COMPACT-Magazin 05-2016
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ausgabe 5/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />
www.compact-online.de<br />
Himmel<br />
hilf!<br />
Die neue Christenverfolgung<br />
Brüssel-Terror<br />
Merkels Schande<br />
Böhmermann<br />
Je suis Arschgeige<br />
RFID-Chip<br />
Spion unter der Haut<br />
Deutsches Bier<br />
Zurück zum Original<br />
Dossier: Protestparteien<br />
Von Grün bis AfD – Tops und Flopps
Ehrlicher Journalismus in Zeiten der Lüge.<br />
Die schweigende Mehrheit kann die Verhältnisse zum Tanzen bringen,<br />
wenn sie ihre Stimme wiederfindet. <strong>COMPACT</strong> ist ihr Lautsprecher, weil<br />
wir drucken und verbreiten, was andere nicht zu schreiben wagen.<br />
Unterstützen Sie uns jetzt mit einem Abo! Als Dankeschön genießen<br />
Sie exklusive Vorteile:<br />
<strong>COMPACT</strong>-Abonnenten<br />
bekommen das <strong>Magazin</strong>, bevor es am Kiosk erhältlich ist,<br />
jeden Monat in einer Versandtasche bequem nach Haus!<br />
zahlen kein Porto!<br />
erhalten ein Buch oder eine DVD ihrer Wahl gratis!<br />
zahlen bei <strong>COMPACT</strong>-Konferenzen nur den halben Eintrittspreis!<br />
haben freien Eintritt zu der monatl. Veranstaltungsreihe <strong>COMPACT</strong>-Live!<br />
www.mut-zum-abo.de<br />
Merkel im<br />
Erdowahn<br />
Die türkische Kanzlerin<br />
AfD-Triumph<br />
Klatsche für Blockparteien<br />
Bargeld-Verbot<br />
Die digitale Enteignung<br />
HC Strache<br />
Das große Interview<br />
Spur zum Mossad<br />
Der Barschel-Krimi<br />
Die bessere<br />
Freiwild<br />
Frau<br />
Kanzlerin<br />
AfD vor dem Durchbruch<br />
Das böse Ende der<br />
Willkommenskultur<br />
Merkel am Ende<br />
Drei Schritte zum Sturz<br />
Stalingrad 2.0<br />
Putin siegt in Aleppo<br />
Schweigekartell<br />
Der Sexmob und die Medien<br />
Polizistin mit Eiern<br />
Trump ist Trumpf<br />
Patriot unter Falken<br />
Migrantin auf Streife<br />
Superwanze Handy<br />
Handball-Helden<br />
Blut, Schweiß und Tore<br />
Tipps zum Selbstschutz<br />
Germaninnen<br />
Mit Liebreiz und Schwert<br />
Dossier: US-Wahlen<br />
Ausgabe 4/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />
www.compact-online.de<br />
Dossier: Revoltiert!<br />
Präsidentin Killary und die Neocons<br />
Camus über die Verteidigung Europas<br />
Dossier: Die Lügenjournalisten<br />
Agenten der Meinungsdiktatur<br />
Ausgabe 3/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />
www.compact-online.de<br />
Ausgabe 2/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />
www.compact-online.de
Böhmermann: Je suis Arschgeige<br />
Böhmermann hier, Böhmermann da. Morgens, mittags,<br />
abends. Ich kann den Typen mit seinem Hipster-<br />
Bärtchen nicht mehr sehen. Jammert fast so schlimm<br />
rum wie Erdogan: Huch, ich verstehe die Welt nicht<br />
mehr. Huch, ich komme nicht zur Grimme-Preis-Verleihung.<br />
Huch, ich brauche Polizeischutz. Was für<br />
ein Warmduscher! Der Engländer sagt: If you can‘t<br />
stand the heat, get out of the kitchen. Auf Deutsch:<br />
Wenn Du schon den Türken wegen seines angeblich<br />
kleinen Johannes anfurzt, dann musst Du beweisen,<br />
dass Du einen längeren hast. Hast Du aber nicht. Du<br />
hast einfach wie ein Besoffener rumgepinkelt, politischer<br />
Inhalt nahe null, und am Ende hast Du gemerkt,<br />
dass Du einen Dobermann angestrullert hast. Und jetzt<br />
rennst Du zu Mutti, damit sie Dir hilft. Das Problem: Die<br />
hat selber mehr Schiss als Vaterlandsliebe.<br />
<strong>COMPACT</strong> Editorial<br />
Am meisten ärgert mich ja, dass ich am Ende des<br />
Tages juristisch auch noch hinter dem Weichei stehen<br />
muss. Ja, muss, denn Satire darf alles, da hat Tucholsky<br />
recht! Und außerdem ist Lachen gesund, da darf‘s<br />
auch mal derbe zugehen. Von Akif Pirinçci habe ich<br />
mir außerdem sagen lassen, dass die Osmanen ohnedies<br />
viel schlimmer fluchen als wir – «Fick Deine Mutter»<br />
sei da noch das Harmloseste. Vor allem aber: Der<br />
Orient-Gröfaz soll die Klappe halten und sich nicht in<br />
unsere Innenpolitik einmischen. Mit einem Böhmermann<br />
werden wir schon selber fertig – wenn wir hoffentlich<br />
bald die GEZ-Medien per Zahlungsboykott<br />
auf eine Mindestversorgung zurechtstutzen. Anders<br />
gesagt: Die Kultur in Deutschland ist Sache der Deutschen,<br />
dazu brauchen wir keinen Mufti-Zensor. Hier<br />
Almanya, nicht Antalya– kapiert, Erdogan?!<br />
Aber nur einer Minderheit der Böhmermann-Unterstützer<br />
geht es um die Freiheit Deutschlands und die<br />
Verteidigung gegen ausländische Einmischung. Man<br />
muss sich nur die Truppe anschauen, die sich hinter<br />
seinem schmächtigen Rücken versammelt hat: Von<br />
Springer-Chef Mathias Döpfner über die Grünen bis<br />
zur Linkspartei twittern alle #freeboehmi, die uns bisher<br />
schon mit «Refugee welcome» genervt haben und<br />
unser Volk austauschen wollen. Man wird den Verdacht<br />
nicht los, dass diese Multikulti-Querfront nicht,<br />
wie unsereins, Erdogan zum Teufel wünscht, weil er<br />
zu viele Asylforderer zu uns durchlässt – sondern zu<br />
wenige. Für diese Bagage ist der starke Mann vom<br />
Bosporus nicht deswegen zum Hassobjekt geworden,<br />
weil er die Souveränität Deutschlands verhöhnt, sondern<br />
weil er die Souveränität der Türkei verteidigt.<br />
Bei allem, was man Schlechtes über ihn sagen muss,<br />
zeichnet ihn immerhin aus, was den deutschen Politikdarstellern<br />
fehlt: Er hat Eier, und er steht für sein<br />
Volk ein. Will man ihm klarmachen, dass er daraus<br />
keine Verachtung anderer Völker ableiten darf, muss<br />
man ihm zeigen, wo der Hammer hängt. Derzeit macht<br />
das nur Putin.<br />
Böhmermann und Charlie Hebdo: Obwohl ich deren<br />
Meinungsfreiheit verteidige, werde ich mich nicht mit<br />
ihnen gemein machen. Sie bleiben Arschgeigen, weil<br />
sie unsere Feinde, die am Schluss auch auf sie losgegangen<br />
sind, selbst stark gemacht haben. Die französischen<br />
Karikaturisten haben jahrelang Jesus verhöhnt<br />
– mehr als Mohammed! – und damit die Zerstörung<br />
des christlichen Glaubens, der einen Schutzschild<br />
gegen den totalitären Islam bilden könnte, mit vorangetrieben.<br />
Und der TV-Zappeljan teilte in der Vergangenheit<br />
in schöner Regelmäßigkeit gegen Pegida und<br />
Co. aus – die immer schon vor der Erdoganisierung<br />
gewarnt haben.<br />
Ich wünsche mir Harald Schmidt zurück! Bei Dirty<br />
Harry ging‘s ebenfalls deftig zu aber es gibt zwei Unterschiede<br />
zu Böhmermann: Erstens respektierte der praktizierende<br />
Katholik den Glauben, und zweitens verspottete<br />
er in erster Linie die politische Korrektheit – und<br />
nicht deren Kritiker. Unvergessen, wie oft er «Neger»<br />
sagen konnte und wie sein «Nazometer» bei bööösen<br />
Wörtern wie Autobahn anschlug! Ob er genau deswegen<br />
abgesägt wurde?<br />
Chefredakteur Jürgen Elsässer.<br />
Foto: Jörg Gründler<br />
3
<strong>COMPACT</strong> Themen<br />
4<br />
Titelthema<br />
Die neue Christenverfolgung<br />
Politik<br />
Idomeni: Wenn Propaganda über Leichen geht<br />
Dossier<br />
Protestparteien<br />
Leben<br />
Zurück zum echten deutschen Bier!<br />
<strong>05</strong> Bild des Monats<br />
06 Leserbriefe<br />
07 Zitate des Monats<br />
08 <strong>COMPACT</strong> Intern<br />
09 Inter-national<br />
10 Köpfe des Monats<br />
Titelthema<br />
11 Die neue Christenverfolgung<br />
von Martin Müller-Mertens/<br />
Federico Bischoff<br />
15 Die Unterwerfung<br />
von Nils Röcke<br />
16 «Hat nichts mit dem Islam zu tun»<br />
von Adrian F. Lauber<br />
17 «Wir verharmlosen die faschistische<br />
Ideologie des Islam»<br />
Interview mit Imad Karim<br />
20 Auf Einladung der Kanzlerin<br />
von Jürgen Elsässer<br />
23 Der Schöngeist und die Umvolkung<br />
von Akif Pirinçci<br />
26 Die letzten Aramäer im Tur Abdin<br />
von Fritz Poppenberg<br />
Politik<br />
29 Wenn Propaganda über Leichen geht<br />
von Marc Dassen<br />
32 Germany, all-inclusive<br />
von Hans-Hermann Gockel<br />
35 Geschichten vom Pferd<br />
von Jürgen Elsässer<br />
36 Feuer im schwarzen Garten<br />
von Martin Müller-Mertens<br />
38 Sklaven des Mikrochips<br />
von Tino Perlick<br />
Dossier<br />
42 «Koalitionen sind derzeit kein Thema»<br />
Interview mit Dr. Jörg Meuthen<br />
45 Haiders Aufstieg, Haiders Fall<br />
von Klaus Faißner<br />
48 Zwischen Joschka und Jutta<br />
von Jürgen Elsässer<br />
50 «Nur durch eine Volkserhebung<br />
aufzuhalten»<br />
von Rudolf Bahro<br />
Leben<br />
53 Gestorben auf Golgatha<br />
von Harald Harzheim<br />
56 Zurück zum echten deutschen Bier!<br />
von Peter Wiegrefe<br />
59 Die Hexen sind los!<br />
von Pia Lobmeyer<br />
62 Die Wurzel vieler Übel<br />
von Jan von Flocken<br />
65 BRD-Sprech _ Einfache Antworten<br />
von Manfred Kleine-Hartlage<br />
66 Harzheims Klassiker _ 1001 Nacht<br />
von Harald Harzheim<br />
<strong>COMPACT</strong> Impressum<br />
Herausgeber & Verlag<br />
<strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong> GmbH<br />
Geschäftsführer Kai Homilius<br />
Am Zernsee 9, 14542 Werder (Havel)<br />
E-Mail verlag@compact-magazin.com<br />
Website www.compact-online.de<br />
Vertrieb, Bestellungen, Abo-Betreuung<br />
Fon 03327-5698611<br />
Fax 03327-5698617<br />
E-Mail vertrieb@compact-magazin.com<br />
Bankverbindung <strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong> GmbH<br />
Mittelbrandenburgische Sparkasse<br />
BIC: WELADED1PMB<br />
IBAN: DE74 16<strong>05</strong> 0000 1000 9090 49<br />
Redaktion<br />
E-Mail redaktion@compact-magazin.com<br />
Chefredakteur Jürgen Elsässer (V.i.S.d.P.)<br />
Chef vom Dienst Martin Müller-Mertens<br />
Fotoquelle Cover<br />
Suricoma/Vernon Wiley – istockphoto.com<br />
Cover/Layout/Bild Steffen Jordan<br />
<strong>COMPACT</strong>-Online Arne Fischer<br />
E-Mail fischer@compact-magazin.com<br />
Anzeigenakquise<br />
E-Mail anzeigen@compact-magazin.com<br />
Printed in Germany<br />
Druckauflage dieser Ausgabe<br />
85.000 Exemplare<br />
Erscheinungsdatum der nächsten Ausgabe<br />
26.<strong>05</strong>.<strong>2016</strong>
<strong>COMPACT</strong> Bild des Monats<br />
Panama Papers: Dazu hat Janosch schon das Notwendige gesagt. Panama ist der Sehnsuchtsort für den kleinen Bär und den kleinen Tiger. Sie machen sich gemeinsam auf die<br />
Reise, laufen aber nur im Kreis herum und bekommen Südamerika nie zu sehen. Auch die nach demselben Land benannten Steuerbetrugsdokumente hat noch niemand vor Augen<br />
gehabt. Sie sind im Tresor einer US-gesponserten Investigativtruppe und werden jetzt der Reihe nach so ausgeschlachtet, wie es Uncle Sam für opportun hält.<br />
Foto: peter/beltz& gehlberg<br />
5
<strong>COMPACT</strong> Leserbriefe<br />
Leserbriefe schicken Sie bitte an: leserbrief@compact-magazin.com<br />
Merkel im<br />
Erdowahn<br />
Die türkische Kanzlerin<br />
AfD-Triumph<br />
Klatsche für Blockparteien<br />
Bargeld-Verbot<br />
Die digitale Enteignung<br />
HC Strache<br />
Das große Interview<br />
Spur zum Mossad<br />
Der Barschel-Krimi<br />
Ausgabe 4/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />
www.compact-online.de<br />
Mein Abo letztes Jahr war eine sehr gute Entscheidung.<br />
Hier bekomme ich die mir fehlenden<br />
Informationen, um mir ein eigenes Bild<br />
machen zu können. Im Gegensatz zu den «Eliten»-Medien<br />
habe ich, trotz kritischer Betrachtung,<br />
noch keine Täuschung der Leser wahrgenommen.<br />
Bitte weiter so.<br />
K. Becker, per Website-Kommentar<br />
Sie überraschen mich immer wieder neu, Herr<br />
Elsässer. Monat für Monat freue ich mich auf<br />
das <strong>Magazin</strong> und dann wird alles zur Seite gelegt.<br />
Danke für so viel Mut!<br />
Bea Probst, per Facebook-Kommentar<br />
<strong>COMPACT</strong> kritisiert zu Recht das Abkommen<br />
der EU mit der Türkei. Es kann zu einer moslemischen<br />
Masseneinwanderung führen. Das<br />
strebt Erdogan wohl an.<br />
Rolf Michael Kiesen, per Website-Kommentar<br />
Der Türkei-Deal ist Kuhhandel und Hütchenspiel<br />
zugleich. Dieses Merkel-Regime gehört<br />
sofort abgesetzt. Was die Kurden angeht: Wir<br />
haben jetzt schon Messerstechereien zwischen<br />
Türken und Kurden, mit denen die Polizei<br />
überfordert ist. Uns erwartet ein Multikulti-Bürgerkrieg.<br />
angry management, per Youtube-Kommentar<br />
6<br />
Dossier: US-Wahlen<br />
Präsidentin Killary und die Neocons<br />
Zu <strong>COMPACT</strong> allgemein<br />
Liebes <strong>COMPACT</strong>-Team, ich habe mir gestern<br />
zum ersten Mal eine <strong>COMPACT</strong>-Ausgabe gekauft<br />
und muss sagen, dass dieses <strong>Magazin</strong><br />
wesentlich mehr Tiefe, Inhalt und journalistischen<br />
Fleiß beinhaltet als mein ehemaliges<br />
Stammheft, der Focus. Besonders der Artikel<br />
über Assad hat mich sehr angesprochen, da<br />
sich der Inhalt mit vielem deckt, was mir syrische<br />
Freunde berichtet haben. Ich werde weiterhin<br />
<strong>COMPACT</strong> kaufen und das Heft weiterempfehlen.<br />
Nathan Samuel I., per E-Mail<br />
Ich lese das <strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong> nun seit drei<br />
Jahren und habe noch keine einzige Ausgabe<br />
bereut, denn jede war sehr informativ und<br />
fundiert. Besonderen Spaß hatte mein Vater<br />
an dem Titelbild der letzten Ausgabe! Vielen<br />
Dank, liebe <strong>COMPACT</strong>-Mannschaft und weiter<br />
so! Anja, per Website-Kommentar<br />
Es gibt leider nur sehr wenige Zeitschriften<br />
wie <strong>COMPACT</strong>, die auch Themen aufgreifen,<br />
die den Mainstream-Medien widersprechen.<br />
Hut ab vor Herrn Elsässer und seinem Team.<br />
Weiter so. <br />
<br />
Bodega, per Website-Kommentar<br />
Viel Kraft Ihnen. Als nationalkonservativer<br />
Deutscher hat man heute wieder mehr Hoffnung<br />
denn je. Danke <strong>COMPACT</strong>!<br />
Juergen Ettinger, per Facebook-Kommentar<br />
Heute habe ich mir das Heft und <strong>COMPACT</strong><br />
Spezial am Bahnhof in Hannover gekauft. Die<br />
Verkäuferin behandelte mich wie einen Aussätzigen.<br />
Es sind noch einige «aufzuklären».<br />
Michael Theren, per Facebook-Kommentar<br />
Umso mehr die etablierten Blätter gegen<br />
<strong>COMPACT</strong> hetzen, umso neugieriger werden<br />
alle vernünftigen Leser nach <strong>COMPACT</strong> spähen!<br />
Jetzt bloß nicht nachlassen und keine<br />
Schnitzer machen. Einfach nur die Fakten publizieren,<br />
welche die Lügenpresse vertuschen<br />
will. Das reicht schon, um die Auflage explodieren<br />
zu lassen!<br />
Florian Hohenwarter, per Website-Kommentar<br />
<strong>COMPACT</strong> ist derzeit eine der wenigen Alternativen<br />
gegen die einseitige Berichterstattung<br />
in unseren Lei(d)tmedien. Ich habe diese Zeitschrift<br />
vor einem Jahr abonniert und bin froh,<br />
dies getan zu haben. Es freut mich zu hören,<br />
dass die Auflage drastisch angestiegen ist.<br />
Klaus Brill, per Website-Kommentar<br />
Zum Titelthema<br />
«Merkel im Erdowahn»<br />
Wieder einmal ein<br />
wahrlich genialer Titel!<br />
Die neue Kooperation<br />
mit dem Sultan aus der Türkei ist nur ein Ablenkungsmanöver.<br />
Es wird weitergehen wie<br />
zuvor.<br />
Selbstschutz-Deutschland, per Youtube-Kommentar<br />
Die EU will unabhängig von russischem Gas werden,<br />
und das neue Drehkreuz („energy hub“) für<br />
die Öl- und Gasversorgung der EU ist die Türkei.<br />
GeoPolitik und Zeitgeschichte, per Youtube-Kommentar<br />
Hatte heute die neue Ausgabe im Briefkasten.<br />
Musste richtig lachen beim Cover.<br />
Nico‘s Hobbykanal, per Youtube-Kommentar<br />
Tolles Titelbild. Humor ist Trumpf.<br />
Franz Kahn, per Facebook-Kommentar<br />
Merkel war schon amerikanische Kanzlerin<br />
und jetzt türkische Kanzlerin, nur deutsche<br />
Kanzlerin (halt eben ein Staatsoberhaupt, das<br />
sich für sein Volk einsetzt) war sie noch nicht!<br />
Klaus Brill, per Facebook-Kommentar<br />
Zu «Die digitale<br />
Enteignung»<br />
In dem Artikel von Boehringer/Hanert<br />
werden<br />
zwei wichtige Themen<br />
unzulässig miteinander vermischt. Zum einen<br />
die von den Eliten betriebene Abschaffung des<br />
Bargeldes, welche in der Tat die ultimative<br />
Freiheitsberaubung darstellt. Und zum anderen<br />
die im Kern durchaus richtige Idee eines<br />
negativen Zinses, der die Bargeldhortung als<br />
deflationären Eingriff in einen stetigen Wirtschaftskreislauf<br />
verhindern helfen kann. Allerdings<br />
zäumt die EZB das Pferd (absichtlich?)<br />
von der falschen Seite auf, indem sie die Einlagen<br />
der Geschäftsbanken unter Strafzins<br />
stellt. Richtiger wäre die abgestufte Negativverzinsung<br />
auf ausschließlich Bargeld. Grundsatz<br />
muss sein: Je kürzer Geld verfügbar, desto<br />
höher der Negativzins darauf. <br />
Peter Zimmermann, per E-Mail<br />
Zum Dossier: US-<br />
Wahlen<br />
Trump ist Anti-Establishment,<br />
keine Sprechpuppe,<br />
deshalb sollte er‘s<br />
werden, deshalb wird er‘s nicht (und wenn<br />
er‘s wird, wird er umgebracht, wie der Supreme-Court-Richter<br />
Scalia neulich)! Außerdem<br />
will Trump dann auch noch eine wirkliche Aufklärung<br />
zu 9/11, was natürlich einigen mächtigen<br />
Neocons Schweißausbrüche verursacht.<br />
Michael E., per Youtube-Kommentar
<strong>COMPACT</strong> Zitate des Monats<br />
Himmel hilf: Kirchen brennen! Foto: Archiv<br />
Krieg gegen Christen<br />
«Jesus hat eine Herausforderung hinterlassen:<br />
Liebet Eure Feinde! Betet für die, die Euch verfolgen!<br />
(…) Wir sollten versuchen, den Terroristen<br />
mit Beten und Liebe zu begegnen.» (Die<br />
evangelische Theologin Margot Käßmann, Bild am<br />
Sonntag, 27.3.<strong>2016</strong>)<br />
«Wir versprechen den Kreuzzügler-Staaten,<br />
welche sich gegen den Staat des Islams verbündet<br />
haben, schwarze Tage!» (IS-Terrorist<br />
nach den Anschlägen von Brüssel am 22. März,<br />
Welt am Sonntag, 27.3.<strong>2016</strong>)<br />
«Alle Welt redet über die Muslime, und das<br />
ist auch gut so. (…) Aber da gibt es noch eine<br />
Weltreligion, die unter dem Terror und Krieg<br />
in Nah- und Mittelost bitter leidet: die Christen.<br />
Ihre Zahl ist im Irak seit dem Einmarsch<br />
der USA vor nunmehr 13 Jahren dramatisch<br />
gesunken. Lebten dort vorher fast anderthalb<br />
Millionen von ihnen, sind es heute gerade mal<br />
300.000.» (Tagesspiegel Online, 30.3.<strong>2016</strong>)<br />
«Vor allem wenn es um Provokationen religiöser,<br />
genauer: christlicher Gefühle geht, geht in<br />
Deutschland alles. (…) Ähnlich, wenn die Titanic<br />
den Papst in einem Ganzkörper-Kondom<br />
oder mit einem Urinfleck auf dem Gewand<br />
zeigt. Sobald es gegen die katholische Kirche<br />
geht, ist das Lachen des Justemilieu programmiert.<br />
Es kann gar nicht respektlos und verletzend<br />
genug sein.» (Springer-Chef Mathias Döpfner,<br />
Die Welt, 10.4.<strong>2016</strong>)<br />
Fünf vor Bumm<br />
«Berlins Verfassungsschutzchef Palenda hatte<br />
im Februar von Erkenntnissen gesprochen,<br />
nach denen der Islamische Staat ”eine europaweite<br />
Anschlagsagenda verfolgt, zielgerichtet<br />
auf alle europäischen Großstädte”.<br />
(…) Auf einer Veranstaltung mit Politikern hatte<br />
Palenda auf die Frage, wie denn eine ”abstrakte<br />
Gefahr” zu verstehen sei, sehr pointiert<br />
formuliert: ”Höher geht es nicht. Alles, was<br />
danach kommt, ist Bumm.”» (Tagesspiegel Online,<br />
24.3.<strong>2016</strong>)<br />
Der Genosse der Bosse<br />
«Ich wurde schon von Arbeitgebern angesprochen,<br />
die sich Sorgen machen, dass nun keine<br />
Flüchtlinge mehr zu uns kommen.» (Thüringens<br />
Ministerpräsident Bodo Ramelow, Die Linke,<br />
Welt Online, 25.3.<strong>2016</strong>)<br />
Operation Billiglohn<br />
«Die SPD-Politikerin [Andrea Nahles] will<br />
100.000 Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge<br />
schaffen. (…) sie bekommt dafür 300 Millionen<br />
Euro. (…) Nun also sind die Ein-Euro-<br />
Jobs im großen Stil wieder da – für Flüchtlinge<br />
statt für Langzeitarbeitslose.» (Welt am<br />
Sonntag, 27.3.<strong>2016</strong>)<br />
Die verlorenen Kinder<br />
«Europol: mindestens 10.000 alleinreisende<br />
Flüchtlingskinder spurlos verschwunden. Europol<br />
warnt, ein Teil der Jungen und Mädchen<br />
könnte Opfer der Sex-Mafia geworden<br />
sein. Die Polizeigewerkschaft glaubt, dass viele<br />
der Kinder zu Kriminellen abgerichtet werden.»<br />
(Huffington Post Online, 30.3.<strong>2016</strong>)<br />
Hände weg vom Bargeld<br />
«Schweden ist auf dem Weg in die bargeldlose<br />
Gesellschaft. (…) Die Hälfte der Bankfilialen<br />
führt gar kein Bargeld mehr. In den anderen<br />
wird auch schon mal Polizei eingeschaltet,<br />
wenn Menschen mit Bargeld kommen.» (Welt<br />
Online, 30.3.<strong>2016</strong>)<br />
wie ”Ich hasse alle beschissenen Feministinnen,<br />
sie sollen sterben und in der Hölle brennen”<br />
bis zu ”Hitler hatte recht, ich hasse Juden”.»<br />
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.3.<strong>2016</strong>)<br />
Kein Aprilscherz<br />
«In einem Schulbus in Virginia ist explosive Ladung<br />
gefunden worden: Agenten des US-Geheimdiensts<br />
CIA hatten in dem Fahrzeug nach<br />
einer Übung Sprengstoff zurückgelassen. (…)<br />
Der Geheimdienst versicherte aber, es habe<br />
”keine Gefahr für die Insassen” bestanden.»<br />
(Spiegel Online, 1.4.<strong>2016</strong>)<br />
Angst vor dem Volk<br />
«Plebiszitäre Elemente zu europäischer Politik,<br />
die so angelegt sind wie die gestrige Abstimmung,<br />
können die EU in ihrem Bestand gefährden.»<br />
(Die Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament<br />
Rebecca Harms, zum Referendum der<br />
Niederländer über die EU-Assoziierung der Ukraine,<br />
Kölner Stadt-Anzeiger, 8.4.<strong>2016</strong>)<br />
Der Russe ist überall<br />
«Eine geheime Armee aus Saboteuren und<br />
Spionen, die nur auf ihren Einsatzbefehl aus<br />
Moskau warten. Nach Ansicht des Russland-<br />
Experten Boris Reitschuster ist dies (…) längst<br />
Realität in Deutschland. Reitschusters Vorwurf:<br />
Der russische Präsident Wladimir Putin<br />
soll eine verdeckte Kampftruppe in Deutschland<br />
und anderen Ländern des Westens unterhalten.»<br />
(Huffington Post Online, 11.4.<strong>2016</strong>)<br />
Demokratie abschaffen!<br />
«Alle klagen über den Mangel an Demokratie.<br />
Aber Wahlen sind nicht die Lösung. Es ist<br />
paradox: Wer Demokratie will, darf die Menschen<br />
nicht direkt befragen. (…) Sollen die<br />
Menschen an den politischen Entscheidungen<br />
mehr beteiligt werden? Bloß nicht. (…) Denn<br />
beim Volk, das ist eine paradoxe Wahrheit, ist<br />
die Demokratie nicht gut aufgehoben.» (Jakob<br />
Augstein, Spiegel Online, 11.4.<strong>2016</strong><br />
Kein Sex mit Pegida?<br />
Microsofts Hitler<br />
«Gehen oder bleiben? Mein Freund ist fremdenfeindlich.<br />
Über ein Datingportal lernt Lena<br />
einen tollen Mann kennen. Nach einer Weile<br />
stellt sie fest: Ihr Freund vertritt politische<br />
Meinungen, die sie für abstoßend hält. Und<br />
nun?» (brigitte.de, 11.3.<strong>2016</strong>)<br />
«Tay (…), eine künstliche Intelligenz aus dem<br />
Hause Microsoft (…) war programmiert, per<br />
Twitter mit der Welt zu kommunizieren und<br />
durch die Gespräche dazuzulernen. (…) Doch<br />
binnen kürzester Zeit brachten die Gespräche<br />
mit Menschen sie dazu, Sätze zu tweeten<br />
Scharia-Look im Kommen: Dolce & Gabbana bewirbt<br />
seine neue Kollektion. Foto: Dolce&Gabbana<br />
7
<strong>COMPACT</strong> Intern<br />
Reger Betrieb am <strong>COMPACT</strong>-Stand. Foto: Jörg Gründler<br />
Dieses Bild twitterte der Blogwart. Foto: Twitter/<br />
@rakeeede<br />
Der Gottseibeiuns auf dem Cover. Foto: Kreuzer<br />
Meteorit <strong>COMPACT</strong><br />
Blogwartschreck <strong>COMPACT</strong><br />
Schutzschirm <strong>COMPACT</strong><br />
8<br />
Bei <strong>COMPACT</strong> wächst nicht nur die Auflage.<br />
Auch der Umfang unseres schon traditionellen<br />
Auftritts auf der Leipziger Buchmesse<br />
hat sich <strong>2016</strong> gut und gerne verdoppelt.<br />
«In Halle 5 thront der Stand des <strong>Magazin</strong>s<br />
wie ein eingeschlagener Meteorit. Schon von<br />
Weitem ist der schwarze Quader sichtbar, der<br />
über dem Messestand zu schweben scheint»,<br />
schrieb die Taz nervös. Der Andrang war riesig,<br />
überall sah man Besucher mit den begehrten<br />
<strong>COMPACT</strong>-Taschen.<br />
Besondere Höhepunkte waren unsere Veranstaltungen<br />
im Sachbuchforum. Dabei stellten<br />
der Philosoph Peter Feist und Martin Müller-Mertens,<br />
Chef vom Dienst unseres <strong>Magazin</strong>s,<br />
am Freitag das neue <strong>COMPACT</strong> Spezial<br />
Nummer 9 – Zensur in der BRD vor. Einen<br />
Tag später diskutierten <strong>COMPACT</strong>-Verleger<br />
Kai Homilius und der Medienwissenschaftler<br />
Professor Michael Vogt über die Erfolgsgeschichte<br />
«Fünf Jahre <strong>COMPACT</strong>». Jeweils<br />
rund 100 Messebesucher, darunter viele unserer<br />
Leser, verfolgten aufmerksam die beiden<br />
Diskussionsrunden.<br />
Auch die Gegner von Meinungs- und Pressefreiheit<br />
gaben sich regelmäßig ein Stelldichein<br />
in der Nähe unseres Standes. An einer<br />
sachlichen Debatte, zu der wir unsere Kritiker<br />
herzlich einluden, schien kein Interesse<br />
zu bestehen. Jeweils pünktlich um 14:30 Uhr<br />
reckte ein Pulk selbsternannter Verleger gegen<br />
Rechts irgendwelche Schriften in die Höhe, um<br />
sich lautstark zu echauffieren. Die Leipziger<br />
und ihre Gäste quittierten den Aufmarsch der<br />
Antidemokraten jedoch höchstens mit einem<br />
müden Lächeln. Unser Sicherheitsdienst hielt<br />
die Schreihälse routiniert auf Distanz.<br />
Selten wurden die Warnungen von COM-<br />
PACT über den Demokratieabbau so beeindruckend<br />
bestätigt wie im April in Hamburg. Eine<br />
Edeka-Filiale im Bezirk Altona bot unter anderem<br />
auch das <strong>COMPACT</strong> Spezial Nummer 9 –<br />
Zensur in der BRD an. Sogar recht herausgehoben<br />
war das 82 Seiten starke Sonderheft<br />
platziert: Der Einzelhändler kennt eben den<br />
Geschmack seiner Kunden. Dort fiel es auch<br />
einem Benjamin Laufer, seines Zeichens unter<br />
anderem «AutorIn» bei der Taz, sowie einem<br />
Zeit-Mitarbeiter ins Auge.<br />
Vermutlich hyperventilierend griff Laufer<br />
zur Kamera, um die Twitter-Gemeinde mittels<br />
verwackelter Aufnahme darüber in Kenntnis<br />
zu setzen. Wie es sich für einen wackeren<br />
Neo-Blogwart gehört, beschwerte sich der<br />
35-Jährige umgehend bei der Filiale. Eilfertig<br />
lief der Edeka-Händler daraufhin in die Zensurfalle<br />
und nahm das <strong>COMPACT</strong> Spezial aus<br />
dem Angebot. Irgendwann fiel sogar Laufer<br />
auf, dass sein Nazi-Alarm selbst in der eigenen<br />
Zielgruppe nicht mehr ankommt. «Gerade<br />
mal zehn Menschen ”gefällt” der Tweet bisher»,<br />
jammerte er auf seinem Blog nach einigen<br />
Tagen.<br />
Um den ausgebliebenen Shitstorm zu kompensieren,<br />
sprang die Lügenpresse in die Bresche.<br />
«Was Edeka-Kunden im Supermarkt fanden,<br />
sorgt für einen Skandal», halluzinierte die<br />
Huffington Post. «Am Anfang war es nur ein<br />
Post auf Twitter – doch der verbreitete sich wie<br />
ein Lauffeuer», berichtete Focus Online aus irgendeinem<br />
Paralleluniversum. Dankbar waren<br />
immerhin die Leser. In den entsprechenden Onlineforen<br />
freuten sich viele, auf diesem Weg<br />
auf <strong>COMPACT</strong> aufmerksam geworden zu sein.<br />
Die großen Medien schießen sich immer<br />
stärker auf <strong>COMPACT</strong> ein: Anfang April das<br />
heute-journal im ZDF, schon Ende März große<br />
Tagesblätter wie die Leipziger Volkszeitung,<br />
die Hannoversche Allgemeine und die Ostsee<br />
Zeitung, Gesamtauflage über 800.000 Exemplare.<br />
Unter der Überschrift «Zentralorgan der<br />
Parallelgesellschaft – Wie der Ex-Linke Jürgen<br />
Elsässer mit <strong>COMPACT</strong> den Takt für AfD<br />
und Pegida vorgibt» wurde zwar ordentlich gegen<br />
uns geholzt – aber zwischen den Zeilen<br />
guckte der Neid aus allen Knopflöchern: «Sein<br />
<strong>Magazin</strong> spielt eine ähnliche Rolle wie Konkret<br />
für die Studentenbewegung und die frühe<br />
Taz für die frühen Grünen. Es spannt einen publizistischen<br />
Schirm über die ganze Bewegung,<br />
ventiliert deren Gedanken, die an ganz unterschiedlichen<br />
Stellen wieder auftauchen. So<br />
sehr sich AfD und Pegida inzwischen streiten<br />
mögen, Elsässer vereinigt alle Strömungen<br />
und beschleunigt sie.» <strong>COMPACT</strong> als das<br />
einende Band des Protestes – ein schönes<br />
Kompliment!<br />
Das Leipziger Linksmagazin Kreuzer – beworben<br />
mit dem passenden Slogan «Leipzig.<br />
Subjektiv. Selektiv.» – hievte Elsässer gar aufs<br />
Titelbild und warnte mit einer zehnseitigen<br />
Story vor dem bösen Umstürzler. «Während<br />
andere ”Merkel muss weg” schreien, entwirft<br />
Elsässer in seiner Zeitschrift <strong>COMPACT</strong> das<br />
dreistufige Programm dafür. (…) Für Tausende<br />
treue Leser aber ist die <strong>COMPACT</strong> viel mehr.<br />
Wahrheiten, die ihnen die ”Mainstreammedien”<br />
und ”Blockparteien” verschweigen, werden<br />
ihnen hier enthüllt (…). Den Chefredakteur<br />
Jürgen Elsässer verehren sie dafür wie<br />
einen Helden.» Zu viel des Lobes, liebe Kollegen!
<strong>COMPACT</strong> Inter-national<br />
Budapest: Im Dampfbad<br />
_ von Felix Ostermann<br />
Aarhus: In der Moschee<br />
_ von Fritz Poppenberg<br />
Graz: Auf dem Dach<br />
_ von Martin Sellner<br />
Es gab Zeiten, da reichte das Osmanische<br />
Reich bis vor die Tore Wiens. In Budapest zeugen<br />
heute, neben einigen dem Verfall preisgegebenen<br />
Moscheen, noch intakte türkische<br />
Dampfbäder von dieser Ära, auf die das ungarische<br />
Volk nicht unbedingt freudig zurückblickt.<br />
Aber nicht nur die Osmanen verstanden<br />
sich auf die Entspannung im heißen Wasser,<br />
sondern auch die Einheimischen. Davon zeugt<br />
das Gellértbad, 1912 im Jugendstil errichtet<br />
– die wohl schönste Therme der Stadt. Durch<br />
angloamerikanische Bomber im Zweiten Weltkrieg<br />
massiv zerstört, wurde es schon Ende der<br />
1950er Jahre in seiner ursprünglichen Pracht<br />
rekonstruiert und seither mehrfach renoviert.<br />
Nachdem ich meine müden Knochen in den<br />
heißen Becken ausgekocht habe, schmecken<br />
die gegrillten Käse-Medaillons auf Jasminreis<br />
in Buttersauce superb. Am Nachbartisch sitzen<br />
zwei Österreicher. Im schönsten Austriakisch<br />
wird über den deutschen Suppenkasper<br />
diskutiert. Es vergehen einige Sekunden, bis<br />
ich realisiere, dass damit Angela Merkel gemeint<br />
ist…<br />
Mir wird in diesem Moment wieder einmal<br />
bewusst, dass es die richtige Entscheidung<br />
war, in die Puszta-Republik auszuwandern.<br />
Das Land hat gerade vollständig seine<br />
IWF-Kredite zurückgezahlt, die Exportwirtschaft<br />
boomt mit sieben Prozent über Vorjahresniveau<br />
– und das Wichtigste: Die Grenzen<br />
sind dicht! Premier Viktor Orbán ist populär<br />
wie nie und will bald, als bisher Einziger in<br />
der EU, das Volk über seine Zuwanderungspolitik<br />
abstimmen lassen. So geht Demokratie!<br />
Tausend Dank an den dänischen Fernsehsender<br />
TV2, der Anfang April den Mut hatte,<br />
in acht Moscheen mit versteckter Kamera zu<br />
filmen und diese Aufnahmen landesweit auszustrahlen!<br />
Zur besten Sendezeit konnten Millionen<br />
Dänen schon mal einen Blick in den Abgrund<br />
werfen, den Imame in Kopenhagen, Aarhus<br />
und Odense für ihre nordischen Gastgeber<br />
ausgehoben haben. Der Prediger Abu Bilal<br />
von der Grimhøjvej-Moschee in Aarhus droht<br />
im Film: «Wenn eine verheiratete oder geschiedene<br />
Frau Unzucht begeht, (…) so soll<br />
sie zu Tode gesteinigt werden. (…) Wenn sie<br />
noch Jungfrau ist, dann ist die Strafe Auspeitschung!»<br />
Solche Hasspredigten sind nicht<br />
nur ein Fall für die Justiz, sondern vor allem<br />
ein frontaler Angriff auf die christlichen Fundamente<br />
der dänischen Gesellschaft. Wie<br />
sagte Jesus zu denen, die eine Ehebrecherin<br />
auf diese Weise bestrafen wollten? «Wer<br />
ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.»<br />
Der sozialdemokratische Bürgermeister<br />
von Aarhus, Jacob Bundsgaard, reagierte sofort,<br />
schon nach der Ausstrahlung des ersten<br />
Teils der Dokumentation. Er erklärte, den Bau<br />
einer geplanten Großmoschee in Aarhus verhindern<br />
zu wollen und hat schon eine deutliche<br />
Mehrheit des Stadtrats hinter sich. Und<br />
die Dänische Volkspartei, immerhin die größte<br />
Partei im Lande, schlug vor, Predigern, die gegen<br />
die Grundwerte der dänischen Gesellschaft<br />
verstoßen, die Staatsbürgerschaft zu<br />
entziehen. Der Vorschlag könnte bis zur Sommerpause<br />
in Gesetzesform gebracht werden.<br />
Am Nachmittag des 6. April sammeln sich<br />
rund 30 Aktivisten der Identitären Bewegung<br />
an einem konspirativen Treffpunkt in Graz.<br />
Der Plan: Als Reaktion auf den Terror in Brüssel<br />
soll die neue Moschee, die gerade in der<br />
Stadt errichtet wird, besetzt und mit einem<br />
16 Meter langen Banner verziert werden. Auf<br />
einmal meldet sich einer unserer Späher: Die<br />
Moschee-Baustelle ist bereits von einer Hunderschaft<br />
Polizisten samt Hundestaffel und<br />
Greiftruppe umstellt! Ein vorab informierter<br />
Journalist hat offenbar geplaudert… Die Aktion<br />
steht vor dem Scheitern.<br />
Doch ein weiteres Ziel liegt unbewacht nur<br />
wenige Kilometer entfernt: die Parteizentrale<br />
der Grünen, ein mehrstöckiges Haus am Fuße<br />
des Schlossbergs. Ist das nicht auch ein Symbol<br />
für die Masseneinwanderung und die Multikulti-Politik,<br />
die Graz zur Dschihad-Hochburg<br />
gemacht hat?<br />
Kurz vor 17 Uhr werden die Spitzen der<br />
grünen Landespartei, die sich zur Vorbereitung<br />
des Präsidentschaftswahlkampfes versammelt<br />
haben, plötzlich von Lärm aus ihren<br />
Gesprächen gerissen. Fassungslos beobachten<br />
sie, wie fünf Identitäre das Transparent<br />
mit dem Slogan «Islamismus tötet!» entrollen<br />
und mit mehreren Litern Kunstblut überschütten.<br />
Beim Eintreffen der Polizei ist die<br />
Aktion schon beendet – trotzdem wird sie binnen<br />
Stunden Tagesthema in der Alpenrepublik.<br />
Unsere Botschaft ist so unübersehbar wie der<br />
Farbfleck auf der Parteizentrale: Wir werden<br />
nicht schweigend abwarten, dass auch in Österreich<br />
ein Terroranschlag geschieht.<br />
9
<strong>COMPACT</strong> Köpfe des Monats<br />
Foto: Video N24, Screenshot<br />
Foto: picture alliance/dpa<br />
Foto: frei-wild.net<br />
Aufsteiger des Monats<br />
_ Sieglinde Baumert<br />
Absteiger des Monats<br />
_ David Cameron<br />
Was macht eigentlich<br />
_ Frei.Wild<br />
10<br />
Nach 61 Tagen öffneten sich im April die<br />
Gefängnistore für Sieglinde Baumert. «Zwei<br />
Wärterinnen standen auf einmal bei mir an<br />
der Zellentüre und sagten: ”Sie sind jetzt entlassen.”»,<br />
berichtete die 46-Jährige gegenüber<br />
N24. Im Februar hatte der Mitteldeutsche<br />
Rundfunk (MDR) Baumert einkerkern lassen,<br />
da sie seit 2013 die Zahlung der zum sogenannten<br />
Rundfunkbeitrag verniedlichten GEZ-<br />
Zwangsgebühr verweigert. Rund 190 Euro verlangte<br />
die ARD-Anstalt zuletzt von der Thüringerin,<br />
beantragte schließlich Erzwingungshaft.<br />
Anfang Februar holte die Polizei Baumert im<br />
Stile stalinistischer Säuberungsaktionen an<br />
ihrem Arbeitsplatz ab.<br />
Die ganze Zeit über blieb diese eine stille<br />
Heldin. Über ihr Privatleben ist praktisch<br />
nichts bekannt. Sie arbeitete ursprünglich als<br />
Erzieherin in einer Kita, war zuletzt in einem<br />
Metallbaubetrieb tätig – verlor die Stelle jedoch<br />
nach ihrer rabiaten Inhaftierung. Erst<br />
nach einem Bericht der Welt am Sonntag wurde<br />
der Fall mit fast zwei Monaten Verspätung<br />
öffentlich gemacht. Gegenüber dem Blatt zeigte<br />
sich Baumert als ungebrochene politische<br />
Gefangene. «Mit meiner Unterschrift [unter<br />
die geforderte Finanzauskunft] würde ich die<br />
Rechtmäßigkeit der Zwangsgebühren bestätigen.»<br />
Die Veröffentlichung hatte ungeahnte<br />
Folgen: Unzählige Medien griffen den Fall auf,<br />
im Internet formierte sich breite Unterstützung<br />
für die Unbeugsame. Angesichts des drohenden<br />
Imagedebakels zog der MDR den Haftantrag<br />
zurück – vorerst zumindest. Denn Sieglinde<br />
Baumert will nicht klein beigeben und auch<br />
künftig nicht bezahlen. (mmm)<br />
Gerne inszeniert er sich als «modernen,<br />
mitfühlenden Konservativen». Doch nun<br />
tauchte der Name des britischen Premierministers<br />
neben denen anderer Spitzenpolitiker<br />
in den sogenannten Panama Papers auf. Hatte<br />
er sein Privatvermögen durch Briefkastenfirmen<br />
geschleust? Schon 1997 investierte<br />
der heute 49-Jährige in einen dubiosen Fond,<br />
2010 – unmittelbar vor seiner Wahl zum Ministerpräsidenten<br />
– verkaufte er seine Anteile<br />
mit 100 Prozent Gewinn. «Die sonst nur<br />
von zynischen, alten Linken behauptete Verfolgung<br />
korrupter Klasseninteressen wird plötzlich<br />
zum unwiderlegbaren Fakt», kommentierte<br />
der linksliberale Guardian. Dass Cameron<br />
sein skandalträchtiges Investment erst nach<br />
drei Tagen eingestand, heizte den Skandal<br />
noch zusätzlich an.<br />
Nun könnte es eng werden für den Premier,<br />
denn am 23. Juni stimmen die Briten über ihre<br />
weitere Mitgliedschaft in der EU ab. Das Referendum<br />
war von Cameron ursprünglich nur als<br />
Druckmittel gedacht, um in Brüssel ein paar<br />
Sonderrechte für das Vereinigte Königreich<br />
herauszuholen und sich dann als Verteidiger<br />
der britischen Souveränität feiern zu lassen;<br />
die Briten würden dann schon für den Verbleib<br />
in der Union votieren. Doch mittlerweile hat<br />
sich Brexit-Stimmung im Lande breitgemacht.<br />
Gesellen sich zum überzeugten Austrittslager<br />
nun noch jene, die ihm als einem Symbol<br />
des habgierigen Establishments einen Denkzettel<br />
verpassen wollen, stünde Cameron im<br />
Juni als Verlierer da. Dann würde auch sein<br />
Stuhl wackeln. (km)<br />
Ihren süßen Triumph kosteten die Musiker<br />
noch auf der Bühne aus: Der Preis stehe<br />
«als Symbol für Standhaftigkeit, Durchhaltevermögen<br />
und Widerstand gegen Engstirnigkeit<br />
und Ausgrenzung», freute sich Frei.<br />
Wild-Sänger Philipp Burger bei der Echo-Verleihung<br />
Anfang April. Dort hatten die patriotischen<br />
Deutschrocker aus Südtirol die begehrte<br />
Musiktrophäe in der Kategorie Rock-Alternative<br />
in Empfang genommen.<br />
Die von Fans ertrotzte Preisverleihung, vor<br />
allem aber der fast angewidert-formale Applaus<br />
der Staatsmusikanten im Saal beweisen:<br />
Auch das selbstgefällige und mittlerweile<br />
stark auf politische Korrektheit bedachte<br />
Unterhaltungsestablishment stößt irgendwann<br />
an die Grenzen seines Einflusses. 2013<br />
kuschte die Echo-Jury noch vor linken Bands<br />
wie MIA und den Ärzten, zog die Nominierung<br />
von Frei.Wild trotz ihrer Verkaufserfolge<br />
zurück. Die Ausgrenzung war Resultat einer<br />
linksradikalen Hexenjagd auf die Musiker,<br />
die mit Texten wie «Sprache, Brauchtum und<br />
Glaube sind Werte der Heimat, ohne sie gehen<br />
wir unter, stirbt unser kleines Volk» ganze<br />
Hallen füllen. Dieses Mal kam alles anders.<br />
Während die Pop-Schickeria Frei.Wild<br />
schnitt, feierten die Fans ihre Rockstars erst<br />
recht ab. Das 2015 erschienene Album Opposition<br />
hat in Deutschland mittlerweile Goldstatus<br />
– über 100.000 Tonträger gingen über die<br />
Ladentheke. Zwei Shows im Dezember 2015 in<br />
Berlin und Köln waren die größten Einzelkonzerte<br />
der Bandgeschichte. Das konnte auch die<br />
Echo-Jury nicht mehr ignorieren. (ht)
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Die neue Christenverfolgung<br />
_ von Martin Müller-Mertens/Federico Bischoff<br />
Der Islamofaschismus marschiert: Weltweit sind Christen die am meisten verfolgte<br />
Religionsgemeinschaft, im Nahen Osten sind sie sogar von der Auslöschung bedroht.<br />
Auch in Deutschland geraten sie zunehmend unter Druck eines immer aggressiver<br />
auftretenden Islams.<br />
Koptische Christen bei einer Messe<br />
in Kairo. In Ägypten stellen sie etwa<br />
20 Prozent der 80 Millionen Bürger.<br />
Nach dem Sturz von Präsident<br />
Mubarak durch die Muslimbrüder<br />
2011 gab es zahlreiche Pogrome.<br />
Foto: nationalreview.com<br />
An Ostern gedenken Christen in aller Welt des auferstandenen<br />
Gottessohnes – ein Freudenfest. Doch in<br />
diesem Jahr wurde die Heilige Woche für sie zur Hölle.<br />
Am Dienstag davor schlugen islamische Terroristen in<br />
Brüssel zu – 32 Tote. Am Karfreitag nagelten muslimische<br />
Mordgesellen in der jemenitischen Hauptstadt<br />
Aden einen katholischen Pfarrer ans Kreuz, wie der<br />
Wiener Kardinal Christoph Schönborn beklagte. Der<br />
Geistliche war bereits Anfang März entführt worden,<br />
als ein Dschihad-Kommando ein Altersheim überfallen<br />
und sechzehn Mitarbeiter, darunter vier Nonnen,<br />
bestialisch ermordet hatte. Am Ostersonntag riss ein<br />
Bombenanschlag in Pakistan 70 Menschen in den Tod.<br />
«Wir haben das Attentat von Lahore begangen, weil<br />
Christen unser Ziel sind», verkündete ein Sprecher der<br />
Terrormiliz Ehsanullah Ehsan.<br />
2.000 Jahre Geschichte ausgelöscht<br />
Während in den westlichen Ländern Politik und Leitmedien<br />
vor allem vor Islamfeindschaft («Islamophobie»)<br />
warnen, ignorieren sie die Bedrohung jener Religion,<br />
die das Abendland seit bald 2.000 Jahren prägt.<br />
«Gegenwärtig ist die größte Christenverfolgung aller<br />
Zeiten im Gang», warnte die Gesellschaft für Menschenrechte<br />
(IGFM) auf einer Konferenz im November<br />
2015. Nach wie vor gibt es weltweit mehr Anhänger<br />
von Jesus als von Mohammed (aktuell 2,26 versus 1,57<br />
Milliarden). Doch jeder zehnte Anhänger des christlichen<br />
Glaubens, rund 250 Millionen Menschen, lebt<br />
in Angst vor Diskriminierung, Verfolgung und Ermordung,<br />
wie Johann Marte, Präsident der Organisation<br />
Pro Oriente, bei der IGFM-Tagung offenlegte. «Christen<br />
machen Experten zufolge rund 80 Prozent all jener<br />
Menschen aus, die wegen ihres Glaubens bedroht,<br />
misshandelt, eingesperrt oder getötet werden.» Die<br />
Organisation Open Doors nennt 50 Länder, in denen ein<br />
beträchtlicher Teil der dort lebenden rund 625 Millionen<br />
Christen direkt von Verfolgung betroffen ist. In 35<br />
der 50 Länder sei der islamische Extremismus hauptverantwortlich.<br />
Die 2010 veröffentlichte Studie The Price of Freedom<br />
Denied geht von 130.000 bis 170.000 Märtyrern<br />
pro Jahr aus – Zahlen, die kein Gehör in der Öffentlichkeit<br />
finden. Urs Gehriger machte 2012 in der Schweizer<br />
Weltwoche eine regelrechte «Verschwörung des<br />
Schweigens» aus, als deren Grund er auch die weitverbreitete<br />
Angst vor dem politisch korrekten Vorwurf<br />
der Islamophobie nannte.<br />
Die Mutter Gottes konnte das<br />
Grauen nicht verhindern.<br />
Foto: Screenshot YouTube<br />
«Bewahrt die<br />
Christen im Nahen<br />
Osten vor der<br />
Auslöschung!» <br />
Pfarrer Jaar<br />
11
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Kairo, August 2013: Brennende Kirche,<br />
Bergung von Opfern. In jenem<br />
Sommer wurden über 50 Gotteshäuser<br />
von Flammen zerstört.<br />
Fotos: Archiv<br />
Flüchtlingsheime<br />
sind für Christen zu<br />
Angstzonen verkommen.<br />
Bild rechts: Erschlagen, erstochen,<br />
verbrannt: Islamistischer Überfall<br />
auf die Kirche Our Salvation Lady in<br />
Bagdad/Irak im Jahr 2010.<br />
Foto: raymondibrahim.com<br />
Besonders dramatisch ist die Lage im Orient. Dort<br />
geht gerade die 2.000-jährige Geschichte der Christen<br />
in den Stürmen der Gewalt unter, die der sogenannte<br />
Arabische Frühling entfesselt hat. «Bewahrt die Christen<br />
im Nahen Osten vor der Auslöschung», fordert der<br />
Koordinator der Flüchtlingshilfe in Jordanien, Pfarrer<br />
Khalil Jaar. Von den insgesamt 35 Millionen Christen,<br />
deren Muttersprache Arabisch ist, leben 20 Millionen<br />
im Exil und nur noch 15 Millionen in ihren Herkunftsländern.<br />
In Syrien, wo im Jahr 1920 noch jeder dritte<br />
Bürger unter dem Kreuz betete, war es 2010 nur noch<br />
jeder zehnte, insgesamt zwei Millionen. Davon sind<br />
jetzt, nach fünf Jahren Dschihad-Aggression, gerade<br />
noch 770.000 im Land geblieben, oft als Binnenvertriebene.<br />
Auch im benachbarten Irak hat der Vormarsch der<br />
Kopf-ab-Milizen zur Entstehung «christenfreier Zonen»<br />
geführt, wie der CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder<br />
zu Jahresanfang beklagte.<br />
Bezeichnend ist das Verhalten der US-Regierung,<br />
die den IS und die verbündete al-Nusra-Front lange<br />
gefördert hat. Während Washington immer dann,<br />
wenn Muslime sich bedroht fühlten, schnell von Genozid<br />
sprach – etwa in Bosnien, im Kosovo und in Tschetschenien<br />
–, weigern sich die USA bis heute, diesen<br />
Begriff für unsere von Mord und Vertreibung geplagten<br />
Glaubensbrüder in der Levante und im Zweistromland<br />
zu verwenden. Im Unterschied dazu hat das Europaparlament<br />
in einer Resolution vom Februar <strong>2016</strong> die Christenverfolgung<br />
durch den IS als «Völkermord» gebrandmarkt<br />
– aber nur jene im Irak, nicht jene in Syrien. Die<br />
Unterscheidung ist, was das Vorgehen der Terroristen<br />
angeht, völlig unsinnig. Ihr einziger Zweck besteht<br />
darin, dass die wackeren Menschenrechtsstreiter nicht<br />
ins selbe Horn stoßen wollen wie der syrische Präsident<br />
Baschar al-Assad. Diesen hassen die Eurokraten<br />
nämlich noch mehr als den IS – obwohl in seinem Herrschaftsbereich<br />
die Angehörigen der religiösen Minderheiten<br />
immer gleichberechtigte Bürger waren – und<br />
es noch sind.<br />
Vorstoß nach Europa<br />
Dass Christen um Leib und Leben fürchten müssen,<br />
ist aber längst nicht mehr nur ein Horrorszenario aus<br />
dem Nahen Osten. Im Zuge der Migrationsflut kamen<br />
auch zigtausende Dschihadisten zu uns, die hier ihren<br />
Arabischen Frühling fortsetzen wollen, nachdem sie<br />
in Syrien dank des russischen Eingreifens vorläufig an<br />
ihre Grenzen gestoßen sind.<br />
Ihre ersten Opfer sind in der Regel diejenigen, die<br />
vor ihnen gerade geflohen waren: Unsere Flüchtlingsheime<br />
sind für Christen zu Angstzonen verkommen.<br />
Dabei geht es längst nicht mehr nur um die «Verweigerung<br />
des Gebrauchs der Toilette mit dem Hinweis<br />
auf die angebliche Unreinheit des christlichen Benutzers»<br />
oder «Androhung und Austeilen von Prügel», wie<br />
Volker Kauder im März in der Welt am Sonntag kritisierte.<br />
Im Februar <strong>2016</strong> meldete ein Bewohner der<br />
Massenunterkunft in Berlin-Tempelhof sogar einen<br />
Mordplan. Demnach unterhielten sich Moslems darüber,<br />
wie christliche Iraner am besten umgebracht werden<br />
könnten. Detailliert planten sie, die Kuffar (Ungläubige)<br />
zu verbrennen. Auch Pfarrer Gottfried Martens<br />
von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche<br />
in Berlin kennt Fälle ungehemmter Gewaltorgien.<br />
Opfer waren zum Beispiel zwei Perser, die in einem<br />
Heim im Stadtteil Dahlem beim Bibellesen erwischt<br />
wurden. «Die Wachleute [sic!] stürmten ins Zimmer,<br />
riefen: ”Die Bibel ist haram [islamischer Ausdruck für<br />
unrein]”, drückten die beiden an die Wand, schlugen<br />
und traten auf sie ein.» Mittlerweile herrsche in vielen<br />
Einrichtungen ein regelrechtes «Scharia-Klima».<br />
Wo Christen am stärksten verfolgt werden<br />
Mauretanien<br />
Kasachstan<br />
Aserbaidschan<br />
Usbekistan<br />
Türkei<br />
Turkmenistan Tadschikistan<br />
China<br />
Tunesien Syrien<br />
Afghanistan<br />
Irak Iran<br />
Algerien<br />
Jordanien<br />
Pakistan<br />
Bhutan<br />
Libyen<br />
Kuweit<br />
Ägypten<br />
Bangla-<br />
Saudi- Katar<br />
Arabien<br />
Indien desch Laos<br />
VAE<br />
Myanmar<br />
Mali<br />
Sudan<br />
Eritrea Jemen Oman<br />
Vietnam<br />
Nigeria<br />
Dschibuti<br />
Zentralafrika<br />
Somalia<br />
Äthiopien<br />
Sri Lanka<br />
Kenia<br />
Malaysia<br />
Malediven<br />
Nordkorea<br />
Mexico<br />
Kolumbien<br />
Tansania<br />
Komoren<br />
Ausmaß der Verfolgung:<br />
Absolut > 85 Punkte<br />
Extrem > 70 Punkte<br />
Schwer > 45 Punkte<br />
Mittel > 40 Punkte<br />
100 = totale Verfolgung<br />
Indonesien<br />
Quelle: Weltverfolgungsindex Open Doors, 2015<br />
12
Oft verbündet sich der Christenhass der neu Zugereisten<br />
mit dem der schon länger hier lebenden Migranten.<br />
Das hat Ajdin (Name geändert) am eigenen Leib<br />
zu spüren bekommen. Unter den giftigen Blicken eines<br />
breitschultrigen moslemischen Sicherheitsmannes<br />
betrat der iranische Christ an einem Novemberabend<br />
2015 den Speisesaal seines Flüchtlingsheimes im hessischen<br />
Hochtaunuskreis. Plötzlich hagelte es Schläge<br />
durch einen weiteren Securitymitarbeiter. «Ein anderer<br />
schubste mich zum Pfortenbereich, wo zwei weitere<br />
Wachleute auf mich warteten. Der warf mir vor,<br />
ich hätte ”scheiß Islam” gesagt. Dann prügelten mich<br />
alle Vier, durch die Faustschläge ging ich zu Boden;<br />
dann traten sie mich ins Gesicht». Dass der 31-jährige<br />
Ajdin die Attacke überlebte, war ein Wunder:<br />
«Schädelprellung, Monokelhämatom rechts, Stumpfes<br />
Thoraxtrauma, stumpfes Bauchtrauma», beschreibt<br />
der Befund der Notaufnahme mit medizinischen Fachwörtern<br />
den Leidensweg des Christen.<br />
Hätten deutsche Sicherheitsmänner einen Migranten<br />
derart malträtiert, der Aufschrei wäre in der gesamten<br />
Republik vernehmbar gewesen. Doch in diesem Fall<br />
beschwichtigten die Behörden. «Ein etwaiger religiös<br />
motivierter Hintergrund dieser Auseinandersetzung ist<br />
uns nicht bekannt», erklärte die Kreisverwaltung.<br />
Justiz erlaubt «Scheiß Christen»<br />
Wegschauen und verharmlosen ist die Devise<br />
deutscher Staatsorgane, wenn es um muslimische<br />
Aggressivität geht. Dass Mohammedaner Andersgläubige<br />
wie selbstverständlich als «Scheiß Christen»<br />
bezeichnen dürfen, ist längst amtlich abgesegnet. Die<br />
Staatsanwaltschaft Koblenz stellte 2010 ein entsprechendes<br />
Verfahren gegen die Moslems Süleyman S.<br />
und Burak U. ein, da sie keine Beleidigung erkennen<br />
konnte. «Scheiß Moslem» würde dagegen – zu Recht<br />
– zu einer Verurteilung führen. Dass an einem Berliner<br />
Gymnasium – und nicht nur dort – «Verhaltenskontrollen<br />
selbsternannter Sittenwächter gang und<br />
gäbe gewesen» seien, räumte sogar die Frankfurter<br />
Allgemeine ein. «Die Wirklichkeit verändert sich seit<br />
zehn Jahren hin zu immer mehr fundamentalistischer<br />
Religiosität», sagt die langjährige Leiterin eines Mädchentreffs<br />
im Berliner Bezirk Neukölln, Gabriele Heinemann.<br />
Sie planten, die Ungläubigen zu<br />
verbrennen.<br />
Lange ging es Vorbetern und sittenstrengen Familienoberhäuptern<br />
in deutschen Parallelkulturen jedoch<br />
weniger um gesellschaftlichen Einfluss als um die<br />
Immunisierung der eigenen Gemeinschaft gegen die<br />
Verlockungen der deutschen Kuffar. Bereits 1993 thematisierte<br />
das Lehrbuch Du und der Islam einer Münchner<br />
Koranschule etwaige Wünsche moslemischer Kinder,<br />
an Geburtstagsfeiern ihrer deutschen Freunde teilzunehmen.<br />
«Gehe besser nicht dorthin, mein liebes<br />
Töchterchen, denn Elke und ihre Eltern und ihre Freundinnen<br />
sind keine Muslime», ließ das Schundwerk<br />
einen fiktiven Vater dozieren. Inzwischen sind die so<br />
belehrten Töchterchen, vor allem jedoch ihre indoktrinierten<br />
Brüder erwachsen geworden. Fordernd pochen<br />
sie heute auf ihre dominante Sichtbarkeit im öffentlichen<br />
Raum. Beim deutschen Appeasement-Staat<br />
haben sie damit leichtes Spiel. So sieht der geplante<br />
Islamvertrag zwischen dem Land Niedersachsen und<br />
den Verbänden DITIB und Schura das Recht auf Gebetsräume<br />
in allen öffentlichen Schulen vor.<br />
«Jesus ist der Sklave von Allah»<br />
(Plakat rechts). – «Der Islam wird<br />
Rom erobern» (Plakat links): Der Sitz<br />
des Papstes wird auch in Strategiepapieren<br />
des IS als Ziel genannt.<br />
Foto: thecommentator.com<br />
Vom Islamischen Staat öffentlich<br />
gekreuzigter Christ.<br />
Foto: jems.mr-sued.de<br />
Das Kreuz steht als Verursacher im<br />
Vordergrund: «Spiegel»-Cover nach<br />
den Terroranschlägen in Brüssel am<br />
22.3.<strong>2016</strong>. Foto: Spiegel Online<br />
13
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
«Islamofaschismus»<br />
Der Begriff hat eine seltsame<br />
Karriere gemacht: Zuerst wurde<br />
er von der Bush-Administration<br />
nach dem 11. September 2001<br />
verwendet und meinte den Islam<br />
insgesamt. Als solcher wird<br />
er auch heute noch von rechten<br />
Politikern wie Geert Wilders gebraucht.<br />
Dabei wird geflissentlich<br />
übersehen, dass ein Teil der<br />
Muslime aufopferungsvoll gegen<br />
al-Qaida-Ableger und den<br />
IS kämpfen, vor allem Schiiten,<br />
Alawiten und Kurden. So hat die<br />
vom Iran geförderte Hisbollah-<br />
Miliz erwiesenermaßen christliche<br />
Dörfer in Syrien unter Lebensgefahr<br />
verteidigt, in der Regierung<br />
von Baschar al-Assad<br />
gibt es seit Langem christliche<br />
Minister (wie auch im Irak unter<br />
Saddam Hussein). Unabhängig<br />
davon, wie man den Koran insgesamt<br />
bewertet, sind es derzeit<br />
ausschließlich sunnitische<br />
Strömungen, die Andersgläubige<br />
– auch dissidente Muslime<br />
– mit dem Tod bedrohen<br />
und die Eroberung Europas propagieren:<br />
Wahhabiten, Salafisten,<br />
Moslembrüder, ganz offen<br />
unterstützt von ihren Glaubensbrüdern<br />
in Saudi-Arabien, den<br />
Golfstaaten und der Türkei. Nur<br />
auf diese gemünzt trifft der Terminus<br />
«Islamofaschismus» genau<br />
genommen zu. Was die Sache<br />
brisant macht: Jene Regime<br />
gehören allesamt zu den wichtigsten<br />
Verbündeten der USA.<br />
Kein Wunder, dass man aus Washington<br />
den Begriff «Islamofaschismus»<br />
seit einigen Jahren<br />
nicht mehr hört.<br />
Brennende Kirchen<br />
Doch einem stetig wachsenden Teil der Moslems in<br />
Deutschland genügt auch das inzwischen nicht mehr.<br />
Ihnen gelten Christen und die christlich geprägte<br />
Gesellschaft als Feinde, die auch offensiv bekämpft<br />
werden müssen. So häufen sich in den letzten Jahren<br />
die Kirchenbrände. Am 30. Juli 2013 ging die evangelische<br />
Willehadi Kirche im niedersächsischen Garbsen<br />
in Flammen auf. In verdruckster politischer Korrektheit<br />
berichtete die Neue Presse Hannover von «jungen<br />
Männern» unter den Schaulustigen am Brandort,<br />
«die eine Art Partystimmung verbreiten und alles<br />
andere als traurig über die brennende Kirche sind».<br />
Am 5. Oktober 2014 zündeten Unbekannte die koptisch-orthodoxe<br />
Kirche in Berlin-Lichtenberg an. Der<br />
zuständige Bischoff Anba Damian sagte der evangelischen<br />
Nachrichtenagentur Idea, «dass ihn zuvor wiederholt<br />
arabisch sprechende Personen eines nahegelegenen<br />
Flüchtlingsheims wegen seines Glaubens beleidigt<br />
hätten».<br />
«Ich bin Moslem! Was seid Ihr?»<br />
Besonders bedrückend für die betroffenen Christen<br />
ist das demonstrative Schweigen von Politik<br />
und Amtskirchen. Nach der Brandschatzung in Garbsen<br />
war der Dachverband der evangelischen Kirchen<br />
EKD nicht einmal zu einer Presseerklärung bereit. An<br />
der Ruine des Sakralbaus lehnte dagegen ein Schild<br />
mit der Aufschrift: «Garbsen ist Multikulti and I love<br />
it.» Angesichts dieses Wegduckens riss Kritikern der<br />
Geduldsfaden. «Bei aller Sorge um das gesellschaftliche<br />
Miteinander darf man nicht die Augen vor einem<br />
Aufkeimen der Gewalt und des Rowdytums unter<br />
Jugendlichen ”mit Migrationshintergrund” verschließen»,<br />
schrieben Idea und das katholische Nachrichtenportal<br />
kath.net in einem gemeinsamen Kommentar.<br />
Die Flammen von Garbsen, Berlin-Lichtenberg und<br />
anderswo waren nur der Auftakt. Im September 2014<br />
patrouillierten Salafisten als «Scharia-Polizei» durch<br />
die Straßen von Wuppertal. Einen Teil der Stadt hatten<br />
sie zuvor durch Markierungen zur «Shariah Controlled<br />
Zone» erklärt. «Diese Personen wollen bewusst provozieren<br />
und einschüchtern und uns ihre Ideologie aufzwingen»,<br />
warnte Wuppertals Oberbürgermeister Peter<br />
Jung (CDU). Der Kopf der selbsternannten Sittenwächter,<br />
der Konvertit Sven Lau alias Abu Adam, räumte<br />
später ein, Ziel der Aktion sei eine Diskussion über islamische<br />
Gesetzgebung in Deutschland gewesen.<br />
Aus Sicht einiger von Laus Glaubensbrüdern scheint<br />
die Zeit für Diskussionen jedoch mittlerweile beendet<br />
zu sein. Längst sind Übergriffe auch auf der Straße<br />
zu beklagen. Am 26. Dezember 2015 bedrängte nach<br />
Polizeiangaben ein Mann mehrere Partygänger in Berlin<br />
mit den Worten «Ich bin Moslem! Was seid Ihr?»<br />
Anschließend «sollen weitere Personen hinzugekommen<br />
sein und gemeinsam mit dem Unbekannten auf<br />
die vier im Alter von 20, 24 und 25 Jahre alten Männer<br />
eingeschlagen haben», heißt es im Lagebericht<br />
der Ordnungshüter. Der Überfall ereignete sich nicht<br />
einmal in einem der berüchtigten Problemviertel der<br />
Hauptstadt, sondern vor einer Nobeldisco am Potsdamer<br />
Platz. Dort war den Opfern – orthodoxen Christen<br />
aus Serbien und Montenegro – von den Tätern<br />
beim Besuch einer Balkanparty aufgelauert worden.<br />
Brandschatzung einer Kirche in<br />
Lahore/Pakistan, März 2013. Als<br />
Vorwand nahm der Mob, dass<br />
sich ein Christ blasphemisch über<br />
Mohammed geäußert habe. In<br />
Lahore leben die meisten Christen<br />
in Pakistan. Der Druck auf sie hat<br />
sich in dem streng islamischen Land<br />
verstärkt. Foto: Reuters<br />
14<br />
_ Martin Müller-Mertens ist Chef<br />
vom Dienst bei <strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong>.<br />
Federico Bischoff ist Katholik und<br />
lebt im Tessin.
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Die Unterwerfung<br />
_ von Nils Röcke<br />
Während der Terror gegen Christen immer stärker auf Europa übergreift, halten unsere<br />
Kirchenvertreter bevorzugt noch die andere Wange hin. Von der Promille-Theologin<br />
Käßmann bis zum Wohlfühl-Papst Franziskus kommen Worte und Gesten der Unterwürfigkeit<br />
gegenüber Terroristen und Islamisten.<br />
Ausgerechnet am 7. Januar 2015, dem Erstverkaufstag<br />
von Michel Houellebecqs Roman Unterwerfung,<br />
begingen Islamisten die kaltblütigen Morde an<br />
den Redaktionsmitgliedern der Satirezeitschrift Charlie<br />
Hebdo – in ihren Augen eine gerechte Strafe für die<br />
Beleidigung ihres Propheten. Unterwerfung beschreibt<br />
ein Frankreich unter der Scharia im Jahre 2022 – also<br />
in einer nicht allzu fernen Zukunft. Der Übergang zur<br />
neuen Ordnung wurde nicht mit Gewalt erzwungen,<br />
sondern geschah freiwillig: Bei den Parlamentswahlen<br />
hatte sich, mit Unterstützung aller anderen Parteien,<br />
ein muslimischer Kandidat gegen die ach so<br />
böse Marine Le Pen durchgesetzt. Masochistische<br />
Feindesliebe hatte zur Selbstzerstörung der eigenen<br />
Identität geführt.<br />
Europa wird, so Houellebeqs düstere Vision, wegen<br />
seines maßlosen Liberalismus untergehen – keine<br />
unwahrscheinliche Dystopie, denn vor dem realen<br />
Gewaltpotenzial radikalisierter Islamisten, die ihre<br />
Legitimation einzig aus dem Koran ableiten, verschließen<br />
europäische Führer weiterhin die Augen. So wie<br />
Angela Merkel, Vorsitzende einer dem Namen nach<br />
eigentlich christlichen Partei, die bei den Attentätern<br />
von Paris Mitte November von «gottlosen Terroristen»<br />
sprach – wohlwissend, dass im Gegenteil religiöser<br />
Wahn Grundlage und Motivation ihrer Taten war.<br />
Knapp zwei Monate zuvor, Anfang September<br />
2015, hatte die Bundeskanzlerin bereits ihr gefährliches<br />
Missverstehen unserer Bedrohungssituation<br />
zur Schau gestellt. Bei einer Veranstaltung der Universität<br />
Bern stellte eine Frau die Frage, wie die deutsche<br />
Regierungschefin Europa und die europäische Kultur<br />
vor einer allmählichen Islamisierung bewahren wolle.<br />
Daraufhin nannte Merkel nicht etwa mögliche Schutzmaßnahmen<br />
(kein Wunder, da sie ja ohnedies der Überzeugung<br />
ist, der Islam gehöre zu Deutschland), sondern<br />
empfahl ein Ausweichen vor der Konfrontation:<br />
Besorgte Bürger müssten eben «mal wieder in den Gottesdienst»<br />
gehen, ein «bisschen bibelfest» werden oder<br />
«ein Bild in der Kirche noch erklären» können. Als ob<br />
sich Terrorismus wegbeten ließe, als ob wir Islamisten<br />
damit beeindrucken könnten, wie bibelfest wir sind…<br />
Noch irritierender als die Äußerungen der erkennbar<br />
glaubensfernen Pfarrerstochter Merkel sind jene hoher<br />
kirchlicher Würdenträger, die es eigentlich besser wissen<br />
müssten. So ergriff Papst Franziskus – ausgerechnet<br />
am Gründonnerstag, ausgerechnet zwei Tage nach<br />
dem Blutbad in Brüssel – die Gelegenheit, in einem<br />
Asylheim bei Castelnuovo di Porto einem Dutzend Asylbewerbern<br />
in einer pompösen Zeremonie zuerst die<br />
Füße zu waschen und diese dann zu küssen. Unter den<br />
auf diese Weise Verwöhnten waren auch vier Muslime<br />
– obwohl in Franziskus‘ eigenem Dekret zu dieser<br />
Zeremonie daran festgehalten wurde, dass nur das<br />
«Gottesvolk» in den Genuss dieses Rituals kommen<br />
solle. Gehören für den Papst jetzt auch Mohammedaner<br />
dazu? Die ehemalige Hannoversche Landesbischöfin<br />
und evangelische Theologin Margot Käßmann reagierte<br />
auf den Terror in der belgischen Hauptstadt mit<br />
dem Einwurf, dass «wir versuchen sollten, den Terroristen<br />
mit Beten und Liebe zu begegnen». Ihr Nachfolger<br />
im EKD-Ratsvorsitz, Heinrich Bedford-Strohm,<br />
ergänzte, Christen sollten «die Angst überwinden und<br />
mit Kraft, Liebe und Besonnenheit reagieren». Und wo<br />
bleibt der «heilige Zorn», den man in der Bibel nicht nur<br />
im Alten Testament findet?<br />
Es sind solche Unterwerfungsgesten, die das Christentum<br />
wehrlos machen. Wenn die eigenen Werte für<br />
wichtig und richtig gehalten werden, dürfen sie nicht<br />
auf dem Altar einer falsch verstandenen Liberalität<br />
geopfert werden.<br />
Unterwerfungsgeste: Papst Franziskus<br />
wäscht und küsst muslimischen<br />
Flüchtlingen die Füße (Gründonnerstag<br />
<strong>2016</strong>). Foto: L‘Osservatore<br />
Romano/EPA<br />
Bild oben: Zerstörte Kirche im indischen<br />
Bundesstaat Orissa (2009).<br />
Foto: kirche-in-not.de<br />
«Den Terroristen<br />
mit Beten und<br />
Liebe begegnen.» <br />
Margot Käßmann<br />
Nils Röcke (Pseudonym eines<br />
Medieninsiders) berichtete in<br />
<strong>COMPACT</strong> 3/<strong>2016</strong> «Aus dem Logbuch<br />
der Gleichschaltung».<br />
15
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
«Hat nichts mit dem Islam zu tun»<br />
_ von Adrian F. Lauber<br />
Mit diesem Satzbaustein melden sich nach jedem Terroranschlag<br />
die professionellen Gesundbeter zu Wort. Nur eine Minderheit der<br />
Muslime befürworte Gewalt zur Durchsetzung ihrer Religion, so wird<br />
behauptet. Doch Umfragen zeigen, dass zur Verharmlosung und Selbstberuhigung<br />
kein Anlass besteht.<br />
■■16 Prozent der Bevölkerung Frankreichs stehen hinter<br />
dem IS. Unter jungen Leuten zwischen 18 und 24<br />
Jahren sympathisieren sogar 27 Prozent mit den Kopfab-Milizen.<br />
(Newsweek, August 2014)<br />
■■<br />
Der arabische Fernsehsender al-Dschasira wollte im<br />
Mai 2015 von seinen Zuschauern in aller Welt wissen,<br />
wie sie zum IS stehen. Man lese und staune: 81 Prozent<br />
der Befragten äußerten sich positiv.<br />
■■<br />
Laut einer vom Arab Center for Research and Policy<br />
Studies im November 2014 veröffentlichten Erhebung<br />
sind 13 Prozent der befragten syrischen Flüchtlinge<br />
mehr oder weniger starke Sympathisanten der Terrorgruppe.<br />
■■<br />
Das Center for Security Policy hat im Juni 2015 eine<br />
Umfrage publiziert, wonach 25 Prozent der in den USA<br />
lebenden Muslime Gewaltanwendung befürworten,<br />
wenn jemand den Islam beleidigt, zum Beispiel indem<br />
er eine Karikatur von Mohammed zeichnet.<br />
16<br />
«Bild» und «B.Z.» haben sich der<br />
Sprache der Invasoren bereits angepasst.<br />
Foto: Bild<br />
Frühe Warnungen<br />
«Fundamentalismus auf dem<br />
Vormarsch: Laut einer Studie<br />
des Bundesinnenministeriums<br />
sind 40 Prozent aller in<br />
Deutschland lebenden Muslime<br />
fundamental orientiert. (…)<br />
Zwölf Prozent der Muslime in<br />
Deutschland identifizierten sich<br />
mit einer stark religiös-moralischen<br />
Kritik an westlichen Gesellschaften,<br />
kombiniert mit der<br />
Befürwortung von Körperstrafen<br />
bis hin zur Todesstrafe.» (spiegel.de,<br />
20.12.2007)<br />
_ Adrian F. Lauber lebt als Student<br />
und Publizist in Berlin.<br />
Doppelt so viele britische Muslime kämpfen heute<br />
für den Islamischen Staat (IS) wie für die Armee des<br />
Vereinigten Königreichs, meldete Newsweek im<br />
März <strong>2016</strong>. Kürzlich gab es viel Wirbel um eine Petition<br />
gegen Donald Trump. Die Unterzeichner wollten<br />
nicht, dass der US-Politiker einreisen darf und für seine<br />
Sache wirbt. Man bedenke: Das ist dasselbe Land, in<br />
dessen Hauptstadt Muslime mit IS-Fahnen und mit<br />
Parolen wie «Enthaupte die, die den Islam beleidigen»<br />
unbehelligt durch die Straßen ziehen. Ich frage mich:<br />
Wenn Trump zum Islam konvertieren würde, dürfte er<br />
dann in London sprechen? Wäre dann alles in Ordnung,<br />
gleichgültig was er sagt – auch wenn er die Ermordung<br />
seiner Kritiker fordern würde?<br />
Die harten Fakten<br />
Sind das nur Momentaufnahmen? Die nackten Zahlen<br />
zeigen, wie stark die Unterstützerszene der Dschihadisten<br />
in den westlichen Ländern angewachsen ist.<br />
■■<br />
Die BBC hat im Februar 2015 eine Statistik veröffentlicht,<br />
wonach 27 Prozent der in Großbritannien lebenden<br />
Muslime für die Terroristen Verständnis haben, die<br />
die Mitarbeiter von Charlie Hebdo ermordet hatten.<br />
■ ■«Rund ein Viertel der in Deutschland lebenden Muslime<br />
ist zu Gewalttaten gegen Andersgläubige bereit.<br />
Das ist das Ergebnis einer Studie, die Innenminister<br />
Schäuble in Auftrag gegeben hat», meldete die Süddeutsche<br />
Zeitung schon im Mai 2010. Zwei Jahre später<br />
ergab eine Befragung, wiederum durch das Bundesinnenministerium,<br />
ein ähnliches Bild: 24 Prozent der<br />
nichtdeutschen und 15 Prozent der deutschen Muslime<br />
seien «streng Religiöse mit starken Abneigungen gegenüber<br />
dem Westen, tendenzieller Gewaltakzeptanz und<br />
ohne Integrationstendenz». (derwesten.de, 1.3.2012)<br />
Rund ein Viertel der Muslime in<br />
Deutschland ist gewaltbereit.<br />
Wo sind die Muslime, die lautstark Position für die<br />
Meinungsfreiheit beziehen, wenn Fanatiker öffentlich<br />
Mohammed-Karikaturen verbrennen und die Zeichner<br />
lynchen wollen? Es gibt sie. Es gibt mutige Intellektuelle<br />
wie Ayaan Hrsi Ali, Hamed Abdel-Samad,<br />
Necla Kelek oder Bassam Tibi, die genau wissen, dass<br />
die islamische Kultur eigentlich einer Reformation<br />
bedürfte, um ihren destruktiven Zug zu beenden. Aber<br />
ihre Stimmen gehen im Geschrei der anderen unter.<br />
Außerdem fallen ihnen Pseudo-Linke und Pseudo-Liberale<br />
in den Rücken, indem sie den nicht säkularisierten<br />
Islam verniedlichen und verharmlosen und alle, die<br />
sich dagegen wehren wollen, mit Neonazis, Pauschal-<br />
Muslim-Hassern und Rassisten in einen Topf werfen.
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
«Wir verharmlosen die faschistische<br />
Ideologie des Islam»<br />
_ Interview mit Imad Karim<br />
Als 19-jähriger Student floh er 1977 vor dem Bürgerkrieg im Libanon in die Bundesrepublik.<br />
Bei uns lernte er den Fernsehjournalismus von der Pike auf und wurde mit<br />
Preisen überhäuft. Imad Karim kommt aus einer nominell muslimischen Familie, versteht<br />
sich aber als Agnostiker – und kennt die Parallelgesellschaften, die unser Land zerstören.<br />
Viele Ihrer Filme sind regelrechte Plädoyers für<br />
das Recht auf Asyl. Wie sehen Sie die aktuelle<br />
Migrationswelle?<br />
Diese Immigration ist ein Krieg, der mit Kinderaugen<br />
geführt wird. Das wird nicht gut ausgehen, so wie<br />
noch nie ein Krieg gut ausgegangen ist. Diese Zuwanderung<br />
von Millionen Menschen hilft ja niemandem.<br />
Wir belohnen nur diejenigen, die sich die Schlepper<br />
leisten können. Ich war vor ein paar Monaten in<br />
Syriens Nachbarländern: dem Libanon, Jordanien und<br />
der Türkei. Die syrischen Flüchtlinge, die dort seit drei,<br />
vier Jahren leben, verkaufen alles und machen sich auf<br />
den Weg nach Deutschland.<br />
Warum?<br />
Ihr Argument ist eine sichere Zukunft und vor allem<br />
wirtschaftliche Sicherheit. Starke Gründe sind, dass<br />
hier jeder seine Kinder kostenlos zur Schule schicken<br />
und sich medizinisch behandeln lassen kann und noch<br />
dazu eine Grundsicherung erhält. In meinen Recherchen<br />
ist genauestens dokumentiert, dass richtige und<br />
vermeintliche Syrer jeden Monat mehrere Millionen<br />
Euro Sozialhilfe von Deutschland aus in ihre Heimatländer<br />
überweisen. Dass diese Zuwanderer wirklich<br />
verfolgten Menschen den Platz wegnehmen, interessiert<br />
unsere Entscheidungsträger nicht.<br />
Kennen Sie solche Verfolgten?<br />
Natürlich. In Köln interviewte ich vor drei Wochen<br />
eine junge Frau aus Saudi-Arabien. Sie flüchtete nach<br />
Deutschland, weil ihre Eltern und die dortigen Sicherheitsorgane<br />
herausfanden, dass sie Atheistin ist. Die<br />
Frau ist noch nicht ein Jahr in Deutschland, aber spricht<br />
schon die Sprache, kennt die deutsche Geschichte und<br />
Gegenwart. Doch über ihren Asylantrag wurde bis jetzt<br />
nicht entschieden. Stattdessen ist sie gezwungen, eine<br />
Halle mit hunderten von Muslimen zu teilen, die diese<br />
jeden Morgen in eine Moschee verwandeln und darauf<br />
Mit Preisen überhäuft: Filmemacher<br />
Imad Karim. Foto: Privat<br />
«Islam und<br />
Integration werden<br />
sich nie treffen.» <br />
Imad Karim<br />
70 Tote waren bei einem Bombenanschlag<br />
in Lahore/Pakistan am<br />
Ostersonntag <strong>2016</strong> zu beklagen,<br />
darunter über 30 Christen.<br />
Foto: Reuters<br />
17
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
misierung dieser Leute hier in Deutschland mit unseren<br />
Steuergeldern.<br />
Seit 1.400 Jahren Steinzeit<br />
18<br />
Rechtschreibschwach – aber geil<br />
auf Dschihad... Foto: Twitter<br />
« Die wahren<br />
Muslime finden wir<br />
beim Islamischen<br />
Staat.» Imad Karim<br />
Hetze auf «Facebook» nach den<br />
Charlie-Hebdo-Morden.<br />
Foto: Screenshot Facebook<br />
Imad Karim, Jahrgang 1958, lebt<br />
seit 1977 in Deutschland, wo er<br />
Medien- und Sozialwissenschaften<br />
studierte. 1992 begann er als freier<br />
Filmemacher für die ARD, das ZDF<br />
und den WDR zu arbeiten. Seine<br />
Filme führten ihn immer wieder<br />
zurück in islamische Länder.<br />
Er gewann zahlreiche internationale<br />
Preise, darunter auch den<br />
Civis-Integrationspreis der ARD.<br />
2001 gründete Karim seine eigene<br />
Produktionsfirma Strong Shadow<br />
Media. – Das Gespräch führte Tino<br />
Perlick.<br />
achten, dass auch jeder zum Gebet kommt. In den Heimen<br />
trifft die Frau quasi ihre Verfolger erneut.<br />
Nicht nur die Salafisten sind gefährlich<br />
Die meisten ankommenden Menschen sind Muslime.<br />
Wie hoch ist denn der Anteil der Fanatiker?<br />
98 von 100 dieser Menschen glauben, ein Moslem,<br />
der den Islam verlässt, verdiene den Tod. Heute, im<br />
21. Jahrhundert, soll ich getötet werden, weil ich vom<br />
Islam, in den ich zufällig hineingeboren wurde, nicht<br />
mehr überzeugt bin? Gibt es etwas, das absurder,<br />
menschenfeindlicher und faschistischer ist als das?<br />
Für diese Menschen gelten Juden und Christen als<br />
Unreine, die man allerdings ertragen muss, solange<br />
die Muslime noch schwach und in der Minderheit sind.<br />
Das habe ich übrigens als Kind auch gelernt.<br />
Dann besteht keine Aussicht auf Integration?<br />
Wer integriert wird, ist bereits als Integrierter in<br />
Deutschland angekommen. Das sind Agnostiker, Atheisten,<br />
Christen und andere Freidenker. Islam und Integration<br />
werden sich nie treffen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel:<br />
Ich kenne einen dem Anschein nach integrierten<br />
arabischen Vater, der seit 28 Jahren in Deutschland<br />
lebt. Am Rande einer Unterhaltung erzählte er mir, er<br />
glaube, die Muslime werden Deutschland durch ihre<br />
Geburtenrate und Missionierungen islamisieren und<br />
die Christen irgendwann zum Konvertieren zwingen.<br />
Hindus, Buddhisten und andere Götzenanbeter würden<br />
dann im Auftrag Allahs getötet werden.<br />
Ist der Mann Salafist?<br />
Nein. Er sagte sogar, dass er Salafisten verachtet und<br />
hasst, weil sie Deutschland mit Gewalt islamisieren<br />
wollen. Ich war sehr erschrocken und erklärte ihm, was<br />
er sage, sei menschenfeindlicher Blödsinn. Er erwiderte,<br />
ich würde das nicht verstehen, weil ich als Noch-<br />
Agnostiker den Auftrag Allahs nicht sehen würde. Dem<br />
islamischen Verein dieses Mannes hat die Stadt Geld<br />
gegeben und ihn beauftragt, 170 Muslimen zur Integration<br />
zu verhelfen. Wir erleben quasi die Re-Isla-<br />
Die Re-Islamisierung…?<br />
Ich kenne eine deutsche Stadt mit etwa 50.000 Einwohnern,<br />
von denen zwölf Prozent Moslems sind. Dort<br />
gibt es heute 18 Hinterhofmoscheen. Jeden Tag gehen<br />
fromme Muslime zu nicht-frommen Muslimen und fragen,<br />
warum sie ihre Frauen noch nicht verschleiert<br />
haben. Es entsteht also Druck in den Gemeinschaften.<br />
Deshalb wundert mich nicht, was in Brüssel passiert<br />
oder wie es in Marxloh und Neukölln aussieht. Diese<br />
Menschen leben nach dem Koran, und der lehnt Demokratie<br />
und Pluralismus ab. Das ist Tatsache. Wer die<br />
destruktive Kraft im Islam unterschätzt, begeht ein Verbrechen<br />
an den kommenden Generationen.<br />
Augenblick: Der Islam ist doch angeblich friedlich.<br />
Seit 1.400 Jahren metzeln Muslime Nichtmuslime –<br />
und kommen Sie mir nicht mit der Blütezeit in Spanien<br />
oder anderen Märchen. Das ist eine Erfindung der<br />
Spätorientalisten. Moslems waren Eroberer und Kolonialherren<br />
in Spanien, und als solche haben sie sich<br />
verhalten. Das müssen die Sozialromantiker begreifen,<br />
solange sie noch Zeit haben.<br />
Was Sie beschreiben, hört sich eher nach Islamismus<br />
an.<br />
Die Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus ist<br />
eine Erfindung des Westens. Es gibt nur einen Islam,<br />
und der verharrt seit 1.400 Jahren in seiner faschistischen<br />
Ideologie. Die wahren Muslime finden wir beim<br />
Islamischen Staat. Sie praktizieren denselben Terror<br />
wie Mohammed. Jeder, der sich mit der Geschichte<br />
befasst, weiß, dass Mohammed Unschuldige töten<br />
ließ. Wir verharmlosen und verklären die faschistische<br />
Ideologie des Islam, dabei müssten wir eine echte<br />
Debatte führen und jungen, mitten unter uns gebore-<br />
Apostasie Länder mit Todesstrafe<br />
Mauretanien<br />
Quelle: Wikipedia<br />
Sudan<br />
Saudi-<br />
Arabien<br />
Iran<br />
Jemen<br />
Somalia<br />
Afghanistan<br />
Pakistan<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong>
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
nen Muslimen die Augen öffnen. Es ist unsere Aufgabe,<br />
dass wir diese Menschen entgiften.<br />
Jetzt klingen Sie aber ganz schön hart.<br />
Ich komme aus einer sehr liberalen Familie. Wir waren<br />
Agnostiker, weltoffen und nur formal gesehen islamisch.<br />
Bei meinen Onkeln und Tanten war das anders.<br />
Wenn wir dort zu Familientreffen zusammenkamen,<br />
mussten wir vor dem Essen beten: «Gott verfluche die<br />
Christen und die Juden.» Man darf nicht sagen: «Gott<br />
schütze die Menschheit», sondern «Gott schütze die<br />
Muslime», sonst wäre das eine Sünde. Heute höre ich<br />
das überall und sogar von großen Minaretten deutscher<br />
Städte. Wir haben im Koran eine Anfangssure.<br />
Darin beten wir Muslime zu Allah und sagen, «Gott<br />
zeige uns den richtigen Weg, nicht den Weg der Verfluchten<br />
und Verdammten». Damit meinen wir Christen<br />
und Juden. Überlegen Sie sich, das wird in Deutschland<br />
tagtäglich millionenfach rezitiert. Sorry, aber das<br />
ist für mich Steinzeitalter und Faschismus pur!<br />
Das Schweigen der Mehrheit<br />
Na gut, aber die meisten Muslime leben doch<br />
friedlich.<br />
Ja, aber durch ihre passive Haltung decken sie unbewusst<br />
die Verbrechen der Radikalen. Wir hören nie,<br />
dass diese Menschen sagen: Wir müssen die Salafisten<br />
selber stoppen! In dieser Haltung steckt auch eine<br />
feige Bejahung. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Zu Ostern<br />
gab es in Pakistan einen Terroranschlag mit über 100<br />
Toten, darunter viele Kinder…<br />
… und sehr viele Christen!<br />
«Wir müssen die Demokratie bejahenden<br />
Muslime wissen lassen,<br />
dass sie erwünscht sind.» Karim<br />
Am Tag darauf habe ich bewusst alle arabischen<br />
Medien überflogen. Überall war das Wort Terroranschlag<br />
in Anführungszeichen gesetzt, wodurch in<br />
Frage gestellt wurde, dass es ein terroristisches Verbrechen<br />
war. So kommt diese Nachricht bei den Muslimen<br />
in Deutschland an, die ja Satellitenfernsehen<br />
haben. Radikale und moderate Muslime verbindet<br />
zudem die Opferrolle. Alle sehen sich als Opfer.<br />
Können Sie nicht nachvollziehen, dass Muslime<br />
wütend auf den Westen sind?<br />
Doch, absolut. Die Eliten im Westen, die uns in Bezug<br />
auf die «Willkommenskultur» ihre Definition von Humanität<br />
aufzwingen wollen, sind dieselben, die Kriege in<br />
der Region entfachen und Waffenlieferungen in Milliardenhöhe<br />
genehmigen. Ich verstehe die Wut der<br />
Menschen, aber nicht den Hass. Aber leider ist Hass,<br />
unabhängig von der menschenverachtenden Politik des<br />
Westens, ein Bestandteil des Korans. Der lehrt nämlich,<br />
dass ein gläubiger Moslem gegen die Ungläubigen<br />
kämpfen muss, bis die ganze Welt islamisch ist. Er darf<br />
nicht ruhen, bis er den Letzten islamisiert oder getötet<br />
hat. Ein Gläubiger, der schon vom Islam verseucht<br />
ist und sieht, wie muslimische Länder von westlichen<br />
Bomben zerstört werden, dessen Bild wird dadurch<br />
noch mehr bestätigt. So schließt sich der Teufelskreis.<br />
Was bedeutet das konkret für Deutschland?<br />
Natürlich gibt es hier Muslime, die im Grunde religionsfrei<br />
sind, und ich kann mit Sicherheit behaupten,<br />
die Mehrheit der Muslime ist friedlich. Aber wenn die<br />
radikale Minderheit an Macht gewinnt, wird sie die<br />
Mehrheit einschüchtern oder im schlimmsten Fall mitradikalisieren.<br />
Schauen Sie in den Irak. In Mossul konnten<br />
gerade einmal 20.000 IS-Kämpfer ungehindert die<br />
dort lebenden Christen und Jeziden töten oder versklaven.<br />
Was haben die etwa drei Millionen Sunniten<br />
der Stadt getan? Nichts. Sie schauten einfach weg<br />
oder stahlen Häuser und Mobiliar der Getöteten. Das<br />
haben wir auch in Deutschland in den dunklen zwölf<br />
Jahren gehabt.<br />
Was können wir tun?<br />
Wir müssen unsere Werte der Aufklärung, der Freiheit<br />
und der individuellen Entfaltung verteidigen und<br />
schleunigst damit aufhören, politische Kräfte aus unserer<br />
rechtskonservativen Mitte zu verteufeln. Wir müssen<br />
die echten Demokratie bejahenden Muslime wissen<br />
lassen, dass sie erwünscht sind, und uns von den<br />
aus der Türkei und Saudi-Arabien finanzierten Islamverbänden<br />
lösen. Die Mehrheitsgesellschaft muss<br />
außerdem klare Forderungen an die Einwanderer stellen.<br />
Noch ist das einfach, aber in zehn oder 20 Jahren<br />
wird es nicht mehr so sein. Zeit ist das Rare, was wir<br />
in dieser Hinsicht besitzen.<br />
Herr Karim, vielen Dank für das Gespräch.<br />
Sie lieben Deutschland: Imad Karim<br />
und <strong>COMPACT</strong>-Redakteur Tino Perlick.<br />
Foto: <strong>COMPACT</strong><br />
Deutsche<br />
Befindlichkeiten<br />
«Niemand hat ein Problem mit<br />
Deutschland. Deutschland hat<br />
ein Problem mit sich. Ob bei den<br />
Linken oder bei den Konservativen:<br />
Immer merkte ich, dass die<br />
Deutschen Angst haben, sich<br />
zu loben, ja sich zu lieben. Anscheinend<br />
hat mit der Entnazifizierung<br />
nach Kriegsende auch<br />
ein Stück Entnormalisierung<br />
stattgefunden. Es ist mir immer<br />
– und nicht selten, ohne erschrocken<br />
zu sein –, aufgefallen,<br />
dass die Menschen mir gegenüber<br />
ihre Zuneigung ausdrücken<br />
wollten, indem sie mir<br />
zu verstehen gaben, sich selbst<br />
zu entlieben. Es tut mir unendlich<br />
weh, wenn ich sehe, wie<br />
die Deutschen diesen Zeigefinger<br />
auf sich selbst richten. Dadurch<br />
wird das Sichtfeld beeinträchtigt,<br />
und nicht selten werden<br />
Werte der Aufklärung wie<br />
Gleichberechtigung, individuelle<br />
Freiheiten und eigene Entfaltung<br />
geopfert, um Frommen<br />
oder Strenggläubigen, zum Beispiel<br />
den Muslimen, die ”Toleranz<br />
der deutschen Mehrheit” zu<br />
beweisen.» (Imad Karim)<br />
19
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Auf Einladung<br />
der Kanzlerin<br />
_ von Jürgen Elsässer<br />
Die Terroranschläge in Brüssel wären ohne Angela Merkels Politik<br />
der Offenen Grenzen nicht möglich gewesen. Der Drahtzieher nutzte<br />
den von ihr angeordneten Verzicht auf Polizeikontrollen, um die<br />
Mörder an den Tatort zu bringen.<br />
Die Verharmlosung geht weiter. «Die Terroristen<br />
sind keine Flüchtlinge», erklärte Bundesjustizminister<br />
Heiko Maas (SPD) am 24. März mit Blick auf das Blutbad,<br />
das Killer des Islamischen Staates (IS) zwei Tage<br />
zuvor in der belgischen Hauptstadt angerichtet hatten.<br />
Genauso blind hatte sich Innenminister Thomas<br />
de Maizière (CDU) schon wenige Stunden nach den<br />
Anschlägen geäußert: Er sehe «keinerlei Hinweise auf<br />
einen Deutschland-Bezug» der Täter.<br />
Der Terroristen-Chauffeur und mutmaßliche<br />
Drahtzieher in Paris und<br />
Brüssel Salah Abdeslam. Foto: picture<br />
alliance/dpa<br />
Die Bombenleger vom Brüsseler<br />
Flughafen: Der «Mann mit<br />
Hut» überlebte, ist mittlerweile<br />
gefasst und hat gestanden. Die beiden<br />
anderen sind tot: Ibrahim el-<br />
Bakroui (Mitte, Bruder des im Artikel<br />
erwähnten Khalid) und der<br />
ebenfalls im Text erwähnte Sofiane<br />
Ayari (links, richtiger Name vermutlich<br />
Najim Laachraoui). Foto: Belgian<br />
Federal Police<br />
Ähnliche Beschwörungsformeln waren schon nach<br />
der Schreckensnacht am 13. November in Paris aus der<br />
Bundesregierung zu hören gewesen: Maas verkündete<br />
auch damals, es gebe «keine Verbindung zwischen<br />
Terror und Flüchtlingen». Doch bereits nach wenigen<br />
Tagen wurde klar, dass zumindest einer der acht Attentäter<br />
als Flüchtling über die griechische Insel Leros eingereist<br />
war, bald darauf erhöhte sich die Zahl auf drei.<br />
Von Leros nach Ulm<br />
Wie schon im November haben sich Maas und Co.<br />
auch im März mit ihrer Weißwäscherei gründlich blamiert<br />
– aber sich bis heute nicht für diese gemeingefährliche<br />
Irreführung der Öffentlichkeit entschuldigt.<br />
Betrachten wir die Fakten. «Zumindest drei der<br />
Attentäter von Brüssel sind als Flüchtlinge getarnt über<br />
die Balkanroute in die EU eingereist», berichtete die<br />
österreichische Kronen-Zeitung am 31. März mit Verweis<br />
auf griechische Polizeikreise. Bei den dreien handelte<br />
es sich um Naim al-Hamed und Sofiane Ayari, die<br />
ebenfalls in Leros den Boden des gelobten Schengen-<br />
Landes betreten hatten, und um Khalid el Bakraoui,<br />
der sich dann in der Metro in die Luft sprengte. Dessen<br />
Reiseroute ist besonders bemerkenswert: Er kam<br />
eigens im Juli 2015 von Italien nach Leros – ein riesiger<br />
Umweg auf dem Weg nach Brüssel. Das häufige Auftauchen<br />
dieser Insel als Einreisepunkt sowohl für die<br />
Pariser wie für die Brüsseler Attentäter weist darauf<br />
hin, dass sie hier auf die Komplizenschaft, zumindest<br />
aber auf die Schlamperei griechischer Grenzbeamter<br />
hoffen konnten.<br />
Mittlerweile scheint klar, dass nicht nur drei der<br />
Täter als Asylbewerber kamen. «Die IS-Terroristen, so<br />
glauben die französischen Ermittler inzwischen, reisten<br />
mehrheitlich [sic!] als syrische Flüchtlinge getarnt<br />
auf der sogenannten Balkanroute in die Europäische<br />
Union», referierte die Welt am 6. April den Ermittlungsstand<br />
zum Brüsseler Anschlag.<br />
20<br />
Als Organisator fungierte dabei – wie schon zuvor<br />
in Paris – Salah Abdeslam, der Bruder eines Selbstmordbombers<br />
vom 13. November. Seine Festnahme im<br />
berüchtigten Molenbeek am 18. März soll die Attentäter<br />
zum Zuschlagen vier Tage später provoziert haben.<br />
Abdeslam sitzt mittlerweile im Hochsicherheitstrakt<br />
in Brügge und schweigt. Trotzdem konnten die Ermittler<br />
anhand der Navigationsgeräte seiner Mietwagen<br />
rekonstruieren, wie er vorgegangen war.
Insgesamt vier Fahrten sind nachgewiesen: Anfang<br />
August 2015 reiste er von Italien ins griechische Patras<br />
und wieder zurück. Der Zweck der Fahrt ist unklar, eventuell<br />
diente sie der Vorbereitung des Folgenden. Am<br />
8. und 9. September fuhr er gezielt von Brüssel nach<br />
Budapest und parkte dort unweit des Ostbahnhofes,<br />
wo sich zu diesem Zeitpunkt Tausende von Syrern<br />
und anderen angeblichen Flüchtlingen in Erwartung<br />
der Weiterreise nach Mitteleuropa gesammelt hatten.<br />
Das Datum steht in unmittelbarer Verbindung mit<br />
dem Wegfall der deutschen Grenzkontrollen, die Merkel<br />
in der Nacht vom 4. auf den 5. September verkündet<br />
hatte. Abdeslam erkannte offensichtlich, dass diese<br />
Situation günstig war, um mordwillige Dschihadisten<br />
zu schleusen. Erwiesen ist jedenfalls, dass er auf dem<br />
Rückweg Mohammed Belkaid und Nadschim Lachraoui<br />
im Auto hatte: den angeblichen Logistiker der Pariser<br />
Anschläge und einen der Selbstmordbomber vom<br />
Brüsseler Flughafen. Die gleiche Tour machte Abdeslam<br />
nochmal am 17. September, wobei ungeklärt ist,<br />
wen er an diesem Tag abgeholt hat.<br />
aus der Flüchtlingsunterkunft verschwunden.» (Welt,<br />
6.4.<strong>2016</strong>) Im Ibis checkten in jener Nacht drei Personen<br />
unter falschem Namen ein. Das Bundeskriminalamt<br />
identifizierte eine von ihnen anhand der Fingerabdrücke<br />
als Monir Ahmed Alaj – der Mann, der Mitte März<br />
zusammen mit Abdeslam verhaftet werden sollte. Er<br />
und der eingangs bereits erwähnte Sofiane Ayari hatten<br />
sich am 1. Oktober brav im bayrischen Feldkirchen<br />
als Asylbewerber registrieren lassen.<br />
Blut an den Händen<br />
Das Verblüffende: Die genannten Personen wiesen<br />
sich beim Betreten von Schengen-Europa allesamt mit<br />
gefälschten Pässen als Syrer aus. Auf diese Idee hatte<br />
sie Merkel höchstpersönlich gebracht: Sie hatte in den<br />
letzten Augusttagen 2015 angewiesen, dass Bürger<br />
des Bürgerkriegslandes auf jeden Fall in Deutschland<br />
einreisen könnten und nicht in den Staat, wo sie zuerst<br />
in die EU eingereist waren, zurückgeschoben werden<br />
dürften – ein klarer Bruch des Dublin-Abkommens.<br />
Der Schock, das Grauen, die Verzweiflung:<br />
Überlebende auf dem<br />
Brüsseler Flughafen, 22. März <strong>2016</strong>.<br />
Foto: picture alliance / AP Photo<br />
Zu spät: Armeeaufmarsch nach dem<br />
Inferno. Foto: picture alliance / dpa<br />
Besonders interessant ist der Ausflug, den der Terror-Chauffeur<br />
am 2. und 3. Oktober unternahm. Dieses<br />
Mal fuhr er nicht nach Ungarn, das seine Grenzen<br />
mittlerweile geschlossen hatte, sondern nach Ulm,<br />
wo einige hundert Balkandurchzügler gelandet waren.<br />
«Sein Ziel war das Ibis-Hotel am Bahnhof. Wenige Tage<br />
zuvor war in der Nähe eine Notunterkunft für Flüchtlinge<br />
in den Ulmer Messehallen eingerichtet worden.<br />
(…) Unter sie hatten sich vermutlich auch die IS-Terroristen<br />
gemischt, die Abdeslam in dieser Nacht einsammelte.<br />
Nach seiner Reise waren jedenfalls drei<br />
Männer, die sich in Ulm als Syrer ausgegeben hatten,<br />
Aber die Schuld der Bundeskanzlerin ist noch größer.<br />
Es stimmt nämlich nicht, wie die Leitmedien behaupten,<br />
dass man die gefälschten Personaldokumente<br />
nicht hätte entdecken können, weil es sich dabei gar<br />
nicht um Fälschungen handele, sondern um originale<br />
Blankopässe, von denen der IS und die verbündete al-<br />
Nusra-Front schon 2015 insgesamt 3.800 gestohlen<br />
hatten. Dabei wird geflissentlich übergangen, dass<br />
man die Neuinhaber dieser Papiere sehr wohl hätte<br />
identifizieren können, denn: «Die Nummern der gestohlenen<br />
Pässe sind den Behörden bekannt und zur Fahndung<br />
ausgeschrieben. Die Informationen gab Griechen-<br />
Merkel selbst hatte<br />
die Terroristen auf<br />
die Idee mit den<br />
syrischen Pässen<br />
gebracht.<br />
21
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Spott über die<br />
Fahnder<br />
Wie fahrlässig die Sicherheitsdienste<br />
die Dschihadisten gewähren<br />
lassen, zeigt besonders<br />
das Beispiel des mutmaßlichen<br />
Drahtziehers der Pariser<br />
Anschläge, Abdelhamid<br />
Abaaoud (übrigens ein Bekannter<br />
des im Artikel genannten<br />
deutschen Dschihadisten Nils<br />
D.). Er gab dem IS-<strong>Magazin</strong> Dabiq<br />
bereits im Februar 2015 ein<br />
Interview, in dem er aus seinen<br />
Terrorplänen keinen Hehl machte.<br />
Obwohl er darin seine Fahnder<br />
verspottete, wurde er in der<br />
Folge nicht mit Hochdruck gesucht.<br />
Auszüge: «Die Nachrichtendienste<br />
kannten mich,<br />
weil ich vorher von ihnen geschnappt<br />
worden war. Nach der<br />
Erstürmung konnten sie mich<br />
direkt mit den geplanten Anschlägen<br />
in Verbindung bringen.<br />
(…) All das beweist, dass<br />
Muslime nicht das aufgeblasene<br />
Image der Überwachung<br />
der Kreuzfahrer fürchten müssen.<br />
Mein Name und mein Bild<br />
waren überall in den Nachrichten,<br />
trotzdem konnte ich in ihren<br />
Ländern bleiben, Operationen<br />
gegen sie planen und das Land<br />
sicher verlassen, wenn es notwendig<br />
wurde.»<br />
Abdelhamid Abaaoud mit IS-Fahne.<br />
Foto: Dabiq<br />
land bereits im Juni in das Schengeninformationssystem<br />
(SIS) ein.» (Berliner Zeitung, 24.9.2015) Hätte die<br />
Bundeskanzlerin also Anfang September die Grenzkontrollen<br />
nicht ausgesetzt und jedes einzelne Ausweisdokument<br />
der Einreisenden überprüfen lassen, hätten<br />
durch SIS-Abgleich alle verdächtigen Personen sofort<br />
festgenommen und eingesperrt werden können. Nur<br />
weil das nicht geschah, konnten die Terroristen durchschlüpfen<br />
und auf ihre Stunde warten.<br />
Ein alter Bekannter<br />
Mittlerweile versuchen die deutschen Sicherheitsbehörden<br />
in aller Hektik, die von der Kanzlerin zu verantwortende<br />
Gefährdungslage in den Griff zu bekommen.<br />
Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen<br />
gab Mitte April zu, dass man die Situation «zunächst<br />
falsch eingeschätzt» habe: Man habe es «für unwahrscheinlich<br />
gehalten, dass der IS den Flüchtlingsstrom<br />
nutzen» werde. Maaßen weiter: «Wir dachten, das<br />
Risiko sei schlichtweg viel zu hoch. Mittlerweile wissen<br />
wir: Was den IS angeht, müssen wir eben auch<br />
dazulernen.» Das «islamistisch-terroristische Potential»<br />
in der Bundesrepublik beziffert er auf 1.100 Personen,<br />
hinzu kämen 8.650 Salafisten.<br />
Maaßen warnt nach jüngsten Videodrohungen der<br />
Kopf-ab-Miliz auch bei uns vor Anschlägen: «Deutsche<br />
Städte werden in einem Zusammenhang mit anderen<br />
Metropolen wie Paris, London oder Brüssel genannt.»<br />
Dass die Furcht nicht unbegründet ist, zeigt das Beispiel<br />
Nils D.. Der Konvertit aus Dinslaken steht seit<br />
Januar vor Gericht. Ermittler haben Fotos von ihm<br />
BELGIEN<br />
Brüssel<br />
4<br />
DEUTSCHLAND<br />
Würzburg<br />
2<br />
Ulm<br />
ITALIEN<br />
1<br />
3<br />
Polizeikontrolle<br />
Aisterheim<br />
UNGARN<br />
gefunden, die ihn beim IS in Syrien zeigen. «Auf einem<br />
trägt D. einen Sprengstoffgürtel. Auf einem anderen<br />
hält er einem gefesselten Gefangenen eine Pistole an<br />
den Hinterkopf» (Süddeutsche Zeitung, 14.1.<strong>2016</strong>). Von<br />
besonderer Brisanz: D. gibt an, deutsche IS-Kämpfer<br />
hätten mit einigen der Paris-Attentäter in der Kleinstadt<br />
Kafr Hamra zusammengelebt. Etliche von ihnen<br />
haben laut D. in belgisch geführten Einheiten gekämpft.<br />
«Damit wäre die Verbindung zwischen Belgiern und<br />
Deutschen deutlich enger als bisher bekannt», resümiert<br />
die SZ.<br />
Laut D. ist ein gewisser Reda Seyam der wichtigste<br />
deutschsprachige Mann des IS. Die Bild-Zeitung will<br />
erfahren haben, dass der Deutsch-Ägypter für die Terrormiliz<br />
eine Liste mit «über 100 Männern» erstellt hat,<br />
die bereit seien, Aufgaben für den IS «in der Türkei oder<br />
in Europa» zu übernehmen, und auch vor Selbstmordattentaten<br />
nicht zurückschrecken. Während das Verfahren<br />
gegen D. als Ergebnis der Wachsamkeit unserer<br />
Behörden erscheinen mag, deuten die Aussagen<br />
über Seyam auf ihr Scheitern oder Schlimmeres hin:<br />
Obwohl er seit 20 Jahren bei allen dschihadistischen<br />
Mordbrennereien als vermeintlicher Kameramann auftaucht<br />
– Bosnienkrieg 1995, Bali-Attentate 2002, Latakia/Syrien<br />
2013 –, konnte er die ganze Zeit in Ulm, später<br />
in Berlin offen leben und Hartz-IV beziehen. Im Jahr<br />
2012 unterstützte er mit seinen Videofilmen die kostenlose<br />
Koran-Verteilung der Salafisten. Auch bei deren<br />
gewalttätigen Kundgebungen in Bonn im selben Jahr<br />
war er anwesend. Will man mit seiner Verhaftung warten,<br />
bis seine IS-Rekruten ein deutsches 9/11 ins Werk<br />
gesetzt haben? (Mehr zu Seyam in <strong>COMPACT</strong> 9/2014)<br />
Die Wege der Brüsseler Terroristen<br />
Budapest<br />
5<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
1.8.2015: Organisator Salah<br />
Abdeslam reist nach Piräus<br />
zu Vorbereitungen.<br />
8./9.9.2015: Abdeslam holt<br />
einige der späteren Täter in<br />
Budapest ab.<br />
17.9.2015: Abdeslam erneut<br />
in Budapest.<br />
2./3.10.2015: Abdeslam holt<br />
weitere Terroristen in Ulm ab.<br />
Einreise von mindestens<br />
drei Terroristen über die<br />
griechische Insel Leros.<br />
Bari<br />
GRIECHENLAND<br />
22<br />
<strong>COMPACT</strong> Spezial Nr. 5 – «Dschihad<br />
in Europa». Foto: <strong>COMPACT</strong><br />
Quelle: statista Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
Leros
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Der Schöngeist und die Umvolkung<br />
_ von Akif Pirinçci<br />
Navid Kermani lehnt das Kreuz der Christen rundheraus ab und gerät bei islamischen<br />
Turnübungen in Ekstase. Trotzdem – nein: deswegen! – ist der deutsch-iranische Schriftsteller<br />
zum Liebling des Feuilletons avanciert und wird von den Eliten mit Auszeichnungen<br />
überhäuft.<br />
Der Begriff «Umvolkung» stammt von den Nationalsozialisten<br />
und meint den Bevölkerungsaustausch und<br />
die Re-Germanisierung in den damals von der Wehrmacht<br />
eroberten Ostgebieten zugunsten von Volksdeutschen<br />
und parallel dazu die Umsiedlung unerwünschter<br />
Volksgruppen in die ihnen neu zugewiesenen Gebiete.<br />
Es geht um die Auswechslung einer Bevölkerung gegen<br />
eine andere. Das Hauptmerkmal der Umvolkung ist ihre<br />
absolute Künstlichkeit. Sie ist eine widernatürliche<br />
Kopfgeburt. Menschen, die durch eine klar definierte<br />
Geographie, eine gemeinsame Gruppen- und Ahnengeschichte,<br />
einen Kulturkreis, einen kollektiven Erinnerungsschatz<br />
und nicht zuletzt durch eine exakt zu<br />
lokalisierende Heimat miteinander verschmolzen sind,<br />
sollen par ordre du mufti in ein fremdes Gefilde verfrachtet<br />
werden.<br />
Ein Volk dagegen ist eine dem Lande über Generationen<br />
hinweg natürlich gewachsene Menschenmenge<br />
mit mehr oder weniger ins Auge springenden<br />
speziellen Umgangsformen, Bräuchen, Schrulligkeiten,<br />
Gepflogenheiten und Lebensweisen, vor allem jedoch<br />
mit einer alle verbindenden gemeinsamen Identität.<br />
Darunter kann selbstredend auch der neu Hinzugekommene<br />
fallen, der anerkennt, dass diese landestypische<br />
Manier ihm weit mehr behagt als seine alte und abgelegte.<br />
Er müsste es jedoch nicht nur anerkennen, sondern<br />
auch fühlen und beweisen. Das Nachplappern von<br />
aufgeschnappten Grundgesetzartikeln nützt gar nichts.<br />
Es ist bloß Show, um unter einem freiheitlichen Banner<br />
wie zum Beispiel der Religionsfreiheit seine zutiefst<br />
grundgesetzwidrigen Charakteristika mit Hilfe von<br />
pseudo-juristischen Spitzfindigkeiten zu verschleiern.<br />
Die Neudeutschen<br />
Einer dieser Deutschtuenden ist Navid Kermani, ein<br />
deutsch-iranischer Schriftsteller, den vermutlich nur<br />
ein Prozent der deutschen Buchinteressierten kennt<br />
und liest. Exakt jener ahnungslose deutsche Leser fiele<br />
jedoch wohl aus allen Wolken, wenn er erführe, dass<br />
gerade dieser unbekannteste Schriftsteller der Republik<br />
der absolute, wenn nicht sogar der Feuilletonliebling<br />
schlechthin unserer moslemarschkriechenden<br />
Presse ist und wie viele Literaturpreise er schon eingeheimst<br />
hat. Ich zähle sie kurz auf: Ernst-Bloch-Förderpreis,<br />
Jahrespreis der Helga-und-Edzard-Reuter-Stiftung,<br />
Schwarzkopf-Europa-Preis der Schwarzkopf-Stiftung<br />
Junges Europa, Stipendiat in der Villa Massimo,<br />
Hessischer Kulturpreis, Buber-Rosenzweig-Medaille,<br />
Hannah-Arendt-Preis, Ehrenpreis des Kölner Kulturpreises,<br />
Kleist-Preis, Cicero-Rednerpreis, Gerty-Spies-<br />
Literaturpreis, Joseph-Breitbach-Preis, Deutscher Dialogpreis<br />
des BDDI, Mitglied der Nordrhein-Westfälischen<br />
Akademie der Wissenschaften und der Künste<br />
und schließlich und endlich der höchste aller in diesem<br />
Land zu vergebenden Literaturpreise, nämlich den Friedenspreis<br />
des Deutschen Buchhandels.<br />
Ganz ehrlich, kennen Sie Navid Kermani? Nein?<br />
Dann möchte ich Sie über ihn aufklären. Kermani ist<br />
nicht irgendein Schriftsteller mit Migrationshintergrund<br />
und schon gar nicht ist er einer der üblichen<br />
Islamverharmloser, der, obwohl selber areligiös und<br />
westlich lebend, die verlogene Monstranz der Fremdenliebe<br />
vor sich herträgt, indem er jede Art von Barbarei<br />
dieses Gewalt-und-Jungfrauen-Kults relativiert<br />
und als «andere Kultur» schönredet. Im Gegenteil, Kermani<br />
ist ein ganz Harter und spuckt seinen christlichen<br />
Gastgebern sogar ins Gesicht: «Kreuzen gegen-<br />
Navid Kermani, hier mit Mineralwasser,<br />
gerät bei Sufi-Übungen in<br />
Verzückung. Foto: ravensbuch.de<br />
Das Hauptmerkmal<br />
der Umvolkung ist<br />
ihre absolute<br />
Künstlichkeit.<br />
23
Sonder-Ausgabe Nr. 9 | 8,80 EUR (D) · compact-online.de<br />
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Boykott gegen<br />
Pirinçci<br />
Zensur<br />
in der BRD<br />
Die schwarze Liste<br />
der verbotenen<br />
Autoren<br />
9,90 Euro (A), 13 sFr (CH)<br />
Das Das Lügenkartell gegen Eva Eva Herman, Akif Pirinçci, Matthias Matussek,<br />
Nicolaus Fest, Fest, Gerhard Wisnewski, Elmar Hörig, Frieder Wagner, Michael<br />
Vogt, Vogt, Jürgen Elsässer, Ken Ken Jebsen, Jan van Helsing.<br />
24<br />
Seit Ende Oktober 2015 boykottiert<br />
der Buchhandel weitgehend<br />
die Bücher von Pirinçci.<br />
Vorausgegangen war eine Rede<br />
des Schriftstellers bei Pegida<br />
in Dresden, in der er – so die<br />
Falschdarstellung der Lügenmedien<br />
– angeblich die Einrichtung<br />
von KZs für Flüchtlinge gefordert<br />
haben soll; in Wirklichkeit hatte<br />
er vor der Errichtung von KZs für<br />
Deutsche gewarnt.<br />
Bei Amazon werden offenbar<br />
immerhin Angebote unabhängiger<br />
Einzelhändler geduldet.<br />
Allerdings offerierten bei<br />
einer Recherche im April <strong>2016</strong><br />
lediglich eine Handvoll Anbieter<br />
wenige Exemplare von Deutschland<br />
von Sinnen und Die große<br />
Verschwulung. Zudem waren<br />
einige Katzenkrimis antiquarisch<br />
erhältlich. Die Amazon-Tochter<br />
AbeBooks verzeichnet unter<br />
dem Suchbegriff Akif Pirinçci<br />
dagegen ausschließlich seine<br />
Romane, ebenso wie deren auf<br />
Gebrauchtbücher spezialisierter<br />
Ableger ZVAB. Bei Hugendubel<br />
waren keine Angebote aufzufinden,<br />
ebenso wenig bei Thalia.<br />
Der stärkste Grossist hat bereits<br />
angekündigt, das neue Pirinçci-<br />
Buch Umvolkung nicht an die<br />
Buchhandlungen auszuliefern.<br />
Auf jeden Fall sind Pirinçcis<br />
Sachbücher bei seinem neuen<br />
Verlag Antaios (antaios.de) und<br />
über den Kopp-Verlag (kopp-verlag.de)<br />
erhältlich.<br />
Mehr zur Zensur von Pirinçci und<br />
anderer Autoren in <strong>COMPACT</strong>-Spezial<br />
Nr. 9. Foto: <strong>COMPACT</strong><br />
Bild oben rechts: Ein Wegekreuz vor<br />
dunklen Gewitterwolken. Foto: dpa/<br />
Felix Kästle/Illustration<br />
über bin ich prinzipiell negativ eingestellt. Nicht, dass<br />
ich die Menschen, die zum Kreuz beten, weniger respektiere<br />
als andere betende Menschen. Es ist kein Vorwurf.<br />
Es ist eine Absage. Gerade weil ich ernst nehme,<br />
was es darstellt, lehne ich das Kreuz rundherum ab.<br />
Nebenbei finde ich die Hypostasierung des Schmerzes<br />
barbarisch, körperfeindlich, ein Undank gegenüber<br />
der Schöpfung, über die wir uns freuen, die wir genießen<br />
sollen, auf dass wir den Schöpfer erkennen. Ich<br />
kann im Herzen verstehen, warum Judentum und Islam<br />
die Kreuzigung ablehnen. Sie tun es ja höflich, viel zu<br />
höflich, wie mir manchmal erscheint, wenn ich Christen<br />
die Trinität erklären höre und die Wiederauferstehung<br />
und dass Jesus für unsere Sünden gestorben sei.<br />
Der Koran sagt, dass ein anderer gekreuzigt worden<br />
sei. Jesus sei entkommen. Für mich formuliere ich die<br />
Ablehnung der Kreuzestheologie drastischer: Gotteslästerung<br />
und Idolatrie [Bilderverehrung].»<br />
Gut, diese Äußerungen könnten auch von einem<br />
Atheisten stammen, so wie ich einer bin und wie fast<br />
jeder in der Kreativbranche. Tun sie aber nicht. Sie sind<br />
von einem Autor, der sich fast ausschließlich mit der<br />
Religion beschäftigt, nämlich mit dem Islam, darüber<br />
jedoch nicht nur artige Akademikertraktätchen verfasst,<br />
sondern sich in ihm richtiggehend suhlt und ihn verherrlicht.<br />
Navid Kermani ist das fleischgewordene und<br />
auffälligste Symptom der Migrantisierung der deutschen<br />
Kultur, und es ist dabei gleichgültig, dass er<br />
bereits in Deutschland geboren wurde: Der vom linksgrünen<br />
Kulturbetrieb und von staatlichen Kulturinstitutionen<br />
krampfhaft postulierte Anspruch, dass der<br />
Künstler und Intellektuelle ausländischer, besser muslimischer<br />
Herkunft weit genialischer sei und unsere<br />
Gesellschaft authentischer abbilde als ein Autor oder<br />
Filmemacher, der Karl heißt, ist seit Anfang der 1990er<br />
Programm und Staatsdoktrin, zumindest was den Fluss<br />
der Staatsknete von den Fördertöpfen an die «üblichen<br />
Verdächtigen» anbetrifft.<br />
So wie es scheint, gerät Kermani bei seinen islamischen<br />
Turnübungen sogar regelrecht in einen Rausch:<br />
«Ich selbst habe einmal bei einem sufischen Atemritual<br />
mit anderen laut hyperventiliert, bis ich in Ohnmacht<br />
fiel. Als ich aufwachte, lag ich auf dem Boden, zwei<br />
Leute kümmerten sich um mich und gaben mir Zuckerwasser.<br />
Das war eine sehr schöne Erfahrung, und die<br />
Sehnsucht nach dieser kleinen Ekstase treibt mich weiter<br />
an. Die Gefahr ist allerdings, nach der Verzückung<br />
süchtig zu werden…» (Zeit-<strong>Magazin</strong>, 12. Januar 2015)<br />
Kermani spuckt seinen christlichen<br />
Gastgebern ins Gesicht.<br />
Man stelle sich vor, diese Zeit-Heinis würden an<br />
den Lippen eines deutschen Schriftstellers hängen<br />
und diesen als eine große geistige Autorität Deutschlands<br />
apostrophieren, der bei katholischen Exerzitien<br />
in Ekstase gerät und davon süchtig zu werden droht.<br />
Das brüllende Gelächter des Intellektuellenpublikums<br />
wäre ihm sicher. Doch da die größte Bedrohung der<br />
gegenwärtigen Welt schleichend auch das Epizentrum<br />
des deutschen Feuilletons diszipliniert und es ob<br />
der Schönheit der islamischen Spiritualität den Atem<br />
anhalten lässt, kann man von solcherlei Ohnmachtsanfällen<br />
nicht genug kriegen. Schon einige Wochen<br />
später nämlich kam in der Zeit ein neues Interview mit<br />
der Islamkoryphäe aufs Tapet. Man ist schier besessen<br />
von dem Mann.
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Selbsterniedrigung des Bundestags<br />
Offenkundig in Ermangelung eines deutschen Schwadroneurs<br />
durfte ausgerechnet der Islam-Hyperventilierer<br />
Navid Kermani am 23. Mai 2014 in einer Feierstunde<br />
anlässlich der Verkündung des Grundgesetzes<br />
vor 65 Jahren im deutschen Bundestag die Festrede<br />
halten. Vielleicht revanchieren sich die Muslime einmal<br />
und lassen einen Ungläubigen die Festrede zur<br />
Einführung der Scharia in Deutschland halten? Es war<br />
der Tiefpunkt des deutschen Parlaments, die Endstufe<br />
sozusagen. Und was sagte Kermani so? Er nannte die<br />
Einschränkung des Asylrechts, die der Bundestag in<br />
den 1990er Jahren beschlossen hat, einen «hässlichen<br />
Schandfleck», vermutlich weil dieses Land noch nicht<br />
zur Gänze mit seinen Glaubensbrüdern penetriert worden<br />
ist. Angeblich führte dies zu einem Eklat. I wo, die<br />
Merkel zumindest hatte die Botschaft schon damals<br />
verstanden und längst mitgeteilt, dass die Kermanis<br />
zu Deutschland gehören. Und es ist wahr, wir brauchen<br />
noch mehr Kermanis, damit Deutschland endlich<br />
den bluttriefenden Hieronymus-Bosch-Landschaften<br />
ähnelt, die der Herr Wissenschaftler in seinen «Reiseberichten»<br />
beschreibt – um danach den Gebetsteppich<br />
auszurollen.<br />
Der letzte Deutsche<br />
Eigentlich ist Kermani uninteressant. Er ist nur symbolhaft<br />
für die von der vergrünisierten Politik missverstandene<br />
Bevölkerungsidee. Nämlich dass alle in<br />
einem Land Lebenden völlig entgegengesetzte Lebensstile<br />
und Ansichten, insbesondere jedoch Umgangsformen<br />
mit Frauen pflegen können, ohne dass das sie<br />
alle verbindende Band der Heimat und der wie auch<br />
immer gearteten nationalen Identität zerfasert, gar<br />
sich völlig auflöst, obgleich die einander Entgegengesetzten<br />
im Tode nicht einmal auf ein und demselben<br />
Friedhof begraben werden wollen. Und Kermani ist<br />
ein Symptom für die Schwachsinnsidee des sturzdummen<br />
deutschen Politikers, dass das Raubtier Islam sich<br />
mit Sonntagsreden eines Schreiberlings mal so eben<br />
intellektualisieren und kompatibel für einen modernen<br />
westlichen Industriestaat machen lässt. Eher ist das<br />
Gegenteil der Fall.<br />
Kermani ist das fleischgewordene<br />
Symptom der Migrantisierung<br />
unserer Kultur.<br />
Das Fremde, der uns feindlich Gesinnte, im besten<br />
Falle unsere freiheitliche Lebensweise und unsere<br />
Sitten Ignorierende und über kurz oder lang uns seine<br />
vormoderne Denkart Aufzwingende dreht den Spieß<br />
durch sein demographisches Megawachstum einfach<br />
um und gängelt den deutschen Politiker, seine ganze<br />
Aufmerksamkeit, seine Zeit und die eingetriebenen<br />
Tribute (Steuern) nicht seinem eigenen Volk, sondern<br />
dem destruktiven Gast zu widmen. Schlussendlich<br />
betreibt der (muslimische) Ausländer eine Umvolkung<br />
des Inländers über die Bande der Politik, die – zumal<br />
schon völlig irre geworden vom Willkommens- und<br />
Vielfaltswahn – ihm den Gefallen tut. Bleibt nur das<br />
Problem, wer dann für die tolle Westniveau-Existenz<br />
des Fremden löhnen soll, wenn der letzte Deutsche<br />
weg ist.<br />
Cooler Typ: Pirinçci zieht auf Lunge.<br />
Foto: der-kleine-akif.de<br />
Das aktuelle Buch von Akif Pirinçci.<br />
Nicht in Buchhandlungen erhältlich,<br />
sondern auf antaios.de. Foto: Verlag<br />
Leider nicht geschlossen: Diese<br />
Moschee in der Brüsseler Salafistenhochburg<br />
Molenbeek steht unter<br />
saudischer Kontrolle, gepredigt wird<br />
nur auf Arabisch. Foto: picture alliance/AP<br />
Photo<br />
_ Vorabdruck aus Pirinçcis<br />
neuem Buch «Umvolkung. Wie<br />
die Deutschen still und leise<br />
ausgetauscht werden» (ISBN<br />
978-3-944422-19-0, 160 Seiten,<br />
14 Euro, antaios.de). – Akif Pirinçci<br />
(*1959) kam 1969 aus der Türkei<br />
nach Deutschland. Sein erstes<br />
Buch «Tränen sind immer das<br />
Ende» erschien 1980. Bekanntheit<br />
erlangte er mit seinem Katzenkrimi<br />
«Felidae» (1989). Seit 2012<br />
betätigt sich Pirinçci vor allem als<br />
gesellschaftspolitischer Essayist<br />
und Kritiker. Sein Buch «Deutschland<br />
von Sinnen» (2014) über<br />
die privilegierte Stellung von<br />
Migranten und Schwulen machte<br />
ihn zur Hassfigur des Mainstream.<br />
25
Die letzten Aramäer im Tur Abdin<br />
_ von Fritz Poppenberg<br />
26<br />
Im Ersten Weltkrieg betrieb das türkische Regime eine Vertreibungsund<br />
Ausrottungspolitik gegenüber den christlichen Minderheiten. Das<br />
Dorf Hah hielt stand – und verteidigt seinen Glauben bis heute.<br />
Aramäerin im Gebirge Tur Abdin.<br />
Foto: Autor<br />
Ihre Familie musste<br />
1993 fliehen, um<br />
Mordanschlägen zu<br />
entgehen.<br />
Verwüstet: Zaz, das Heimatdorf<br />
unserer Reiseführerin Hatune.<br />
Foto: Autor<br />
Wer heute preisgünstig Urlaub in der Türkei macht,<br />
erlebt als Pauschalreisender ein Land ohne Widersprüche.<br />
«Erlebe die Vielfalt», der Slogan der offiziellen<br />
Tourismus-Werbung, bezieht sich gerade noch auf<br />
die landschaftliche Verschiedenheit oder den unbeschwerten<br />
Wechsel zwischen Strand, Hamam und<br />
Hagia Sophia. Von der ethnischen und religiösen Vielfalt<br />
zwischen Bosporus und Anatolien, die das Osmanische<br />
Reich einst auszeichnete und vor hundert Jahren<br />
durch das grausame Abschlachten friedlicher Völkerschaften<br />
zerstört wurde, erfährt der Besucher nichts.<br />
Doch unsere kleine Reisegruppe geht ihren eigenen<br />
Weg: Wir wollen keinen Schnäppchen-Urlaub, sondern<br />
besuchen das Gebirge Tur Abdin, das Kerngebiet der<br />
Aramäer, nahe der syrischen Grenze. Die Klöster der<br />
Region gehören zu den ältesten der Welt – die hochstehende<br />
Kultur der christlichen Bevölkerung gab es<br />
schon ein halbes Jahrtausend vor Mohammed. Doch<br />
wie die Armenier des Osmanischen Reiches, so fielen<br />
auch die meisten Aramäer dem Genozid im und nach<br />
dem Ersten Weltkrieg zum Opfer.<br />
Ihre wenigen Nachfahren haben bis heute unter<br />
Enteignung und Entrechtung zu leiden. So wird das im<br />
Jahr 397 nach Christus gegründete, weltbekannte Kloster<br />
Mor Gabriel seit 2008 mit einer Flut von Gerichtsverfahren<br />
überzogen. Das Regime will an die Ländereien<br />
der Abtei heran, wobei es sich nicht scheut,<br />
geltendes Recht zu brechen. Zwar hat Recep Tayyip<br />
Erdogan 2013 unter Druck aus der Europäischen Union<br />
von «Unrecht» gesprochen, das den Mönchen widerfahren<br />
sei, doch bisher ist nichts passiert, was dieses<br />
Unrecht wiedergutgemacht hätte. Zudem ist das<br />
Unterrichten der aramäischen Sprache, immerhin der<br />
Sprache Jesu, verboten. Auf Bücher mit aramäischen<br />
Schriftzeichen machen Militär und Polizei regelmäßig<br />
Jagd. Schikanöse Durchsuchungen der Heiligtümer und<br />
Kontrollen ihrer Bewohner sind an der Tagesordnung.<br />
Unsere Reiseführerin Hatune kennt die Gegend und<br />
ihre Geschichte gut. Immerhin stammt sie selbst aus<br />
einem der Dörfer. 1993, sie war gerade neun Jahre alt,<br />
musste ihre Familie fliehen, um der grausamen Verfolgung<br />
seitens der herrschenden kurdischen Aga-Sippe<br />
zu entgehen.<br />
Der Untergang von Zaz<br />
Als wir in ihrem Heimatort Zaz ankommen, begreifen<br />
wir langsam die ganze Dimension des Geschehenen.<br />
Das ehemals blühende christliche Dorf mit etwa<br />
2.000 Einwohnern ist weitgehend eine Trümmerlandschaft.<br />
Von den kurdischen Eroberern sind gerade noch<br />
zwei oder drei Familien ansässig, die anderen sind auf<br />
der Suche nach fetterer Beute weitergezogen – nach<br />
Deutschland. Die einzig hier noch lebenden Christen
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
sind ein Mönch syrischer Konfession und eine ältere<br />
Frau. Abgesehen vom gelegentlichen Kontakt mit der<br />
sie schikanierenden Polizei leben die beiden isoliert in<br />
der Kirche oben auf dem Hügel.<br />
Hatune führt uns zu ihrem Elternhaus – oder vielmehr<br />
zu dem, was von ihm übrig geblieben ist, nachdem<br />
Muslime eine Bombe hineingeworfen haben. Sie<br />
zeigt uns die verdorrten Felder, auf denen sie einst<br />
ihren Eltern bei der Ernte half, und die Stelle, an der ihr<br />
Vater von Kurden mit der Erschießung bedroht wurde.<br />
Er hatte versucht, den Weinberg gegen die Räuber zu<br />
verteidigen. Uns fehlen die Worte. Die Trauernde klettert<br />
auf den Trümmerhaufen, unter dem ihre Kindheit<br />
begraben liegt, setzt sich auf die Steine und weint.<br />
Im Gebiet des Tur Abdin gibt es viele Dörfer mit ähnlichem<br />
Schicksal. Als die türkische Regierung 1915 den<br />
Plan zur Ausrottung der osmanischen Christen in die<br />
Tat umsetzte, wurden die meisten Ansiedlungen von<br />
der Mordwelle einfach weggespült. Einige, die sich<br />
wie Zaz zunächst mutig wehrten, legten aufgrund der<br />
Übermacht und heimtückischer Versprechungen seitens<br />
der Angreifer die Waffen nieder. Männer und Alte<br />
wurden daraufhin abgeschlachtet, hübsche Frauen und<br />
Kinder nach den Regeln des Dschihad zwangsislamisiert.<br />
Die neuen Herren der Siedlung haben Kahlschlag<br />
gemacht, selbst den großen jahrhundertealten<br />
Baum am Teich haben sie gefällt. Ohne den Schatten<br />
der Laubkronen ist es unerträglich heiß. Eine alte<br />
Kurdin bleibt in unserer Nähe stehen, zeigt auf den<br />
ausgetrockneten Weiher und sagt so etwas wie: «Mit<br />
der Flucht der letzten Christen ist auch der Segen verschwunden,<br />
der einmal auf diesem Dorf lag.»<br />
Ob in Ägypten, im Senegal oder in der Türkei –<br />
auf meinen Reisen ist mir immer wieder aufgefallen,<br />
dass die Mohammedaner auf Kriegsfuß mit Bäumen<br />
und Wald zu stehen scheinen. Im gesamten Gebirgszug<br />
machen wir überall dieselbe Erfahrung: Fast alle<br />
Gehölze wurden gerodet, sodass die Erde der Sonne<br />
schutzlos ausgeliefert ist.<br />
Eine Oase in der Einöde<br />
So durchqueren wir eine ermüdende wüstenähnliche<br />
Landschaft. Doch je näher wir unserem neuen<br />
Reiseziel, dem Dorf Hah, kommen, desto grüner wird es<br />
erstaunlicherweise. Der Weg schlängelt sich durch neu<br />
angepflanzte Plantagen von Mandel-, Granatapfel- und<br />
Feigenbäumen, dann sogar durch einen kleinen Forst.<br />
Leute arbeiten auf den Feldern oder bringen Wagen<br />
voller Weintrauben und Wassermelonen heim. Als wir<br />
später von den Zinnen der Festung, die am Rande des<br />
christlichen Dorfes liegt, das ganze Gebiet überblicken<br />
können, liegt uns eine bewaldete Ortschaft zu Füßen –<br />
eine Oase inmitten der Zerstörung. Wir sind sprachlos.<br />
Warum wurde nicht auch Hah zerstört? Warum wurden<br />
die Menschen hier nicht auch getötet oder versklavt?<br />
Was war geschehen?<br />
Der christliche Widerstand<br />
Im Frühjahr 1915 drangen die ersten Gerüchte von<br />
fernen Massentötungen in das Dorf. Der Herr der Festung,<br />
der Adlige Rasch-scho Henno, war darüber sehr<br />
besorgt und machte sich auf den Weg in die armenischen<br />
Gebiete, um sich persönlich ein Bild zu machen.<br />
Als er nach mehreren Wochen zurückkehrte, alarmierte<br />
«Mit den letzten<br />
Christen ist auch<br />
der Segen verschwunden.»<br />
Eine Kurdin<br />
Die toten Christen, die Europa vergessen<br />
hat: Massengrab im Tur<br />
Abdin. Foto: Autor<br />
Opfer eines Massakers an Armeniern<br />
im Ersten Weltkrieg, 1918 veröffentlicht<br />
von US-Botschafter Morgenthau.<br />
Foto: Henry Morgenthau,<br />
Public domain, Wikimedia Commons<br />
27
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Das Schicksal der<br />
Armenier<br />
Die größte christliche Volksgruppe<br />
im Osmanischen Reich<br />
waren die etwa 1,7 Millionen<br />
orthodoxen Armenier. Nach<br />
Ausbruch des Ersten Weltkrieges<br />
wurden sie von der türkischen<br />
Regierung verdächtigt,<br />
mit dem ebenfalls christlich-orthodoxen<br />
Russland,<br />
einem Verbündeten der gegnerischen<br />
Entente, zu kollaborieren.<br />
Durch Massenhinrichtungen<br />
und Todesmärsche insbesondere<br />
in den Jahren 1915 und<br />
1916 kamen je nach Schätzung<br />
zwischen 300.000 und mehr als<br />
1,5 Millionen Armenier zu Tode.<br />
An den Verfolgungsaktionen<br />
waren neben Türken auch Kurden<br />
beteiligt.<br />
Weltweit erkennen die meisten<br />
Historiker diesen Völkermord als<br />
Tatsache an, während die Türkei<br />
lediglich von einzelnen Massakern<br />
spricht. Der Streit belastet<br />
auch die Beziehungen einiger<br />
westlicher Staaten mit Ankara.<br />
Viele Armenier überlebten die<br />
Deportationsmärsche nicht, zu<br />
denen sie das türkische Militär<br />
1915 zwang. Das Foto hat der deutsche<br />
Offizier Armin Wegner aufgenommen.<br />
Foto: Public Domain, Wikimedia<br />
Commons<br />
er umgehend die Dorfbewohner, dass die Abschlachtung<br />
der dortigen Glaubensbrüder tatsächlich in vollem<br />
Gange war. Obwohl das Morden bisher noch nicht ihr<br />
Gebiet erreicht hatte, war sich die Ältestenschaft von<br />
Hah der tödlichen Gefahr bewusst. Im Gegensatz zu<br />
einigen anderen Weilern des Tur Abdin, die entweder<br />
gar nicht oder nicht entschlossen genug zu den Waffen<br />
griffen, bereitete man sich hier auf das Schlimmste vor<br />
und begann mit Verteidigungsarbeiten. Die Mauern der<br />
Zinnen wurden verstärkt, Gewehre, Pistolen, Munition<br />
und Sprengstoff herangeschafft sowie Türme für günstige<br />
Schusspositionen errichtet. Schließlich brachte<br />
man – in Erwartung eines lang andauernden Kampfes<br />
– große Mengen Lebensmittel in die Festung und<br />
sicherte den Zugang zu frischem Wasser.<br />
45 Tage hielten die Aramäer dem<br />
Ansturm der Moslems stand – und<br />
siegten schließlich.<br />
Anfang Juli setzten, wie befürchtet, die Massaker<br />
in den umliegenden Dörfern ein. Überlebende aus Ortschaften<br />
wie Eschtrako, Qustan und Schahirkan retteten<br />
sich nach Hah, sodass die Zahl der Schutzsuchenden<br />
auf über 2000 anstieg. Zu diesem Zeitpunkt standen<br />
schon mehrere hundert christliche Männer unter<br />
Waffen und bereiteten sich auf den Angriff vor. Der<br />
kam Ende August 1915. Nachdem feindliche Unterhändler<br />
die Entwaffnung und Unterwerfung der Verteidiger<br />
gefordert hatten, aber abgewiesen worden waren,<br />
griff eine kleine Einheit türkischer Soldaten an. Unterstützt<br />
wurde sie von etwa 15.000 Kurden aus der Umgebung.<br />
Mordlust und Gier hatte ganze Sippen ergriffen,<br />
und das schrille Trillern der Frauen schien keinen Zweifel<br />
daran zu lassen, dass die Festung verloren war.<br />
Immer wieder rannten die Angreifer gegen die Mauern<br />
an, doch jedes Mal brach ihre Attacke im Feuer der<br />
Verteidiger zusammen. In der Chronik der Ereignisse<br />
ist von 45 Tagen Gefecht die Rede, in dessen Verlauf<br />
die Muslime erhebliche Verluste hinnehmen mussten.<br />
Weitere Verhandlungsangebote von deren Seite wurden<br />
von Rasch-scho Henno und seinen Männern als<br />
hinterhältig eingeschätzt und abgelehnt.<br />
Glücklicherweise stand der türkischen Militäreinheit<br />
an dieser Stelle keine Kanone zur Verfügung, wie<br />
sie zum Beispiel im Dorf Zaz zum Einsatz gekommen<br />
war. Immer größere Verluste und schlechte Aussichten<br />
auf absehbaren Erfolg schwächten den Kampfgeist<br />
der Belagerer zusehends. Nachdem die Angriffe<br />
nachgelassen hatten, erschien der über den Parteien<br />
stehende Scheich Fathallah auf dem Kriegsschauplatz<br />
und ermöglichte einen Waffenstillstand. Das<br />
Vorhaben, die Bewohner abzuschlachten, ihre jungen<br />
Frauen und Kinder und ihr Hab und Gut wegzuschleppen,<br />
war gescheitert. Auch wenn nicht wenige der<br />
Einwohner von Hah in den Folgejahren hinterrücks<br />
auf den Feldern gemeuchelt wurden, so existiert dieses<br />
Dorf immer noch, und seine Bewohner haben trotz<br />
Schikanen des türkischen Staates eine großartige<br />
Geschichte zu erzählen.<br />
Als wir uns kurz vor Sonnenuntergang verabschieden,<br />
treffen wir im Tor der Festung auf eine gebeugte,<br />
steinalte Frau, die mit unserer Reiseleiterin ein paar<br />
Worte wechselt. Ich bin nicht sicher, ob ihre müden<br />
Augen uns überhaupt wahrnehmen können, doch als<br />
sich unsere Reiseleiterin von ihr verabschiedet, hebt<br />
die Greisin ihre Hand und spricht in unsere Richtung.<br />
Hatune übersetzt, dass sie uns Gottes Segen wünscht<br />
und eine gute Heimreise – und dann etwas, das wie<br />
ein Menetekel klingt und uns den Rest der Reise nicht<br />
mehr loslässt: «Ihr in Almanya seid in großer Gefahr.<br />
Ihr müsst es so machen wie wir. Ihr müsst kämpfen!»<br />
28<br />
_ Fritz Poppenberg (* 1949) ist<br />
ein deutscher Autorenfilmer,<br />
Kameramann und Regisseur.<br />
Er produziert vor allem<br />
Dokumentationen über kontrovers<br />
diskutierte Themen wie die Verfolgung<br />
der Zeugen Jehovas im<br />
Nationalsozialismus und in der DDR<br />
und die aktuelle weltweite Verfolgung<br />
von Christen. Seine Filme<br />
«Mein Vater» (1982) und «Die AIDS-<br />
Rebellen» (1992) erhielten von der<br />
Filmbewertungsstelle Wiesbaden<br />
das Prädikat «besonders wertvoll».<br />
Mehr Informationen auf seinem<br />
Filmportal «dreilindenfilm.de».<br />
Öffentliche Hinrichtung von Armeniern im Zuge von Massenvertreibung und Völkermord durch Soldaten des Osmanischen Reiches in der<br />
damaligen Türkei im Jahre 1915. Foto: picture alliance/Mary Evans Pict
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Wenn Propaganda über Leichen geht<br />
_ von Marc Dassen<br />
Im Flüchtlingslager bei Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze spielten sich<br />
dramatische Szenen ab. Fernsehbilder zeigten Menschen, die einen reißenden Fluss<br />
durchqueren – drei ertranken. Die Toten gehen auf das Konto skrupelloser Asylaktivisten.<br />
Mit schmerzverzerrten Gesichtern blicken die<br />
Gestrandeten von Idomeni in die Kamera, während<br />
sie verzweifelt versuchen, sich und ihre Habseligkeiten<br />
ans andere Ufer zu retten. Sogenannte Fluchthelfer<br />
haben ein Seil gespannt, an dem sich im eiskalten<br />
Wasser stehende Menschen festklammern. Durch<br />
starke Regenfälle zu einem tückischen Strom angeschwollen,<br />
ist der Fluss nahe der mazedonischen Stadt<br />
Gevgelija nur unter Lebensgefahr zu durchqueren. Und<br />
trotzdem schließen sich an diesem 14. März Tausende<br />
dem Himmelfahrtskommando an, statt in den neu eingerichteten<br />
Camps im Landesinneren Schutz zu suchen.<br />
Der scheinbar spontane Exodus wird von einer Division<br />
sensationshungriger Journalisten begleitet, die sich<br />
in den Fluten postiert haben und eifrig Bilder knipsen.<br />
Die ganze Szene wirkt surreal, wie ein makabres Fotoshooting.<br />
Doch wer könnte an solchen Schnappschüssen<br />
Gefallen finden?<br />
«Gefährlicher noch als Kälte und Krankheiten sind<br />
in Idomeni die Gerüchte», schreibt Zeit Online Ende<br />
März. Tatsächlich: Schon einen Monat zuvor hatten<br />
Unbekannte im Zeltlager verbreitet, dass die Grenze<br />
zu Mazedonien wieder offen, der Weg nach Deutschland<br />
frei sei. Prompt setzten sich Hunderte in Bewegung.<br />
«Öffnet die Grenze!» schallte es, und «Wir wollen<br />
Deutschland!» Am Übergang kam es dann zu<br />
hässlichen Tumulten; Zäune wurden niedergerissen,<br />
Beamte mit Steinen beworfen. Aktivisten verteilten<br />
Bolzenschneider an Camp-Bewohner. «Es liegt in der<br />
Luft, dass etwas passieren wird, (…) überall wird<br />
gemurmelt und einige Anführer versuchen, Anweisungen<br />
zu geben», beschrieb ein Reporter der Deutschen<br />
Welle die Lage in diesen Februartagen. Die Situation<br />
eskalierte, als einige Männer «ein Straßenschild als<br />
Rammbock» benutzten, um «damit den Grenzzaun einzureißen».<br />
Aufruf zur Invasion<br />
Wer hatte die Hysterie im Camp ausgelöst, wer das<br />
Kommando zur Grenzstürmung gegeben? Wenigstens<br />
ein Mainstreammedium, die Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung, stellte Mitte März klar: «Flüchtlings-Exodus<br />
war offenbar organisierte Aktion». Die Rede ist von<br />
«Migrationsideologen», die die «europäischen Öffentlichkeiten<br />
mit herzzerreißenden Fotos» versorgen wollen.<br />
Die Flüchtlinge wurden bei diesem Marsch in Idomeni<br />
«bewusst in Lebensgefahr gebracht – und auf<br />
der anderen Seite des Flussufers warteten TV-Teams<br />
und Journalisten», fasste die österreichische Kronen-<br />
Zeitung unter Berufung auf Polizeiangaben zusam-<br />
Dieses Bild zeigt die Szenerie am<br />
Flussufer von Idomeni. Kaum zu<br />
erkennen: Die vielen Fotografen, die<br />
das Leid der Flüchtlinge aus nächster<br />
Nähe festhalten. Foto: picture<br />
alliance/AP Photo<br />
Selbst Säuglinge treiben No-border-<br />
Fußtruppen in den reißenden Strom.<br />
Foto: picture alliance/AP Photo<br />
«Wir wollen<br />
Deutschland!»<br />
Flüchtlinge in Idomeni<br />
29
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
30<br />
Am Eisenbahnübergang von<br />
Idomeni muss die mazedonische<br />
Polizei immer wieder Sturmangriffe<br />
mit Tränengas abwehren.<br />
Foto: picture alliance/AP Photo<br />
Dieses Flugblatt des sogenannten<br />
Kommandos Norbert Blüm zeigt die<br />
vorgegebene Fluchtroute und gibt<br />
Handlungsanweisungen zur Grenzstürmung.<br />
Quelle: protothema.gr<br />
_Marc Dassen ist Redakteur bei<br />
<strong>COMPACT</strong>. In Ausgabe 4/2015<br />
schrieb er über die Manipulationsstrategien<br />
der westlichen Massenmedien<br />
im Syrien-Krieg.<br />
men. Mazedonische Beamte nahmen Dutzende dieser<br />
Voyeure und Instrukteure wegen Mittäterschaft<br />
kurzzeitig in Gewahrsam. Darunter war laut österreichischem<br />
Außenministerium auch die Wiener Aktivistin<br />
Fanny Müller-Uri, die der Partei Die Grünen nahesteht<br />
und auf ihrem Twitter-Account die Botschaften<br />
einschlägiger Gruppen verbreitet.<br />
«Flüchtlings-Exodus war offenbar<br />
organisierte Aktion».<br />
FAZ<br />
Drahtzieher der fatalen PR-Aktion war offenbar eine<br />
deutsche Fluchthelfer-Truppe, die zum Ärger der Behörden<br />
zuvor eifrig Flugblätter in arabischer Sprache im<br />
griechischen Grenzgebiet bei Idomeni verteilt hatte.<br />
Unterschrieben war das Pamphlet mit «Kommando<br />
Norbert Blüm». Die Wartenden – knapp 10.000 Menschen<br />
– sollten durch diesen Aufruf zum Sturm auf die<br />
Grenze angestachelt werden. Laut Spiegel wurde die<br />
Aktion zuerst per «Facebook-Gruppe organisiert», die<br />
gedruckten Flugblätter sollen «in einem weißen Transportwagen»<br />
ins Camp gekommen sein – auf dem Fahrzeug<br />
war «ein gefälschtes Zeichen des Roten Kreuzes».<br />
In dem Infoblatt wurde panikartig verbreitet, dass «das<br />
Lager von Idomeni in den kommenden Tagen evakuiert<br />
wird» und verbleibende Personen in die Türkei abgeschoben<br />
werden könnten. «Wer es schafft, illegal in<br />
einen anderen Staat Mittel- oder Osteuropas zu reisen,<br />
wird bleiben können. Deutschland akzeptiert noch<br />
Flüchtlinge», hieß es dort weiter – eine klare Handlungsanweisung.<br />
Die Autoren empfahlen, «zu Tausenden»<br />
nach Mazedonien durchzubrechen: Wenn alle<br />
gleichzeitig kommen, «wird die Polizei Sie nicht stoppen<br />
können».<br />
Unter den mutmaßlichen Organisatoren dieser<br />
Aktion tauchen einige alte Bekannte auf. Neben Linksautonomen<br />
von Blockupy und NoBorder sind etwa die<br />
Asylaktivisten von bordermonitoring.eu mit von der<br />
Partie. Über einen der Köpfe, Bernd Kasparek, berichteten<br />
wir bereits ausführlich in <strong>COMPACT</strong> Spezial Nr.<br />
8: Asyl. Das Chaos. Auch Kasparek steht den Grünen<br />
nahe, seine politischen Projekte wurden in der Vergangenheit<br />
mit reichlich Steuergeld finanziert – so etwa<br />
die Internationale Schlepper- und Schleusertagung<br />
(ISS) in München 2015, die ihre linksextremen Ambitionen<br />
als Aktionskunst zu verkleiden versuchte. Die<br />
Kamikaze-Operation in Idomeni begleitete bordermonitoring.eu<br />
an jenem Tag mit einem Liveticker auf Twitter<br />
unter dem Hashtag #marchofhope (Marsch der Hoffnung),<br />
der alle Aktivisten vor Ort mit den notwendigen<br />
Informationen versorgte. Eine «riesige Armada» solcher<br />
vermeintlichen Helfer war laut der Gruppe Moving<br />
Europe schon kurz zuvor dort eingetroffen. Wie die sich<br />
nützlich machten, dokumentierte Welt Online: «Fuck<br />
your racist borders – f**kt eure rassistischen Grenzen<br />
– steht in Sprühfarbe auf diversen Wohncontainern<br />
im Flüchtlingslager Idomeni.» Nach Aussage der<br />
Bewohner hatten nicht Asylbegehrer diese Botschaften<br />
verbreitet, «sondern Helfer, junge Leute aus westlichen<br />
Ländern».<br />
Inszenierung mit Todesfolge<br />
Die von Aktivisten auch mittels Skizze auf besagtem<br />
Flugblatt ausgegebene Fluchtroute zeigt, dass die<br />
Massen ganz bewusst an dieser Stelle durch den Fluss<br />
getrieben werden sollten – was dann drei Afghanen<br />
zum Verhängnis wurde. Dass die ganze Aktion von<br />
Anfang an «aussichtslos» war, gab die Sprecherin von<br />
Moving Europe in einem Zeit-Interview freimütig zu.<br />
Die Flüchtenden hatten ihr Leben ganz umsonst ris-
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
kiert, weil sie gleich auf der anderen Seite der Grenze<br />
von mazedonischen Uniformierten aufgegriffen wurden.<br />
Ging es den Aktivisten nur um Publicity? Wollte<br />
man vor dem EU-Flüchtlingsgipfel in Brüssel ein Zeichen<br />
setzen, wie Die Zeit spekulierte? Setzte man für<br />
starke Bilder Menschenleben aufs Spiel?<br />
Im Netzwerk Moving Europe haben sich gleich mehrere<br />
Aktivistengruppen wie Bordermonitoring, die Berliner<br />
Forschungsgesellschaft Flucht und Migration,<br />
Medico International und die Gruppe Welcome to<br />
Europe zusammengeschlossen. Letztere – hinter der<br />
manche die Open Society Foundation des US-Milliardärs<br />
George Soros vermuten – gab im September letzten<br />
Jahres ein Handbuch heraus, das den Migranten<br />
bei der illegalen Einreise in die EU behilflich sein sollte.<br />
Mit dem Idomeni-Flugblatt will aber niemand etwas zu<br />
tun haben. Eine Adrienne Homberger – Sprecherin von<br />
Moving Europe – bestreitet im Interview mit der Zeit,<br />
dass Aktivisten den Impuls zur Grenzstürmung gegeben<br />
haben, spricht stattdessen von «Selbstorganisation»<br />
der Flüchtlinge. Offensichtlich ist jedoch, dass<br />
die Asyllobbyisten jede Silbe des Aufrufs unterstützten.<br />
Das tat indirekt sogar Norbert Blüm. Der CDU-<br />
Politiker verbrachte wenige Tage vor den Todesfällen<br />
eine Nacht in einem Zelt bei Idomeni und soll den<br />
Menschen dort laut Spiegel-Informationen versprochen<br />
haben, dass diejenigen, die es nach Deutschland<br />
schaffen, dort auch bleiben können. Ob nicht<br />
auch dadurch der Druck im Hexenkessel gestiegen ist?<br />
Ein übles Spiel<br />
Die furchtbaren Bilder hilfloser Menschen sollten<br />
in den Medien den Beweis erbringen, dass die Abriegelung<br />
von Flüchtlingsrouten Ursache der Notsituation<br />
sei. In ihrem Wahn machten die No-border-Ideologen<br />
vor nichts mehr Halt, wie der Fotograf Björn Kietzmann<br />
Ende März auf Twitter dokumentierte: «Filmteam holt<br />
Kinder zum Zaun & fordert sie auf am NATOdraht zu<br />
rütteln». Man sieht auf den Aufnahmen auch Kinder,<br />
die Deutschlandfahnen schwenken und Pappschilder<br />
mit Sprüchen wie «open the borders» oder «Mama<br />
Merkel» in die Kamera halten. Wer diese Accessoires<br />
bereitgestellt hatte, bleibt unklar. Jedenfalls hat nicht<br />
die Grenzschließung zu Not und Gewalt geführt, sondern<br />
die Wühlarbeit unverantwortlicher Aktivisten, die<br />
ständig falsche Hoffnungen, Panik und Misstrauen verbreiteten,<br />
zum Widerstand gegen Grenzbeamte und<br />
immer wieder zum illegalen Grenzübertritt aufriefen.<br />
«Wenn Sie zu Tausenden gleichzeitig<br />
über die Grenze kommen,<br />
wird die Polizei Sie nicht stoppen<br />
können.» Kommando Norbert Blüm<br />
Dass die genannten Aktivistengruppen auch angesichts<br />
der drei Toten nicht von ihrer Mission ablassen<br />
wollten, zeigte sich schon Ende März. Es gab erneut<br />
«Hunderte Nachrichten auf Facebook, die die Flüchtlinge<br />
dazu animierten, loszulaufen», wie Zeit Online<br />
berichtete. Zu allem Überfluss bekamen die selbsternannten<br />
Fluchthelfer zu diesem Zeitpunkt auch<br />
noch aktive Schützenhilfe aus der deutschen Politik.<br />
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke)<br />
äußerte im Spiegel gönnerhaft, sein Land könnte bei<br />
einer «koordinierten Aktion mehrerer Bundesländer»<br />
1.000 bis 2.000 Flüchtlinge direkt aus Idomeni aufnehmen.<br />
Grünen-Chefin Simone Peter forderte gar, diese<br />
Menschen «im Alleingang» nach Deutschland zu holen.<br />
«Vielleicht spielen einige ein übles Spiel auf dem<br />
Rücken der Flüchtlinge», sagte Giorgos Kyritsis, Griechenlands<br />
Regierungssprecher in Sachen Asylkrise.<br />
Linke Logik<br />
Welch Geistes Kind manche<br />
Asylaktivisten sind, zeigte sich<br />
nach den Terroranschlägen in<br />
Brüssel am 22. März. Wenige<br />
Stunden nach den Explosionen<br />
schrieb die linke Aktivistin<br />
Chiara Lauvergnac auf ihrer<br />
Facebook-Seite: «Eurostar nach<br />
Brüssel lahmgelegt (…). Das<br />
könnte einiges an Chaos bedeuten<br />
und eine gute Gelegenheit<br />
sein, dass ein paar Menschen<br />
nach Großbritannien durchkommen.<br />
Schade, dass alles auch<br />
eine gute Seite hat.» Lauvergnac<br />
kann den Toten von Brüssel<br />
also etwas Gutes abgewinnen<br />
und ruft gleichzeitig Menschen<br />
dazu auf, ihr Leben beim<br />
Versuch der illegalen Grenzüberschreitung<br />
zu riskieren – entlang<br />
der Gleise, in Laderäumen,<br />
unter Lkws. Ob sie ein schlechtes<br />
Gewissen hat?<br />
Immer dabei: die Fahne des gelobten<br />
Landes. Foto: AFP/Sadis Mikrolidis<br />
Auf dem Fährhafen von Piräus hausten<br />
zeitweise 4.500 Flüchtlinge in<br />
einem wilden Camp. Foto: AP<br />
Warteraum Griechenland<br />
BULGARIEN<br />
Die größten Flüchtlingslager, Stand März <strong>2016</strong>,<br />
und die Zahl der dort Untergebrachten.<br />
MAZEDONIEN<br />
Camp Mazarakis Kilki 3.674<br />
Idomeni 12.000<br />
Nea Kaval Polykastro 3.274<br />
Thassaloniki<br />
Nordregion 3.714<br />
GRIECHENLAND<br />
Larissa<br />
Limnos<br />
griechische Inseln 9.623<br />
Lesbos<br />
Attica 9.428<br />
Athen<br />
Chios<br />
Samos<br />
Quelle: Daily Mail<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
31
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Germany, all-inclusive<br />
_ von Hans-Hermann Gockel<br />
Prostituierten-Besuche im Asylantenheim. Mit dem Taxi zu<br />
McDonald’s. Von den Sozialkassen finanzierte Vielweiberei. «Gut<br />
leben in Deutschland» – das Motto, unter dem die Bürgerdialoge<br />
mit der Kanzlerin stattfanden – haben viele Flüchtlinge längst<br />
verinnerlicht. Und der deutsche Steuerzahler finanziert es.<br />
Der Oldentruper Hof vor seiner<br />
Schließung. Quelle: Animod<br />
Das Flüchtlingsheim<br />
war früher<br />
ein nobles<br />
4-Sterne-Hotel.<br />
Komplett kostenlos - wie vom<br />
Münchner Pfarrer Ulrich Wagner<br />
2015 vorgeschlagen - sind Bordellbesuche<br />
für Asylanten nicht.<br />
Foto: Leonhard Foeger/Reuters<br />
High Heels und Miniröcke gibt es nicht. Auf dem<br />
Bielefelder Straßenstrich geht es rustikaler zu. Die jungen<br />
Damen warten in Jeans und Turnschuhen auf ihre<br />
Freier. «Full Service?», fragt die rumänische Prostituierte<br />
Ewa und schiebt die Antwort gleich hinterher:<br />
«Macht 50 Euro.» Normalerweise. Aber was ist in Zeiten<br />
wie diesen schon normal? Seitdem Ewa auch im<br />
Oldentruper Hof «zu tun» hat, wie sie es nennt, ist ihre<br />
Preisgestaltung ausgesprochen flexibel: «Da mache ich<br />
es für 40 Euro. Ein Sonderpreis. Und wenn mir einer<br />
gefällt, auch schon für 30.» Die Jungs, die ihr gefallen<br />
könnten, sind Asylsuchende. Sie kommen aus aller<br />
Herren Länder und haben eines gemeinsam: Sie wohnen<br />
im Oldentruper Hof, am Fuße des Teutoburger Waldes,<br />
und fühlen sich dort ausgesprochen wohl. Jutta<br />
Küster (63), eine ehemalige Radiomoderatorin, die sich<br />
in der Flüchtlingshilfe engagiert («Ich habe beschlossen,<br />
dafür ein Jahr meines Lebens zu spenden!»), weiß<br />
auch, warum. Die ehrenamtliche Helferin nennt das<br />
Etablissement eine «Luxusunterkunft».<br />
Urlaub im Nobelschuppen<br />
Bevor Angela Merkel beschloss, Deutschland zum<br />
Labor für Gesellschaftsexperimente zu machen, war<br />
das heutige Flüchtlingsheim ein vornehmes 4-Sterne-<br />
Hotel mit Hallenbad, Sauna, Solarium, drei Restaurants<br />
der gehobenen Gastronomie, exklusiver Bar und<br />
einer hauseigenen Kegelbahn. Irgendwann muss der<br />
Besitzer des Nobelschuppens Dollarzeichen in die<br />
Augen bekommen haben. Jedenfalls bewohnen nun<br />
500 Asylanten die ehemals 134 Superior-Zimmer. Der<br />
Hotelier machte im Zuge der Merkelschen «Willkommenskultur»<br />
das Geschäft seines Lebens. Er diente<br />
seine Immobilie für die Dauer von zehn Jahren (plus<br />
Verlängerungsoption) dem Land Nordrhein-Westfalen<br />
an. Das griff freudig zu. Aus dem Hotel wurde eine<br />
Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE). Die Landesregierung<br />
überweist dem Ex-Hotelier seitdem angeblich<br />
120.000 Euro Miete pro Monat. Mehr als 1,4 Millionen<br />
Euro im Jahr. Viel Geld fürs Nichtstun. Den 60<br />
Hotelangestellten wurde gekündigt. Die ZUE wird seit<br />
dem 1. September 2015 komplett vom Arbeiter-Samariter-Bund<br />
bewirtschaftet.<br />
Zurück zu Ewa: Merken die Sicherheitsleute gar<br />
nicht, was da im Haus abgeht? «Nein», beteuert die<br />
Prostituierte mit den langen braunen Haaren und klimpert<br />
mit den Augen: «Ich gehe dort immer gleich ins<br />
Café International. Die Leute sehen es doch gerne,<br />
wenn wir normale Bürger Kontakt zu den Flüchtlingen<br />
suchen.» Sie hat tatsächlich «normale Bürger» gesagt<br />
– und meint es auch so. Das Café in der Asylbewerberunterkunft<br />
wurde von Ehrenamtlichen ins Leben gerufen.<br />
Auch Jutta Küster hat dort sehr viel Herzblut investiert.<br />
Mittlerweile engagiert sie sich aber bei anderen<br />
Projekten.<br />
32<br />
Glaubt man der rumänischen Professionellen, bekommt<br />
tatsächlich niemand mit, wenn es aus dem Café<br />
International direkt aufs Zimmer geht. Bleiben noch<br />
zwei Fragen: Ist sie die Einzige aus dem horizontalen
Gewerbe, die dort «zu tun» hat? Und woher haben die<br />
jungen Burschen überhaupt das Geld für ihren «Full Service»?<br />
Da klimpert sie wieder mit den Augen: «Leider<br />
habe ich inzwischen Konkurrenz bekommen.» Und das<br />
Geld? «Einige meiner Kunden dealen, andere klauen.»<br />
Sie redet wirklich von «Kunden». Es geht also munter<br />
voran mit der Integration in Deutschland.<br />
Shuttle-Service zum Rütli<br />
kutschieren. Ist das Sinn der Sache?» Nein, ist es nicht.<br />
Der Steuern zahlende Bürger finanziert nämlich nicht<br />
nur den Big Mac und die Taxikosten, sondern auch<br />
noch die Verpflegung, die den Flüchtlingen in ihrer<br />
Unterkunft täglich zur Verfügung gestellt wird. Diese<br />
Nahrungsmittel landen regelmäßig in der Mülltonne.<br />
Anwohner, die das fotografiert haben, vermuten, dass<br />
so jeden Monat Essen im Wert von mehreren tausend<br />
Euro vernichtet wird.<br />
Bis Februar <strong>2016</strong> hatten alleine<br />
die Sparkassen – wie hier in<br />
Bielefeld – bereits 100.000 Konten<br />
für Asylanten angelegt. Für die<br />
neue Kundschaft wurde extra das<br />
Geldwäschegesetz gelockert. Foto:<br />
picture alliance / dpa<br />
Essen. Trinken. Taxi fahren. «All-inclusive!» Der<br />
Be griff aus der Reisebranche treibt rund um die Bielefelder<br />
Flüchtlingsbetreuung seltsame Blüten. Weil<br />
eine andere Unterkunft mit dem schönen Namen Rütli<br />
etwas außerhalb liegt, hat die Stadt für deren Bewohner<br />
und ein paar ehrenamtliche Helfer einen Taxi-Shuttle<br />
eingerichtet. Der schlägt mit 7.500 Euro im Monat<br />
zu Buche – und empört viele Bürger. Verständlich, denn<br />
die nächste Bushaltestelle liegt keine 1.700 Meter vom<br />
Rütli entfernt. Wolfgang Quakernack schrieb in einem<br />
Leserbrief: «Man kann Leuten, die halb Europa zu Fuß<br />
durchquert haben, wohl zumuten, zur nächsten Haltestelle<br />
zu laufen.» Und Rüdiger Weißenberger äußerte<br />
sich gegenüber der örtlichen Tageszeitung ähnlich kritisch:<br />
«Auch ich stamme aus einer Flüchtlingsfamilie.<br />
Meine Eltern kamen aus Schlesien. Ich bin in den<br />
1960er Jahren zu Fuß zur Schule gegangen. Jeden Tag<br />
2,1 Kilometer hin – und wieder zurück.»<br />
Selbst die Taxifahrer können über den Shuttle-Service<br />
nur den Kopf schütteln. Nils D. (Name geändert):<br />
«Wir nehmen die Kohle natürlich gerne mit. Aber die<br />
Asylbewerber aus Afghanistan, aus Syrien und dem<br />
Irak lassen sich am liebsten zum nächsten McDonald´s<br />
1,2 Milliarden Euro Schulden lasten auf der Stadt<br />
Bielefeld. 85 Millionen Euro wird sie allein in diesem<br />
Jahr für ihre Flüchtlinge aufbringen müssen. Da sind<br />
die 7.500 Euro pro Monat für den Taxi-Shuttle in die<br />
City beinahe so etwas wie die berühmten Peanuts.<br />
Doch weil die Kosten für die Asylbewerber explodieren,<br />
muss die Stadt ihre Bürger schröpfen, wo es<br />
nur geht: Grundsteuer, Gewerbesteuer, Hundesteuer –<br />
alles rauf. Beim Theater wird der Etat um 600.000 Euro<br />
zusammengestrichen. Und in etlichen Schulen fällt der<br />
Putz von den Wänden. Noch im Jahre 1990 wurden<br />
lediglich 33 Prozent der Steuereinnahmen in Bielefeld<br />
für Jugend und Soziales verwendet. Heute – im Jahre<br />
<strong>2016</strong> – verschlingen die Sozialausgaben die gesamten<br />
Steuereinnahmen. Oberbürgermeister Pit Clausen<br />
(SPD) konnte diese Fakten den Bürgern nicht länger<br />
verschweigen.<br />
Die Einheimischen sind die Leidtragenden. In Nieheim<br />
wurde einer 51-jährigen Krankenschwester über<br />
Nacht die Wohnung gekündigt, die ihr von der Stadt<br />
vermietet worden war. Die Frau hatte 16 Jahre lang<br />
pünktlich die Miete bezahlt, ihr Zuhause tadellos<br />
gepflegt – und sich nichts zu Schulden kommen las-<br />
Den Bus zu nehmen ist einem Asylanten<br />
natürlich nicht zuzumuten.<br />
Quelle: Screenshot Westfalenblatt<br />
Weil die Kosten für<br />
die Asylbewerber<br />
explodieren, muss<br />
die Stadt ihre<br />
Bürger schröpfen.<br />
33
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Im gelobten Land<br />
Während Angela Merkel und all<br />
die politischen Träumer an ihrer<br />
Seite davon ausgehen, dass die<br />
Flüchtlinge Deutschland irgendwann<br />
wieder verlassen, redet<br />
zumindest einer, der es seit Jahren<br />
besser weiß, Klartext. Der<br />
Mann heißt Heinz Buschkowsky.<br />
Er war viele Jahre SPD-Bürgermeister<br />
im Problembezirk Berlin-<br />
Neukölln: «Wenn die Kanzlerin<br />
erklärt: Die Flüchtlinge müssen<br />
wieder zurück, wenn dort<br />
die Krisen vorbei sind, hält sich<br />
doch jeder den Bauch vor Lachen.<br />
Wann soll das sein? Menschen<br />
aus den ärmsten Winkeln<br />
der Welt sind gefühlt im Paradies<br />
angekommen. So schnell<br />
geht niemand von denen wieder<br />
zurück.»<br />
Eine Reportage des arabischen<br />
TV-Senders Al Dschasira unterstützt<br />
Buschkowskys These.<br />
«Germany!», «Germany!», «Germany!»<br />
hallt es den Reportern<br />
entgegen, als sie ein Flüchtlingslager<br />
an der türkisch-syrischen<br />
Grenze besuchen. Und:<br />
«Merkel!», «Merkel!», «Merkel!».<br />
Die Reporter können es<br />
nicht fassen: «Alle wollen weg.<br />
Alle wollen nach Deutschland!»<br />
Bettina Halbey wurde nach 16 Jahren aus ihrer Wohnung geworfen.<br />
Quelle: Video RTL Next/Screenshot <strong>COMPACT</strong><br />
sen. Im Kündigungsschreiben war dann die Rede vom<br />
«Eigenbedarf»: Die Stadt benötigt die Wohnung dringend<br />
selbst, um Flüchtlinge unterzubringen. So geht es<br />
inzwischen zu in diesem Land! Deutsche müssen ihre<br />
Wohnungen räumen – Somalier, Afghanen, Pakistani,<br />
Iraker, Syrer oder Nigerianer ziehen ein. Die Krankenschwester<br />
wird für ihr neues Heim vermutlich erheblich<br />
mehr bezahlen müssen. Sie wird jeden Tag darüber<br />
nachdenken, für wen sie eigentlich noch arbeitet<br />
und ihre Steuern bezahlt.<br />
Nachdenklich geworden sind auch Manuela Echterhoff<br />
und ihr Ehemann. Die 56-Jährige ist Verkäuferin<br />
bei einem Lebensmittel-Discounter in Köln. Mit ihrem<br />
24-Stunden-Vertrag verdient sie kaum mehr als 1.000<br />
Euro im Monat. Ihr Mann, einst Maurer, ist arbeitslos.<br />
Nun trägt er zweimal die Woche Anzeigenblätter aus.<br />
«Wir üben für die Altersarmut», erklären die beiden mit<br />
einer gehörigen Portion Bitternis.<br />
Drei Frauen für Muhamed<br />
Kerstin Spieker, die junge Redakteurin der Zeitung,<br />
zeigte viel Verständnis für den potenten Muhamed<br />
und dessen Mini-Harem und gab den Lesern nebenbei<br />
noch etwas Nachhilfe in puncto fremder Sitten:<br />
«In den meisten muslimischen Ländern, in denen die<br />
Vielehe in der Regel nicht verboten ist, müssen die<br />
Männer zumindest nachweisen, dass sie in der Lage<br />
sind, mehrere Ehefrauen und die aus den Beziehungen<br />
hervorgehenden Kinder wirtschaftlich zu unterhalten.»<br />
Der Syrer kassiert für seinen Mini-<br />
Harem plus Kinder monatlich 3.900<br />
Euro vom Staat.<br />
Dieses Problem hat Muhamed in Deutschland nicht.<br />
Bei uns garantieren der Steuerzahler und die örtliche<br />
Krankenkasse ihm und seiner «Familie» eine perfekte<br />
Rundumversorgung. Selbstverständlich zum Nulltarif.<br />
Der Papa, seine drei Frauen und ihre – bislang – neun<br />
Kinder kassieren monatlich mehr als 3.900 Euro Sozialhilfe<br />
– plus mietfreier Wohnung inklusive aller Nebenkosten<br />
wie Heizung, Wasser und Müllabfuhr. Dazu eine<br />
kostenlose Kita und eine exzellente ärztliche Betreuung.<br />
Auch Muhameds Zweit- und Drittfrau sind beitragsfrei<br />
krankenversichert. Ein Steuerberater hat<br />
errechnet, dass dieser Syrer normalerweise ein Brutto-<br />
Einkommen von knapp 10.000 Euro haben müsste, um<br />
seine Großfamilie allein über die Runden zu bringen.<br />
Aber da die deutsche Solidargemeinschaft keinen im<br />
Stich lässt, sucht der gute Mann jetzt noch eine vierte<br />
Frau. Der Prophet, sagt er, habe es ihm ausdrücklich<br />
befohlen.<br />
Geplante Ausgaben für Flüchtlinge <strong>2016</strong><br />
Angaben in Milliarden Euro<br />
Schleswig-Holstein 0,82<br />
Hamburg 0,62<br />
Bremen k. A.<br />
Niedersachsen 1,28<br />
0,17 Mecklenburg-Vorpommern<br />
0,66 Brandenburg<br />
0,60 Berlin<br />
34<br />
Foto: HHG Verlag<br />
_ Hans-Hermann Gockel hat<br />
als TV-Journalist viele Jahre für<br />
RTL, SAT. 1 und N24 gearbeitet.<br />
Heute ist er freier Journalist und<br />
Produzent. Letztes Jahr erschien<br />
sein Buch «Finale Deutschland –<br />
Asyl. Islam. Innere Sicherheit.»<br />
(HHG-Verlag, 19,99 Euro)<br />
Diese Sorge hat die «Familie» nicht, die sich im<br />
westfälischen Borgholzhausen niedergelassen hat.<br />
Obwohl die Ehe mit mehreren Frauen – also Polygamie<br />
– gegen Europas Werteverständnis und das<br />
Grundgesetz fundamental verstößt, wurde der Syrer<br />
Muhamed hier in Deutschland nicht nur mit offenen<br />
Armen empfangen – sondern auch gleich bestens versorgt.<br />
Unter der Überschrift «Ein Papa, drei Mamas<br />
und neun Kinder» berichtete das Haller Kreisblatt ausführlich<br />
über diesen Fall, den es so ähnlich – dank der<br />
Massenzuwanderung aus der arabischen Welt – inzwischen<br />
zigfach zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen<br />
gibt.<br />
Nordrhein-Westfalen 4,0<br />
Rheinland-Pfalz 0,35<br />
Saarland 0,1<br />
Baden-Württemberg 2,25<br />
ingesamt<br />
16,52<br />
Bremen: Keine Angaben für <strong>2016</strong>. Ausgaben 2015: 0,2 Mrd. Euro<br />
Quelle: Finanzministerien der Länder <br />
0,45 Sachsen-Anhalt<br />
0,50 Sachsen<br />
0,48 Thüringen<br />
1,30 Hessen<br />
3,31 Bayern<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong>
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Geschichten vom Pferd<br />
_ von Jürgen Elsässer<br />
Viel Fantasie, wenig Fakten: Jetzt haben die Filmemacher die Führungsrolle bei der<br />
Aufklärung der sogenannten NSU-Morde übernommen. Im Windschatten eines ARD-<br />
Dreiteilers versuchten dann die Monopolmedien, eine neue Sensation zu präsentieren<br />
– die sie allerdings bei der NPD abgeschrieben haben.<br />
«Mythenbildung.<br />
Davon gibt es beim<br />
NSU schon zu<br />
viele.» Barbara John<br />
Schwach angefangen und dann unheimlich stark<br />
nachgelassen: Die hundsteure ARD-Trilogie Mitten in<br />
Deutschland: NSU hatte durchschnittlich nur 2,5 Millionen<br />
Zuschauer und damit weniger als die Katzen-<br />
Hits auf Youtube. Das war vorhersehbar, denn man<br />
brauchte kein besonders feines Näschen, um aufgrund<br />
der Vorankündigung den Braten zu riechen: Präsentiert<br />
wurde die Story von den drei Nazi-Killern in Dunkeldeutschland,<br />
die vorher schon gefühlte zehntausend<br />
Mal auf allen Kanälen erzählt worden war. Das Publikum<br />
ist der Sache überdrüssig, denn es spürt, dass mit<br />
viel Moralin wettgemacht werden soll, was an Beweisen<br />
fehlt. Tatsächlich gibt es von den medial Vorverurteilten<br />
Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate<br />
Zschäpe an keinem einzigen der insgesamt 29 Tatorte<br />
– Banküberfälle eingerechnet – auch nur eine einzige<br />
DNA-Spur, von Augenzeugen ganz zu schweigen.<br />
«Beate will nur knutschen», ließe sich der erste<br />
Teil zusammenfassen – die Herleitung der Radikalisierung<br />
des Trios in den 1990er Jahren mittels eines<br />
Verschnitts aus Küchenpsychologie und Antifa-Klippschule.<br />
Besonders penetrant wurde der volkspädagogische<br />
Ansatz der Filmemacher in Folge zwei, die sich<br />
mit den Opfern beschäftigt. Behandelt wurden nämlich<br />
ausschließlich die neun erschossenen Ausländer<br />
– Nummer zehn, die im April 2007 ermordete Polizistin<br />
Michèle Kiesewetter, wurde salopp übergangen.<br />
Selbst der CDU-Politikerin Barbara John, die die Bundesregierung<br />
zur Ombudsfrau für die Hinterbliebenen<br />
gemacht hat, ist das aufgestoßen. «Diese Ausgrenzung<br />
wirft Fragen auf», sagte sie. Es sei wohl eher die subjektive<br />
Sicht der Sendeanstalt beziehungsweise der<br />
Filmemacher, dass nur Migranten als Opfer ins Filmbild<br />
passten. «Keine handwerkliche Panne», urteilte<br />
sie, «sondern Mythenbildung. Davon gibt es beim NSU<br />
schon zu viele.» Die ARD-Programmdirektion redete<br />
sich darauf heraus, dass der Kiesewetter-Mord zu<br />
Beginn von Folge drei auftauchen werde – aber da<br />
war dann nüscht. Dieser Teil war trotzdem noch der<br />
interessanteste, weswegen er auch das Missfallen<br />
von Spiegel Online erregte: «Der NSU-Komplex bietet<br />
reichlich Anlass, sich mit dem offenbar tief sitzenden<br />
Alltagsrassismus dieser Gesellschaft auseinanderzusetzen.<br />
Eine eher unangenehme Aufgabe. Viel leichter<br />
ist es da, den Verfassungsschutz als finstere Macht<br />
im Hintergrund auszumachen, vor dem auch die mutmaßlichen<br />
Rechtsterroristen wie bloße Marionetten<br />
wirken. Die problematische Botschaft (…) lautet: Der<br />
Prozess gegen Zschäpe ist eine Farce und sie ein Bauernopfer<br />
der Geheimdienste.»<br />
Infoquelle NPD<br />
Kurz nach Ausstrahlung der Spielfilm-Fiktion wurden<br />
von der hochgelobten Spürnase Stefan Aust vermeintlich<br />
neue Fakten präsentiert: Demnach sollen<br />
Mundlos und Zschäpe zur Zeit der ersten Döner-Morde<br />
in der Zwickauer Baufirma des V-Manns Ralf Marschner<br />
(«Primus») beschäftigt gewesen sein. Der einsetzende<br />
Buhei in Medien und Politik war heiße Luft, denn<br />
fast alles war bereits im Juli 2014 enthüllt worden –<br />
und zwar ausgerechnet von der NPD. Deren Abgeordneter<br />
Arne Schimmer erklärte damals im sächsischen<br />
Landtag: «Der Fall dieses Zwickauer Skinheads und<br />
V-Mannes ist dazu geeignet, den gesamten NSU-Komplex<br />
in seinen Grundfesten zu erschüttern. Marschner<br />
(…) wohnte nach dem Umzug des Trios von Chemnitz<br />
nach Zwickau im Juli 2000 in [dessen] unmittelbarer<br />
Nähe (…). Obwohl V-Mann Primus (…) über die<br />
gesamte rechte Szene in Westsachsen ausführlichst<br />
berichtete und Hunderte von Konzertbesuchern (…)<br />
identifizierte, soll er angeblich (…) nie über das Trio<br />
berichtet haben, obwohl eine Zeugenaussage vorliegt,<br />
dass Beate Zschäpe in einem seiner Läden in Zwickau<br />
ein Stammgast war.»<br />
Sexy Nazis: Wer knutscht wen?<br />
Foto: ARD<br />
Die entscheidende<br />
Frage<br />
Dass der Verfassungsschutz<br />
in all den Jahren wusste, wo<br />
sich die drei gesuchten Neonazis<br />
aufhielten, ist offensichtlich.<br />
Damit ist aber noch lange<br />
nicht geklärt, ob das Trio in dieser<br />
Zeit mordete – wie es der<br />
ARD-Dreiteiler analog zur offiziellen<br />
Version darstellte –, oder<br />
ob der Staat ihnen nur, zum Beispiel<br />
als Gegenleistung zu früheren<br />
Auftragsarbeiten, einen<br />
Vorruhestand in der Anonymität<br />
garantierte. Der grüne Bundestagsabgeordnete<br />
Hans-Christian<br />
Ströbele sagt immerhin:<br />
«Wir wissen aber auch nicht mit<br />
Sicherheit, ob Böhnhardt oder<br />
Mundlos die Täter waren. Es<br />
gibt Indizien, dass sie sehr eng<br />
damit zu tun hatten. Aber dass<br />
sie am Abzug waren, das ist in<br />
fast allen Fällen bis heute nicht<br />
bewiesen.» (Taz, 3.11.2014)<br />
35
Feuer im schwarzen Garten<br />
_ von Martin Müller-Mertens<br />
Die jüngsten Angriffe im südlichen Kaukasus sollten eine Warnung<br />
der USA an Armenien sein: Das Land hatte sich in den letzten Jahren<br />
immer stärker Russland angenähert. Dass die Operation schief ging,<br />
ist kein Anlass zur Beruhigung.<br />
Heinrich-Böll-Stiftung in Tiflis. 2015 spitzte sich die<br />
Situation weiter zu – insbesondere wegen des Einsatzes<br />
schwerer Mörsergranaten.<br />
Rammbock gegen Russland<br />
36<br />
Nach nicht überprüften Angaben<br />
beider Seiten kostete der Krieg<br />
zwischen 42 und 64 Menschenleben.<br />
Foto: Sputnik/Asatur Esajanz<br />
Muslimische Männerfreundschaft:<br />
Ilcham Alijew und Recep Tayyip<br />
Erdogan. Foto: Kayhan Ozer/AFP<br />
Der Tod flog mit 620 Metern pro Sekunde. Krachend<br />
detonierte ein Geschoss des Raketenwerfers BM21<br />
im Grenzgebiet von Bergkarabach. Als der Staub sich<br />
legte, gab er den Blick auf den leblosen Körper eines<br />
12-Jährigen frei – das erste Opfer des jüngsten Krieges<br />
im südlichen Kaukasus. Dutzende sollten in der ersten<br />
Aprilwoche dieses Jahres folgen – bei den schwersten<br />
Kämpfen seit 20 Jahren in der sowohl von Armenien<br />
als auch Aserbaidschan beanspruchten Region.<br />
Aserbaidschan bot Israel seinen<br />
Luftwaffenstützpunkt Sitalcay an.<br />
Richtiger Frieden herrschte nie: Zwischen beiden<br />
Ländern gab es seit einem Abkommen 1994 nur eine<br />
labile Waffenruhe. Armenien hatte damals nämlich<br />
faktisch die Unabhängigkeit der Republik Bergkarabach<br />
– bis dahin nur das autonome Siedlungsgebiet<br />
seiner Landsleute in Aserbaidschan – durchgesetzt.<br />
Doch seit 2014 «eskaliert die Lage an der Frontlinie<br />
immens. Schusswechsel, Grenzübertritte von sogenannten<br />
Diversionsgruppen und Todesfälle haben stark<br />
zugenommen», so Nino Lejava von der Grünen-nahen<br />
Der Kampf um den «gebirgigen schwarzen Garten»,<br />
so die Bedeutung des Namens Karabach, gilt als sogenannter<br />
eingefrorener Konflikt. Doch in Wirklichkeit<br />
handelt es sich um einen Schwelbrand. Der Pate der<br />
US-Geopolitik, Zbigniew Brzezinski, sah in dem mehrheitlich<br />
muslimischen Aserbaidschan schon vor 20 Jahren<br />
einen der Schlüssel zur Eindämmung Russlands.<br />
1997 gehörte die ölreiche Republik zu den Gründungsmitgliedern<br />
der von den USA unterstützten antirussischen<br />
Allianz GUAM. Bereits 2009 – fünf Jahre vor<br />
dem Nachbarn Georgien – band die EU das Land in<br />
ihr Aufnahmevorbereitungsprogramm Östliche Partnerschaft<br />
ein. Im Gegensatz dazu scherte das christlichorthodoxe<br />
Armenien zunehmend aus der westlichen<br />
Hemisphäre aus. 2007 plante die Regierung in Jerewan<br />
eine militärische Zusammenarbeit mit dem Iran und<br />
trug auch später die US-geführten Sanktionen gegen<br />
den angeblichen Schurkenstaat nur widerwillig mit. Es<br />
folgten 2015 der Beitritt zur Eurasischen Union, bereits<br />
zuvor zur von Russland gebildeten Militärallianz OVKS.<br />
Doch die US-Geopolitik kann sich eine zu offensichtliche<br />
Parteinahme im Karabachkonflikt nicht leisten.<br />
Andernfalls würde sie die einflussreiche armenische<br />
Diaspora gegen sich aufbringen. Deren Lobbyisten<br />
gelang bereits die Anerkennung der Republik
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Bergkarabach durch fünf US-Bundesstaaten. Auch deshalb<br />
scheint eine militärische Abstrafung kaum die<br />
erste Wahl, um Armenien aus der Allianz mit Russland<br />
herauszubrechen. Doch die andernorts bewährte<br />
Anzettelung einer Bunten Revolution will partout nicht<br />
gelingen. Der letzte Versuch fand zwischen Juni und<br />
September 2015 statt. Aus Protesten gegen Preiserhöhungen<br />
für Strom versuchte der als proamerikanisch<br />
geltende Oppositionspolitiker Andrias Ghukasyan vergeblich,<br />
eine Bewegung zu formen. Der Politiker hatte<br />
bereits 2013 zu den Führungsfiguren eines gescheiterten<br />
Aufstandes gegen den Beitritt zur Eurasischen<br />
Union gehört.<br />
Die Bellizisten in Washington mussten also das<br />
Kunststück fertigbringen, Armenien zu destabilisieren,<br />
ohne dabei als Drahtzieher aufzufallen. Für dieses<br />
Treiben bot sich der Streit um Bergkarabach wie<br />
auf dem Silbertablett an. Der private US-Geheimdienst<br />
Stratfor erwartete schon im Sommer 2015 den Beginn<br />
eines offenen Krieges. Wusste der Analysedienst des<br />
einflussreichen Publizisten George Friedman mehr über<br />
die Pläne der Kriegsfraktion?<br />
Kerry lässt kämpfen<br />
Am 2. April <strong>2016</strong> griff die aserbaidschanische Armee<br />
den Nordosten Bergkarabachs an. Vieles spricht<br />
dafür, dass sich Baku der Unterstützung des Westens<br />
sicher wähnte – tatsächlich jedoch als Bauer auf<br />
das Schachbrett geschickt wurde. In den Tagen zuvor<br />
weilte Staatschef Ilcham Alijew zu Gesprächen in<br />
Washington. Dort empfahl ihm Außenminister John<br />
Kerry überraschend aber deutlich «eine ultimative Lösung»<br />
des Karabachkonfliktes, wie der US-Regierungssender<br />
Radio Freies Europa meldete. «Gab Kerry den<br />
Aseris grünes Licht?», fragte der US-Publizist Justin<br />
Raimondo. Jedenfalls muss dem Chef des State Department<br />
bewusst gewesen sein, dass Alijew seine<br />
Worte genau so interpretieren würde. Lange bitten ließ<br />
sich das aktuelle Oberhaupt der aserbaidschanischen<br />
Herrscherdynastie ohnehin nicht: Seit Jahren droht der<br />
Muslimpolitiker dem Nachbarn mit Krieg und prahlt damit,<br />
dass sein Rüstungsetat «das Zweifache des armenischen<br />
Staatshaushaltes» umfasst.<br />
Ali Hasanov in kaum diplomatischen Worten seinen<br />
«strategischen Partner – den Staat Israel – nach seiner<br />
Haltung». Aserbaidschans Armee war in den vergangenen<br />
Jahren nicht zuletzt durch Kooperationen mit<br />
dem jüdischen Staat aufgerüstet worden. Im Gegenzug<br />
soll Alijew 2012 nach Recherchen von Foreign Policy<br />
seinen Luftwaffenstützpunkt Sitalcay für einen damals<br />
diskutierten israelischen Luftangriff auf den Iran angeboten<br />
haben. Doch das ist Vergangenheit: Aktuell ließ<br />
Israels Außenamtssprecher Emmanuel Nachshon die<br />
Hilfsanfrage Hasanovs ins Leere laufen.<br />
Auch der Türkei, dem Hauptverbündeten Aserbaidschans,<br />
verschlug es plötzlich die Sprache. Präsident<br />
Recep Tayyip Erdogan hatte sich in den Tagen<br />
vor Kriegsbeginn in Washington mit Vertretern zionistischer<br />
Organisationen wie AIPAC getroffen und Alijew<br />
noch am ersten Kriegstag vollmundig Unterstützung<br />
«bis zum Ende» zugesichert. Auch Bergkarabach<br />
zeigte sich mit Blick auf die Attacken überzeugt, «dass<br />
die Türkei (…) hinter Aserbaidschan steht», so Regierungssprecher<br />
David Babajan.<br />
Doch Moskau nahm geschickt Dampf aus dem Kessel.<br />
«Wir beschuldigen keine auswärtigen Akteure, die<br />
jetzige Eskalation der Spannungen provoziert zu haben»,<br />
so Außenminister Sergej Lawrow. Statt auf Konfrontation<br />
zu gehen, setzten Russland und der Iran über diplomatische<br />
Kanäle einen Waffenstillstand durch. Alijew<br />
musste seine Truppen wieder auf die Demarkationslinie<br />
vor Beginn seines Angriffs zurückpfeifen.<br />
Unterm Strich geriet die April-Offensive für die Bellizisten<br />
in Baku und Washington zu einer Niederlage<br />
auf ganzer Linie. Allerdings dürfte es nicht ihr letzter<br />
Versuch gewesen sein, im Südkaukasus die Lunte an<br />
das Pulverfass zu legen.<br />
Demarkationslinien im Südkaukasus<br />
Georgien<br />
Tiflis<br />
Russland<br />
Republik<br />
Bergkarabach<br />
Der von Armeniern besiedelte<br />
Staat wurde 1991 auf dem Gebiet<br />
des einstigen autonomen<br />
Gebietes Bergkarabach innerhalb<br />
der Aserbaidschanischen<br />
Sowjetrepublik ausgerufen.<br />
Seit dem Waffenstillstand von<br />
1994 gehören von der armenischen<br />
Armee besetzte aserbaidschanische<br />
Distrikte quasi<br />
zum Verwaltungsgebiet des<br />
von der UNO nicht anerkannten<br />
Landes mit insgesamt etwa<br />
150.000 Einwohnern. Der Einfluss<br />
Bergkarabachs auf die Politik<br />
Armeniens ist dabei auch<br />
personell erkennbar. Armeniens<br />
erster Präsident Lewon Ter-Petrosjan<br />
musste 1998 zurücktreten,<br />
nachdem er Zugeständnisse<br />
an Aserbaidschan angekündigt<br />
hatte. Seine beiden Amtsnachfolger<br />
Robert Kotscharjan und<br />
Sersch Sargsjan stammen aus<br />
Bergkarabach.<br />
Mehrere Dörfer in Karabach brachte<br />
Aserbaidschans Armee zeitweise<br />
unter Kontrolle. Foto: APA/AFP/PAN<br />
Photo/Davit Abrahamy<br />
Zusätzlich von der selbsternannten Republik<br />
Bergkarabach eroberte Gebiete.<br />
Kaspisches<br />
Meer<br />
Zur Verschleierung der eigenen Rolle gehörte also,<br />
dass Washington aktuell zwar Staub aufwirbeln, sich<br />
aber selbst nicht schmutzig machen wollte. Ein mögliches<br />
Kalkül der USA: Die Welt würde den Militärschlag<br />
sowieso nicht auf Uncle Sam zurückführen, sondern<br />
für einen Stellvertreterkrieg zwischen Aserbaidschans<br />
Hauptverbündetem Türkei und dessen Gegner Russland<br />
halten. Als Alijews hochgerüstete Armee in Karabach<br />
einfiel, hüllte sich die US-Regierung – von ein<br />
paar Floskeln abgesehen – in vornehmes Schweigen.<br />
Nun schrillten in Baku offenbar die Alarmglocken:<br />
Aufgeregt fragte der hochrangige Regierungsberater<br />
Türkei<br />
Armenien<br />
Quelle: Wikipedia Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
Jerewan<br />
Nachitschewan<br />
Iran<br />
Ganje<br />
Agdam<br />
Stepanakert<br />
Shusha<br />
Aserbaidschan<br />
Der autonome Bezirk Bergkarabach<br />
zu Sowjetzeiten.<br />
Baku<br />
37
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Sklaven des Mikrochips<br />
_ von Tino Perlick<br />
Der maschinenlesbare Mensch ist ein Traum der Industrie – und<br />
totalitärer Systeme. Bislang haben die allermeisten Bürger den<br />
Angeboten, sich elektronische Überwachungstechnik einpflanzen zu<br />
lassen, widerstanden. Doch die Generation Google ist anders drauf –<br />
sie findet Datenträger unter der Haut cool und komfortabel.<br />
Ursprünglich dienten RFID-Anwendungen<br />
der Freund-Feind-Erkennung<br />
im Zweiten Weltkrieg. Foto:<br />
Getty Images<br />
Für 89 Euro kann<br />
man ein Komplettset<br />
zum<br />
Selbstimplantieren<br />
erwerben.<br />
Das Gebührenfernsehen macht den<br />
Cyborg bereits zum Vorbild für Kinder.<br />
Quelle: Video KIKA, Screenshots<br />
SJ<br />
Rin ist circa zwanzig Jahre alt. So intersexuell<br />
wie ihr Name ist auch ihre Frisur, die weder männlich<br />
noch weiblich anmutet. Rins Ohrläppchen sind von Ringen<br />
gedehnt, ihre Arme und ihr Dekolleté mit Tattoos<br />
bestochen. In die Außenseiten ihrer Hände ließ sie<br />
sich Magnete implantieren. Doch Rin hebt sich noch in<br />
einem weiteren Punkt von anderen Menschen ab. Zwischen<br />
ihren Daumen und Zeigefingern trägt sie jeweils<br />
einen reiskorngroßen Funkchip unter der Haut, der ihre<br />
Kontaktdaten auf Smartphones übertragen und Türen<br />
öffnen kann. Der Name Rin kommt aus dem Japanischen.<br />
Auf Deutsch bedeutet er «kalt». Dieser neue<br />
Mensch wurde Anfang März dieses Jahres den jungen<br />
Zuschauern des Kinderkanals als letzter Schrei<br />
präsentiert.<br />
Hersteller schätzen, dass sich weltweit circa 30.000<br />
Menschen einen Chip auf der Basis von RFID (Radiofrequenz-Identifikation)<br />
beziehungsweise NFC (Nahfeldkopplung)<br />
implantieren ließen. In Ausweisdokumenten<br />
oder Konsumartikeln versteckt, tragen schon Milliarden<br />
Menschen solche Transponder mit sich herum.<br />
Cyborg statt Mensch<br />
In Deutschland erlebten die implantierbaren Mikrochips<br />
auf der CeBIT-Messe im Frühjahr ihren medialen<br />
Durchbruch. Das Hamburger Unternehmen Digiwell<br />
ermöglichte Besuchern bei sogenannten Free<br />
Chipping Events, an Ort und Stelle «ein Cyborg zu<br />
werden». Wer diese Chance verpasste, kann auf der<br />
Internetpräsenz der Firma für 89 Euro ein Komplettset<br />
zum Selbstimplantieren erwerben – Injektionsspritze<br />
und antibakterieller Wundverband inklusive. Eine entsprechend<br />
vernetzte Umgebung vorausgesetzt, lassen<br />
sich so Türen öffnen und Autos starten. In einem Bürogebäude<br />
für IT-Unternehmen im Zentrum Stockholms<br />
lässt sich ohne Datenträger unter der Haut schon heute<br />
noch nicht einmal mehr der Kopierer bedienen. «Auch<br />
anderswo lassen sich damit inzwischen eine Reihe<br />
von Büros, Fitnessstudios und Waschsalons betreten»,<br />
berichtete die Frankfurter Allgemeine am 25. Februar<br />
2015. Hersteller und Mitläufer glauben an die Sicherheit<br />
der neuen Technik. Bei normkonformen RFID-Systemen<br />
rangiere die Lesbarkeit zwar noch zwischen<br />
zehn Zentimeter bis maximal eineinhalb Meter. Eine<br />
Glasummantelung reduziere den nötigen Abstand der<br />
von Digiwell vertriebenen Chips jedoch auf wenige<br />
Millimeter. Zudem seien die Geräte passiv, also ohne<br />
eigene Stromversorgung, und daher nicht zu orten.<br />
Sogenannte Biohacker wie Digiwell-Gründer<br />
Patrick Kramer träumen davon, dass der Mensch<br />
irgendwann gänzlich mit dem Cyberspace verschmilzt:<br />
Wir werden «in naher Zukunft unsere Gehirne direkt<br />
mit dem Internet verbinden und Informationen in Echtzeit<br />
ins Gehirn streamen können». Mit ihrer Euphorie,<br />
ihr Menschsein abzulegen, erweisen sich diese<br />
«Technikaktivisten» als Erfüllungsgehilfen von Industrie<br />
und Geheimdiensten. «Die Regierung wird uns<br />
niemals eine Waffe an die Stirn setzen und sagen:<br />
”Du bekommst einen Chip, mit dem man Dich verfolgen<br />
kann”», erklärte Katherine Albrecht, Autorin des<br />
38
Buchs Spychips (deutsch: Spionagechips), gegenüber<br />
dem US-Nachrichtenportal World Net Daily im Jahr<br />
2012. «So etwas geschieht immer schrittweise. Wenn<br />
man jemandem einen Mikrochip implantieren kann,<br />
durch den der Mensch nicht verfolgt wird, schauen<br />
alle und sagen, ”Na, komm schon.” Es wird interessant<br />
sein, zu sehen, wohin die Reise führt.»<br />
Vom Peilsender zur schlauen Tablette<br />
Die Menschen auf diese Weise zu kontrollieren, ist<br />
keine neue Idee. Ob Kind, Bergsteiger oder Ex-Knacki –<br />
das US-Unternehmen Applied Digital Solutions (ADS)<br />
wollte Amerikanern schon im Jahr 2000 einen «Digital<br />
Angel» in den Oberarm implantieren lassen, durch<br />
den sie im Notfall jederzeit per GPS-Signal lokalisierbar<br />
gewesen wären. «Dieser Chip, der einzig von Körperwärme<br />
angetrieben wird, überträgt das Signal und<br />
die Vitalfunktionen Ihres Körpers an eine Bodenstation»,<br />
berichtete Fox News im Oktober 2000. Weil mit<br />
dem «digitalen Engel» gechippte Personen auch von<br />
der einfachen Abwicklung elektronischer Geschäfte<br />
profitieren würden, witterte ADS einen dreistelligen<br />
Milliardenmarkt allein in Nordamerika. Nach Protesten<br />
von Bürgerrechtlern und besorgten christlichen Gruppen<br />
verschwand das Produkt damals jedoch wieder in<br />
den Schubladen. Evangelikale sehen in der Technologie<br />
«das Malzeichen des Biestes» aus der Johannes-Offenbarung.<br />
Aus der Idee wurde wenige Jahre später der angeblich<br />
passive VeriChip. ADS hoffte, dass Ärzte bald<br />
standardmäßig den Oberarm eines Patienten scannen<br />
und anhand eines im implantierten Mini-Datenträger<br />
gespeicherten 16-stelligen Codes alle relevanten<br />
medizinischen Informationen aus einer Datenbank<br />
abrufen würden – so ähnlich werden auch streunende<br />
Haustiere identifiziert. Im Jahr 2004, fünf Monate bevor<br />
US-Gesundheitsminister Tommy Thompson in den Vorstand<br />
von ADS wechselte, wurde VeriChip von der US-<br />
Arzneimittelbehörde zugelassen. Fabriziert wurde der<br />
Sender vom fünftgrößten Rüstungskonzern der Welt,<br />
Raytheon. Doch obwohl mancherorts Clubs und Hotels<br />
den circa 150 US-Dollar teuren Chip als Armband an<br />
ihre Besucher verteilten, kam der Absatz nicht recht<br />
in Schwung.<br />
Bei der All Things Digital Konferenz 2013 verkündete<br />
Google-Führungskraft Regina E. Dugan ihrem<br />
Publikum, dass der Konzern an einem Mikrochip<br />
arbeite, den man täglich über das Schlucken einer<br />
Pille zu sich nehmen könne. So ließe sich die «Superpower»<br />
entwickeln, den eigenen Körper in ein biologisches<br />
Authentifizierungssystem für Mobiltelefone,<br />
Autos, Türen und weitere Gegenstände zu verwandeln –<br />
also all das, was Biohacker noch über ihr Handimplantat<br />
erreichen müssen. «Diese Pille trägt einen kleinen<br />
Schalter in sich», sagte Dugan, die wie Google-Chef<br />
Erich Schmidt 2015 an der Bilderberger-Konferenz<br />
teilnahm. «Wenn man sie schluckt, dient die Magensäure<br />
als Elektrolyt und schaltet ihn ein.» Die Kapsel<br />
sei zugelassen und könne ein Leben lang sage und<br />
schreibe 30 Mal am Tag bedenkenlos eingenommen<br />
werden. Dugans voriger Arbeitgeber war die US-Militärforschungsbehörde<br />
DARPA. 2012 bestätigte man<br />
dort Pläne, Soldaten Nanosensoren zu implantieren,<br />
die deren Vitalfunktionen kontrollieren und Medikamente<br />
in die Blutbahn zuführen können.<br />
Der nächste Schritt: Screen-Chips<br />
auf der Iris als Schnittstelle zum<br />
Computer. Foto: Flying Wild Hog<br />
Dieser Chip des Herstellers Motorola<br />
soll bei Kontakt mit menschlicher<br />
Magensäure einen 18-Bit-<br />
Schlüssel aussenden. Foto:<br />
Unimed-PR<br />
«Wenn man den<br />
Chip schluckt, dient<br />
die Magensäure als<br />
Elektrolyt und<br />
schaltet ihn ein.» <br />
<br />
Google<br />
39
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Peilsender im<br />
Kragen<br />
2006 wurde IBM ein Patent namens<br />
«Identifikation und Verfolgung<br />
von Personen mittels<br />
RFID-gekennzeichneter Gegenstände<br />
in Geschäften» gewährt.<br />
Es zeichnet eine Welt,<br />
in der vernetzte RFID-Lesegeräte,<br />
sogenannte «Personenverfolgungseinheiten»,<br />
die Bewegungen<br />
von Menschen, die einen<br />
Chip bei sich tragen, praktisch<br />
überall nachverfolgen: in «Einkaufszentren,<br />
Flughäfen, Bahnhöfen,<br />
Bushaltestellen, Fahrstühlen,<br />
Zügen, Flugzeugen, öffentlichen<br />
Toiletten, Sportarenen,<br />
Bibliotheken, Theatern,<br />
Museen». Am Rande der CeBIT<br />
2007 erklärte die damalige EU-<br />
Kommissarin für Digitalwirtschaft,<br />
Viviane Reding, dass sie<br />
die RFID-Technologie nicht regulieren<br />
wolle. «Meiner Ansicht<br />
nach sollten wir unterregulieren<br />
statt überregulieren, damit<br />
dieser Sektor abheben kann.»<br />
Am 16. Februar 2012 berichtete<br />
computerbild.de: «Vermehrt nähen<br />
Bekleidungshersteller RFID-<br />
Chips in Anzüge, Hemden & Co.<br />
Die kleinen Peilsender erlauben<br />
dem Verkäufer individuelle Einkaufstipps<br />
für ausgespähte Kunden.<br />
Schlimmer noch: Die heimliche<br />
Ortung ermöglicht es, Bewegungsprofile<br />
zu erstellen.<br />
(…) Einige Bekleidungshersteller,<br />
darunter Peuterey, Lemmi<br />
Fashion, Levi’s und Gerry Weber,<br />
setzen bereits auf RFID-Chips.<br />
Andere wie s’Oliver bereiten<br />
den Einsatz derzeit vor und rüsten<br />
ihre Läden nach und nach<br />
mit RFID-Lesegeräten aus.»<br />
Die Pharmaindustrie verspricht sich von sogenannten<br />
smarten Pillen derweil ein Milliardengeschäft.<br />
Nach dem Einnehmen misst der Mini-Spion die<br />
Gesundheitswerte und überträgt sie an das Smartphone<br />
oder einen autorisierten Arzt. Der Nutzer soll<br />
so nie wieder vergessen, seine Tabletten zu nehmen.<br />
Aus dem aktuellen James-Bond-Film kennt man das<br />
Konzept anders. Der Geheimdienst MI6 bedient sich<br />
darin der gleichen Methode, um 007 jederzeit lokalisieren<br />
zu können.<br />
Rockefellers Vision<br />
«Neun Implantate, die wir bald im Körper tragen»<br />
stellte bild.de am 25. Oktober 2014 seinen Lesern vor.<br />
An letzter Stelle: ein «Ortungs-Chip», mit dem «jeder<br />
Mensch mitsamt Aufenthaltsort eindeutig identifizierbar»<br />
wird. Die Menschheit derart zu kontrollieren, sieht<br />
so der Plan einer geheimen Elite aus?<br />
Der amerikanische Filmemacher Aaron Russo<br />
behauptete vor seinem Tod im Jahr 2007, Nicholas<br />
Rockefeller habe beim Versuch, ihn anzuwerben,<br />
Unglaubliches erzählt: «Das Endziel ist, jedem<br />
einen Chip zu implantieren, um die gesamte Gesellschaft<br />
zu kontrollieren.» Das Deutsche Patentamt hat<br />
2007 einem saudi-arabischen Erfinder verwehrt, einen<br />
implantierbaren Killer-Chip zu patentieren, wie die<br />
Augsburger Allgemeine am 18. Mai 2009 berichtete.<br />
Laut Patentantrag verfügt die Kapsel über eine Strafkammer,<br />
aus der per Fernsteuerung Cyanid oder andere<br />
hochgiftige Stoffe freigesetzt werden.<br />
Pikant ist die Rolle des amerikanischen IT-Riesen<br />
IBM, der den VeriChip mitfinanzierte. Über diverse<br />
Tochterfirmen in Europa hatte IBM mittels Lochkartensystem<br />
schon einmal Menschen katalogisiert: in den<br />
Ghettos und Vernichtungslagern der Nazis. «Ohne die<br />
Lochkarten wäre es wie Gewehre ohne Kugeln gewesen»,<br />
fasst Edwin Black, Autor des Buches IBM und<br />
der Holocaust, die Komplizenschaft zwischen IBM und<br />
den Nationalsozialisten zusammen. Im Jahr 20<strong>05</strong> forderte<br />
der Konzern ein globales Identifizierungssystem<br />
– ein standardisierter RFID-Chip unter der Haut sei die<br />
Lösung.<br />
Bisherige Versuche, den Menschen Elektronik einzupflanzen,<br />
beruhten auf freiwilliger Basis. Damit wäre<br />
Schluss, wenn man Sachzwänge schüfe, an denen<br />
niemand vorbeikäme. Würde etwa das Bargeld abgeschafft,<br />
könnten Zahlungen nur noch elektronisch abgewickelt<br />
werden – am einfachsten natürlich mit einem<br />
Chip unter der Fingerspitze. «Die bargeldlose Zukunft<br />
ist nur knapp einen Zentimeter groß», hieß es in<br />
einem ZDF-Beitrag Ende Februar <strong>2016</strong>.<br />
Der Chip hat eine Strafkammer, aus<br />
der per Fernsteuerung Cyanid<br />
freigesetzt wird.<br />
Dabei muss es gar nicht unter die Haut gehen. Die<br />
chinesische Regierung hat unlängst 150 Millionen vom<br />
Land in die Städte gezogenen Bürgern auferlegt, RFID-<br />
Ausweise zu beziehen, die neben Name und Adresse<br />
des Trägers auch dessen beruflichen Werdegang, Bildungshintergrund,<br />
Religion, Ethnie, Strafregister und<br />
Versicherungsstatus speichern. «Wenn sie sich die<br />
Ausweise nicht holen, dürfen sie hier nicht leben und<br />
keine Leistungen der Regierung beziehen», zitierte die<br />
New York Times den Vizepräsidenten der Kartenherstellerfirma<br />
am 12. August 2007. «So kann die Regierung<br />
die Bevölkerung in Zukunft kontrollieren.»<br />
Voll cool: Jeans mit Micro-Einlage.<br />
Foto: Getty Images<br />
Die jüngste Generation von RFID-<br />
Chips gibt es bereits zum Ausdrucken.<br />
Foto: wired.com<br />
40<br />
_Tino Perlick ist Redakteur bei<br />
<strong>COMPACT</strong>. In Ausgabe 4/<strong>2016</strong><br />
schrieb er über die anstehenden<br />
US-Präsidentschaftswahlen.
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Dossier _ Seite 42–51<br />
Protestparteien<br />
Der Triumph der Alternative für Deutschland (AfD) bei den Landtagswahlen im März stellt<br />
die Partei vor ein Dilemma: Bleibt sie Fundamentalopposition – oder kann sie in einer<br />
Regierungskoalition mehr bewirken? Was jetzt den baden-württembergischen Wahlsieger<br />
Jörg Meuthen beschäftigt, hat schon vor 16 Jahren Jörg Haider verführt – und vor<br />
30 Jahren die damals noch systemfernen Grünen.<br />
Foto: picture alliance/AP Images<br />
41
«Koalitionen sind derzeit kein Thema»<br />
_ Interview mit Dr. Jörg Meuthen<br />
42<br />
Die Landtagswahlen Mitte März haben das Machtgefüge der<br />
Republik erschüttert. Die Alternative für Deutschland (AfD) steht nun<br />
vor schweren Entscheidungen. Ein Gespräch über Mitregieren und<br />
Opponieren, gesunden Patriotismus und direkte Demokratie.<br />
Jörg Meuthen war vor seinem<br />
AfD-Beitritt parteilos, interessierte<br />
sich jedoch zeitweise für die FDP.<br />
In der AfD wird er dem wirtschaftsliberalen<br />
Flügel zugerechnet.<br />
Foto: AfD Geschäftsstelle Baden-<br />
Württemberg<br />
«Wir dürfen und<br />
wir müssen<br />
als Deutsche<br />
patriotisch sein.»<br />
Herr Dr. Meuthen, in den Medien werden Sie ja<br />
gerne als das «brave, bürgerliche Gesicht» einer<br />
ansonsten gefährlichen Partei dargestellt – als<br />
ein «Gemäßigter unter Radikalen»…<br />
Tja, die Medien brauchen ihre Etikettierung, aber das<br />
ist natürlich Quatsch. In der Tat bin ich aus ökonomischer<br />
Sicht liberal, aber ich bin eben gesellschaftspolitisch<br />
genauso konservativ wie es etwa Alexander Gauland<br />
ist, da gibt es eigentlich keinen Unterschied. Die<br />
Medien haben ihre Etiketten, ich selbst finde meine<br />
Positionen gar nicht so brav. Vor allem aber sind meine<br />
vielen Parteifreunde nicht radikal.<br />
Frauke Petry sagte kürzlich im Spiegel-Interview,<br />
dass «ein gesunder Patriotismus in Deutschland<br />
selbstverständlich sein sollte». Sehen Sie sich<br />
auch als Patrioten?<br />
Ohne jede Einschränkung ja! Man kann es gesunden<br />
Patriotismus nennen, ich nenne es immer auch einen<br />
weltoffenen Patriotismus, um die Abgrenzung zu nationalistischen<br />
Positionen klarzumachen. Wir dürfen und<br />
wir müssen als Deutsche patriotisch sein, wir haben<br />
da verbreitet immer noch ein verklemmtes Verhältnis<br />
zur eigenen Nation. Das ist unsinnig.<br />
Was müsste passieren, damit die AfD in eine<br />
Koalition mit den sogenannten Altparteien geht?<br />
Um das ganz klar zu sagen: Es gibt solche Gedanken<br />
derzeit nicht. Man kann das auf lange Sicht für spätere<br />
Legislaturperioden ja nicht ausschließen, aber jetzt,<br />
nach diesen Landtagswahlen, in irgendeine Koalition<br />
mit anderen Parteien zu gehen, ergibt keinen Sinn,<br />
und dafür sind die Deckungssummen der Positionen<br />
auch zu gering. Weder mit Grün noch mit Rot kann<br />
ich mir irgendeine Koalition vorstellen, weil die weltanschaulichen<br />
Positionen viel zu weit auseinander sind,<br />
und auch mit CDU oder FDP kommt das derzeit sicherlich<br />
nicht in Frage. Es mag sein, dass so was in einer<br />
späteren Legislaturperiode mal eine ernsthafte Überlegung<br />
wert sein könnte, derzeit ist das aber definitiv<br />
kein Thema.<br />
Der Tagesspiegel zitierte Sie Mitte März mit dem<br />
Satz: «Wir werden mittelfristig Koalitionen eingehen»<br />
– etwa mit CDU und FDP.<br />
Ja, das war etwas schräg vom Tagesspiegel. Ich wurde<br />
von einem Journalisten dazu befragt und habe dann<br />
gesagt, dass es sein kann, dass wir auf längere Sicht<br />
auch mal Koalitionen eingehen, gleichzeitig habe ich<br />
aber auch gesagt: Derzeit kommen Koalitionsbildungen<br />
für uns nicht in Frage. So wie der Tagesspiegel<br />
das dann geschrieben hat, löste das allerlei Irritationen<br />
aus, so nach dem Motto: Oh, guck mal hier, der<br />
Meuthen schielt da nach Regierungsbeteiligung. Das<br />
ist wirklich völliger Quatsch.
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Welche Bedingungen müssten erfüllt sein, um<br />
Koalitionen eingehen zu können? Grenzen dicht?<br />
Raus aus dem Euro? Rückbau der EU?<br />
Im Grunde genommen müsste unser Programm rauf<br />
und runter akzeptiert werden. Eine zentrale Forderung<br />
wäre – und da sehe ich im Moment eben überhaupt<br />
nichts –, sich mehr direktdemokratischen Entscheidungen<br />
anzunähern, das ist für uns Herzblut. Wir<br />
wollen eine direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild.<br />
Das ist in keiner der anderen Parteien so vorhanden,<br />
in keiner.<br />
Wenn man sich die Beispiele der Regierungsbeteiligung<br />
von national orientierten Parteien<br />
anschaut – etwa die Wahren Finnen, die Koalition<br />
von Anel mit Syriza in Griechenland oder<br />
das Schicksal der FPÖ unter Haider –, dann gibt<br />
das zu denken.<br />
Ja, eindeutig. Ich glaube, es würde uns als ein Gieren<br />
nach der Macht ausgelegt, wir würden daran Schaden<br />
nehmen. Es gab ja das Ansinnen, eine schwarzgrüne<br />
Landesregierung zu tolerieren. Ich habe von vornherein<br />
gesagt, das ist mit mir nicht machbar, weil es<br />
falsch ist. Man kann Politik auch aus der Opposition<br />
heraus gestalten und wir werden, wenn es jetzt eine<br />
grün-schwarze Regierung geben wird, die Oppositionsführung<br />
haben. Wir können die Regierung da richtig<br />
treiben und sie werden sich für jeden Schritt rechtfertigen<br />
müssen.<br />
Versteht sich die AfD aus Ihrer Sicht als parlamentarisch<br />
zentrierte Kraft oder als Bewegungspartei?<br />
Wird sich die AfD auch in Zukunft<br />
mit dem Protest auf der Straße, mit Pegida und<br />
Co., solidarisieren?<br />
Ich glaube da gibt es einfach Unterschiede in diesem<br />
Punkt zwischen Ost und West, weil die Menschen in<br />
den neuen Bundesländern immer noch diese Erfahrungen<br />
der Wende 1989/90 haben, die im Westen völlig<br />
fehlen. Ich bin ja nun ein Kind des Westens, und ich<br />
sehe eben auch einiges bei Pegida sehr kritisch. Ich<br />
finde es schon richtig, die Straße mitzunehmen, aber<br />
ich bin zugleich auch wirklich ein Freund institutionalisierter<br />
Demokratie, die freilich so sein muss, dass sie<br />
direkter gestaltet ist als bei uns. In der Schweiz gibt<br />
es keine Pegida-Bewegung, denn wenn auf direktdemokratische<br />
Weise die Bürger wirklich etwas zu sagen<br />
haben, dann müssen sie nicht auf die Straße gehen.<br />
nicht mit einem Flügel. Es ist in einer Partei, die auch<br />
den Anspruch erhebt, Volkspartei werden zu wollen,<br />
völlig normal, dass es da auch unterschiedliche Strömungen<br />
gibt. Da muss man integrativ arbeiten – und<br />
nicht spalten. Das war der entscheidende Fehler, den<br />
Leute wie Lucke und Henkel gemacht haben.<br />
Den Spalt zwischen Ihnen und Höcke scheinen<br />
die Medien ja auch immer wieder gerne herbeizuschreiben…<br />
Jeden Tag, kann ich Ihnen sagen, jeden Tag. Vor Kurzem<br />
hat sich Höcke zu diesen Vorgängen im Saarland<br />
geäußert…<br />
…wo ein AfD-Landesverband wegen angeblicher<br />
NPD-Nähe aufgelöst wurde…<br />
Höcke hatte dazu einen kurzen Post veröffentlicht, und<br />
sofort hat man mich gefragt, ja was sagen Sie denn<br />
dazu, der Höcke hat das und das gesagt. Ich habe dann<br />
gesagt, naja, nicht dramatisch. Im Grunde hat er da<br />
etwas gesagt, was zutreffend ist: Nämlich, dass dieser<br />
Vorgang ein Zeichen dafür ist, dass die Partei «noch<br />
ein bisschen in den Kinderschuhen steckt». Und was<br />
machen Höcke und ich dann? Wir telefonieren miteinander<br />
und lassen da keinen Keil zwischen uns treiben<br />
– so muss das sein.<br />
Ist es nicht bemerkenswert, dass der Höcke/<br />
Poggenburg-Flügel die weitaus besten Wahlergebnisse<br />
der AfD insgesamt erzielt hat? Ist<br />
Ihr wirtschaftsliberaler Ansatz eher etwas für<br />
Besserverdienende?<br />
Hier, in einem Land wie Baden-Württemberg, wo es<br />
den Menschen so gut geht, aus dem Stand 15 Prozent<br />
zu holen, ist auch ein sensationell gutes Ergebnis. Ich<br />
freue mich ebenso für Herrn Poggenburg, aber es sind<br />
Sonntagsfrage zur<br />
Bundestagswahl<br />
ARD-Deutschlandtrend 7. April<br />
<strong>2016</strong> (in Prozent)<br />
34 (0)<br />
4 (0)<br />
CDU<br />
SPD<br />
AfD<br />
Grüne<br />
Linke<br />
FDP<br />
Sonstige<br />
Quelle: infratest dimap<br />
«Wir akzeptieren<br />
TTIP nicht.»<br />
21 (-1)<br />
14<br />
(+1)<br />
7 (0) 7 (-1) 13 (+1)<br />
Mit dem Austritt von Parteigründer<br />
Bernd Lucke verließen 2015 etwa<br />
20 Prozent der Mitglieder die AfD.<br />
Mittlerweile stieg die Zahl durch<br />
Neueintritte wieder auf gut 20.000.<br />
Foto: aktivnews/dpa<br />
Besteht in der AfD die Gefahr erneuter Flügelkämpfe<br />
wie zu Lucke-Zeiten?<br />
Ich glaube das nicht. Man kann das exemplarisch an<br />
meinem Verhältnis zu Björn Höcke klarmachen. Man<br />
würde mich eher dem wirtschaftsliberalen Flügel<br />
zurechnen und Höcke eher dem national-konservativen.<br />
Wir sind sicherlich in einigen Punkten auch nicht<br />
einer Meinung, aber wir pflegen einen guten und vertrauensvollen<br />
Umgang miteinander. Und ich glaube<br />
eben – um im Bild zu bleiben: Das Vögelchen fliegt<br />
43
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Wege aus der<br />
Asylkrise<br />
«Kurzfristig müssen wir jetzt tatsächlich<br />
erstmal diesen enormen<br />
Zustrom kappen, und das<br />
heißt nun wirklich auch mit<br />
Grenzschließung zu operieren,<br />
auch wenn das unschöne Bilder<br />
erzeugt. Das geschieht ja<br />
auch schon in Teilen, aber nicht<br />
aufgrund der deutschen Politik,<br />
sondern durch die Politik der Österreicher<br />
mit den Balkanstaaten,<br />
die mit Recht zornig auf uns<br />
sind und auf die Politik Merkels.<br />
In einer mittel- bis langfristigen<br />
Perspektive müssen wir sehen,<br />
dass wir die Zuwanderung einfach<br />
steuern. Wir werden uns<br />
darüber verständigen müssen:<br />
Wie viel Zuwanderung wollen<br />
wir und wie gestalten wir sie?»<br />
(Jörg Meuthen)<br />
Jörg Meuthen im Wahlkampf.<br />
Foto: Screenshot Youtube /JF-TV<br />
wirklich unterschiedliche Voraussetzungen. Mit einer<br />
Poggenburg-Linie hier in Baden-Württemberg wäre es<br />
problematisch geworden, und mit einer Meuthen-Linie<br />
in Sachsen-Anhalt vermutlich auch.<br />
Herr Gauland hat die Forderung erhoben, die Partei<br />
der kleinen Leute zu sein…<br />
…und er hat da völlig Recht. Wir müssen dafür Sorge<br />
tragen, dass Soziale Marktwirtschaft wirklich auch<br />
Soziale Marktwirtschaft ist. Für mich ist das Herzblut,<br />
ich bin Marktwirtschaftler durch und durch. Ich bin liberaler<br />
Ökonom, ja, aber ich bin nicht neoliberal, sondern<br />
ordoliberal, und das macht einen entscheidenden<br />
Unterschied. Das heißt nämlich, dass wir das Soziale<br />
sehr wohl ernst nehmen. Warum haben wir denn den<br />
Zulauf aus der SPD? Weil die SPD genau das nicht<br />
mehr auf die Reihe bekommt.<br />
«Höcke und ich lassen keinen Keil<br />
zwischen uns treiben.»<br />
In ersten Reaktionen zum AfD-Programmentwurf<br />
haben die Medien Ihnen aber neoliberale Positionen<br />
vorgeworfen – etwa die Privatisierung<br />
der Krankenversicherung und die Abschaffung<br />
von Erbschafts- und Vermögenssteuer. Also doch<br />
Politik für Reiche?<br />
Da muss man in die Einzelpunkte reingehen. Ich bin zum<br />
Beispiel ein Vertreter der Abschaffung der Erbschaftssteuer.<br />
Das habe ich selber auch gefordert – und auch<br />
umfassend begründet. Dazu muss man freilich von<br />
Steuerpolitik ein bisschen was verstehen. Wenn man<br />
das allein auf die Frage der – vermeintlichen – sozialen<br />
Gerechtigkeit bezieht, dann kann man sagen: Oh, da<br />
werden die Reichen begünstigt. Aber tatsächlich gehen<br />
mit der Erbschaftssteuer so unglaublich viele Praktikabilitätsprobleme<br />
einher und eine so ungerechte, unterschiedliche<br />
Belastung verschiedener Formen von Erbschaften,<br />
dass diese Steuer keinen Sinn ergibt.<br />
Kürzlich haben Sie sich zum Thema Sozialstaat<br />
geäußert und sich gegen eine «Vollkaskomentalität»<br />
ausgesprochen. Was bedeutet das?<br />
Ja. Das bedeutet, dass der Staat den Menschen helfen<br />
muss, ihr Existenzminimum abzusichern, die dazu<br />
selbst nicht im Stande sind. Vollkaskomentalität heißt:<br />
Ich decke alle Risiken für alle Menschen ab und mache<br />
eine Sozialpolitik mit der Gießkanne. Das ist weder<br />
sinnvoll, weil es nämlich systematisch Fehlanreize<br />
setzt, noch finanzierbar.<br />
Eine letzte Frage: Viele Wähler haben der AfD<br />
unter Lucke übel genommen, dass einige Abgeordnete<br />
im EU-Parlament für das Freihandelsabkommen<br />
TTIP gestimmt haben. Wird die neue<br />
AfD sich dem entgegenstellen?<br />
Das kann man ganz knapp beantworten: definitiv ja.<br />
Wir akzeptieren TTIP nicht. Das ist eine Begünstigung<br />
der Großindustrie, die dem Mittelstand eher Schaden<br />
zufügt. Abgesehen davon spricht das Abkommen<br />
demokratischen Gepflogenheiten Hohn.<br />
Herr Dr. Meuthen, vielen Dank für das Gespräch.<br />
Die AfD ist bereits in acht Landtagen<br />
vertreten. Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
Der Höhenflug der AfD<br />
Entwicklung der Umfragewerte seit Gründung in Prozent<br />
44<br />
_ Dr. Jörg Meuthen ist Professor<br />
für Volkswirtschaftslehre und<br />
Finanzwissenschaft an der<br />
Hochschule Kehl. Er trat der AfD<br />
erst nach der Bundestagswahl<br />
im September 2013 bei. Im Juli<br />
2015 wurde er zu einem der<br />
drei Landessprecher in Baden-<br />
Württemberg und zusammen mit<br />
Frauke Petry zum Bundessprecher<br />
gewählt. Bei den Landtagswahlen<br />
im März <strong>2016</strong> erhielt die AfD<br />
mit ihm als Spitzenkandidaten<br />
15,1 Prozent der Stimmen, er zog<br />
damit als Fraktionschef und Oppositionsführer<br />
ins Parlament ein.<br />
Das Gespräch führte <strong>COMPACT</strong>-<br />
Redakteur Marc Dassen.<br />
Erfolge bei Landtagswahlen in Prozent<br />
Hamburg<br />
6,1 %<br />
Bremen<br />
5,5 %<br />
Rheinland-Pfalz<br />
12,6 %<br />
Baden-Würtemberg<br />
15,1 %<br />
AfD im Landesparlament<br />
Quellen: infratest dimap, wikipedia<br />
Brandenburg<br />
12,2 %<br />
Sachsen -Anhalt<br />
24,3 %<br />
Sachsen<br />
9,7 %<br />
Thüringen<br />
10,6 %<br />
15<br />
10<br />
38.000<br />
5<br />
0<br />
3<br />
2<br />
04/2013 2014 2015 04/<strong>2016</strong><br />
Wählerwanderung zur AfD bei den Landtagswahlen am 13.3.<strong>2016</strong><br />
Sachsen-Anhalt<br />
28.000<br />
20.000<br />
3.000<br />
6.000<br />
54.000 151.000<br />
101.000<br />
5<br />
7<br />
9<br />
Baden-Württemberg<br />
190.000<br />
4<br />
10<br />
22.000<br />
14<br />
90.000<br />
70.000<br />
18.000<br />
209.000<br />
CDU Linke SPD Grüne FDP Nichtwähler Andere
Haiders Aufstieg, Haiders Fall<br />
_ von Klaus Faißner<br />
In der AfD gibt es Stimmen, die für einen Regierungseintritt werben. Das Beispiel<br />
Österreich zeigt, wo das enden kann: Vor 16 Jahren bildeten dort die nationalliberalen<br />
Freiheitlichen (FPÖ) eine Koalition mit der konservativen ÖVP – und zerstörten sich<br />
beinahe selbst. Erst in der Opposition gelang der Wiederaufstieg.<br />
Nur ein Statist: Bei der Bekanntgabe<br />
des schwarz-blauen Bündnisses<br />
am 1.2.2000 saß Jörg Haider<br />
noch neben dem künftigen Bundeskanzler<br />
Wolfgang Schüssel. In dessen<br />
Kabinett war er nicht vertreten.<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
Es war ein politisches Erdbeben, das Österreich am<br />
3. Oktober 1999 erschütterte: Die FPÖ erreichte bei der<br />
Nationalratswahl mit 26,9 Prozent der Stimmen den<br />
zweiten Platz. Ein Teil des Volkes jubelte, ein anderer<br />
war fassungslos. Parteiobmann Jörg Haider stand am<br />
– vorläufigen – Ziel seiner Träume: In seinen 13 Jahren<br />
an der Spitze der FPÖ hatte er sie aus der Bedeutungslosigkeit<br />
herausgeführt und zu einem mitbestimmenden<br />
Faktor im Land geformt. Diesmal konnte der Charismatiker<br />
sogar einen Zugewinn von fünf Prozentpunkten<br />
verbuchen, die einst so mächtige ÖVP um knappe 415<br />
Stimmen übertrumpfen und auf Rang drei verweisen.<br />
Die in Österreich alles beherrschende «rot-schwarze<br />
Einheitspartei», wie Haider SPÖ und ÖVP nannte, verbuchte<br />
gerade noch 60 Prozent für sich; zum Zeitpunkt<br />
seines Eintritts in die Bundespolitik waren es noch über<br />
90 Prozent gewesen.<br />
Der Kärntner stellte die politische Landschaft auf<br />
den Kopf, wie es niemand für möglich gehalten hätte.<br />
Er polarisierte wie kein Zweiter, spielte geschickt auf<br />
der Klaviatur des Tabubruchs und sprach vielen patriotischen<br />
Menschen aus dem Herzen. Er kritisierte unter<br />
anderem das Proporzsystem, mit dem Rot und Schwarz<br />
das Land unter sich aufgeteilt hatten, die Pro-Ausländer-Politik,<br />
das Buckeln vor zionistischen Kreisen und<br />
– wenn auch moderat – die EU. Haider hatte den ehemaligen<br />
Großparteien, die sich keinen Deut mehr ums<br />
Volk scherten, Wahl für Wahl Verluste beschert und die<br />
FPÖ zu deren Angstgegner gemacht. Das Stimmergebnis<br />
vom Oktober 1999 zeigte, dass die Freiheitlichen<br />
künftig sogar stärkste Kraft werden könnten, wenn Rot<br />
und Schwarz so weitermachten. Haider hätte Geduld<br />
haben und noch ein paar Jahre warten müssen – vielleicht<br />
auch nur ein paar Monate, denn Österreich stand<br />
vor der Unregierbarkeit, und dann wäre es zu Neuwahlen<br />
gekommen.<br />
Haider wollte unbedingt regieren<br />
Doch er und seine ihm fast bedingungslos ergebene<br />
Gefolgschaft hatten keine Geduld. Schon im<br />
August 1999, zwei Monate vor der Nationalratswahl,<br />
hatte der Erfolgshungrige zwei Ziele vorgegeben: Platz<br />
zwei zu erreichen und in die Regierung zu kommen.<br />
Er wollte das Image des Schmuddelkindes ablegen,<br />
das ihm und der FPÖ seit seinem Aufstieg an die Parteispitze<br />
1986 hartnäckig anhaftete. Vor dem Urnengang<br />
liebäugelte er sogar mit einem Übereinkommen<br />
mit der SPÖ, was aber deren linker Parteiflügel rasch<br />
Der fesche Jörg (1950–2008). Wahlplakat<br />
aus dem Jahr 1986.<br />
Foto: ONB Bildarchiv Austria<br />
Bundespräsident<br />
Klestil weigerte sich,<br />
zwei von der FPÖ<br />
vorgeschlagene Minister<br />
zu vereidigen.<br />
45
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Der lange Weg der Freiheitlichen<br />
Wahlumfrage <strong>2016</strong><br />
Stimmenanteil in Prozent<br />
Die Zeit scheint wieder reif für eine<br />
freiheitliche Partei. Die SPÖ des<br />
aktuellen Bundeskanzlers Werner<br />
Faymann muss sich warm anziehen.<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
Sozialistenchef<br />
Klima regte die<br />
EU-Sanktionen<br />
gegen sein eigenes<br />
Land an.<br />
FPÖ bei den Nationalratswahlen<br />
Stimmenanteil in Prozent<br />
<strong>2016</strong>: aktueller<br />
Umfragewert<br />
17,5<br />
12<br />
1986: Haider<br />
20<strong>05</strong>: Abspaltung<br />
des BZÖ<br />
6<br />
33,0<br />
übernimmt<br />
Parteivorsitz<br />
33<br />
26,9<br />
23<br />
22,5 21,9<br />
16,6<br />
20,5<br />
23<br />
9,7<br />
10,0 11,0<br />
FPÖ<br />
5,0<br />
SPÖ<br />
ÖVP<br />
Grüne<br />
1983 1986 1990 1994 1995 1999 2002 2006 2008 2013 <strong>2016</strong><br />
Neos Quelle: Statista <strong>2016</strong> Quelle: Wikipedia<br />
zurückwies. Bereits einen Tag nach der Wahl ließ Haider<br />
durchblicken, dass er der ÖVP im Falle einer Koalition<br />
den Kanzlersessel überlassen würde, wie deren<br />
Frontmann Wolfgang Schüssel später in seiner Biographie<br />
schrieb. Trotzdem gab der damalige Bundespräsident<br />
Thomas Klestil, der seinerzeit von der ÖVP für<br />
dieses Amt nominiert worden war, zu verstehen, dass<br />
er strikt gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ sei.<br />
Es kam zu Sondierungsgesprächen zwischen den<br />
Fraktionen. Nach Wochen willigte Schüssel Anfang<br />
Dezember 1999 in offizielle Koalitionsverhandlungen<br />
mit den Sozialisten ein. Es gelang ihm, der SPÖ<br />
in so gut wie allen Sachfragen große Zugeständnisse<br />
abzuringen. Doch das war ein Pyrrhussieg: An<br />
der linken Basis brodelte es, und folgerichtig kam es<br />
am 20. Januar 2000 zum Abbruch der rot-schwarzen<br />
Regierungsanbahnung.<br />
Bundespräsident Klestil machte gegenüber der ÖVP<br />
sofort klar: «Alles, nur nicht Schwarz-Blau.» Gleich<br />
danach traf er sich mit Noch-Bundeskanzler Viktor<br />
Klima (SPÖ). Der schlug vor, eine von ihm geführte Minderheitsregierung<br />
auch unter Einschluss von «unabhängigen<br />
Experten» – gemeint waren der FPÖ nahestehende<br />
Wirtschaftsfachleute – zu bilden. Damit wollte<br />
er sich die Unterstützung seines Kabinetts durch die<br />
FPÖ erkaufen.<br />
Haider lehnte ab und trat bereits am 24. Januar in<br />
Verhandlungen mit der ÖVP ein. In nur einer Woche<br />
schnürten die beiden Parteien das komplette Koalitionspaket.<br />
Laut Schüssel entsprach dieses jedoch zu<br />
95 Prozent dem soeben gescheiterten Arbeitsübereinkommen<br />
von SPÖ und ÖVP – trotzdem stimmten<br />
die Freiheitlichen zu! Bundespräsident Klestil vergatterte<br />
Schüssel und Haider dazu, eine Präambel zu<br />
unterschreiben, die dem Regierungsprogramm vorangestellt<br />
wurde. Sie strotzte vor Hinweisen auf die historische<br />
Schuld Österreichs im 20. Jahrhundert, enthielt<br />
die Verpflichtung, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus<br />
und Antisemitismus scharf zu bekämpfen sowie<br />
sich der EU bedingungslos unterzuordnen. Weiterhin<br />
weigerte sich Klestil, zwei von der FPÖ vorgeschlagene<br />
Minister zu vereidigen («anzuloben») – die Partei<br />
musste sie austauschen. Trotzdem führte er die Angelobung<br />
selbst mit versteinerter Miene durch, als hätte<br />
er es mit Verbrechern zu tun.<br />
Haider selbst hatte angesichts von Klestils Betonablehnung<br />
von vornherein darauf verzichtet, der künftigen<br />
Bundesregierung anzugehören. Er trieb den Kotau<br />
auf die Spitze, trat sogar vom Amt des FPÖ-Vorsitzenden<br />
zurück und bezeichnete sich als nur noch «einfaches<br />
Parteimitglied». Noch vor der ersten Amtshandlung<br />
des neuen Kabinetts hatte sich der wichtigste<br />
freiheitliche Politiker damit selbst aus dem bundespolitischen<br />
Spiel genommen.<br />
Die Nazikeule kam trotzdem<br />
Doch all das nützte nichts: Innenpolitisch wie international<br />
kam es zu Protesten ungeahnten Ausmaßes. In<br />
Österreich gingen Tausende gegen die neue Regierung<br />
auf die Straße. Im Ausland wurde Haider zum neuen Hitler<br />
hochstilisiert, egal ob von deutschen, französischen,<br />
israelischen oder US-amerikanischen Medien. Die EU<br />
verhängte mit den Stimmen aller anderen 14 Mitglieder<br />
Sanktionen gegen die Alpenrepublik – ein historisches<br />
Novum im «europäischen Einigungsprozess». Österreich<br />
war über Nacht zum Paria-Staat geworden. Haider<br />
erklärte im Rückblick, dass Klima bei einer Holocaust-Konferenz<br />
am 26. Januar 2000 die EU-Strafmaßnahmen<br />
gegen sein eigenes Land angeregt hatte…<br />
46<br />
Als einzige Nationalratspartei stellt<br />
sich die FPÖ, wie hier im Wiener<br />
Ortsteil Atzgersdorf, klar gegen die<br />
Asyllawine. Foto: APA<br />
Bedingungslose Unterwerfung
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Die Regierungsarbeit der FPÖ wurde ab dem ersten<br />
Tag zum Fiasko: Sie präsentierte sich als EU-hörig,<br />
inkompetent sowie mit dünner Personaldecke und ließ<br />
Rekordzahlen an Einbürgerungen von Ausländern zu.<br />
Haider, das «einfache Parteimitglied», machte sich mit<br />
seiner Doppelrolle unglaubwürdig: Einerseits spielte er<br />
als Ministerpräsident («Landeshauptmann») von Kärnten<br />
Opposition gegen die blau-schwarze Koalition auf<br />
Bundesebene, andererseits agierte er als deren Souffleur.<br />
Damit stieß er zunehmend auf Widerstand seiner<br />
Parteifreunde im Kabinett.<br />
Haiders neue Partei BZÖ wedelte als<br />
Schwanz der ÖVP weiter.<br />
Am 8. September 2002 legten Vizekanzlerin<br />
Susanne Riess-Passer, Finanzminister Karl-Heinz Grasser<br />
und Fraktionsvorsitzender («Klubobmann») Peter<br />
Westenthaler nach einem außerordentlichen FPÖ-Parteitag<br />
ihre Ämter nieder. Daraufhin kam es zu Neuwahlen,<br />
bei denen die FPÖ von 27 auf 10 Prozent einbrach,<br />
während die ÖVP sich vom gleichen Ausgangswert<br />
auf 42 Prozent hochkatapultierte. Wieder fanden<br />
sich ÖVP und FPÖ für eine Koalition zusammen, aber<br />
bei einer gänzlich anderen Kräfteverteilung: mit den<br />
Freiheitlichen als reinem Anhängsel der Konservativen.<br />
Die parteiinterne Kritik wurde immer stärker. Im April<br />
20<strong>05</strong> gründete Haider kurzerhand mit allen bisherigen<br />
FPÖ-Ministern und fast allen bisherigen FPÖ-Nationalratsabgeordneten<br />
eine eigene Partei: das Bündnis<br />
Zukunft Österreich (BZÖ). Die FPÖ war somit so gut wie<br />
tot: In Umfragen lag sie deutlich unter den vier Prozent,<br />
die für den Einzug in den Nationalrat notwendig sind.<br />
Schüssel führte die Koalition mit der in BZÖ umgetauften<br />
Haider-Partei weiter. Heinz-Christian Strache stand<br />
als neu gewählter FPÖ-Bundesparteiobmann vor einem<br />
Scherbenhaufen.<br />
Opposition als Rettung<br />
Doch während das BZÖ als Schwanz der ÖVP weiterwedelte,<br />
ließ Strache seine Partei mit ehrlichen<br />
(auch vielen altbewährten) Inhalten wieder auf Kurs<br />
bringen und konnte so bei der Nationalratswahl im<br />
folgenden Jahr elf Prozent der Stimmen erobern. Das<br />
BZÖ schaffte hingegen mit Spitzenkandidat Peter Westenthaler<br />
mit vier Prozent nur hauchdünn den Einzug<br />
ins Parlament.<br />
Fazit: Die FPÖ gewann seit 1986, als Haider die<br />
Spitze übernahm, so lange in jeder Wahl, wie sie<br />
sich als Opposition zum Machtkartell präsentierte.<br />
Die Regierungsbeteiligung wurde aber – auch für die<br />
Abspaltung BZÖ – zum Fiasko. Auf jeden Fall erfolgte<br />
der Eintritt in das Kabinett Schüssel – abgesehen vom<br />
damaligen Verrat sämtlicher Prinzipien – viel zu früh.<br />
Es stellt sich aber auch ganz prinzipiell die Frage, ob<br />
es der FPÖ in Österreich oder der AfD in Deutschland<br />
überhaupt gelingen kann, im Rahmen einer Koalition<br />
eine Stärkung des Nationalstaates zu erreichen – oder<br />
ob sich nicht immer der globalistisch ausgerichtete<br />
Regierungspartner durchsetzt. Daher sieht es so aus,<br />
als ob die einzige Chance für einen echten Systemwechsel<br />
darin liegt, auf die Erringung einer absoluten<br />
Mandatsmehrheit und damit auf eine Alleinregierung<br />
hinzuarbeiten, so wie es Viktor Orbán mit seiner<br />
Fidesz-Partei in Ungarn geschafft hat.<br />
Keine Angst vor<br />
Abspaltungen<br />
Die AfD hat einen Flügelkampf<br />
an der Parteispitze (Lucke gegen<br />
Petry) bereits bestens überstanden.<br />
Bei der FPÖ gab es gleich<br />
zwei Abspaltungen – und auch<br />
die FPÖ wurde dadurch gestärkt,<br />
zumindest auf lange Sicht. 1993<br />
trat Haiders Vize Heide Schmidt<br />
zusammen mit vier Nationalräten<br />
aus der FPÖ aus und machte<br />
mit der neu gegründeten Partei<br />
Liberales Forum im Parlament<br />
weiter. Ab sofort vertrat die Politikerin<br />
in vielen Bereichen genau<br />
das Gegenteil dessen, was<br />
sie zuvor als ihre Überzeugung<br />
ausgegeben hatte. Bereits 1999<br />
wurde die neue Partei von den<br />
Wählern in die Wüste geschickt.<br />
Ähnlich erging es Haiders Kind,<br />
dem BZÖ: 20<strong>05</strong> gegründet, erlebte<br />
es auf Bundesebene 2008<br />
mit einem Wahlergebnis von<br />
10,7 Prozent seinen Höhepunkt.<br />
Ein Jahr nach Haiders Tod konnte<br />
es in Kärnten 2009 zwar noch<br />
eine Landtagswahl gewinnen<br />
und mit Gerhard Dörfler den<br />
Landeshauptmann stellen; aber<br />
das Verfehlen der Vier-Prozent-<br />
Hürde bei der Nationalratswahl<br />
2013 war der Anfang vom Ende<br />
des BZÖ, das inzwischen vollständig<br />
in der Versenkung verschwunden<br />
ist.<br />
Bundespräsident Thomas Klestil mit<br />
Jörg Haider nach dessen sogenannter<br />
Demokratieerklärung vor der<br />
Regierungsbildung.<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
Vor der Nationalratswahl 2008<br />
hatte die FPÖ unter Heinz-Christian<br />
Strache (Mitte) – hier im TV-Duell<br />
der Spitzenkandidaten – bereits<br />
wieder die Nase vorn. Foto: SPÖ/<br />
Zinner<br />
_ Klaus Faißner ist Wirtschaftsund<br />
Umweltjournalist. In <strong>COMPACT</strong><br />
3/<strong>2016</strong> portraitierte er den<br />
derzeitigen Bundeskanzler Werner<br />
Faymann (SPÖ).<br />
47
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Zwischen Joschka und Jutta<br />
_ von Jürgen Elsässer<br />
Die Frühgeschichte der Grünen birgt reichhaltiges Anschauungsmaterial,<br />
in welchen Fallstricken sich eine oppositionelle Kraft<br />
verheddern kann. Einige kreative Ansätze, die von den Apparatschiks<br />
abgebügelt wurden, verdienen nähere Betrachtung.<br />
verlassen hatte. Das taten viele, darunter auch heute<br />
noch bekannte Köpfe wie Winfried Kretschmann (vorher<br />
KBW), Marieluise Beck (dito) oder Jürgen Trittin<br />
(vorher KB). Aber auch prominente Konservative standen<br />
in der ersten Reihe, etwa der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete<br />
Herbert Gruhl oder der Ökobauer<br />
Baldur Springmann, der später von Jutta Ditfurth als<br />
Faschist verleumdet wurde.<br />
Brandts List, Fischers Gier<br />
48<br />
Joschka Fischer und Jutta Ditfurth<br />
1986 in Frankfurt am Main.<br />
Foto: dpa<br />
«Nicht links,<br />
nicht rechts,<br />
sondern vorn».<br />
Grüner Slogan 1980<br />
Man macht einen großen Fehler, wenn man die<br />
Grünen allein nach ihrem heutigen Profil beurteilt. Sie<br />
waren nicht immer die selbsternannte Avantgarde, die<br />
das Volk durch Verbote züchtigen und durch Masseneinwanderung<br />
austauschen wollte. Vielmehr ging es,<br />
zumindest bis Mitte der 1980er Jahre, bei ihnen fast<br />
genauso wild zu wie heute bei der AfD. Die neue Partei<br />
verstand sich explizit als «basisdemokratisch», befürwortete<br />
Plebiszite auf allen Ebenen und warb mit dem<br />
Slogan «nicht links, nicht rechts, sondern vorn». Das<br />
entsprach auch der Zusammensetzung ihrer Basis: Ihre<br />
Entstehung verdanken die Grünen der Anti-Atomkraft-<br />
Bewegung, die 1975 mit der Bauplatzbesetzung im südbadischen<br />
Whyl entstanden war. Dort, im Kernland der<br />
CDU, dominierten zunächst konservative Bauern und<br />
Winzer den Protest. Kommunistische Gruppen, die mit<br />
Mao «Dem Volke dienen» wollten, kamen erst später<br />
hinzu. Bei den zum Teil gewaltsamen Demonstrationen<br />
am geplanten AKW Brokdorf an der Unterelbe<br />
(1976/77) wurde ihr Einfluss spürbar stärker.<br />
Auf dem Gründungsparteitag 1980 wurde ein<br />
Unvereinbarkeitsbeschluss gegen Mitglieder von kommunistischen<br />
Gruppen beschlossen. Den Grünen beitreten<br />
durfte nur, wer zuvor seine alte Organisation<br />
Weitgehender Konsens bestand bei den frühen Grünen<br />
darin, dass man eine «Anti-Parteien-Partei» sein<br />
wolle – so eine Formulierung von Petra Kelly, Frontfrau<br />
der ersten Stunde. Nicht die Arbeit im Parlament, sondern<br />
die Unterstützung außerparlamentarischer Bewegungen<br />
sei entscheidend. Dieses Selbstverständnis<br />
geriet nach der Bundestagswahl im März 1983 ins<br />
Wanken. Die neue Kraft war von 1,5 Prozent drei Jahre<br />
zuvor auf 5,6 Prozent geklettert. Daraus entwickelte<br />
der SPD-Vorsitzende Willy Brandt eine Taktik, wie man<br />
den gerade ins Bundeskanzleramt eingezogenen Helmut<br />
Kohl wieder loswerden könne: Es gebe nämlich<br />
eine Mehrheit «diesseits der Union». Tatsächlich verfügten<br />
SPD, Grüne und FDP im Hohen Haus über mehr<br />
Mandate als CDU und CSU. Der Pfälzer konnte sich<br />
nur halten, weil er auch von den Liberalen unterstützt<br />
wurde – und solange Rot und Grün nicht zusammenkamen.<br />
Brandts Formulierung provozierte einen Linienkampf<br />
bei den Grünen. Vor allem zwei Lager standen<br />
sich in der Folge gegenüber:<br />
■■<br />
Die Realos: Sie wurden angeführt von Joschka<br />
Fischer, der mit 200 ehemaligen Linksradikalen den<br />
hessischen Landesverband unterwandert hatte. Der<br />
arbeitsscheue Nichtstuer, der «außer strategischem<br />
Bücherklau nichts gelernt hatte» (so sein Biograph<br />
Christian Schmidt), sah in den Grünen vor allem ein<br />
Vehikel für seine Karriere und war deswegen bereit,<br />
für eine Machtbeteiligung alle Prinzipien aufzugeben.<br />
So geschah es auch in der ersten rot-grünen Landesregierung<br />
ab 1985 in Hessen: Politisch setzte die<br />
Fischer-Gang nichts durch, aber alle kamen zu gutdotierten<br />
Jobs. Dass die Äppelwoi-Grünen beim nächsten<br />
Urnengang 1987 ihr Ergebnis sogar noch steigern konnten<br />
(von 5,9 auf 9,4), nutzten die Glücksritter als Argument<br />
für ihre Linie. Tatsächlich dürfte eher die Tschernobyl-Katastrophe<br />
1986 den Anstieg verursacht haben.<br />
■■<br />
Die Fundis: An ihrer Spitze stand mit Jutta Ditfurth<br />
eine abgehalfterte Adlige, die als Tochter eines<br />
berühmten Wissenschaftlers günstige Startbedingungen<br />
hatte. Die von ihr vertretene Fundamentalopposition<br />
bedeutete die prinzipielle Ablehnung jeder Regie-
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Die Grünen an der Macht <strong>2016</strong><br />
Schleswig-Holstein<br />
Hamburg<br />
Bremen<br />
Niedersachsen<br />
Baden-Württemberg<br />
<br />
<br />
Regierung<br />
Koalitionspartner<br />
in Opposition<br />
30,3 %<br />
rungsbeteiligung und war damit nur ein Spiegelbild der<br />
Realo-Option. Mit dem Abebben der außerparlamentarischen<br />
Bewegungen in der zweiten Hälfte der 1980er<br />
Jahre verloren die Radikalinskis rapide an Bedeutung.<br />
Alternative Ansätze<br />
13,2 %<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
11,3 %<br />
Hessen<br />
11,1 %<br />
Rheinland-Pfalz 5,3 %<br />
Saarland 5,0 %<br />
12,3 %<br />
15,1 %<br />
13,7 %<br />
5,7 %<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
8,7 %<br />
5,2 %<br />
8,6 %<br />
6,2 %<br />
17,6 %<br />
5,7 %<br />
Brandenburg<br />
Berlin<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Sachsen<br />
Thüringen<br />
Bayern<br />
Quelle: Wikipedia<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
Zwischen den beiden großen Blöcken wurden<br />
andere Strategien leider schnell zerrieben. Interessant<br />
ist etwa die sogenannte Hamburger Linie, die<br />
von den Ökosozialisten um Thomas Ebermann (zeitweilig<br />
Fraktionschef im Bundestag) und Rainer Trampert<br />
(einige Jahre Co-Bundesvorsitzender) entwickelt<br />
worden war. Sie lehnten zwar die Teilnahme an Koalitionen<br />
ab, nicht aber die Tolerierung einer Minderheitsregierung.<br />
Dies sollte davon abhängig gemacht<br />
werden, dass die SPD die Umsetzung bestimmter Forderungen<br />
zusicherte. Als solche «Knackpunkte» sollten<br />
idealtypisch Ziele fixiert werden, die in großen Teilen<br />
der SPD-Wählerschaft populär waren, aber bei deren<br />
Führung auf taube Ohren stießen. Das Kalkül: Entweder<br />
erzeugt die sozialdemokratische Basis den notwendigen<br />
Druck, damit die Obersozis Richtung Grüne<br />
umsteuern – oder diese Basis, enttäuscht von der<br />
Starrköpfigkeit der Funktionäre, läuft beim nächsten<br />
Urnengang zur Sonnenblumen-Partei über.<br />
bezirzen, wie das Ergebnis der fälligen Neuwahlen<br />
bewies: Die Sozialdemokraten erhielten wieder die<br />
absolute Mehrheit, die GAL ging auf 6,8 Prozent zurück.<br />
Das braucht nicht unbedingt zu bedeuten, dass eine<br />
Tolerierungsstrategie auch in Zukunft aussichtslos sein<br />
muss, etwa wenn sie von der AfD gegenüber der CDU<br />
ausprobiert würde. Vermutlich war das, was die weit<br />
links stehende GAL als «Knackpunkte» formuliert hatte,<br />
für die sozialdemokratische Arbeiterschaft einfach zu<br />
weltfremd gewesen.<br />
Fischer hatte mit 200 ehemaligen<br />
Linksradikalen die hessischen<br />
Grünen unterwandert.<br />
Weit jenseits aller parteipolitischen Spielchen war<br />
der Ansatz von Rudolf Bahro angesiedelt. Der 1979 aus<br />
der DDR abgeschobene Ökokommunist ging zwar in der<br />
Strategiedebatte ein zeitweiliges Bündnis mit Ditfurth<br />
ein. Aber im Unterschied zu den linksradikalen Fundis<br />
plädierte er für die Einbeziehung wertkonservativer,<br />
vulgo rechter, Strömungen in die Partei. Er liebte<br />
das Volk und wollte es im positiven Rückgriff auf die<br />
deutsche Geschichte, etwa die Bauernkriege, in seiner<br />
gesamten Breite mobilisieren. Bahros Ziel war weder<br />
Reform noch Revolution, sondern Reformation – eine<br />
zunächst geistig-spirituelle Bewusstmachung, wie sie<br />
nach seiner Auffassung Thomas Müntzer versucht und<br />
Adolf Hitler pervertiert hatte. Das ging freilich über<br />
den Horizont der Ökopaxe hinaus. Bahro trat 1985 enttäuscht<br />
aus den Grünen aus und wandte sich in der<br />
Folge fragwürdigen Sekten und Lebensreformern zu.<br />
Bahros Abschied<br />
von den Grünen<br />
«Er sympathisiert mit den Grünen,<br />
gehört 1982 bis 1984 dem<br />
Bundesvorstand der Partei an<br />
und verlässt sie auf dem Hagener<br />
Parteitag 1985, weil ihm<br />
ihr politischer Kurs zuwider<br />
ist: “Die Grünen sind fast noch<br />
schlimmer als nutzlos. Sie sind<br />
so durch und durch Teil des Systems<br />
geworden, dass der Kapitalismus<br />
sie erfinden müsste,<br />
wenn es sie nicht schon gäbe“,<br />
sagt er später. Er wird Gastdozent<br />
an der Freien Universität<br />
in Westberlin, kämpft für<br />
Tierschutz und besucht Sektenguru<br />
Bhagwan in Oregon, fördert<br />
Landkommunen und gründet<br />
1990 an der Humboldt-Universität<br />
das Institut für Sozialökologie.<br />
Seine Vorlesungen<br />
erfreuen sich zunächst großen<br />
Zuspruchs, bis zum Schluss besuchen<br />
an die 200 Hörer regelmäßig<br />
die Veranstaltungen im<br />
Auditorium Maximum der Universität<br />
Unter den Linden. Was<br />
sie zu hören bekommen, ist ein<br />
Konzept von Buddhismus, Pazifismus<br />
und Esoterik, das in einem<br />
“spirituellen Kommunismus“<br />
gipfelt.» (Arnold Schölzel,<br />
Utopie kreativ 88/1998)<br />
Der Praxistest für das Tolerierungskonzept kam im<br />
Juni 1982. Die SPD stürzte bei den Landtagswahlen<br />
in Hamburg erstmals auf den zweiten Platz hinter der<br />
CDU ab und brauchte zum Weiterregieren einen Partner.<br />
Die Grünen (damals noch unter dem Kürzel GAL),<br />
die auf 7,7 Prozent gekommen waren, boten Unterstützung<br />
ohne Regierungsbeteiligung an und formulierten<br />
Mindestbedingungen. Die Verhandlungen<br />
darüber dauerten zehn Wochen, dann zog die SPD die<br />
Reißleine. Trotz großem öffentlichen Interesse war es<br />
Ebermann und Co. nicht gelungen, die SPD-Basis zu<br />
Grünen-Frontmann Ebermann hatte gewettet, dass die SPD bei den Hamburger Neuwahlen im Dezember<br />
1982 keine absolute Mehrheit bekäme. Andernfalls werde er ein Bad in der eiskalten Elbe nehmen – was er<br />
dann im Januar 1983 tatsächlich musste. Foto: Henning Scholz, Die Grünen<br />
49
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
«Nur durch eine Volkserhebung<br />
aufzuhalten»<br />
_ von Rudolf Bahro<br />
50<br />
Rudolf Bahro skizzierte für die Grünen einen Weg zum gesellschaftlichen<br />
Neuanfang, der weder den linksradikalen Revoluzzern<br />
noch den liberalen Reformern gefiel. Er sprach von «Reformation» in<br />
der Tradition von Thomas Müntzer, sah explizit das Volk und nicht die<br />
Partei als politisches Subjekt und zog sogar den Aufstieg der NSDAP,<br />
rein strukturell verstanden, als Beispiel heran.<br />
«Ihr seid dabei,<br />
dem Drachen den<br />
Panzer etwas zu<br />
erleichtern, ihm die<br />
Zähne zu putzen,<br />
den schlechten<br />
Atem zu desodorieren.»<br />
Die Menschen im Lande bewegen sich noch immer<br />
zu langsam, aber ziemlich sicher geistig auf den Ausgang<br />
zu. Deshalb ist es ja so wichtig für die Macht,<br />
uns, Die Grünen, die bisher als Anti-Parteien-Partei<br />
ambivalent, halb dabei waren – als Partei, die sich<br />
auf Parlament und Staat bezieht, sind wir [die Grünen]<br />
generell halb dabei, es kommt dann aufs Gefälle an –,<br />
im Gegenzuge schnell an sich heranzuziehen, damit<br />
das Volk politisch ins Leere läuft, wenn’s zum Schwur<br />
kommt. Es [das Volk] soll vorsorglich der embryonalen<br />
politischen Struktur, die es sich in uns gegeben hat,<br />
beraubt, enteignet werden. (…)<br />
Ich werde Euch sagen, was Realpolitik auf dieser<br />
Ebene bedeutet: Ihr seid dabei, dem Drachen den Panzer<br />
etwas zu erleichtern – ein Drittel im Militärhaushalt<br />
[kürzen], das kommt sowieso nicht, aber man kann‘s<br />
ja sagen –, ihm die Zähne zu putzen, den schlechten<br />
Atem zu desodorieren und die Exkremente zu sortieren.<br />
Da seid Ihr dabei! [Beifall]<br />
Ihr Reformisten, das könnt Ihr doch selbst nicht<br />
ernstlich glauben, dass die große Maschine, die uns<br />
immer mehr an die Wand drückt, durch irgendetwas<br />
anderes aufzuhalten ist als durch eine Volkserhebung,<br />
für die unsere Brokdorf- und Startbahn-Demonstration<br />
bloß ein Prolog gewesen sein kann!<br />
Vorbild Bauernkrieg<br />
Das ist nicht Reformistenzeit jetzt. Das ist eine<br />
Reformationszeit, die jetzt angehoben hat. Und es<br />
gibt da einen kleinen Unterschied zur Reformation:<br />
dass nämlich die Reformation etwas einschließt, was<br />
Friedrich Engels die radikalste Tatsache der deutschen<br />
Geschichte genannt hat – den Großen Deutschen<br />
Bauernkrieg. Ich sage das als Analogie. Es gab<br />
nicht nur Luther, an den heranzureichen sich schon lohnen<br />
würde. Es gab damals nämlich auch noch Thomas<br />
Müntzer. Der hat sie unter der Regenbogenfahne – ich<br />
hoffe, wir erkennen das wieder –, voran einen unsichtbaren<br />
Bauern-Christus, in den Kampf geführt, als ihnen<br />
die Herren keine andere Wahl gelassen hatten als den<br />
Aufstand.<br />
Die Bauern sind besiegt worden, ja. Und es steht<br />
geschrieben: Wer zum Schwert greift, wird durch das<br />
Schwert umkommen. Das kann für uns nur heißen:<br />
diesmal anders, besser. Also eine gewaltfreie Volks-
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Der Bauernkrieg auf einem Gemälde von Fritz Neuhaus. Die von<br />
ihm vertretene Düsseldorfer Schule der Malerei war vom Vormärz<br />
geprägt. Foto: The Athenaeum<br />
erhebung. Aber wir müssen Müntzersche sein, wenn<br />
wir da durchkommen wollen – von unserem Geiste<br />
her. Ich denke mir, wir können nicht sein, was Müntzer<br />
genannt hat «dieses sanftlebige Fleisch zu Wittenberg»<br />
– so hat er den Luther später tituliert. Wir können<br />
nicht sein: diese ökoliberale Paulskirchenpartei,<br />
die manche aus uns machen wollen, die von vornherein<br />
so vor dem Idealtypus der repräsentativen Demokratie<br />
scharwenzelt wie die späten Bismarck-Liberalen schon<br />
1848/49 vor der verfassten Monarchie. [Paulskirchenpartei<br />
– die Gemäßigten in der Revolution von 1848/49]<br />
«Die Grünen steigen formell – ich<br />
sage formell! – nach einem ganz<br />
ähnlichen Muster auf wie die Nazipartei.»<br />
Ich will Euch sagen, was diesen damaligen Liberalen<br />
das Wichtigste war: Denen war es halt das Wichtigste,<br />
dass sich das Volk, der «wilde Lümmel», nur<br />
wohldosiert zu Worte melden konnte – Heine hat es<br />
damals gesagt. Jetzt haben die moderaten Leute noch<br />
einen viel schöneren Hammer parat: Das Volk – und<br />
mit ihm als einer autonomen Kraft umgehen zu wollen<br />
–, das ist nämlich «totalitär». Sie haben es nötig,<br />
dem Hitler diesen letzten Sieg zuzuschanzen, dass man<br />
nun endgültig in Deutschland das Volk nicht mehr rufen<br />
dürfe. Das ist eine schöne Politik!<br />
Wir hatten zuerst Bundschuhverschwörungen in<br />
diesen Jahren [vor dem Bauernkrieg 1525] – Treffen<br />
wie die Aufläufe um den Behaim Hans in Niklashausen<br />
20 oder 30 Jahre davor. Die hatten damals allerdings<br />
noch eines mehr als wir, nämlich eine naive Vision<br />
vom Reiche Gottes, das mit dem Reich der Freiheit<br />
verdammt verwandt ist. Wie gesagt, das waren erst<br />
Windstöße. Der Sturm kommt noch! (…)<br />
Der Aufstieg der NSDAP<br />
Zunächst würde ich eine weitere halbe Stunde<br />
über das Verhältnis zwischen Ökopax-Bewegung und<br />
Faschismus sprechen, aber anders, als Ihr es riskiert.<br />
Formell, strukturell gesehen, stehen sich nämlich<br />
Bewegung, Staat und Gesellschaft heute ganz ähnlich<br />
gegenüber wie in der Republik von Weimar, und<br />
Die Grünen steigen formell – ich sage formell! – nach<br />
einem ganz ähnlichen Muster auf wie die Nazipartei.<br />
[Pfiffe, Buh-Rufe, anhaltende Unruhe im Saal, während<br />
Bahro weiterspricht.]<br />
Um diesmal gut herauszukommen, nämlich damit<br />
die Volkserhebung gewaltfrei wird, dürfen Die Grünen<br />
nicht verloren gehen. Lassen sich Die Grünen kooptieren<br />
oder werden sie kooptiert, sind sie nachher, wenn<br />
der Sturm seine größte Stärke, die Welle ihre volle<br />
Höhe erreicht, schon eine Systempartei mehr. Besser<br />
könnt Ihr den Bürgerkrieg und die nachfolgende Diktatur<br />
nicht vorbereiten. [weitere Zurufe] Aber dazu wäre<br />
viel mehr zu sagen, vor allem darüber, dass die Bewegung<br />
für einen friedlichen Übergang noch eine andere<br />
von innen arbeitende Struktur als nur die politische<br />
Partei braucht, die Partei gerade nicht als Avantgarde –<br />
sie wäre der Bock als Gärtner für eine neue Kultur; sie<br />
darf nur politischer Arm sein, der im entscheidenden<br />
Augenblick den politischen Arm der Gegenseite, die<br />
CDU/CSU und so weiter, mit Fingerhakeln beschäftigt,<br />
sodass die Staatsmaschinerie paralysiert ist, [Beifall]<br />
durch die Bewegung natürlich, die nichts aus den<br />
Kasernen lässt, nachdem sie die Soldaten schon bis<br />
hinauf ins Offizierskorps gespalten hat. Ich erinnere<br />
mich: Novotny hat Ende 1967 Armee und Sicherheitskräfte<br />
gerufen – sie kamen nicht, weil sie gespalten<br />
waren. [Antonyn Novotny war der starke Mann der<br />
tschechoslowakischen KP, die sich ab Ende 1967 einer<br />
wachsenden Volksbewegung, dem sogenannten Prager<br />
Frühling, gegenübersah; zu dessen Niederschlagung<br />
brauchte es am Ende sowjetische Truppen, da<br />
die eigene Armee in Teilen mit den Aufständischen<br />
sympathisierte.] (…)<br />
Die Fundamentalisten wurzeln alle – auch die es<br />
leugnen, beweisen’s durch den Widerstand oder gar<br />
durch den Sprung – auch noch in einer anderen Wirklichkeit,<br />
die wir alle in uns haben, die aber unter unserer<br />
eigenen Mitwirkung alltäglich zugeschüttet wird.<br />
Der Wettlauf mit der Apokalypse kann nur gewonnen<br />
werden, wenn dies eine große Glaubenszeit wird,<br />
eine Pfingstzeit mit dem lebendigen Geist, möglichst<br />
gleichermaßen ausgegossen über uns alle! [Zurufe:<br />
«Amen, Amen!»] Erinnert Euch an Thomas Müntzer!<br />
Das war seine Predigt! (…)<br />
«Der grüne Adolf»<br />
«Kein Gedanke verwerflicher als<br />
ein neues, anderes 1933? Gerade<br />
der aber kann uns retten. Die<br />
Ökopax-Bewegung ist die erste<br />
deutsche Volksbewegung seit<br />
der Nazibewegung. Sie muss<br />
Hitler miterlösen.» Die Grünen<br />
waren für Bahro «eine Enttäuschung,<br />
weil sie dieses nationale<br />
(…) völkische Moment nicht<br />
bedient [haben]. Eigentlich ruft<br />
es in der Volkstiefe nach einem<br />
grünen Adolf. Und die Linke hat<br />
davor nur Angst, anstatt zu begreifen,<br />
dass ein grüner Adolf<br />
ein völlig anderer Adolf wäre als<br />
der bekannte.»<br />
(Rudolf Bahro, 1987)<br />
Rudolf Bahro (1935-1997) auf dem<br />
Sonderparteitag der SED im Dezember<br />
1989. Foto: Bundesarchiv, Bild<br />
183-1989-1216-014, CC-BY-SA 3.0,<br />
Wikimedia Commons<br />
Der Kupferstich von Christoph van<br />
Sichem ist die älteste, allerdings<br />
nicht verbürgte Darstellung Thomas<br />
Müntzers aus dem Jahr 1608. Foto:<br />
Wikimedia / Public Domain<br />
_ Rudolf Bahro, damals Beisitzer<br />
im Bundesvorstand der Grünen,<br />
hielt diese Rede auf dem<br />
Bundesparteitag im Dezember<br />
1984 in Hamburg. Die hier abgedruckte<br />
Fassung entspricht dem<br />
gesprochenen Wort beziehungsweise<br />
Bahros Manuskript und<br />
wurde behutsam von Sprechfehlern<br />
bereinigt. Bemerkungen<br />
in eckigen Klammern und<br />
Zwischenüberschriften sind von<br />
der Redaktion eingefügt.<br />
51
Anzeige<br />
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Wer bringt<br />
den bissigsten<br />
Wochenrückblick<br />
Deutschlands?<br />
Jetzt testen!<br />
Bestellen Sie jetzt 4 Wochen kostenlos zur Probe unter 040-41400842<br />
oder vertrieb@preussische-allgemeine.de. Der Bezug endet automatisch.<br />
64<br />
Preußische Allgemeine Zeitung.<br />
Die Wochenzeitung für Deutschland.
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Gestorben auf Golgatha<br />
_ von Harald Harzheim<br />
Der Film «Superman vs. Batman» setzt einen Schlusspunkt unter die Saga der Weltenretter,<br />
die in den letzten Jahrzehnten die Massenkultur dominiert haben. Immerhin hat<br />
ihnen Hollywood ein Begräbnis erster Klasse spendiert.<br />
Duell der Giganten: Für den 151<br />
Minuten langen Abgesang traten<br />
Henry Cavill (Superman) und Ben<br />
Affleck (Batman) gegeneinander<br />
an. Foto: Clay Enos, Warner Bros.<br />
Entertainment Inc.<br />
Zwei Figuren haben im Horror- oder Sci-fi-Genre<br />
Erfolg? Dann lässt man sie garantiert gegeneinander<br />
antreten. Dieses Erfolgsrezept kannte schon der deutsche<br />
Stummfilm: Der Golem (1915) zog die Massen<br />
ins Kino? Und Alraune (1918) ließ die Kassen klingeln?<br />
Also drehte man Alraune und der Golem (1919). Auch<br />
in Hollywood setzte sich diese Strategie schnell durch:<br />
Frankenstein (1931) und The Wolfman (1941) füllten<br />
Kinosäle? Wie sehr musste erst Frankenstein meets<br />
the Wolfman (1943) das Publikum anlocken! Wobei<br />
«meets» (deutsch: trifft) natürlich gegenseitiges Zerfetzen<br />
meinte.<br />
Auch in den letzten Jahren stürmte das Crossover-<br />
Konzept cineastische Hitparaden. Nach Etablierung<br />
der kultigen Serienkiller Freddy Krueger (Nightmare<br />
on Elm Street) und Jason Voorhees (Friday the 13th)<br />
ließ man sie in Freddy vs. Jason (2003) aufeinander<br />
los. Ebenso die beiden Mega-Monster Alien vs. Predator<br />
(2004). In solchen Filmen mussten die Guten<br />
nicht das Böse besiegen. Es reichte, wenn Hollywood<br />
einen Showdown arrangierte. Dann konnte man sich<br />
zurücklehnen und zusehen, wie die Bösen sich gegenseitig<br />
zermetzgerten. Wie aber passt das zu Batman<br />
vs. Superman: Dawn of Justice (Batman gegen Superman:<br />
Anbruch der Gerechtigkeit), der jüngst ins Kino<br />
kam? Da handelt es sich doch um zwei gute Charaktere.<br />
Warum sollten die sich bekriegen? Hat einer von denen<br />
die Seite gewechselt? Nein, besser: Der Unterschied<br />
zwischen Gut und Böse fällt einfach weg…<br />
Die Welt aus den Fugen<br />
Bereits Comic-Zeichner Frank Miller hatte die Figur<br />
Batman kräftig verdunkelt, ihr Brüche und Abgründe<br />
zugestanden. Eine Deutung, die Regisseur Christopher<br />
Nolan für seine Dark-Knight-Trilogie übernahm.<br />
Als ausführender Produzent von Batman vs. Superman<br />
treibt er den Fledermausmann diesmal noch tiefer<br />
in die Finsternis. Unheilbar von der Ermordung seiner<br />
Eltern traumatisiert, ist er jetzt beinahe zum Dämon<br />
mutiert: unrasiert, im schuppigen Eisenpanzer und mit<br />
glühenden Augen. Regisseur Zack Snyder, der mit 300<br />
(2006) bereits einen Comic Millers verfilmte, verwandelt<br />
auch Superman in einen tragischen Helden: Wie<br />
einst Leonidas steht er zaudernd vor den heimatlichen<br />
Kornfeldern und entschließt sich schließlich zur Aufopferung<br />
– als letzte Chance für eine Welt, die völlig<br />
aus den Fugen geraten ist, die ihn nicht mehr versteht,<br />
ihn nicht länger anerkennt.<br />
Traumata<br />
determinieren die<br />
Handlungen der<br />
Charaktere.<br />
20<strong>05</strong> wurde Henry Cavill für «Batman<br />
Begins» gecastet – aber letztlich<br />
nicht genommen. Foto: Warner<br />
Bros. Pictures<br />
53
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Kal-El schlägt Hitler<br />
54<br />
«Dass die Welt vor den Nazis<br />
gerettet wurde, verdankt sie<br />
nicht zuletzt US-Superhelden:<br />
Superman, Batman und ihre Kollegen<br />
fochten im Zweiten Weltkrieg<br />
für Amerika und seine<br />
Alliierten. Die Comicfiguren<br />
waren für diesen Kampf hochmotiviert.<br />
Schließlich waren sie<br />
häufig Schöpfungen jüdischer<br />
Zeichner. Vor allem Superman,<br />
den Jerry Siegel und Joe Shuster,<br />
zwei jüdische Teenager aus<br />
Cleveland/Ohio erfunden hatten,<br />
gilt als die ”ultimative jüdische<br />
Assimilierungsphantasie”,<br />
wie der Karikaturist Jules<br />
Feiffer es formuliert. Der fliegende<br />
Kraftbolzen vom Planeten<br />
Krypton, dessen ursprünglicher<br />
Name Kal-El lautet –<br />
hebräisch für ”Alles, das Gott<br />
ist” – wurde, wie einst Moses,<br />
in einem winzigen Gefährt vor<br />
dem Bösen gerettet. Seitdem<br />
lebt er unauffällig als Lokaljournalist<br />
Clark Kent unter den Menschen,<br />
die ihn für einen bebrillten<br />
Schwächling halten. Doch<br />
immer, wenn der Erde Gefahr<br />
droht, verwandelt sich der Nudnik<br />
in den Helden Superman<br />
und rettet die Welt.» (Eva C.<br />
Schweitzer in der Jüdischen Allgemeinen,<br />
7.12.2006)<br />
Gegen den Mann aus Stahl sah<br />
Adolf alt aus. Foto: Unbekannt<br />
Bild oben rechts: Ein bisschen untot<br />
wirken die Superman-Groupies<br />
schon. Foto: Clay Enos, Warner<br />
Bros. Entertainment Inc.<br />
_ Unser Filmklassiker Harald Harzheim<br />
schrieb in <strong>COMPACT</strong> 4/<strong>2016</strong><br />
über den Merkel-Versteher George<br />
Clooney.<br />
Es beginnt mit Supermans (Henry Cavill) Freundin,<br />
der Reporterin Lois Lane (Amy Adams). Die hat<br />
sich zu einem afrikanischen Dorf durchgekämpft, in<br />
dem eine Rebellengang kampiert. Auf Lanes Frage,<br />
wer den Terror finanziere, antwortet der Anführer mit<br />
einer Gegenfrage: «Wer finanziert die Drohnen?» Was<br />
unterscheidet die US-Regierung vom Chef einer Terrorbande?<br />
Der Anführer nimmt Lois als Geisel. Superman<br />
befreit sie, zerstört bei der Rettung aber Teile<br />
des Dorfes. In den USA wird das zum Skandal, er<br />
muss sich im Pentagon verantworten. Die Medien<br />
fordern, dass er künftig nur noch mit demokratischer<br />
Legitimation handeln dürfe. Kulturkritiker rätseln, ob<br />
die Gesellschaft nicht zu viel Heilserwartung in den<br />
Helden projiziert habe. Nicht einmal James Bond in<br />
Spectre (2015) wurde derart dekonstruiert. Superman<br />
wehrt sich nicht gegen die Vorwürfe. Schwermut<br />
befällt ihn. Aber es kommt noch härter: Seine<br />
Heimatstadt Metropolis wird von Außerirdischen terrorisiert.<br />
Ein Flugobjekt rast wie ein Sägeblatt zwischen<br />
die Wolkenkratzer, mäht sie reihenweise um.<br />
Batman alias Bruce Wayne (Ben Affleck) wirft Superman<br />
unterlassene Hilfeleistung vor. Mehr noch als die<br />
Medien befürchtet Wayne, der Unverwundbare könne<br />
sich eines Tages über die Menschheit erheben, zum<br />
Diktator mutieren. Umgekehrt wirft der ihm vor, die<br />
Verbrechen in seiner Heimatstadt Gotham City mit<br />
unlauteren Methoden zu bekämpfen. Beide Helden<br />
sprechen sich gegenseitig die Legitimation ab.<br />
Der Kampf der Titanen<br />
Batman vs. Superman zeigt eine unheilvolle Interessenüberschneidung<br />
von Medien und Politik, um Aufklärung<br />
bestmöglich zu verhindern. Perry White (Laurence<br />
Fishburne), Chefredakteur von Daily Planet, glaubt zu<br />
wissen, dass seine Leser kein Interesse an ernsthaften<br />
Themen hätten. Wehe, seine Reporter kommen mit<br />
politischen Enthüllungen. Lieber Klatsch und Football…<br />
Ein Politiker, den Lois Lane nach Waffengeschäften mit<br />
afrikanischen Rebellen befragt, wehrt sich mit brandaktuellen<br />
Totschlag-Vokabeln: Ob sie einen Aluhut aufhabe,<br />
schreit er. Sie solle ihn nicht mit «Verschwörungstheorien»<br />
belästigen. Bei solcher Zerrissenheit<br />
einer Gesellschaft haben Erzschurken wie Lex Luthor<br />
(Jesse Eisenberg) leichtes Spiel. Und er nutzt seine<br />
Chance: In frühen Comics ein glatzköpfiger Midlife-<br />
Gangster, ist er bei Snyder ein postpubertärer Psychopath,<br />
optisch und psychisch dem Joker aus The Dark<br />
Knight (2008) verwandt. Beide interessieren sich nicht<br />
nur für Geld oder Macht, sondern sind auf die Verbreitung<br />
von Chaos und Zerstörung fixiert. Luthor nimmt<br />
Supermans Adoptivmutter (Diane Lane) als Geisel. Er<br />
droht, sie lebendig abzufackeln, es sei denn: Superman<br />
tötet Batman!<br />
«Weltentzug und Weltzerfall sind nie<br />
mehr rückgängig zu machen.» <br />
<br />
Martin Heidegger<br />
So kommt es zum Kampf der Titanen: Sie prügeln<br />
sich gegenseitig das Mark aus den Knochen. Durch<br />
eine List gewinnt der Fledermausmann die Oberhand.<br />
Als er zum tödlichen Stoß ausholt, flüstert Superman<br />
den Vornamen seiner Adoptivmutter, Martha. Batman<br />
erstarrt. Sein Kindheitstrauma, die Ermordung seiner<br />
Eltern, ergreift Besitz von ihm. Denn auch der Vorname<br />
seiner getöteten Mutter lautete – Martha! Plötzlich<br />
stehen sich nicht mehr zwei Helden, sondern zwei verlassene<br />
Waisenkinder gegenüber. Eine typische Snyder-Pointe:<br />
Dessen Protagonisten haben stets enorme<br />
Kräfte, aber keine seelische Souveränität. Ihr Han-
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
deln ist von frühen Angsterfahrungen geprägt: Leonidas<br />
(300) aufgrund des Kampfes mit dem Riesenwolf,<br />
Babydoll (Sucker Punch, 2011) aufgrund des Verlustes<br />
der Mutter und des Missbrauchs der Schwester. In<br />
Snyders erstem Superman-Film (Man of Steel, 2013)<br />
erlebt der kindliche Protagonist zuerst den Tod der leiblichen<br />
Eltern – und kurz darauf den des Adoptivvaters.<br />
Traumata determinieren die Handlungen dieser Charaktere.<br />
Sie sind das Schicksal, dem sich selbst Götter<br />
und Helden beugen müssen.<br />
Die Helden sind müde<br />
Comiczeichner Miller hatte sein Interesse an Megahelden<br />
so begründet: «Die Griechen hatten Götter, wir<br />
haben Supermänner.» Da ist die Sehnsucht nach einer<br />
übermächtigen Kraft, die helfend ins Weltgeschehen<br />
eingreift. Aber auch deren Zeit scheint abgelaufen.<br />
Superman und Batman prügeln sich in einer Säulenhalle,<br />
die dabei restlos zu Bruch geht. Überall liegen<br />
zerstörte Säulen, kleine Giebel, wie in einer griechischen<br />
Tempelruine – das Ende der Götter und Helden<br />
andeutend. Unrestaurierbar ist deren Zeit vorbei.<br />
Was Martin Heidegger über Kultstätten der Antike<br />
sagte, gilt auch hier: «Weltentzug und Weltzerfall<br />
sind nie mehr rückgängig zu machen.» Eigentlich ist<br />
nach Batman vs. Superman kein weiterer Superhelden-Film<br />
mehr möglich. Es sei denn, er ignoriert das<br />
hier erreichte Reflexionsniveau und kehrt zur ehemaligen<br />
Eindimensionalität zurück.<br />
Aber Regisseur Snyder geht noch über Millers<br />
Bezug auf die altgriechischen Götter hinaus und stilisiert<br />
Superman zum Nachfolger Christi! Anders als<br />
früher begleitet die Kamera nicht in endlosen Parallelfahrten<br />
seine Flüge. Dafür zeigt sie ihn in der Luft<br />
schwebend – wie eine biblische Erscheinung. Im Finale<br />
ist die Gleichsetzung überdeutlich. Nach der letztlich<br />
missglückten Entführung von Supermans Mutter – sie<br />
wird befreit – greift Lex Luthor zum Äußersten. Er kreiert<br />
das Monster Doomsday aus Kryptonit. Letzteres<br />
stammt von einem Meteoriten und ist für Superman<br />
absolut tödlich. Dennoch stellt sich dieser der Gefahr.<br />
Er muss es – spürt er doch intuitiv, dass dieses Monster<br />
einen Teil seiner selbst repräsentiert. Ein Kampf gegen<br />
die eigene dunkle Seite erwartet ihn. Ein Gemetzel, in<br />
dem Spezialeffekte und eine wendige 3-D-Kamera mit<br />
dem Zuschauer Achterbahn fahren – ein Festival der<br />
Destruktion. Superman siegt am Ende, erleidet aber<br />
selbst tödliche Verletzungen. Seine Leiche liegt auf<br />
dem Schoß der Freundin Lois, die um ihn weint. Auf<br />
dem felsigen Hintergrund ragen Kruzifixe hoch… Golgatha.<br />
Eine Pietà. Der Superheld als Christus, als verstorbener<br />
Welterlöser.<br />
Die klassischen Comic-Superhelden – Batman, Superman,<br />
Captain America und andere – wurden alle<br />
in den 1930er/1940er Jahren erfunden. In einer Zeit<br />
also, als das amerikanische Volk unter einer nicht enden<br />
wollenden Wirtschaftskrise ächzte und in Europa<br />
die «Gottesfinsternis» (Martin Buber) hereinbrach. Die<br />
Massen kompensierten ihre Hilflosigkeit mit der Phantasie<br />
eines unverwundbaren Erlösers, der – mit einem<br />
Übermaß an Kraft ausgestattet – die Welt wieder ins<br />
Lot bringt. Sie waren die letzten «Schutzengel unserer<br />
Zeit» (Adolf Heinzlmeier). Aber deren Uhr ist ebenso<br />
abgelaufen wie der linke Glaube an «revolutionäre<br />
Massen». «Worauf noch setzen?», fragt sich Batman<br />
während Supermans Beerdigung. Ihm kommt die<br />
Idee, dass es auf der Welt viele übernatürlich begabte<br />
Menschen gibt. Mit ihnen will er ein Netzwerk errichten:<br />
Ein Team soll den Toten ersetzen. Aber Wonder<br />
Woman lehnt müde ab. Sie hat schon im Ersten<br />
Weltkrieg gekämpft. Hat schon vor hundert Jahren<br />
das Schlimmste verhindern wollen. Vergeblich. Weiterkämpfen?<br />
Nein danke.<br />
Der Superheld<br />
erscheint als<br />
Christus, als verstorbener<br />
Welterlöser.<br />
Schock für die Damenwelt: 2012<br />
behauptete Zeichner und Mitautor<br />
Grant Morrison, seine Schöpfung<br />
sei schwul. Foto: Clay Enos, Warner<br />
Bros. Entertainment Inc.<br />
Anzeige<br />
Auf den Spuren des Alten Fritz<br />
in Schlesien<br />
Der Spätsommer wird spannend! Schließen<br />
Sie sich vom 28.09. bis 02.10. <strong>2016</strong> unserer<br />
kulturhistorischen Studienreise durch Schlesien<br />
an: Vom Riesengebirge über das Glatzer Land<br />
bis nach Breslau folgen Sie den Spuren des<br />
Preußenkönigs und entdecken neben prächtigen<br />
Adelsschlössern auch beeindruckende Festungen<br />
und bedeutende sakrale Bauwerke.<br />
Reisepreis: ab € 895,–<br />
<strong>COMPACT</strong>-Abonnenten erhalten 10% Rabatt!<br />
Info & Anmeldung<br />
reise@compact-magazin.com<br />
reise.compact-magazin.com<br />
Tel. 03327-5698611<br />
Kultur und Geschichte hautnah erleben!<br />
Jetzt<br />
Anmelden!
Zurück zum echten deutschen Bier!<br />
_ von Peter Wiegrefe<br />
Im April feierte die Brauereiindustrie mit viel Gedöns den<br />
500. Geburts tag des Reinheitsgebots. Doch das war nur ein Marketing-<br />
Trick: Die internationalen Konzerne haben die gute alte Vorschrift<br />
schon längst unterlaufen. Ursprüngliche Qualität findet sich nur bei<br />
kleineren Herstellern, von denen es gottlob immer mehr gibt.<br />
Gerste, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht<br />
werden sollen». Der 23. April 1516, als dies feierlich<br />
verkündet wird, gilt als Geburtsstunde des «deutschen<br />
Reinheitsgebots».<br />
Kleine Schummeleien<br />
56<br />
Nur die Tschechen trinken mehr:<br />
Rund 109 Liter Bier lässt sich jeder<br />
Deutsche pro Jahr im Durchschnitt<br />
schmecken. Foto: picture alliance /<br />
Foodcollectio<br />
Warum gibt es<br />
Weizenbier, obwohl<br />
das Reinheitsgebot<br />
die Verwendung<br />
von Weizen<br />
untersagte?<br />
Ingolstadt im Frühjahr 1516: Das nach Erbfolgekriegen<br />
wiedervereinigte Herzogtum Bayern wird von Nahrungsmittelengpässen<br />
geplagt. Besonders Getreide ist<br />
knapp, die Versorgung der Bevölkerung gefährdet. Zu<br />
allem Überfluss gibt es noch Streit zwischen Bäckern<br />
und Brauern: Letztere verwenden bevorzugt den fürs<br />
Brot wie fürs Bier gleichsam nutzbaren Weizen und<br />
verschärfen die Mehlknappheit dadurch weiter. Doch<br />
noch ein weiteres Problem treibt den bayerischen Herzog<br />
Wilhelm IV. um. Da die Inhaltsstoffe für Bier nicht<br />
klar definiert sind und Hopfen teuer ist, mischen viele<br />
Brauer auch Stechäpfel, Bilsenkraut oder Tollkirschen<br />
in ihren Sud. Das hat fatale Auswirkungen. Im ganzen<br />
Land grassieren Klagen, schwere Vergiftungen bis hin<br />
zu Todesfällen häufen sich.<br />
Um den Weizen ebenso wie gefährliche Zusatzstoffe<br />
aus der Bierproduktion zu verbannen, diktiert<br />
der Herzog eigens einen gesonderten Brauerei-Passus<br />
in die neue Landesordnung. Dort ist festgelegt, «dass<br />
forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und<br />
auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein<br />
Für die Brauerverbände ist dieses Datum ein Festtag,<br />
den sie als «Tag des Deutschen Bieres» seit 1995<br />
zelebrieren. <strong>2016</strong>, am 500. Jubiläum, war der vorläufige<br />
Höhepunkt: Mit großem Brimborium ließen Brauereien<br />
und Lobbyverbände das Reinheitsgebot hochleben,<br />
priesen es als «ältestes Lebensmittelgesetz<br />
der Welt», das bis heute die herausragende Qualität<br />
deutschen Gerstensaftes garantiere. Das klang in der<br />
Tat nach einem Anlass, kräftig auf das Geburtstagskind<br />
anzustoßen – und was die Stimmung hebt, ist ja<br />
im seltensten Fall verkehrt. Bei näherem Hinsehen entlarvte<br />
sich das Tamtam jedoch als pure Marketingblase<br />
einer Branche, die in weiten Teilen den Profitinteressen<br />
von Konzernen gehorcht.<br />
Wie herbeigeredet die Partystimmung ist, zeigt<br />
sich schon bei den historischen Unstimmigkeiten ihrer<br />
Begründung. Dass das Gebot von 1516 nur wenige<br />
Jahre Bestand hatte und in Bayern bereits 1551 wieder<br />
Koriander und Lorbeer, später auch Kümmel und<br />
Wacholder als Inhaltsstoffe zugelassen wurden, erwähnten<br />
die feierwütigen Industriellen natürlich nicht.
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Auch dass der Begriff «Reinheitsgebot» erst Anfang<br />
des 20. Jahrhunderts geprägt wurde und der Deutsche<br />
Brauer- Bund ein «deutsches Reinheitsgebot» erst in<br />
den 1960er Jahren als Werbewaffe entdeckte, scheint<br />
heute vergessen.<br />
Nun gut, in einer zunehmend von Werbung und internationaler<br />
Liberalisierung dominierten Zeit musste<br />
eben auch diese Branche sehen, wo sie bleibt, und<br />
entsprechende Alleinstellungsmerkmale kreieren. Außerdem<br />
glauben wir Deutschen gern an Mythen und<br />
Legenden, da lassen wir uns von ein paar historischen<br />
Schönheitsfehlern nicht aus der Spur bringen.<br />
Schwamm drüber! Dass heute auch auf den Etiketten<br />
der Weizenbiere mit dem «Reinheitsgebot von 1516»<br />
geworben wird, wäre trotzdem ein Fall für den Verbraucherschutz,<br />
hatte doch die damalige Verordnung<br />
ausdrücklich zum Ziel, dass der Weizen den Bäckern –<br />
und den mit teuren Lizenzen von Herzogs Gnaden ausgestatteten<br />
«weißen Brauhäusern» – vorbehalten blieb.<br />
Verwässerter Geschmack<br />
Schwerer jedoch wiegt der Umstand, dass die hochgelobte<br />
Vorschrift in den vergangenen Jahrzehnten<br />
dermaßen unterhöhlt und aufgeweicht wurde, dass<br />
ihre Lobpreisung beinahe zynisch wirkt. Was heute in<br />
deutsches Bier hinein darf und was nicht, das bestimmt<br />
nicht die Verordnung von Herzog Wilhelm IV., sondern<br />
Paragraph 9 des Vorläufigen Biergesetzes von<br />
1993, der 20<strong>05</strong> in das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände-<br />
und Futtermittelgesetzbuch überführt wurde.<br />
Dort bestimmt zum Beispiel Absatz 2, dass für obergärige<br />
Biere wie Weizen oder Kölsch neben Gerstenmalz<br />
«auch die Verwendung von anderem Malz und die<br />
Verwendung von technisch reinem Rohr-, Rüben- oder<br />
Invertzucker (…) zulässig» ist. Um aus einem hellen<br />
ein dunkles Bier zu zaubern, dürfen sogar Farbmittel<br />
wie Zuckercouleur verwendet werden.<br />
Absatz 5 wiederum gestattet die Zubereitung von<br />
Bier mittels «Hopfenpulver oder (…) Hopfenauszüge[n]»<br />
anstelle echten Hopfens. Der chemisch gewonnene<br />
Hopfenextrakt, der seit 1968 zur Bierherstellung<br />
verwendet wird, ist länger haltbar und günstiger zu<br />
lagern und verursacht damit weniger Kosten. Er beschleunigt<br />
außerdem den Reifeprozess des Bieres und<br />
schafft so die Voraussetzungen für höhere Ausstöße.<br />
Die Gleichung ist einfach: Minderwertige Rohstoffe,<br />
weniger Kosten – mehr Profit. Der Nachteil: Aufgrund<br />
des geringeren Bitterstoffgehalts und weniger Stammwürze<br />
wird auch der Geschmack verwässert. Natürlich<br />
ist im Nachhinein kaum feststellbar, woher der für den<br />
Extrakt verwendete Rohhopfen tatsächlich stammt. So<br />
schwimmt in den Sudkesseln deutscher Großbrauereien,<br />
die heute mehrheitlich internationalen Konzernen<br />
gehören, auch Konzentrat aus China, Kanada oder<br />
den USA.<br />
Die Großkonzerne präsentieren ein<br />
totfiltriertes und turbogereiftes<br />
Einheitsbier.<br />
Kostenoptimierte Brauprozesse kommen nicht ohne<br />
chemische Hilfsmittel aus. Deshalb erlaubt Paragraph 9<br />
Absatz 6 des Vorläufigen Biergesetzes die Beimischung<br />
von mehr als 60 teils fragwürdigen Inhaltsstoffen, sofern<br />
diese – «bis auf gesundheitlich, geruchlich und<br />
geschmacklich unbedenkliche, technisch unvermeidbare<br />
Anteile» – wieder ausgeschieden werden. Zu diesen<br />
erlaubten Zusätzen gehören Leckereien wie das<br />
Bindemittel Polyvinylpolypyrrolidon (PVPP), Asbest<br />
oder Formaldehyd. Auf die Fragen, wie unvermeidbar<br />
«technisch unvermeidbar» tatsächlich ist und auf welche<br />
Weise die «gesundheitliche, geruchliche und ge-<br />
Darauf ein Pils!<br />
Bierabsatz in Deutschland 2009<br />
nach Sorten im Lebensmitteleinzeilhandel<br />
und in Abholmärkten<br />
(Marktanteil in Prozent).<br />
Pils<br />
Export<br />
Weizen<br />
Hell<br />
Alkoholfrei<br />
Schwarzbier<br />
Koelsch<br />
Alt<br />
Malzbier<br />
55,2<br />
9,8<br />
8,3<br />
4,7<br />
2,9<br />
1,7<br />
1,6<br />
1,4<br />
1,3<br />
0 30 60<br />
Quelle: AC Nielsen EU Chart<br />
Der Lokalbesuch war schon zu Kaisers<br />
Zeiten oft Höhepunkt des<br />
Sonntagsausflugs. Foto: picture-alliance/akg-images<br />
Anzeige<br />
57
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Wer gehört wem?<br />
Anheuser-Busch InBev<br />
(größte Brauereigruppe der<br />
Welt)<br />
Beck’s, Diebels, Dinkelacker,<br />
Franziskaner, Haake-Beck, Hasseröder,<br />
Löwenbräu, Spatenbräu,<br />
Unionsbräu<br />
Dr.-Oetker-Gruppe / Radeberger-Gruppe<br />
(größte Brauereigruppe in<br />
Deutschland)<br />
Allgäuer Brauhaus, Berliner Pilsner,<br />
Tucher Bräu, Berliner Kindl,<br />
Berliner Bürgerbräu, Potsdamer<br />
Rex Pils, Binding, Braufactum,<br />
Brinkhoff’s, Clausthaler, Dortmunder<br />
Union, DAB, Erbacher<br />
Premium Pils, Freiberger, Gilden<br />
Kölsch, Hansa Pils und Hansa<br />
Kölsch, Henninger, Hövels Original,<br />
Jever, Kronen, Kurfürsten<br />
Kölsch, Küppers Kölsch, Kronsberg<br />
Pils, Mahn und Ohlerich,<br />
Peters Kölsch, Radeberger, Rostocker,<br />
Schöfferhofer, Schlösser<br />
Alt, Schultheiss, Sester Kölsch,<br />
Sion Kölsch, Sternburg, Stuttgarter<br />
Hofbräu, Ur-Krostitzer,<br />
Wicküler Pils<br />
Heineken<br />
(Niederlande)<br />
Hacker-Pschorr, Kulmbacher,<br />
Paulaner<br />
Carlsberg<br />
(Dänemark)<br />
Astra, Duckstein, Gatzweilers<br />
Alt, Hannen Alt, Holsten Pilsener,<br />
Landskron, Lüneburger Pilsener,<br />
Lübzer<br />
Bitburger Holding<br />
Bitburger Braugruppe, König-<br />
Brauerei, Köstritzer Schwarzbierbrauerei,<br />
Licher, Wernesgrüner<br />
schmackliche» Unbedenklichkeit getestet wird, gibt<br />
das Gesetz keine Antwort. Warum die verwendeten<br />
Chemikalien nicht auf den Etiketten der Endprodukte<br />
vermerkt sein müssen, ist dagegen einfach erklärt:<br />
Rechtlich gelten technische Hilfsstoffe nicht als Lebensmittel<br />
und unterliegen deshalb keiner Kennzeichnungspflicht.<br />
Für den Verbraucher ist somit nicht nachvollziehbar,<br />
wie Bier auf diese Weise «veredelt» wurde,<br />
bevor es in die Flaschen kam. Dafür erhält er im Gegenzug<br />
oft ein totfiltriertes, turbogereiftes und gleichförmiges<br />
Einheitsprodukt, das nicht nur schlank in der<br />
Kostenstruktur ist, sondern vor allem auch schlank im<br />
Geschmack.<br />
Die Mikrobrauereien kommen!<br />
Doch noch sind Hopfen und Malz nicht verloren.<br />
Denn es gibt sie noch, die Hüter des guten Geschmacks:<br />
Brauer mit Leib und Seele, die sich mit ihren Bieren und<br />
ihrer Heimatregion identifizieren und für die Qualität<br />
und Nachhaltigkeit mehr zählen als Geld und Hektoliter.<br />
Einer von ihnen ist Michael Weiß aus dem Allgäu, Chef<br />
des Meckatzer Löwenbräu in vierter Generation. Sein<br />
Credo: Klasse statt Masse! Zu diesem Zweck setzt<br />
Meckatzer ganz auf regionale Rohstoffe aus kontrolliert-integriertem<br />
Anbau und auf entschleunigte Brauverfahren.<br />
Langsame Filtration und behutsame Reifung<br />
sind Selbstverständlichkeiten. «Slow Brewing»<br />
heißt die Zauberformel – dem Bier Zeit zur Entfaltung<br />
lassen. Gemeinsam mit Brüdern im Geiste engagiert<br />
sich Michael Weiß seit Jahrzehnten mit dem Ziel, das<br />
Bewusstsein der Verbraucher für hohe Standards und<br />
authentische Marken zu stärken. «Zusammen können<br />
wir viel mehr für eine neue Bierkultur tun, als wenn<br />
jeder für sich alleine vor sich hin arbeitet», erklärt er.<br />
Mit ihrer klaren Philosophie – «Erfolg durch Qualität<br />
in allem Tun» – stehen die Meckatzer nicht allein.<br />
In ganz Deutschland besinnen sich kleine und mittelständische<br />
Brauereien auf ihre Stärken und wenden<br />
sich ab vom stetigen «höher, schneller, weiter» um<br />
jeden Preis. Handwerk und Regionalität sind wieder<br />
im Trend. Immer mehr unabhängige Betriebe schließen<br />
sich zu Dachorganisationen wie den Freien Brauern<br />
zusammen, um den Großen gemeinsam die Stirn<br />
zu bieten. Die Zahl der deutschen Brauereien wächst,<br />
von 1.281 im Jahr 20<strong>05</strong> auf heute 1.388. «Mittlerweile<br />
sind rund 50 Prozent der angemeldeten Betriebe sogenannte<br />
Mikrobrauereien mit einem Jahresausstoß bis<br />
1.000 Hektoliter», heißt es beim Deutschen Brauer-<br />
Bund. Eine kulinarische Graswurzelrevolution.<br />
Unabhängige Brauereien haben<br />
eine Graswurzelrevolution<br />
begonnen.<br />
Die Zukunft deutscher Bierkultur scheint also trotz<br />
allem gesichert. Fragt sich nur, ob diese Zukunft noch<br />
den Popanz eines abgelebten Reinheitsgebots braucht,<br />
oder ob nicht ein neues «Qualitätsgebot» sehr viel zielführender<br />
wäre.<br />
Die hat Muckis: Zwölf Maßkrüge schleppte Kellnerin Sandra auf<br />
dem Oktoberfest 2006 durch ihr Bierzelt. Mit rund sechs Millionen<br />
Besuchern ist die Wiesn das größte Volksfest Deutschlands und<br />
hat inzwischen weltweit Nachahmer gefunden. Foto: picture-alliance<br />
/ Sueddeutsche<br />
Bier vom Fließband – hier bei der<br />
Brauerei Stauder. Foto: picture alliance/dpa<br />
58<br />
_ Peter Wiegrefe schrieb in den<br />
letzten beiden <strong>COMPACT</strong>-Ausgaben<br />
über seine Reise nach Nordkorea.
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Die Hexen sind los!<br />
_ von Pia Lobmeyer<br />
Die Walpurgisnacht: Christliches Erbe oder heidnisches Fest? Gaben sich wilde Frauen<br />
dem Teufel hin? Die offizielle Forschung dämonisiert unser kulturelles Erbe aus der<br />
germanischen Zeit.<br />
Dass Hexen auf Besen reiten sollen,<br />
übernahm man von den antiken<br />
Dämonenfiguren der Strigae.<br />
Foto: Unbekannt<br />
Der Frühling ist in Mitteleuropa die schönste Jahreszeit.<br />
Man kann sich lebhaft vorstellen, wie unsere<br />
Vorfahren das Aufblühen und die milderen Temperaturen<br />
herbeisehnten, als man noch mit Feuer heizen<br />
musste und der Winter eine echte Lebensgefahr darstellte.<br />
Aus dem Mittelalter sind unzählige Minnelieder<br />
überliefert, in denen die «Maienzit» besungen wird.<br />
Eine Zeit der Sehnsucht, in der alles sprießt und grünt<br />
und die Liebe erwacht – kein deutscher Dichter, der<br />
dem Frühling nicht mindestens ein Gedicht gewidmet<br />
hätte! Wie aber passt zu dieser freudigen Zeit der Wiedergeburt<br />
der Natur die unheimliche Walpurgisfeier,<br />
die in ganz Deutschland jedes Jahr in der Nacht zum<br />
1. Mai begangen wird? In Großstädten wie Berlin geht<br />
sie sogar mit Gewaltexzessen einher. Warum reiten<br />
in diesen Nachtstunden die Hexen, und wer oder was<br />
ist Walpurgis?<br />
Wer sich in der Lügenpresse über die Hintergründe<br />
und den Ursprung dieses Brauchs informieren will,<br />
wird – wie sollte es anders sein – enttäuscht. Allenfalls<br />
findet man Geschichten über die Frauen, die zu diesem<br />
Datum auf dem Besen geritten sein sollen – die<br />
Hexen. Man erfährt Bedrückendes über Foltermethoden,<br />
die bei den Prozessen gegen sie angewandt wurden<br />
– aber nach einer überzeugenden kultur- und symbolgeschichtlichen<br />
Deutung sucht man vergeblich. Es<br />
fällt schon auf: Die deutsche Journaille und die Historikerzunft<br />
scheuen die Mythen unseres Volkes wie<br />
der Teufel das Weihwasser und reden um den heißen<br />
Brei herum.<br />
Walburga – eine christliche Heilige?<br />
Beim Namen geht es schon los. Die Bezeichnung<br />
«Walpurgisnacht» wird im Mainstream von einer christlichen<br />
Missionarin hergeleitet – der aus England stammenden<br />
Heiligen Walburga aus dem 8. Jahrhundert.<br />
Die Benediktinerin sollte die noch widerspenstigen<br />
Germanen endlich zum Christentum bekehren. Weil<br />
sie am 1. Mai heilig gesprochen wurde, gehen offizielle<br />
Quellen davon aus, dass das Fest nach ihr benannt<br />
wurde. Alternative etymologische Herleitungen werden<br />
unter den Teppich gekehrt – zum Beispiel, dass<br />
der eindeutig germanische Name «Walburga» auch<br />
auf die «Walas» verweisen könnte, die weisen Frauen<br />
und kräuterkundigen Seherinnen der Germanen. Die<br />
Silbe «Wal» findet man jedenfalls auch in den urgermanischen<br />
Begriffen Walhalla, Walküre und Walvater –<br />
auch die Bezeichnung für den höchsten Gott Wotan<br />
klingt an. Auf einer griechischen Tonscherbe taucht<br />
«Waluburg» schon im 2. Jahrhundert nach Christus<br />
auf: Hier wird sie als eine «Sybille», also eine Seherin<br />
oder Prophetin, der Semnonen erwähnt, eines elbgermanischen<br />
Stammes, der die heutige Mark Brandenburg<br />
und Mecklenburg-Vorpommern besiedelte. Die<br />
Behauptung, Walburga sei ursprünglich die Maikönigin,<br />
eine Göttin des Waldes, der Fruchtbarkeit und Sinnlichkeit,<br />
gewesen, ist schwer zu belegen – sie erscheint<br />
aber plausibler als die komplizierte Herleitung von<br />
einer christlichen Heiligen, für deren Leben und Wirken<br />
es außerhalb von Kirchenchroniken keine stichhaltigen<br />
Belege gibt. Es war ja schließlich die gängige Pra-<br />
Es war gängige<br />
Kirchenpraxis,<br />
heidnische Bräuche<br />
umzudeuten.<br />
59
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
60<br />
Dieser nackte Hexensabbat zielte<br />
1878 wohl auf die Phantasie der<br />
Betrachter. Foto: Luis Ricardo<br />
Falero, Public domain, Wikimedia<br />
Commons<br />
Anzeige<br />
Heft-Nr.:<br />
Name<br />
Anschrift<br />
PLZ Ort<br />
Datum<br />
xis der Papisten, heidnische Bräuche zu vereinnahmen<br />
und umzudeuten. Im keltischen Kalender beginnt übrigens<br />
am 1. Mai die «helle Jahreszeit», die mit dem Fest<br />
Beltane begrüßt wird. Das Datum liegt auf halber Strecke<br />
zwischen der Tag-und-Nacht-Gleiche am 21. März<br />
und der Sommersonnenwende am 21. Juni, die auch<br />
im germanisch besiedelten Raum wichtige Eckpunkte<br />
im Jahreskreislauf markierten.<br />
Die Hexenforschung<br />
Die Etymologie des Wortes Hexe ist ebenfalls aufschlussreich<br />
– und auch hier landen wir wieder bei den<br />
Walas. Der Begriff kommt von althochdeutsch Hagedise<br />
oder Hagazussa, wie die Walas auch genannt<br />
wurden. Als Heckenreiterin (was Hagazussa eigentlich<br />
bedeutet) war die Hexe stets in zwei Welten zu<br />
Hause: im lichten, geordneten Dorf und im dunklen<br />
Wald, im Hier und Jetzt und in der Anderswelt. Als die<br />
Die seit vielen Jahren<br />
monatlich erscheinende Zeitschrift<br />
SCHIFFE - MENSCHEN - SCHICKSALE<br />
hat sich mit spannenden auf Tatsachen beruhenden Darstellungen und vielen Informationen<br />
einen sicheren Platz bei allen Schiffahrtinteressierten geschaffen. Der Leser wird<br />
über das Schicksal von Seglern, Tankern, Passagier-, Handels- und Kriegsschiffen aller<br />
Klassen, Epochen und Nationen informiert, besonders über Hintergründe und Ursachen<br />
spektakulärer Schiffsuntergänge und -unglücke sowie über denkwürdige Ereignisse zur<br />
See in Friedens- und Kriegszeiten.<br />
Augenzeugenberichte, die Mitarbeit bedeutender Sachbuch autoren und umfangreiche<br />
Illustrierung mit zum Teil noch unveröffentlichten Bildern runden die beeindruckenden<br />
Dokumentationen ab. Die Sammlung umfaßt nunmehr über 260 Ausgaben und 10 Sonderhefte,<br />
die sich mit speziellen Themen, wie z.B. besonderer Seeschlachten oder dem<br />
Schicksal in den Weltmeeren gestrandeter deutscher Seeleute beschäftigen.<br />
Bestellformular<br />
Ich möchte folgende Ausgaben von SMS bestellen:<br />
Unterschrift<br />
Anzeige ausschneiden und in einem ausreichend frankierten Kuvert an den Verlag senden (Anschrift siehe unten)<br />
SMS Verlag für Marinegeschichte UG (haftungsbeschränkt)<br />
10783 Berlin · Postfach 30 22 26 · Tel. 0171/ 74 66 000<br />
E-mail: VerlagSchiffeMenschenSchicksale@gmx.de<br />
Eine komplette Übersicht aller erschienenen Hefte sowie Bestellmöglichkeiten im Internet:<br />
Klöster sich zum Anbau von Heilkräutern durchrangen,<br />
mussten die Mönche allerdings feststellen, dass die<br />
Wirkmacht eines Kräutleins in einem künstlich angelegten<br />
Beet nicht dieselbe war wie in der freien Natur,<br />
in Nachbarschaft zu bestimmten anderen Pflanzen.<br />
Davon stand in der Bibel leider nichts… Immerhin:<br />
Der Äbtissin Hildegard von Bingen (1098 –1179) gelang<br />
der Spagat, das alte Heilwissen der Frauen mit dem<br />
Christentum in Einklang zu bringen. Auch die berühmte<br />
Naturheilkundlerin Maria Treben (1907–1991) war eine<br />
gläubige Katholikin.<br />
Der Vorwurf an die Hexen, sich dem<br />
Teufel sexuell hingegeben zu haben,<br />
ist katholische Propaganda.<br />
In den Leitmedien kommen die Hexen nicht als kreative<br />
Seherinnen und Heilerinnen vor, sondern vorzugsweise<br />
als Opfer. Inzwischen gibt es sogar Mahnmale<br />
für die Gefolterten der frühen Neuzeit. Doch warum<br />
wurden diese Frauen verfolgt? In der Populärwissenschaft<br />
und im Feuilleton ist die Sündenbock-Theorie<br />
verbreitet: Sie unterstellt dem Volk, dass es aus Aberglauben,<br />
Dummheit und Fanatismus eine bestimmte<br />
Menschengruppe für Missernten und Krankheiten verantwortlich<br />
machte – mal traf es die Hexen, zu anderen<br />
Zeiten die Juden. Dass hier ein Kampf um politische<br />
und weltanschauliche Grundlagen ausgefochten<br />
wurde, der nicht vom Volk ausging, sondern gegen das<br />
Volk gerichtet war – davon ist nicht einmal zwischen<br />
den Zeilen die Rede. Während sich die Kirchen heute<br />
bemühen, die Verfolgungen offiziell als Fehler einzugestehen,<br />
zeigen sich manche Historiker bemüht, den<br />
Klerus von Verantwortung freizusprechen. Der Hexenexperte<br />
Thomas Becker von der Universität Bonn<br />
behauptet, die Verfolgung sei «entgegen der landläufigen<br />
Meinung weniger eine Angelegenheit der kirchlichen<br />
Inquisition, sondern weltlicher Gerichte» gewesen.<br />
Im nächsten Absatz bestätigt er aber wieder die<br />
anstiftende Rolle der katholischen Eiferer: Juristische<br />
Grundlage für die Prozesse war eben doch der Hexenhammer<br />
(1487), der von dem Dominikanerpater Henricus<br />
Institoris verfasst wurde.<br />
Becker behauptet weiterhin, die Wissenschaft habe<br />
sich erst in den 1970er Jahren des Phänomens der<br />
Hexen angenommen. Das stimmt nicht. Was ein professioneller<br />
Hexenforscher eigentlich wissen müsste:<br />
Im Dritten Reich wurde dieses düstere Kapitel besonders<br />
intensiv erforscht. Unter der Ägide von Heinrich<br />
Himmler führte die SS ein Sonderforschungsprojekt<br />
über die Hexenprozesse durch, das als geheime<br />
Reichssache behandelt wurde. Himmler hegte den Verdacht,<br />
dass es sich bei den Gefolterten und Verbrannten<br />
um die letzten Anhängerinnen des Wotansglau-
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
bens handelte. Auch wenn hier die nationalsozialistische<br />
Weltanschauung die Richtung vorgab, sind einige<br />
Forschungsergebnisse interessant, etwa über die Stätten<br />
der Walpurgisnacht: «Gerade an diesen Plätzen»<br />
seien «die Scheiterhaufen für die als Hexen verklagten<br />
unglücklichen Frauen errichtet worden». Schlussfolgerung:<br />
«Die Hexenprozesse (…) haben bewirkt, dass der<br />
germanische Mythos in Hexen- und Teufelsgeschichten<br />
unterging.»<br />
Nicht nur die NS-Forschung weist nach, dass der<br />
Vorwurf an die Kräuterweiblein, sich dem Teufel<br />
sexuell hingegeben zu haben («Teufelsbuhlschaft»),<br />
nicht aus germanischen Mythen abgeleitet werden<br />
kann, sondern eher auf deren Umdeutung und Dämonisierung<br />
durch die Kirche zurückgeht. Unsere Vorfahren<br />
sollten mit dem Satan in Verbindung gebracht werden,<br />
um ihre blutige Unterwerfung durch Missionare zu<br />
rechtfertigen… Das könnte auch die Etikettierung des<br />
Brocken im Harz als Hexentanzplatz erklären. Angeblich<br />
feierten die Sachsen hier in der Nacht zum 1. Mai<br />
ihr Frühlingsfest und opferten den Wald- und Berggöttinnen.<br />
Laut Überlieferung wurde der Brauch von<br />
Karl dem Großen verboten, woraufhin sich die Sachsen<br />
als Hexen verkleideten und auf Besen reitend die<br />
fränkischen Soldaten, die den Platz bewachen sollten,<br />
verjagten.<br />
Auftritt Mephistopheles<br />
Thomas Becker hingegen hält es für falsch, «dass<br />
die Walpurgisnacht an uraltes heidnisches Brauchtum<br />
anknüpft». Vielmehr ist er überzeugt, dass «wir<br />
den Mythos der Walpurgisnacht Johann Wolfgang<br />
von Goethe zu verdanken» haben. Ach so? «Der Frühling<br />
webt schon in den Birken, und selbst die Fichte<br />
fühlt ihn schon», sinniert Faust in einer vom Dichterfürsten<br />
selbst letztlich gestrichenen Passage, als er<br />
mit seinem teuflischen Verführer Mephistopheles den<br />
Brocken erklimmt. «Durch die Steine durch den Rasen,<br />
eilet Bach und Bächlein nieder. Hör’ ich Rauschen?<br />
hör ich Lieder? / Hör ich holde Liebesklage, Stimmen<br />
jener Himmelstage? / Was wir hoffen, was wir lieben!<br />
Und das Echo, wie die Sage / Alter Zeiten, hallet<br />
wider.» Wenn das mal nicht deutliche Zugeständnisse<br />
an die Walpurgisnacht als Frühlingsfest «alter<br />
Zeiten» sind! Später steigert sich beim Freimaurer Goethe<br />
die Szene allerdings zu einer satanischen Sexorgie<br />
samt einem Hochgericht aus Mönchen in schwarzen<br />
Kutten mit Kapuzen. Man fühlt sich eher an Illuminaten-Rituale<br />
aus Hollywood erinnert als an europäische<br />
Volksbräuche…<br />
Goethe hat die Blocksberg-Szene zu<br />
einer satanischen Sexorgie ausgebaut.<br />
Immerhin: In der Lokalpresse werden hin und wieder<br />
Ross und Reiter genannt. «Das Walpurgisfest ist<br />
ein traditionelles europäisches Fest, dessen Ursprünge<br />
bis in die vorchristliche Zeit zurückreichen. Bereits vor<br />
1.000 Jahren feierten die ”Ureinwohner” des Harzes<br />
ein Frühlingsfest, an dem durch verschiedene Opfergaben<br />
an den obersten Germanengott Wodan der Frühling<br />
begrüßt wurde.» (Göttinger Tageblatt, 30.4.2012).<br />
Na also, geht doch.<br />
Auf zum Blocksberg!<br />
Die erste organisierte Walpurgisfeier<br />
auf dem Brocken – dem<br />
sogenannten Blocksberg – fand<br />
1896 statt. Ab 1899 konnten die<br />
Feiernden dann sogar mit der<br />
Brockenbahn hinauffahren. 1901<br />
bereitete der damalige Besitzer<br />
des Berggrundstücks, Fürst von<br />
Stolberg-Wernigerode, per Verbot<br />
dem Spektakel ein vorläufiges<br />
Ende.<br />
In den letzten Jahren wurde die<br />
Tradition wiederbelebt. Zehntausende<br />
Teilnehmer versammeln<br />
sich rund um den Blocksberg,<br />
auf den Zufahrtsstraßen<br />
wimmelt es nur so von «Hexen»<br />
und «Teufeln». Im Jahr 2002<br />
gab es in insgesamt 44 Gemeinden<br />
im Harz Walpurgisfeiern, oft<br />
mit Feuerwerken und Kulturveranstaltungen,<br />
manchmal wurde<br />
auch eine Maikönigin gewählt.<br />
Mehr Infos unter harzinfo.de<br />
_ Pia Lobmeyer schrieb in<br />
<strong>COMPACT</strong> 2/<strong>2016</strong> über die ebenso<br />
wehrhaften wie liebreizenden<br />
Germaninnen.<br />
Bild links: Als Hexe verschrien –<br />
Emily Cox als Brida in «The Last<br />
Kingdom». Foto: BBC/Carnival<br />
Films/Kata Vermes<br />
Bild rechts: Hexen während der<br />
Waldkirchner Fastnacht <strong>2016</strong>. Foto:<br />
picture alliance/ROPI<br />
61
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Die Wurzel vieler Übel<br />
_ von Jan von Flocken<br />
Vor hundert Jahren teilten Briten und Franzosen den Nahen Osten<br />
unter sich auf: Im sogenannten Sykes-Picot-Abkommen bedienten sie<br />
sich aus der Konkursmasse des Osmanischen Reiches und brachen<br />
alle Versprechen auf Selbstbestimmung, die sie zuvor den Arabern<br />
gegeben hatten.<br />
Die Gespräche zur Aufteilung des Nahen Ostens<br />
fanden unter strengster Geheimhaltung statt. Führend<br />
daran beteiligt waren François-Georges Picot, ehemaliger<br />
französischer Generalkonsul in Beirut, und Oberst<br />
Sir Mark Sykes, Leiter des Arabischen Büros im britischen<br />
Außenministerium. «Diese zwei Männer haben<br />
sich vordere Plätze unter den Teufeln Arabiens verdient»,<br />
so die Einschätzung des britischen Nahost-Historikers<br />
Desmond Stewart. Am 16. Mai 1916 schlossen<br />
die beiden Diplomaten einen Vertrag, der offiziell «Asia<br />
Minor Agreement» genannt wurde, aber als «Sykes-<br />
Picot-Abkommen» in die Annalen einging. Es trat mit<br />
Unterzeichnung durch den britischen Außenminister<br />
Edward Grey und den französischen Sonderbotschafter<br />
Paul Cambon in Kraft.<br />
Der Pakt<br />
62<br />
Anthony Quinn, Peter O’Toole<br />
und Omar Sharif im Kultstreifen<br />
«Lawrence von Arabien».<br />
Foto: Columbia Pictures<br />
«Diese zwei Männer<br />
haben sich vordere<br />
Plätze unter den<br />
Teufeln Arabiens<br />
verdient.»<br />
Desmond Stewart<br />
Großbritanniens militärischer Nimbus zeigte sich<br />
im zweiten Jahr des Ersten Weltkrieges arg ramponiert.<br />
Die Mittelmächte Deutschland, Österreich und<br />
Türkei hatten sich in der militärischen Konfrontation<br />
mit der Entente London-Paris-Petersburg als ebenbürtig<br />
erwiesen. Der Versuch der Briten, durch ein Landeunternehmen<br />
die Dardanellen und danach die osmanische<br />
Hauptstadt Konstantinopel zu erobern, war im<br />
Frühjahr 1916 unter horrenden Verlusten von Heer und<br />
Flotte gescheitert. In Mesopotamien hatte wenig später<br />
eine britische Armee von 13.000 Mann vor den Türken<br />
unter Führung des deutschen Feldmarschalls Colmar<br />
Freiherr von der Goltz kapitulieren müssen.<br />
Diese prekäre Lage nutzte Londons Bundesgenosse<br />
Frankreich schamlos aus, um sich im Nahen Osten<br />
künftige Beute zu sichern. Es ging darum, nach einer<br />
absehbaren Niederlage des Osmanischen Reiches dessen<br />
Territorium außerhalb des anatolischen Kernlandes<br />
zu okkupieren. Ursprünglich war es Ziel der britischen<br />
Diplomatie gewesen, die gesamte Region unter<br />
ihre Kontrolle zu bekommen. Jetzt mussten Frankreichs<br />
Begehrlichkeiten einkalkuliert werden, und beide Seiten<br />
handelten nach der bis heute bevorzugten imperialistischen<br />
Patentlösung, wonach alle vermeintlich<br />
unterentwickelten Länder eine westliche Vormundschaft<br />
benötigen.<br />
Ohne jede Rücksicht auf geschichtliche, religiöse<br />
und nationale Unterschiede oder Stammesgebiete<br />
wurde in dem Abkommen die noch zu erobernde, mit<br />
zahlreichen Ölfeldern gesegnete Beute aufgeteilt.<br />
Dabei gingen die Beteiligten teilweise mit dem Lineal<br />
zu Werke. Zur Debatte stand eine enorme Fläche von<br />
mehr als anderthalb Millionen Quadratkilometern, die<br />
sich von Jerusalem bis zum Persischen Golf und von<br />
Ostanatolien bis zum Suezkanal erstreckte. Dort lebten<br />
ungefähr 20 Millionen Einwohner – Türken, Kurden,<br />
Araber, Armenier, Sunniten, Schiiten, Christen<br />
und Juden.<br />
Der zwölf Punkte umfassende Vertrag teilte die südlichen<br />
Gebiete des Osmanischen Reiches in das Territorium<br />
«A» (Frankreich) und «B» (Großbritannien) auf.<br />
Hier besaßen die beiden Großmächte «festgelegte<br />
Vorrechte». Die Franzosen sicherten sich die Herrschaft<br />
über die Südost-Türkei (Alexandrette/Iskenderun),<br />
den Nordirak, Syrien und den Libanon. Das Gebiet<br />
erstreckte sich von Beirut über Damaskus und Aleppo<br />
bis Mossul. Großbritannien erhielt ein Territorium, das<br />
dem heutigen Jordanien und dem südlichen Irak entspricht<br />
und von Amman bis Bagdad, Basra und Kuwait<br />
reichte. Die Grenzen innerhalb ihrer jeweiligen Einflusszone<br />
konnten Briten und Franzosen nach Gutdünken<br />
bestimmen.<br />
Unter Punkt 2 des Vertrages hieß es: «Beiden Mächten<br />
soll es erlaubt sein, in diesem Gebiet direkte oder<br />
indirekte Verwaltung oder Kontrollen einzurichten, wie<br />
sie es für notwendig halten.» Deutlicher gesagt: Es sollten<br />
keine nationalen Interessenvertretungen gewählt<br />
werden, vorgesehen waren lediglich arabische Vasallenregime<br />
unter Oberhoheit der Kolonialherren. Gleichzeitig<br />
wurde betont, man werde «nicht zustimmen, dass
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
eine dritte Macht auf der arabischen Halbinsel territoriale<br />
Besitzrechte erwirbt oder Flottenbasen an der<br />
Küste oder auf den Inseln des Roten Meeres einrichtet»<br />
(Punkt 10).<br />
Für das von Frankreich beanspruchte Palästina<br />
wurde eine Sonderregelung vereinbart. Das Gebiet<br />
wurde einer internationalen Verwaltung unterstellt.<br />
Die Häfen von Haifa und Akkon wurden aber Großbritannien<br />
zugesprochen, gleichzeitig erhielten die Briten<br />
das Recht zum Bau einer Eisenbahnlinie zwischen<br />
Haifa und Bagdad. Dieses Territorium entsprach dem<br />
Nordteil des heutigen Staates Israel um die Städte<br />
Jerusalem und Hebron und wurde in den folgenden<br />
Jahrzehnten als britisches Mandatsgebiet erbitterter<br />
Zankapfel zwischen Juden und Palästinensern.<br />
Bei aller Geheimhaltung sickerte Mitte 1916 dennoch<br />
etwas über dieses Abkommen durch, und arabische<br />
Politiker, welche die Unabhängigkeit ihrer Länder<br />
anstrebten, gerieten in Unruhe. So sprach Sykes in<br />
Kairo mit drei Repräsentanten Syriens und versicherte<br />
ihnen, «dass nichts Unheilvolles vorbereitet werde».<br />
Zynisch berichtete er nach London, es sei nicht leicht<br />
gewesen, «die Delegierten auszumanövrieren, ohne ihnen<br />
eine Landkarte zu zeigen oder sie wissen zu lassen,<br />
dass es schon längst ein detailliertes Abkommen gab».<br />
Lawrence, der Betrüger von Arabien<br />
Rücksicht musste man bei diesem heimlichen Vorgehen<br />
lediglich auf Hussein Ibn Ali nehmen, den einflussreichen<br />
Emir des Hedschas, heute der westliche<br />
Teil von Saudi-Arabien mit den heiligen Stätten Mekka<br />
und Medina. Hussein, den ein Zeitgenosse als «frommen<br />
alten Herrn mit starkem Hang zum Größenwahn»<br />
beschrieb, strebte ein unabhängiges großarabisches<br />
Königreich unter seiner Führung an. Sein Sohn Faisal<br />
konspirierte seit 1915 in der Nähe von Damaskus mit<br />
Britisch-französische<br />
Gebietsaufteilung 1916<br />
unter französischer Verwaltung<br />
französisches Einflussgebiet<br />
unter britischer Verwaltung<br />
britisches Einflussgebiet<br />
unter gemeinsamer Verwaltung<br />
LAND Staaten und Grenzen heute<br />
Quelle: Wikipedia<br />
ÄGYPTEN<br />
KAIRO<br />
LIBANON<br />
BEIRUT<br />
ISRAEL<br />
DAMASKUS<br />
JERUSALEM<br />
JORDANIEN<br />
dem britischen Abenteurer und Geheimdienstagenten<br />
Thomas Edward Lawrence, bekannt als «Lawrence von<br />
Arabien». Beide organisierten einen Aufstand gegen<br />
die Türken, der am 5. Juni 1916 begann und den britischen<br />
Truppen enormen Beistand leistete. Lawrence<br />
bekannte später: «Mir war klar, dass im Falle unseres<br />
Sieges die den Arabern gemachten Versprechungen<br />
nicht mehr als ein Fetzen Papier sein würden.»<br />
Italien und das zaristische Russland, die Verbündeten<br />
der Anglofranzosen im Ersten Weltkrieg, waren<br />
durch ihre Geheimdiplomatie vom Sykes-Picot-Abkommen<br />
unterrichtet und meldeten sich bald zu Wort.<br />
Sie verlangten einen Anteil am Raubgut. Widerwillig<br />
gestand man den Russen Armenien und Teile von<br />
Kurdistan zu. Die Italiener sollten Rhodos und einige<br />
andere Inseln in der südlichen Ägäis erhalten, sowie<br />
eine Einflusszone um die Stadt Smyrna (Izmir) im Südwesten<br />
von Anatolien.<br />
Als nach dem Ende des Ersten Weltkriegs eine rücksichtslose<br />
Neuaufteilung der Welt einsetzte, wurden<br />
die Hauptpunkte des Sykes-Picot-Abkommens bestätigt<br />
(die Sowjets hatten das Papier bereits Ende November<br />
1917, kurz nach der bolschewistischen Revolution, veröffentlicht).<br />
Während der Konferenz von San Remo im<br />
April 1920 erhielten die beiden Siegermächte das Mandat<br />
des Völkerbundes für ihre Vorherrschaft im Nahen<br />
Osten. Der Keim für ein politisches Chaos war damit<br />
unwiderruflich gelegt. Denn die Araber, denen man<br />
jahrelang Versprechungen auf nationale Unabhängigkeit<br />
gemacht hatte, sahen sich bitter getäuscht in der<br />
Rolle von Völkern zweiter Klasse. Und so lassen sich<br />
alle gewalttätigen Auseinandersetzungen – der Israel-<br />
Palästina-Konflikt, der libanesische Bürgerkrieg, Iraks<br />
Überfall auf Kuwait, die Golfkriege und das Wüten des<br />
Islamischen Staates (IS) – letztlich auf den kolonialen<br />
Größenwahn und die willkürliche Grenzziehung der Politiker<br />
in London und Paris vor 100 Jahren zurückführen.<br />
TÜRKEI<br />
ALEPPO<br />
SYRIEN<br />
SYKES-PICOT-LINIE<br />
ARABIEN<br />
ANATOLIEN<br />
SAUDI-ARABIEN<br />
IRAK<br />
MOSSUL<br />
BAGDAD<br />
PERSIEN<br />
IRAN<br />
Lawrence von<br />
Arabien<br />
Thomas Edward Lawrence<br />
(1888–1935) schloss sich im Dezember<br />
1914, kurz nach Beginn<br />
des Ersten Weltkrieges, dem<br />
britischen Nachrichtendienst in<br />
Kairo an. Ein halbes Jahr später<br />
initiierte Scherif Hussein, der<br />
Emir von Mekka, einen Aufstand<br />
auf der Arabischen Halbinsel<br />
gegen den osmanischen Sultan.<br />
Die Briten unterstützten ihn<br />
mit Geld und Militärberatern,<br />
Lawrence war der Verbindungsmann.<br />
Obwohl ohne besondere<br />
militärische Erfahrung brachte<br />
er den Beduinen Guerillataktiken<br />
bei und ritt bei Nadelstichattacken<br />
gegen die Osmanen in<br />
vorderster Reihe mit. Die Eroberung<br />
von Al Waih und der Festung<br />
Akaba leitete die Niederlage<br />
der türkischen Besatzer ein.<br />
Am 1. Oktober 1918 zogen die<br />
arabischen Befreier mit Lawrence<br />
in Damaskus ein.<br />
Nach dem Krieg plagten den Geheimagenten<br />
schwere Schuldgefühle,<br />
hatte er doch die ganze<br />
Zeit von dem Sykes-Picot-Abkommen<br />
gewusst, das die eben<br />
eroberten Gebiete nicht den<br />
Arabern, sondern den Kolonialmächten<br />
zusprach.<br />
Die Verfilmung der Kriegsabenteuer<br />
mit Omar Sharif in der Rolle<br />
des Lawrence aus dem Jahre<br />
1962 begeistert bis heute.<br />
Thomas Edward Lawrence lehnte<br />
nach dem Krieg sämtliche Auszeichnungen<br />
und hohe Posten ab.<br />
Foto: Wikipedia/public domain<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
_ Der Historiker Jan von Flocken<br />
schrieb in <strong>COMPACT</strong> 4/<strong>2016</strong> über<br />
den Roman «Utopia» von Thomas<br />
Morus.<br />
63
Jetzt bestellen!<br />
Versandkostenfreie Lieferung<br />
innerhalb Europas<br />
Anzeige<br />
Erstmals in kompletter deutscher Übersetzung:<br />
das ultimative Standardwerk<br />
über die Machtstrukturen der Welt<br />
■ Lange Zeit stand dieses Buch nur in einer stark gekürzten deutschen Version zur Verfügung. Jetzt liegt erstmals eine<br />
komplette Übersetzung des Meisterwerks eines der bedeutendsten amerikanischen Historiker vor: In Tragödie und<br />
Hoffnung analysiert Carroll Quigley die Geschichte unserer Welt vom 19. Jahrhundert bis in die 1960er-Jahre. Das<br />
Ergebnis ist ein einzigartiges und in vielfacher Hinsicht bemerkenswertes Werk. Es zeichnet mit beispielloser Genauigkeit<br />
ein Bild von der Welt in Bezug auf die wechselseitige Beeinflussung verschiedener wirtschaftlicher und geopolitischer<br />
Interessen, und es erklärt in bisher nicht erreichter Klarheit, wie eine geheime Machtelite die Entwicklung der Welt von<br />
heute beeinflusst hat.<br />
Carroll Quigley demonstriert, mit welchen Methoden die »geheime Weltregierung«<br />
immer mehr Einfluss gewann, und beleuchtet die Vorgänge<br />
wie kaum ein anderer. Dafür gibt es auch einen Grund: Carroll Quigley<br />
gehörte über Jahrzehnte zum Umfeld der Elite. Dabei hatte er sogar Einblick<br />
in deren geheime Unterlagen.<br />
Das Meisterwerk über die »geheime Weltregierung«<br />
Carroll Quigley war ein bedeutender Historiker. Er lehrte an den Universitäten<br />
von Harvard und Princeton. Er unterrichtete zudem an der Georgetown-Universität<br />
in Washington, wo sein berühmtester Schüler die Vorlesungen<br />
bei ihm besuchte: Bill Clinton. Neben diesen Tätigkeiten schrieb<br />
er an seinem Lebenswerk Tragödie und Hoffnung – insgesamt 20 Jahre lang!<br />
Was viele erstaunen wird: Carroll Quigley steht der geheimen Elite keineswegs<br />
kritisch gegenüber. Er unterstützt die meisten ihrer Ziele. Sein<br />
einziger Kritikpunkt an dem Netzwerk: Die Aktivitäten der Verbindung<br />
dürfen nicht länger geheim bleiben. Mit diesem Buch bringt er Licht ins<br />
Dunkel der verborgenen Machenschaften und verschafft Ihnen Einblicke in<br />
Machtstrukturen, die sich kaum jemand vorstellen kann. Wenn Sie dieses<br />
Buch lesen, werden Sie die Welt mit anderen Augen sehen.<br />
»Die Mächte des Finanzkapitals hatten ein anderes, weit gestecktes<br />
Ziel, und zwar kein geringeres als die Errichtung eines Systems der<br />
weltweiten Finanzkontrolle in privaten Händen, das in der Lage wäre,<br />
das politische System eines jeden Landes und die Weltwirtschaft in<br />
Gänze zu beherrschen.«<br />
Carroll Quigley<br />
Carroll Quigley: Tragödie und Hoffnung<br />
großformatig gebunden • 1008 Seiten • Best.-Nr. 951 100 • 39.95 €<br />
Telefon (0 74 72) 98 06 10 • Telefax (0 74 72) 98 06 11 • info@kopp-verlag.de • www.kopp-verlag.de
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
BRD-Sprech _ Einfache Antworten<br />
Wenn Politiker und andere gesellschaftlich mächtige<br />
Akteure Ziele verfolgen, die den Interessen der<br />
breiten Mehrheit des Volkes ins Gesicht schlagen,<br />
haben sie – zumindest in einer Demokratie, solange<br />
es die noch gibt – ein Problem: Sie dürfen auf keinen<br />
Fall zulassen, dass ihre Ziele unter dem Gesichtspunkt<br />
von Interessen diskutiert werden – nicht der Interessen<br />
jener vergleichsweise winzigen Machtgruppen,<br />
denen ihre Politik dient, erst recht nicht jener Mehrheit,<br />
über die sie sich hinwegsetzt. In dieser Lage bieten<br />
sich der Politik zwei Auswege an, um einen Diskurs<br />
über Interessen gar nicht erst aufkommen zu lassen:<br />
zum einen die Berufung auf vermeintliche Gebote<br />
der Moral, die den Kritiker zu einem sinistren amoralischen<br />
«Menschenfeind» stempelt, zum anderen die<br />
Berufung auf vermeintlich höhere Einsichten, denen<br />
gegenüber der Kritiker, auch und gerade wenn er die<br />
Ansichten einer Mehrheit zum Ausdruck bringt, als<br />
Dummkopf dastehen soll.<br />
In einer demokratischen Debattenkultur haben<br />
solche Manöver, die der Vernebelung, nicht der Aufklärung<br />
dienen, nichts zu suchen. Dass sie nicht nur<br />
gelegentlich, sondern systematisch und im großen Stil<br />
stattfinden, ohne zu einem Aufschrei oder auch einem<br />
Aufstand zu führen, ist nur deshalb möglich, weil alle<br />
Institutionen, die der Kontrolle politischer Macht dienen<br />
– von der Presse über die Justiz bis hin zur Wissenschaft<br />
– demselben Interessen- und Ideologiekartell<br />
angehören wie die Politik selbst. Die etablierte Politik<br />
braucht daher von gesellschaftlichen Meinungsmultiplikatoren<br />
keinen Widerspruch zu befürchten, wenn<br />
sie oppositionelle Kräfte bezichtigt, «einfache Antworten<br />
auf komplexe Fragen» zu geben, um sie dadurch<br />
zu Idioten zu erklären. Die jüngsten Wahlerfolge der<br />
AfD haben dieser Arroganz der Macht bisher offenbar<br />
nichts anhaben können.<br />
Der Stammtisch ist für das Establishment Synonym für das verachtete<br />
Volk. Foto: Screenshot ebay<br />
Die Antworten auf diese einfachen Fragen sind in<br />
der Tat einfach. Sie liegen auf der Hand und fallen<br />
für die politische Klasse so vernichtend aus, dass sie<br />
schon die Fragen tabuisieren muss.<br />
Von Leuten, die ein so hohes Ross reiten, darf man<br />
wohl erwarten, dass sie nun ihrerseits mit entsprechend<br />
komplexen Argumenten aufwarten, um die eigenen<br />
hochtrabenden Ansprüche zu untermauern. Was<br />
wir stattdessen zu hören bekommen, ist allerdings in<br />
blamabler Weise unterkomplex: «Der Islam gehört zu<br />
Deutschland», «Scheitert der Euro, scheitert Europa»,<br />
«Deutschland bleibt bunt», «Wir schaffen das».<br />
Was sogenannte Populisten von der etablierten<br />
Politik unterscheidet, ist in Wirklichkeit nicht die Einfachheit<br />
ihrer Antworten, sondern die Klarheit ihrer<br />
Fragen: Wollen die Völker Europas Masseneinwanderung?<br />
Bereichert sie sie? Hat der Euro ihnen genützt?<br />
Wollen sie von Brüssel aus regiert werden? Wollen sie<br />
Gender Mainstreaming? Ist Deutschland das Land der<br />
Deutschen? Sagen unsere Politiker uns die Wahrheit?<br />
Die Antworten auf einfache Fragen<br />
sind in der Tat einfach.<br />
Die Floskel von den «einfachen Antworten auf komplexe<br />
Fragen» dient ausschließlich dazu, die Probleme<br />
als so ungeheuer kompliziert darzustellen, dass nur<br />
Personen von übermenschlicher Genialität (als welche<br />
sich die Angehörigen der politischen Klasse somit<br />
en passant selbst darstellen) diesen «Herausforderungen»<br />
gewachsen seien, während der Normalsterbliche,<br />
insbesondere sofern er sich am «Stammtisch» äußert,<br />
von vornherein unqualifiziert sei, seine Interessen zu<br />
vertreten, weswegen er sich tunlichst – und natürlich<br />
nur zu seinem eigenen Besten – bevormunden zu lassen<br />
habe.<br />
Verlag Antaios, 240 Seiten, gebunden,<br />
22,00 Euro (Bestellung über<br />
antaios.de). Foto: Verlag<br />
_ Manfred Kleine-Hartlage ist<br />
Publizist und Diplom-Sozialwissenschaftler.<br />
Regelmäßig veröffentlicht<br />
er kritische Beiträge auf<br />
seinem Blog «korrektheiten.com».<br />
Sein aktuelles Buch «Die Sprache<br />
der BRD – 131 Unwörter und ihre<br />
politische Bedeutung», 2015 im<br />
Verlag Antaios erschienen, liefert<br />
die Vorlage für diese <strong>COMPACT</strong>-<br />
Serie.<br />
65
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Harzheims Klassiker_ 1001 Nacht<br />
«Falsch geraten!» Die drei Grazien<br />
lachen über den Kandidaten, der im<br />
erotischen Quiz versagt.<br />
Foto: Filmverleih<br />
Filmplakat zu «Erotische Geschichten<br />
aus 1001 Nacht».<br />
Foto: Filmverleih<br />
Nur-ed-Din eilt von Ortschaft zu Ortschaft, sucht<br />
seine Geliebte Zumurrud. Die wurde zuvor von Räubern<br />
entführt. Seine Reise bildet den Rahmen für ausgewählte<br />
Geschichten aus 1001 Nacht, die – wie in der<br />
literarischen Vorlage – ineinander verschachtelt sind.<br />
Irgendwann gelangt Nur-ed-Din in ein herrschaftliches<br />
Haus. Die Töchter des Besitzers beherbergen ihn, lesen<br />
dem Gast alte Liebesgeschichten vor, springen mit ihm<br />
ins Badebecken und lassen ihn die Kosenamen ihrer<br />
(Sie wissen schon…) raten: «Und wie heißt ”meine”?»<br />
Der verwirrte Knabe überlegt, assoziiert die Namen<br />
von Schmackhaftem: Dattel, Feige. Aber jede Antwort<br />
steigert nur das Gelächter der drei Grazien. Man<br />
plantscht, lacht, schubst sich. Am Rande des Beckens<br />
stehen, im Schatten der Palmen, Teller mit köstlichen<br />
Speisen (Foto oben). Nur-ed-Din als Paris im Paradies.<br />
Pasolini suchte die Utopie jenseits<br />
des Konsumismus.<br />
der Tod an Schrecken verliert. Erotische Geschichten<br />
aus 1001 Nacht (1974), Abschluss und Höhepunkt dieser<br />
Triologie, gewann den Großen Preis der Jury in<br />
Cannes. Im Original heißt er übrigens Il fiore delle mille<br />
e una notte (Die Blüte aus 1001 Nacht).<br />
Gedreht wurde in Eritrea, im Jemen und in Nepal.<br />
Viele kostbare Bauten, im Film noch als Kulissen sichtbar,<br />
wurden kurz nach dem Dreh planiert, um kommerziell<br />
orientiertem Städtebau Platz zu schaffen. Schon<br />
zuvor hatte Pasolini dort Die Mauern von Sana’a (1971)<br />
gedreht: einen 15-minütigen Appell an die UNESCO,<br />
Jemens architektonisches Weltkulturerbe zu bewahren.<br />
Vergebens. Pasolini verzweifelte. Der Konsumismus<br />
hatte unwiderruflich das letzte Wort. Er widerrief<br />
seine «Trilogie des Lebens» und drehte einen Antifilm<br />
zu deren Utopie: Salò oder die 120 Tage von Sodom<br />
(1975).<br />
66<br />
Bild rechts: Pier Paolo Pasolini<br />
(1922–1975). Foto: Screenshot<br />
Youtube<br />
_ Harald Harzheim ist der Filmklassiker<br />
von <strong>COMPACT</strong>.<br />
Nach Jahren zehrender Gesellschaftskritik versuchte<br />
der Katholik und Marxist Pier Paolo Pasolini Anfang<br />
der 1970er eine filmische «Trilogie des Lebens», um die<br />
Utopie jenseits des Konsumismus zu illustrieren, die<br />
Lebenslust des befreiten, erotischen Körpers, umrahmt<br />
von der Schönheit traditioneller Bauten und Festlichkeiten.<br />
Und das Füllhorn des Lebens gibt allen reichlich.<br />
Überschäumende Emotion, so stark, dass selbst
Zensur in der BRD<br />
Solidarität mit Akif Pirinçci<br />
Redner<br />
Jürgen Elsässer<br />
Diktatur Merkel – Zensur in der BRD<br />
Akif Pirinçci<br />
Liest aus seinem neuen Buch «Umvolkung.<br />
Wie die Deutschen still und<br />
leise ausgetauscht werden»<br />
Götz Kubitschek<br />
Warum Solidarität mit Akif Pirinçci?<br />
«Umvolkung. Wie die Deutschen<br />
still und leise ausgetauscht werden»<br />
(ISBN 978-3-944422-19-0, 160 Seiten,<br />
14 Euro, wegen Buchhandelsboykott<br />
am besten bestellen über antaios.de).<br />
Do 19. Mai <strong>2016</strong> | 18.30 Uhr | Magdeburg<br />
Eventhalle Halber85 | Halberstädter Straße 85 | 39112 Magdeburg | Beginn 18.30 Uhr, Einlass 18 Uhr<br />
Freier Eintritt für Abonnenten | VVK: EUR 10,00/ ermäßigt EUR 6,00 | Abendkasse: EUR 12,00/ EUR 8,00.<br />
Aktuelles <strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong> im Preis inklusive! | Vorverkauf unter live.compact-magazin.com
Einzelheft oder SPEZIAL-Abo unter Tel: 03327-569 86 11 . Fax: 03327-569 86 17<br />
abo@compact-magazin.com . shop.compact-magazin.com<br />
Zensur in der BRD – Solidarität mit Akif Pirinçci | <strong>COMPACT</strong>-Live | 19. Mai | Magdeburg