutschte<br />

die SPD auf ihr saarländisches Allzeit-Tief von 24,5 Prozent<br />

beim Urnengang 2009. Persönliche Konsequenzen<br />

zog Maas nie. 2012, nach drei erfolglosen Spitzenkandidaturen<br />

in Folge und der Bildung einer großen Koalition,<br />

wurde Maas Wirtschaftsminister in Saarbrücken.<br />

Gestörtes Demokratieverständnis<br />

Dass es mit dem Verständnis des Juristen Maas<br />

für den Rechtsstaat vielleicht nicht weit her ist,<br />

schien auch der mediale Mainstream früh zu ahnen.<br />

Der Sozialdemokrat sei «ein Justizminister, dem die<br />

Justiz fremd ist», so das Verdikt von Heribert Prantl<br />

2013 in der Süddeutschen Zeitung. Gemeint war, dass<br />

Maas zwar 1996 das zweite juristische Staatsexamen<br />

ablegte, aber offenbar nie als Jurist tätig war.<br />

«Welches Bild von Demokratie hat<br />

Heiko Maas?» Jakob Augstein<br />

Diese Warnungen sollten sich bewahrheiten. Allerdings<br />

war es nicht der Feldzug gegen das eigene Volk,<br />

der Maas Negativschlagzeilen der Konformistenpresse<br />

einbrachte. Nachdem das im grünen Milieu angesiedelte<br />

Onlinemagazin netzpolitik.org Interna des Verfassungsschutzes<br />

zur Onlineschnüffelei veröffentlichte,<br />

ermittelte im Frühjahr 2015 Generalbundesanwalt<br />

Harald Range wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen.<br />

Ein Rechtsgutachten der Staatsanwaltschaft<br />

ließ Maas jedoch stoppen und wies an, den zuständigen<br />

Gutachter zu entlassen. Selbst der Vorsitzende des<br />

Richterbundes, Christoph Frank, zeigte sich empört. Es<br />

sei «nicht hinnehmbar, wenn der Bundesjustizminister<br />

direkt in der Sache Einfluss genommen hat, nur weil<br />

ihm ein mögliches Ergebnis der Ermittlungen politisch<br />

nicht opportun erscheint». Wider Maas’ Willen ließ<br />

Range dennoch gegen die Netzpolitik-Blogger Markus<br />

Beckedahl und André Meister ermitteln. Kurzentschlossen<br />

feuerte der Minister seinen Chef-Staatsanwaltschaft,<br />

da das «Vertrauen in seine Amtsführung<br />

nachhaltig gestört ist». Aus Sicht des Vereins der Bundesrichter<br />

und Bundesanwälte am Bundesgerichtshof<br />

gebe es «Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Behinderung<br />

der Ermittlungen des Generalbundesanwalts».<br />

Sogar der vom Salonlinken Jakob Augstein herausgegebene<br />

Freitag fragte: «Welches Bild von Demokratie<br />

hat Heiko Maas?»<br />

Maas ausgepfiffen<br />

Arrogante Beschimpfungen von<br />

Andersdenkenden gehören zu<br />

Maas‘ Repertoire. So bezeichnete<br />

er die Pegida-Demonstranten<br />

Ende 2014 als «Schande<br />

für Deutschland». Mittlerweile<br />

wächst der Widerstand gegen<br />

das Treiben des Ministers.<br />

Bei einem öffentlichen Auftritt<br />

im sächsischen Zwickau wurde<br />

Maas am 1. Mai von Bürgern<br />

ausgepfiffen und ergriff<br />

die Flucht. Bei einem Auftritt im<br />

brandenburgischen Dallgow-Döberitz<br />

am 31. Mai wurde Maas<br />

von Dutzenden Aktivisten ausgebuht.<br />

Auch privat sorgte der Sozialdemokrat<br />

für mehr als zweifelhafte<br />

Schlagzeilen. 2014 gab Maas<br />

den Raffke. Die Maklergebühr<br />

für die Vermietung seines Hauses<br />

in Saarlouis ließ er – damaliges<br />

Ministergehalt 14.293<br />

Euro – von seinem Mieter berappen.<br />

Zwei Kaltmieten plus<br />

Umsatzsteuer waren angefallen.<br />

Das entspreche «der gängigen<br />

Praxis und auch der geltenden<br />

Rechtslage», so Maas kaltschnäuzig.<br />

Damit war er formal<br />

im Recht, doch der SPD-Politiker<br />

hatte selbst gerade das sogenannte<br />

Bestellerprinzip eingeführt,<br />

welches Mieter von den<br />

Maklergebühren befreien sollte<br />

– und sich für die zu diesem<br />

Zeitpunkt allerdings noch nicht<br />

in Kraft getretene Neuregelung<br />

feiern lassen. Erst auf öffentlichen<br />

Druck erstattete Maas<br />

die Summe zurück.<br />

Heiko Maas in Zwickau.<br />

Foto: picture alliance/dpa<br />

Mit dieser Zensurbrille erschien<br />

Pegida-Führer Lutz Bachmann im April<br />

vor Gericht. Foto: picture alliance/dpa<br />

15

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!