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COMPACT-Magazin 05-2016

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Ausgabe 5/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />

www.compact-online.de<br />

Himmel<br />

hilf!<br />

Die neue Christenverfolgung<br />

Brüssel-Terror<br />

Merkels Schande<br />

Böhmermann<br />

Je suis Arschgeige<br />

RFID-Chip<br />

Spion unter der Haut<br />

Deutsches Bier<br />

Zurück zum Original<br />

Dossier: Protestparteien<br />

Von Grün bis AfD – Tops und Flopps


Ehrlicher Journalismus in Zeiten der Lüge.<br />

Die schweigende Mehrheit kann die Verhältnisse zum Tanzen bringen,<br />

wenn sie ihre Stimme wiederfindet. <strong>COMPACT</strong> ist ihr Lautsprecher, weil<br />

wir drucken und verbreiten, was andere nicht zu schreiben wagen.<br />

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Merkel im<br />

Erdowahn<br />

Die türkische Kanzlerin<br />

AfD-Triumph<br />

Klatsche für Blockparteien<br />

Bargeld-Verbot<br />

Die digitale Enteignung<br />

HC Strache<br />

Das große Interview<br />

Spur zum Mossad<br />

Der Barschel-Krimi<br />

Die bessere<br />

Freiwild<br />

Frau<br />

Kanzlerin<br />

AfD vor dem Durchbruch<br />

Das böse Ende der<br />

Willkommenskultur<br />

Merkel am Ende<br />

Drei Schritte zum Sturz<br />

Stalingrad 2.0<br />

Putin siegt in Aleppo<br />

Schweigekartell<br />

Der Sexmob und die Medien<br />

Polizistin mit Eiern<br />

Trump ist Trumpf<br />

Patriot unter Falken<br />

Migrantin auf Streife<br />

Superwanze Handy<br />

Handball-Helden<br />

Blut, Schweiß und Tore<br />

Tipps zum Selbstschutz<br />

Germaninnen<br />

Mit Liebreiz und Schwert<br />

Dossier: US-Wahlen<br />

Ausgabe 4/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />

www.compact-online.de<br />

Dossier: Revoltiert!<br />

Präsidentin Killary und die Neocons<br />

Camus über die Verteidigung Europas<br />

Dossier: Die Lügenjournalisten<br />

Agenten der Meinungsdiktatur<br />

Ausgabe 3/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />

www.compact-online.de<br />

Ausgabe 2/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />

www.compact-online.de


Böhmermann: Je suis Arschgeige<br />

Böhmermann hier, Böhmermann da. Morgens, mittags,<br />

abends. Ich kann den Typen mit seinem Hipster-<br />

Bärtchen nicht mehr sehen. Jammert fast so schlimm<br />

rum wie Erdogan: Huch, ich verstehe die Welt nicht<br />

mehr. Huch, ich komme nicht zur Grimme-Preis-Verleihung.<br />

Huch, ich brauche Polizeischutz. Was für<br />

ein Warmduscher! Der Engländer sagt: If you can‘t<br />

stand the heat, get out of the kitchen. Auf Deutsch:<br />

Wenn Du schon den Türken wegen seines angeblich<br />

kleinen Johannes anfurzt, dann musst Du beweisen,<br />

dass Du einen längeren hast. Hast Du aber nicht. Du<br />

hast einfach wie ein Besoffener rumgepinkelt, politischer<br />

Inhalt nahe null, und am Ende hast Du gemerkt,<br />

dass Du einen Dobermann angestrullert hast. Und jetzt<br />

rennst Du zu Mutti, damit sie Dir hilft. Das Problem: Die<br />

hat selber mehr Schiss als Vaterlandsliebe.<br />

<strong>COMPACT</strong> Editorial<br />

Am meisten ärgert mich ja, dass ich am Ende des<br />

Tages juristisch auch noch hinter dem Weichei stehen<br />

muss. Ja, muss, denn Satire darf alles, da hat Tucholsky<br />

recht! Und außerdem ist Lachen gesund, da darf‘s<br />

auch mal derbe zugehen. Von Akif Pirinçci habe ich<br />

mir außerdem sagen lassen, dass die Osmanen ohnedies<br />

viel schlimmer fluchen als wir – «Fick Deine Mutter»<br />

sei da noch das Harmloseste. Vor allem aber: Der<br />

Orient-Gröfaz soll die Klappe halten und sich nicht in<br />

unsere Innenpolitik einmischen. Mit einem Böhmermann<br />

werden wir schon selber fertig – wenn wir hoffentlich<br />

bald die GEZ-Medien per Zahlungsboykott<br />

auf eine Mindestversorgung zurechtstutzen. Anders<br />

gesagt: Die Kultur in Deutschland ist Sache der Deutschen,<br />

dazu brauchen wir keinen Mufti-Zensor. Hier<br />

Almanya, nicht Antalya– kapiert, Erdogan?!<br />

Aber nur einer Minderheit der Böhmermann-Unterstützer<br />

geht es um die Freiheit Deutschlands und die<br />

Verteidigung gegen ausländische Einmischung. Man<br />

muss sich nur die Truppe anschauen, die sich hinter<br />

seinem schmächtigen Rücken versammelt hat: Von<br />

Springer-Chef Mathias Döpfner über die Grünen bis<br />

zur Linkspartei twittern alle #freeboehmi, die uns bisher<br />

schon mit «Refugee welcome» genervt haben und<br />

unser Volk austauschen wollen. Man wird den Verdacht<br />

nicht los, dass diese Multikulti-Querfront nicht,<br />

wie unsereins, Erdogan zum Teufel wünscht, weil er<br />

zu viele Asylforderer zu uns durchlässt – sondern zu<br />

wenige. Für diese Bagage ist der starke Mann vom<br />

Bosporus nicht deswegen zum Hassobjekt geworden,<br />

weil er die Souveränität Deutschlands verhöhnt, sondern<br />

weil er die Souveränität der Türkei verteidigt.<br />

Bei allem, was man Schlechtes über ihn sagen muss,<br />

zeichnet ihn immerhin aus, was den deutschen Politikdarstellern<br />

fehlt: Er hat Eier, und er steht für sein<br />

Volk ein. Will man ihm klarmachen, dass er daraus<br />

keine Verachtung anderer Völker ableiten darf, muss<br />

man ihm zeigen, wo der Hammer hängt. Derzeit macht<br />

das nur Putin.<br />

Böhmermann und Charlie Hebdo: Obwohl ich deren<br />

Meinungsfreiheit verteidige, werde ich mich nicht mit<br />

ihnen gemein machen. Sie bleiben Arschgeigen, weil<br />

sie unsere Feinde, die am Schluss auch auf sie losgegangen<br />

sind, selbst stark gemacht haben. Die französischen<br />

Karikaturisten haben jahrelang Jesus verhöhnt<br />

– mehr als Mohammed! – und damit die Zerstörung<br />

des christlichen Glaubens, der einen Schutzschild<br />

gegen den totalitären Islam bilden könnte, mit vorangetrieben.<br />

Und der TV-Zappeljan teilte in der Vergangenheit<br />

in schöner Regelmäßigkeit gegen Pegida und<br />

Co. aus – die immer schon vor der Erdoganisierung<br />

gewarnt haben.<br />

Ich wünsche mir Harald Schmidt zurück! Bei Dirty<br />

Harry ging‘s ebenfalls deftig zu aber es gibt zwei Unterschiede<br />

zu Böhmermann: Erstens respektierte der praktizierende<br />

Katholik den Glauben, und zweitens verspottete<br />

er in erster Linie die politische Korrektheit – und<br />

nicht deren Kritiker. Unvergessen, wie oft er «Neger»<br />

sagen konnte und wie sein «Nazometer» bei bööösen<br />

Wörtern wie Autobahn anschlug! Ob er genau deswegen<br />

abgesägt wurde?<br />

Chefredakteur Jürgen Elsässer.<br />

Foto: Jörg Gründler<br />

3


<strong>COMPACT</strong> Themen<br />

4<br />

Titelthema<br />

Die neue Christenverfolgung<br />

Politik<br />

Idomeni: Wenn Propaganda über Leichen geht<br />

Dossier<br />

Protestparteien<br />

Leben<br />

Zurück zum echten deutschen Bier!<br />

<strong>05</strong> Bild des Monats<br />

06 Leserbriefe<br />

07 Zitate des Monats<br />

08 <strong>COMPACT</strong> Intern<br />

09 Inter-national<br />

10 Köpfe des Monats<br />

Titelthema<br />

11 Die neue Christenverfolgung<br />

von Martin Müller-Mertens/<br />

Federico Bischoff<br />

15 Die Unterwerfung<br />

von Nils Röcke<br />

16 «Hat nichts mit dem Islam zu tun»<br />

von Adrian F. Lauber<br />

17 «Wir verharmlosen die faschistische<br />

Ideologie des Islam»<br />

Interview mit Imad Karim<br />

20 Auf Einladung der Kanzlerin<br />

von Jürgen Elsässer<br />

23 Der Schöngeist und die Umvolkung<br />

von Akif Pirinçci<br />

26 Die letzten Aramäer im Tur Abdin<br />

von Fritz Poppenberg<br />

Politik<br />

29 Wenn Propaganda über Leichen geht<br />

von Marc Dassen<br />

32 Germany, all-inclusive<br />

von Hans-Hermann Gockel<br />

35 Geschichten vom Pferd<br />

von Jürgen Elsässer<br />

36 Feuer im schwarzen Garten<br />

von Martin Müller-Mertens<br />

38 Sklaven des Mikrochips<br />

von Tino Perlick<br />

Dossier<br />

42 «Koalitionen sind derzeit kein Thema»<br />

Interview mit Dr. Jörg Meuthen<br />

45 Haiders Aufstieg, Haiders Fall<br />

von Klaus Faißner<br />

48 Zwischen Joschka und Jutta<br />

von Jürgen Elsässer<br />

50 «Nur durch eine Volkserhebung<br />

aufzuhalten»<br />

von Rudolf Bahro<br />

Leben<br />

53 Gestorben auf Golgatha<br />

von Harald Harzheim<br />

56 Zurück zum echten deutschen Bier!<br />

von Peter Wiegrefe<br />

59 Die Hexen sind los!<br />

von Pia Lobmeyer<br />

62 Die Wurzel vieler Übel<br />

von Jan von Flocken<br />

65 BRD-Sprech _ Einfache Antworten<br />

von Manfred Kleine-Hartlage<br />

66 Harzheims Klassiker _ 1001 Nacht<br />

von Harald Harzheim<br />

<strong>COMPACT</strong> Impressum<br />

Herausgeber & Verlag<br />

<strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong> GmbH<br />

Geschäftsführer Kai Homilius<br />

Am Zernsee 9, 14542 Werder (Havel)<br />

E-Mail verlag@compact-magazin.com<br />

Website www.compact-online.de<br />

Vertrieb, Bestellungen, Abo-Betreuung<br />

Fon 03327-5698611<br />

Fax 03327-5698617<br />

E-Mail vertrieb@compact-magazin.com<br />

Bankverbindung <strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong> GmbH<br />

Mittelbrandenburgische Sparkasse<br />

BIC: WELADED1PMB<br />

IBAN: DE74 16<strong>05</strong> 0000 1000 9090 49<br />

Redaktion<br />

E-Mail redaktion@compact-magazin.com<br />

Chefredakteur Jürgen Elsässer (V.i.S.d.P.)<br />

Chef vom Dienst Martin Müller-Mertens<br />

Fotoquelle Cover<br />

Suricoma/Vernon Wiley – istockphoto.com<br />

Cover/Layout/Bild Steffen Jordan<br />

<strong>COMPACT</strong>-Online Arne Fischer<br />

E-Mail fischer@compact-magazin.com<br />

Anzeigenakquise<br />

E-Mail anzeigen@compact-magazin.com<br />

Printed in Germany<br />

Druckauflage dieser Ausgabe<br />

85.000 Exemplare<br />

Erscheinungsdatum der nächsten Ausgabe<br />

26.<strong>05</strong>.<strong>2016</strong>


<strong>COMPACT</strong> Bild des Monats<br />

Panama Papers: Dazu hat Janosch schon das Notwendige gesagt. Panama ist der Sehnsuchtsort für den kleinen Bär und den kleinen Tiger. Sie machen sich gemeinsam auf die<br />

Reise, laufen aber nur im Kreis herum und bekommen Südamerika nie zu sehen. Auch die nach demselben Land benannten Steuerbetrugsdokumente hat noch niemand vor Augen<br />

gehabt. Sie sind im Tresor einer US-gesponserten Investigativtruppe und werden jetzt der Reihe nach so ausgeschlachtet, wie es Uncle Sam für opportun hält.<br />

Foto: peter/beltz& gehlberg<br />

5


<strong>COMPACT</strong> Leserbriefe<br />

Leserbriefe schicken Sie bitte an: leserbrief@compact-magazin.com<br />

Merkel im<br />

Erdowahn<br />

Die türkische Kanzlerin<br />

AfD-Triumph<br />

Klatsche für Blockparteien<br />

Bargeld-Verbot<br />

Die digitale Enteignung<br />

HC Strache<br />

Das große Interview<br />

Spur zum Mossad<br />

Der Barschel-Krimi<br />

Ausgabe 4/<strong>2016</strong> | 4,95 EUR<br />

www.compact-online.de<br />

Mein Abo letztes Jahr war eine sehr gute Entscheidung.<br />

Hier bekomme ich die mir fehlenden<br />

Informationen, um mir ein eigenes Bild<br />

machen zu können. Im Gegensatz zu den «Eliten»-Medien<br />

habe ich, trotz kritischer Betrachtung,<br />

noch keine Täuschung der Leser wahrgenommen.<br />

Bitte weiter so.<br />

K. Becker, per Website-Kommentar<br />

Sie überraschen mich immer wieder neu, Herr<br />

Elsässer. Monat für Monat freue ich mich auf<br />

das <strong>Magazin</strong> und dann wird alles zur Seite gelegt.<br />

Danke für so viel Mut!<br />

Bea Probst, per Facebook-Kommentar<br />

<strong>COMPACT</strong> kritisiert zu Recht das Abkommen<br />

der EU mit der Türkei. Es kann zu einer moslemischen<br />

Masseneinwanderung führen. Das<br />

strebt Erdogan wohl an.<br />

Rolf Michael Kiesen, per Website-Kommentar<br />

Der Türkei-Deal ist Kuhhandel und Hütchenspiel<br />

zugleich. Dieses Merkel-Regime gehört<br />

sofort abgesetzt. Was die Kurden angeht: Wir<br />

haben jetzt schon Messerstechereien zwischen<br />

Türken und Kurden, mit denen die Polizei<br />

überfordert ist. Uns erwartet ein Multikulti-Bürgerkrieg.<br />

angry management, per Youtube-Kommentar<br />

6<br />

Dossier: US-Wahlen<br />

Präsidentin Killary und die Neocons<br />

Zu <strong>COMPACT</strong> allgemein<br />

Liebes <strong>COMPACT</strong>-Team, ich habe mir gestern<br />

zum ersten Mal eine <strong>COMPACT</strong>-Ausgabe gekauft<br />

und muss sagen, dass dieses <strong>Magazin</strong><br />

wesentlich mehr Tiefe, Inhalt und journalistischen<br />

Fleiß beinhaltet als mein ehemaliges<br />

Stammheft, der Focus. Besonders der Artikel<br />

über Assad hat mich sehr angesprochen, da<br />

sich der Inhalt mit vielem deckt, was mir syrische<br />

Freunde berichtet haben. Ich werde weiterhin<br />

<strong>COMPACT</strong> kaufen und das Heft weiterempfehlen.<br />

Nathan Samuel I., per E-Mail<br />

Ich lese das <strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong> nun seit drei<br />

Jahren und habe noch keine einzige Ausgabe<br />

bereut, denn jede war sehr informativ und<br />

fundiert. Besonderen Spaß hatte mein Vater<br />

an dem Titelbild der letzten Ausgabe! Vielen<br />

Dank, liebe <strong>COMPACT</strong>-Mannschaft und weiter<br />

so! Anja, per Website-Kommentar<br />

Es gibt leider nur sehr wenige Zeitschriften<br />

wie <strong>COMPACT</strong>, die auch Themen aufgreifen,<br />

die den Mainstream-Medien widersprechen.<br />

Hut ab vor Herrn Elsässer und seinem Team.<br />

Weiter so. <br />

<br />

Bodega, per Website-Kommentar<br />

Viel Kraft Ihnen. Als nationalkonservativer<br />

Deutscher hat man heute wieder mehr Hoffnung<br />

denn je. Danke <strong>COMPACT</strong>!<br />

Juergen Ettinger, per Facebook-Kommentar<br />

Heute habe ich mir das Heft und <strong>COMPACT</strong><br />

Spezial am Bahnhof in Hannover gekauft. Die<br />

Verkäuferin behandelte mich wie einen Aussätzigen.<br />

Es sind noch einige «aufzuklären».<br />

Michael Theren, per Facebook-Kommentar<br />

Umso mehr die etablierten Blätter gegen<br />

<strong>COMPACT</strong> hetzen, umso neugieriger werden<br />

alle vernünftigen Leser nach <strong>COMPACT</strong> spähen!<br />

Jetzt bloß nicht nachlassen und keine<br />

Schnitzer machen. Einfach nur die Fakten publizieren,<br />

welche die Lügenpresse vertuschen<br />

will. Das reicht schon, um die Auflage explodieren<br />

zu lassen!<br />

Florian Hohenwarter, per Website-Kommentar<br />

<strong>COMPACT</strong> ist derzeit eine der wenigen Alternativen<br />

gegen die einseitige Berichterstattung<br />

in unseren Lei(d)tmedien. Ich habe diese Zeitschrift<br />

vor einem Jahr abonniert und bin froh,<br />

dies getan zu haben. Es freut mich zu hören,<br />

dass die Auflage drastisch angestiegen ist.<br />

Klaus Brill, per Website-Kommentar<br />

Zum Titelthema<br />

«Merkel im Erdowahn»<br />

Wieder einmal ein<br />

wahrlich genialer Titel!<br />

Die neue Kooperation<br />

mit dem Sultan aus der Türkei ist nur ein Ablenkungsmanöver.<br />

Es wird weitergehen wie<br />

zuvor.<br />

Selbstschutz-Deutschland, per Youtube-Kommentar<br />

Die EU will unabhängig von russischem Gas werden,<br />

und das neue Drehkreuz („energy hub“) für<br />

die Öl- und Gasversorgung der EU ist die Türkei.<br />

GeoPolitik und Zeitgeschichte, per Youtube-Kommentar<br />

Hatte heute die neue Ausgabe im Briefkasten.<br />

Musste richtig lachen beim Cover.<br />

Nico‘s Hobbykanal, per Youtube-Kommentar<br />

Tolles Titelbild. Humor ist Trumpf.<br />

Franz Kahn, per Facebook-Kommentar<br />

Merkel war schon amerikanische Kanzlerin<br />

und jetzt türkische Kanzlerin, nur deutsche<br />

Kanzlerin (halt eben ein Staatsoberhaupt, das<br />

sich für sein Volk einsetzt) war sie noch nicht!<br />

Klaus Brill, per Facebook-Kommentar<br />

Zu «Die digitale<br />

Enteignung»<br />

In dem Artikel von Boehringer/Hanert<br />

werden<br />

zwei wichtige Themen<br />

unzulässig miteinander vermischt. Zum einen<br />

die von den Eliten betriebene Abschaffung des<br />

Bargeldes, welche in der Tat die ultimative<br />

Freiheitsberaubung darstellt. Und zum anderen<br />

die im Kern durchaus richtige Idee eines<br />

negativen Zinses, der die Bargeldhortung als<br />

deflationären Eingriff in einen stetigen Wirtschaftskreislauf<br />

verhindern helfen kann. Allerdings<br />

zäumt die EZB das Pferd (absichtlich?)<br />

von der falschen Seite auf, indem sie die Einlagen<br />

der Geschäftsbanken unter Strafzins<br />

stellt. Richtiger wäre die abgestufte Negativverzinsung<br />

auf ausschließlich Bargeld. Grundsatz<br />

muss sein: Je kürzer Geld verfügbar, desto<br />

höher der Negativzins darauf. <br />

Peter Zimmermann, per E-Mail<br />

Zum Dossier: US-<br />

Wahlen<br />

Trump ist Anti-Establishment,<br />

keine Sprechpuppe,<br />

deshalb sollte er‘s<br />

werden, deshalb wird er‘s nicht (und wenn<br />

er‘s wird, wird er umgebracht, wie der Supreme-Court-Richter<br />

Scalia neulich)! Außerdem<br />

will Trump dann auch noch eine wirkliche Aufklärung<br />

zu 9/11, was natürlich einigen mächtigen<br />

Neocons Schweißausbrüche verursacht.<br />

Michael E., per Youtube-Kommentar


<strong>COMPACT</strong> Zitate des Monats<br />

Himmel hilf: Kirchen brennen! Foto: Archiv<br />

Krieg gegen Christen<br />

«Jesus hat eine Herausforderung hinterlassen:<br />

Liebet Eure Feinde! Betet für die, die Euch verfolgen!<br />

(…) Wir sollten versuchen, den Terroristen<br />

mit Beten und Liebe zu begegnen.» (Die<br />

evangelische Theologin Margot Käßmann, Bild am<br />

Sonntag, 27.3.<strong>2016</strong>)<br />

«Wir versprechen den Kreuzzügler-Staaten,<br />

welche sich gegen den Staat des Islams verbündet<br />

haben, schwarze Tage!» (IS-Terrorist<br />

nach den Anschlägen von Brüssel am 22. März,<br />

Welt am Sonntag, 27.3.<strong>2016</strong>)<br />

«Alle Welt redet über die Muslime, und das<br />

ist auch gut so. (…) Aber da gibt es noch eine<br />

Weltreligion, die unter dem Terror und Krieg<br />

in Nah- und Mittelost bitter leidet: die Christen.<br />

Ihre Zahl ist im Irak seit dem Einmarsch<br />

der USA vor nunmehr 13 Jahren dramatisch<br />

gesunken. Lebten dort vorher fast anderthalb<br />

Millionen von ihnen, sind es heute gerade mal<br />

300.000.» (Tagesspiegel Online, 30.3.<strong>2016</strong>)<br />

«Vor allem wenn es um Provokationen religiöser,<br />

genauer: christlicher Gefühle geht, geht in<br />

Deutschland alles. (…) Ähnlich, wenn die Titanic<br />

den Papst in einem Ganzkörper-Kondom<br />

oder mit einem Urinfleck auf dem Gewand<br />

zeigt. Sobald es gegen die katholische Kirche<br />

geht, ist das Lachen des Justemilieu programmiert.<br />

Es kann gar nicht respektlos und verletzend<br />

genug sein.» (Springer-Chef Mathias Döpfner,<br />

Die Welt, 10.4.<strong>2016</strong>)<br />

Fünf vor Bumm<br />

«Berlins Verfassungsschutzchef Palenda hatte<br />

im Februar von Erkenntnissen gesprochen,<br />

nach denen der Islamische Staat ”eine europaweite<br />

Anschlagsagenda verfolgt, zielgerichtet<br />

auf alle europäischen Großstädte”.<br />

(…) Auf einer Veranstaltung mit Politikern hatte<br />

Palenda auf die Frage, wie denn eine ”abstrakte<br />

Gefahr” zu verstehen sei, sehr pointiert<br />

formuliert: ”Höher geht es nicht. Alles, was<br />

danach kommt, ist Bumm.”» (Tagesspiegel Online,<br />

24.3.<strong>2016</strong>)<br />

Der Genosse der Bosse<br />

«Ich wurde schon von Arbeitgebern angesprochen,<br />

die sich Sorgen machen, dass nun keine<br />

Flüchtlinge mehr zu uns kommen.» (Thüringens<br />

Ministerpräsident Bodo Ramelow, Die Linke,<br />

Welt Online, 25.3.<strong>2016</strong>)<br />

Operation Billiglohn<br />

«Die SPD-Politikerin [Andrea Nahles] will<br />

100.000 Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge<br />

schaffen. (…) sie bekommt dafür 300 Millionen<br />

Euro. (…) Nun also sind die Ein-Euro-<br />

Jobs im großen Stil wieder da – für Flüchtlinge<br />

statt für Langzeitarbeitslose.» (Welt am<br />

Sonntag, 27.3.<strong>2016</strong>)<br />

Die verlorenen Kinder<br />

«Europol: mindestens 10.000 alleinreisende<br />

Flüchtlingskinder spurlos verschwunden. Europol<br />

warnt, ein Teil der Jungen und Mädchen<br />

könnte Opfer der Sex-Mafia geworden<br />

sein. Die Polizeigewerkschaft glaubt, dass viele<br />

der Kinder zu Kriminellen abgerichtet werden.»<br />

(Huffington Post Online, 30.3.<strong>2016</strong>)<br />

Hände weg vom Bargeld<br />

«Schweden ist auf dem Weg in die bargeldlose<br />

Gesellschaft. (…) Die Hälfte der Bankfilialen<br />

führt gar kein Bargeld mehr. In den anderen<br />

wird auch schon mal Polizei eingeschaltet,<br />

wenn Menschen mit Bargeld kommen.» (Welt<br />

Online, 30.3.<strong>2016</strong>)<br />

wie ”Ich hasse alle beschissenen Feministinnen,<br />

sie sollen sterben und in der Hölle brennen”<br />

bis zu ”Hitler hatte recht, ich hasse Juden”.»<br />

(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.3.<strong>2016</strong>)<br />

Kein Aprilscherz<br />

«In einem Schulbus in Virginia ist explosive Ladung<br />

gefunden worden: Agenten des US-Geheimdiensts<br />

CIA hatten in dem Fahrzeug nach<br />

einer Übung Sprengstoff zurückgelassen. (…)<br />

Der Geheimdienst versicherte aber, es habe<br />

”keine Gefahr für die Insassen” bestanden.»<br />

(Spiegel Online, 1.4.<strong>2016</strong>)<br />

Angst vor dem Volk<br />

«Plebiszitäre Elemente zu europäischer Politik,<br />

die so angelegt sind wie die gestrige Abstimmung,<br />

können die EU in ihrem Bestand gefährden.»<br />

(Die Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament<br />

Rebecca Harms, zum Referendum der<br />

Niederländer über die EU-Assoziierung der Ukraine,<br />

Kölner Stadt-Anzeiger, 8.4.<strong>2016</strong>)<br />

Der Russe ist überall<br />

«Eine geheime Armee aus Saboteuren und<br />

Spionen, die nur auf ihren Einsatzbefehl aus<br />

Moskau warten. Nach Ansicht des Russland-<br />

Experten Boris Reitschuster ist dies (…) längst<br />

Realität in Deutschland. Reitschusters Vorwurf:<br />

Der russische Präsident Wladimir Putin<br />

soll eine verdeckte Kampftruppe in Deutschland<br />

und anderen Ländern des Westens unterhalten.»<br />

(Huffington Post Online, 11.4.<strong>2016</strong>)<br />

Demokratie abschaffen!<br />

«Alle klagen über den Mangel an Demokratie.<br />

Aber Wahlen sind nicht die Lösung. Es ist<br />

paradox: Wer Demokratie will, darf die Menschen<br />

nicht direkt befragen. (…) Sollen die<br />

Menschen an den politischen Entscheidungen<br />

mehr beteiligt werden? Bloß nicht. (…) Denn<br />

beim Volk, das ist eine paradoxe Wahrheit, ist<br />

die Demokratie nicht gut aufgehoben.» (Jakob<br />

Augstein, Spiegel Online, 11.4.<strong>2016</strong><br />

Kein Sex mit Pegida?<br />

Microsofts Hitler<br />

«Gehen oder bleiben? Mein Freund ist fremdenfeindlich.<br />

Über ein Datingportal lernt Lena<br />

einen tollen Mann kennen. Nach einer Weile<br />

stellt sie fest: Ihr Freund vertritt politische<br />

Meinungen, die sie für abstoßend hält. Und<br />

nun?» (brigitte.de, 11.3.<strong>2016</strong>)<br />

«Tay (…), eine künstliche Intelligenz aus dem<br />

Hause Microsoft (…) war programmiert, per<br />

Twitter mit der Welt zu kommunizieren und<br />

durch die Gespräche dazuzulernen. (…) Doch<br />

binnen kürzester Zeit brachten die Gespräche<br />

mit Menschen sie dazu, Sätze zu tweeten<br />

Scharia-Look im Kommen: Dolce & Gabbana bewirbt<br />

seine neue Kollektion. Foto: Dolce&Gabbana<br />

7


<strong>COMPACT</strong> Intern<br />

Reger Betrieb am <strong>COMPACT</strong>-Stand. Foto: Jörg Gründler<br />

Dieses Bild twitterte der Blogwart. Foto: Twitter/<br />

@rakeeede<br />

Der Gottseibeiuns auf dem Cover. Foto: Kreuzer<br />

Meteorit <strong>COMPACT</strong><br />

Blogwartschreck <strong>COMPACT</strong><br />

Schutzschirm <strong>COMPACT</strong><br />

8<br />

Bei <strong>COMPACT</strong> wächst nicht nur die Auflage.<br />

Auch der Umfang unseres schon traditionellen<br />

Auftritts auf der Leipziger Buchmesse<br />

hat sich <strong>2016</strong> gut und gerne verdoppelt.<br />

«In Halle 5 thront der Stand des <strong>Magazin</strong>s<br />

wie ein eingeschlagener Meteorit. Schon von<br />

Weitem ist der schwarze Quader sichtbar, der<br />

über dem Messestand zu schweben scheint»,<br />

schrieb die Taz nervös. Der Andrang war riesig,<br />

überall sah man Besucher mit den begehrten<br />

<strong>COMPACT</strong>-Taschen.<br />

Besondere Höhepunkte waren unsere Veranstaltungen<br />

im Sachbuchforum. Dabei stellten<br />

der Philosoph Peter Feist und Martin Müller-Mertens,<br />

Chef vom Dienst unseres <strong>Magazin</strong>s,<br />

am Freitag das neue <strong>COMPACT</strong> Spezial<br />

Nummer 9 – Zensur in der BRD vor. Einen<br />

Tag später diskutierten <strong>COMPACT</strong>-Verleger<br />

Kai Homilius und der Medienwissenschaftler<br />

Professor Michael Vogt über die Erfolgsgeschichte<br />

«Fünf Jahre <strong>COMPACT</strong>». Jeweils<br />

rund 100 Messebesucher, darunter viele unserer<br />

Leser, verfolgten aufmerksam die beiden<br />

Diskussionsrunden.<br />

Auch die Gegner von Meinungs- und Pressefreiheit<br />

gaben sich regelmäßig ein Stelldichein<br />

in der Nähe unseres Standes. An einer<br />

sachlichen Debatte, zu der wir unsere Kritiker<br />

herzlich einluden, schien kein Interesse<br />

zu bestehen. Jeweils pünktlich um 14:30 Uhr<br />

reckte ein Pulk selbsternannter Verleger gegen<br />

Rechts irgendwelche Schriften in die Höhe, um<br />

sich lautstark zu echauffieren. Die Leipziger<br />

und ihre Gäste quittierten den Aufmarsch der<br />

Antidemokraten jedoch höchstens mit einem<br />

müden Lächeln. Unser Sicherheitsdienst hielt<br />

die Schreihälse routiniert auf Distanz.<br />

Selten wurden die Warnungen von COM-<br />

PACT über den Demokratieabbau so beeindruckend<br />

bestätigt wie im April in Hamburg. Eine<br />

Edeka-Filiale im Bezirk Altona bot unter anderem<br />

auch das <strong>COMPACT</strong> Spezial Nummer 9 –<br />

Zensur in der BRD an. Sogar recht herausgehoben<br />

war das 82 Seiten starke Sonderheft<br />

platziert: Der Einzelhändler kennt eben den<br />

Geschmack seiner Kunden. Dort fiel es auch<br />

einem Benjamin Laufer, seines Zeichens unter<br />

anderem «AutorIn» bei der Taz, sowie einem<br />

Zeit-Mitarbeiter ins Auge.<br />

Vermutlich hyperventilierend griff Laufer<br />

zur Kamera, um die Twitter-Gemeinde mittels<br />

verwackelter Aufnahme darüber in Kenntnis<br />

zu setzen. Wie es sich für einen wackeren<br />

Neo-Blogwart gehört, beschwerte sich der<br />

35-Jährige umgehend bei der Filiale. Eilfertig<br />

lief der Edeka-Händler daraufhin in die Zensurfalle<br />

und nahm das <strong>COMPACT</strong> Spezial aus<br />

dem Angebot. Irgendwann fiel sogar Laufer<br />

auf, dass sein Nazi-Alarm selbst in der eigenen<br />

Zielgruppe nicht mehr ankommt. «Gerade<br />

mal zehn Menschen ”gefällt” der Tweet bisher»,<br />

jammerte er auf seinem Blog nach einigen<br />

Tagen.<br />

Um den ausgebliebenen Shitstorm zu kompensieren,<br />

sprang die Lügenpresse in die Bresche.<br />

«Was Edeka-Kunden im Supermarkt fanden,<br />

sorgt für einen Skandal», halluzinierte die<br />

Huffington Post. «Am Anfang war es nur ein<br />

Post auf Twitter – doch der verbreitete sich wie<br />

ein Lauffeuer», berichtete Focus Online aus irgendeinem<br />

Paralleluniversum. Dankbar waren<br />

immerhin die Leser. In den entsprechenden Onlineforen<br />

freuten sich viele, auf diesem Weg<br />

auf <strong>COMPACT</strong> aufmerksam geworden zu sein.<br />

Die großen Medien schießen sich immer<br />

stärker auf <strong>COMPACT</strong> ein: Anfang April das<br />

heute-journal im ZDF, schon Ende März große<br />

Tagesblätter wie die Leipziger Volkszeitung,<br />

die Hannoversche Allgemeine und die Ostsee<br />

Zeitung, Gesamtauflage über 800.000 Exemplare.<br />

Unter der Überschrift «Zentralorgan der<br />

Parallelgesellschaft – Wie der Ex-Linke Jürgen<br />

Elsässer mit <strong>COMPACT</strong> den Takt für AfD<br />

und Pegida vorgibt» wurde zwar ordentlich gegen<br />

uns geholzt – aber zwischen den Zeilen<br />

guckte der Neid aus allen Knopflöchern: «Sein<br />

<strong>Magazin</strong> spielt eine ähnliche Rolle wie Konkret<br />

für die Studentenbewegung und die frühe<br />

Taz für die frühen Grünen. Es spannt einen publizistischen<br />

Schirm über die ganze Bewegung,<br />

ventiliert deren Gedanken, die an ganz unterschiedlichen<br />

Stellen wieder auftauchen. So<br />

sehr sich AfD und Pegida inzwischen streiten<br />

mögen, Elsässer vereinigt alle Strömungen<br />

und beschleunigt sie.» <strong>COMPACT</strong> als das<br />

einende Band des Protestes – ein schönes<br />

Kompliment!<br />

Das Leipziger Linksmagazin Kreuzer – beworben<br />

mit dem passenden Slogan «Leipzig.<br />

Subjektiv. Selektiv.» – hievte Elsässer gar aufs<br />

Titelbild und warnte mit einer zehnseitigen<br />

Story vor dem bösen Umstürzler. «Während<br />

andere ”Merkel muss weg” schreien, entwirft<br />

Elsässer in seiner Zeitschrift <strong>COMPACT</strong> das<br />

dreistufige Programm dafür. (…) Für Tausende<br />

treue Leser aber ist die <strong>COMPACT</strong> viel mehr.<br />

Wahrheiten, die ihnen die ”Mainstreammedien”<br />

und ”Blockparteien” verschweigen, werden<br />

ihnen hier enthüllt (…). Den Chefredakteur<br />

Jürgen Elsässer verehren sie dafür wie<br />

einen Helden.» Zu viel des Lobes, liebe Kollegen!


<strong>COMPACT</strong> Inter-national<br />

Budapest: Im Dampfbad<br />

_ von Felix Ostermann<br />

Aarhus: In der Moschee<br />

_ von Fritz Poppenberg<br />

Graz: Auf dem Dach<br />

_ von Martin Sellner<br />

Es gab Zeiten, da reichte das Osmanische<br />

Reich bis vor die Tore Wiens. In Budapest zeugen<br />

heute, neben einigen dem Verfall preisgegebenen<br />

Moscheen, noch intakte türkische<br />

Dampfbäder von dieser Ära, auf die das ungarische<br />

Volk nicht unbedingt freudig zurückblickt.<br />

Aber nicht nur die Osmanen verstanden<br />

sich auf die Entspannung im heißen Wasser,<br />

sondern auch die Einheimischen. Davon zeugt<br />

das Gellértbad, 1912 im Jugendstil errichtet<br />

– die wohl schönste Therme der Stadt. Durch<br />

angloamerikanische Bomber im Zweiten Weltkrieg<br />

massiv zerstört, wurde es schon Ende der<br />

1950er Jahre in seiner ursprünglichen Pracht<br />

rekonstruiert und seither mehrfach renoviert.<br />

Nachdem ich meine müden Knochen in den<br />

heißen Becken ausgekocht habe, schmecken<br />

die gegrillten Käse-Medaillons auf Jasminreis<br />

in Buttersauce superb. Am Nachbartisch sitzen<br />

zwei Österreicher. Im schönsten Austriakisch<br />

wird über den deutschen Suppenkasper<br />

diskutiert. Es vergehen einige Sekunden, bis<br />

ich realisiere, dass damit Angela Merkel gemeint<br />

ist…<br />

Mir wird in diesem Moment wieder einmal<br />

bewusst, dass es die richtige Entscheidung<br />

war, in die Puszta-Republik auszuwandern.<br />

Das Land hat gerade vollständig seine<br />

IWF-Kredite zurückgezahlt, die Exportwirtschaft<br />

boomt mit sieben Prozent über Vorjahresniveau<br />

– und das Wichtigste: Die Grenzen<br />

sind dicht! Premier Viktor Orbán ist populär<br />

wie nie und will bald, als bisher Einziger in<br />

der EU, das Volk über seine Zuwanderungspolitik<br />

abstimmen lassen. So geht Demokratie!<br />

Tausend Dank an den dänischen Fernsehsender<br />

TV2, der Anfang April den Mut hatte,<br />

in acht Moscheen mit versteckter Kamera zu<br />

filmen und diese Aufnahmen landesweit auszustrahlen!<br />

Zur besten Sendezeit konnten Millionen<br />

Dänen schon mal einen Blick in den Abgrund<br />

werfen, den Imame in Kopenhagen, Aarhus<br />

und Odense für ihre nordischen Gastgeber<br />

ausgehoben haben. Der Prediger Abu Bilal<br />

von der Grimhøjvej-Moschee in Aarhus droht<br />

im Film: «Wenn eine verheiratete oder geschiedene<br />

Frau Unzucht begeht, (…) so soll<br />

sie zu Tode gesteinigt werden. (…) Wenn sie<br />

noch Jungfrau ist, dann ist die Strafe Auspeitschung!»<br />

Solche Hasspredigten sind nicht<br />

nur ein Fall für die Justiz, sondern vor allem<br />

ein frontaler Angriff auf die christlichen Fundamente<br />

der dänischen Gesellschaft. Wie<br />

sagte Jesus zu denen, die eine Ehebrecherin<br />

auf diese Weise bestrafen wollten? «Wer<br />

ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.»<br />

Der sozialdemokratische Bürgermeister<br />

von Aarhus, Jacob Bundsgaard, reagierte sofort,<br />

schon nach der Ausstrahlung des ersten<br />

Teils der Dokumentation. Er erklärte, den Bau<br />

einer geplanten Großmoschee in Aarhus verhindern<br />

zu wollen und hat schon eine deutliche<br />

Mehrheit des Stadtrats hinter sich. Und<br />

die Dänische Volkspartei, immerhin die größte<br />

Partei im Lande, schlug vor, Predigern, die gegen<br />

die Grundwerte der dänischen Gesellschaft<br />

verstoßen, die Staatsbürgerschaft zu<br />

entziehen. Der Vorschlag könnte bis zur Sommerpause<br />

in Gesetzesform gebracht werden.<br />

Am Nachmittag des 6. April sammeln sich<br />

rund 30 Aktivisten der Identitären Bewegung<br />

an einem konspirativen Treffpunkt in Graz.<br />

Der Plan: Als Reaktion auf den Terror in Brüssel<br />

soll die neue Moschee, die gerade in der<br />

Stadt errichtet wird, besetzt und mit einem<br />

16 Meter langen Banner verziert werden. Auf<br />

einmal meldet sich einer unserer Späher: Die<br />

Moschee-Baustelle ist bereits von einer Hunderschaft<br />

Polizisten samt Hundestaffel und<br />

Greiftruppe umstellt! Ein vorab informierter<br />

Journalist hat offenbar geplaudert… Die Aktion<br />

steht vor dem Scheitern.<br />

Doch ein weiteres Ziel liegt unbewacht nur<br />

wenige Kilometer entfernt: die Parteizentrale<br />

der Grünen, ein mehrstöckiges Haus am Fuße<br />

des Schlossbergs. Ist das nicht auch ein Symbol<br />

für die Masseneinwanderung und die Multikulti-Politik,<br />

die Graz zur Dschihad-Hochburg<br />

gemacht hat?<br />

Kurz vor 17 Uhr werden die Spitzen der<br />

grünen Landespartei, die sich zur Vorbereitung<br />

des Präsidentschaftswahlkampfes versammelt<br />

haben, plötzlich von Lärm aus ihren<br />

Gesprächen gerissen. Fassungslos beobachten<br />

sie, wie fünf Identitäre das Transparent<br />

mit dem Slogan «Islamismus tötet!» entrollen<br />

und mit mehreren Litern Kunstblut überschütten.<br />

Beim Eintreffen der Polizei ist die<br />

Aktion schon beendet – trotzdem wird sie binnen<br />

Stunden Tagesthema in der Alpenrepublik.<br />

Unsere Botschaft ist so unübersehbar wie der<br />

Farbfleck auf der Parteizentrale: Wir werden<br />

nicht schweigend abwarten, dass auch in Österreich<br />

ein Terroranschlag geschieht.<br />

9


<strong>COMPACT</strong> Köpfe des Monats<br />

Foto: Video N24, Screenshot<br />

Foto: picture alliance/dpa<br />

Foto: frei-wild.net<br />

Aufsteiger des Monats<br />

_ Sieglinde Baumert<br />

Absteiger des Monats<br />

_ David Cameron<br />

Was macht eigentlich<br />

_ Frei.Wild<br />

10<br />

Nach 61 Tagen öffneten sich im April die<br />

Gefängnistore für Sieglinde Baumert. «Zwei<br />

Wärterinnen standen auf einmal bei mir an<br />

der Zellentüre und sagten: ”Sie sind jetzt entlassen.”»,<br />

berichtete die 46-Jährige gegenüber<br />

N24. Im Februar hatte der Mitteldeutsche<br />

Rundfunk (MDR) Baumert einkerkern lassen,<br />

da sie seit 2013 die Zahlung der zum sogenannten<br />

Rundfunkbeitrag verniedlichten GEZ-<br />

Zwangsgebühr verweigert. Rund 190 Euro verlangte<br />

die ARD-Anstalt zuletzt von der Thüringerin,<br />

beantragte schließlich Erzwingungshaft.<br />

Anfang Februar holte die Polizei Baumert im<br />

Stile stalinistischer Säuberungsaktionen an<br />

ihrem Arbeitsplatz ab.<br />

Die ganze Zeit über blieb diese eine stille<br />

Heldin. Über ihr Privatleben ist praktisch<br />

nichts bekannt. Sie arbeitete ursprünglich als<br />

Erzieherin in einer Kita, war zuletzt in einem<br />

Metallbaubetrieb tätig – verlor die Stelle jedoch<br />

nach ihrer rabiaten Inhaftierung. Erst<br />

nach einem Bericht der Welt am Sonntag wurde<br />

der Fall mit fast zwei Monaten Verspätung<br />

öffentlich gemacht. Gegenüber dem Blatt zeigte<br />

sich Baumert als ungebrochene politische<br />

Gefangene. «Mit meiner Unterschrift [unter<br />

die geforderte Finanzauskunft] würde ich die<br />

Rechtmäßigkeit der Zwangsgebühren bestätigen.»<br />

Die Veröffentlichung hatte ungeahnte<br />

Folgen: Unzählige Medien griffen den Fall auf,<br />

im Internet formierte sich breite Unterstützung<br />

für die Unbeugsame. Angesichts des drohenden<br />

Imagedebakels zog der MDR den Haftantrag<br />

zurück – vorerst zumindest. Denn Sieglinde<br />

Baumert will nicht klein beigeben und auch<br />

künftig nicht bezahlen. (mmm)<br />

Gerne inszeniert er sich als «modernen,<br />

mitfühlenden Konservativen». Doch nun<br />

tauchte der Name des britischen Premierministers<br />

neben denen anderer Spitzenpolitiker<br />

in den sogenannten Panama Papers auf. Hatte<br />

er sein Privatvermögen durch Briefkastenfirmen<br />

geschleust? Schon 1997 investierte<br />

der heute 49-Jährige in einen dubiosen Fond,<br />

2010 – unmittelbar vor seiner Wahl zum Ministerpräsidenten<br />

– verkaufte er seine Anteile<br />

mit 100 Prozent Gewinn. «Die sonst nur<br />

von zynischen, alten Linken behauptete Verfolgung<br />

korrupter Klasseninteressen wird plötzlich<br />

zum unwiderlegbaren Fakt», kommentierte<br />

der linksliberale Guardian. Dass Cameron<br />

sein skandalträchtiges Investment erst nach<br />

drei Tagen eingestand, heizte den Skandal<br />

noch zusätzlich an.<br />

Nun könnte es eng werden für den Premier,<br />

denn am 23. Juni stimmen die Briten über ihre<br />

weitere Mitgliedschaft in der EU ab. Das Referendum<br />

war von Cameron ursprünglich nur als<br />

Druckmittel gedacht, um in Brüssel ein paar<br />

Sonderrechte für das Vereinigte Königreich<br />

herauszuholen und sich dann als Verteidiger<br />

der britischen Souveränität feiern zu lassen;<br />

die Briten würden dann schon für den Verbleib<br />

in der Union votieren. Doch mittlerweile hat<br />

sich Brexit-Stimmung im Lande breitgemacht.<br />

Gesellen sich zum überzeugten Austrittslager<br />

nun noch jene, die ihm als einem Symbol<br />

des habgierigen Establishments einen Denkzettel<br />

verpassen wollen, stünde Cameron im<br />

Juni als Verlierer da. Dann würde auch sein<br />

Stuhl wackeln. (km)<br />

Ihren süßen Triumph kosteten die Musiker<br />

noch auf der Bühne aus: Der Preis stehe<br />

«als Symbol für Standhaftigkeit, Durchhaltevermögen<br />

und Widerstand gegen Engstirnigkeit<br />

und Ausgrenzung», freute sich Frei.<br />

Wild-Sänger Philipp Burger bei der Echo-Verleihung<br />

Anfang April. Dort hatten die patriotischen<br />

Deutschrocker aus Südtirol die begehrte<br />

Musiktrophäe in der Kategorie Rock-Alternative<br />

in Empfang genommen.<br />

Die von Fans ertrotzte Preisverleihung, vor<br />

allem aber der fast angewidert-formale Applaus<br />

der Staatsmusikanten im Saal beweisen:<br />

Auch das selbstgefällige und mittlerweile<br />

stark auf politische Korrektheit bedachte<br />

Unterhaltungsestablishment stößt irgendwann<br />

an die Grenzen seines Einflusses. 2013<br />

kuschte die Echo-Jury noch vor linken Bands<br />

wie MIA und den Ärzten, zog die Nominierung<br />

von Frei.Wild trotz ihrer Verkaufserfolge<br />

zurück. Die Ausgrenzung war Resultat einer<br />

linksradikalen Hexenjagd auf die Musiker,<br />

die mit Texten wie «Sprache, Brauchtum und<br />

Glaube sind Werte der Heimat, ohne sie gehen<br />

wir unter, stirbt unser kleines Volk» ganze<br />

Hallen füllen. Dieses Mal kam alles anders.<br />

Während die Pop-Schickeria Frei.Wild<br />

schnitt, feierten die Fans ihre Rockstars erst<br />

recht ab. Das 2015 erschienene Album Opposition<br />

hat in Deutschland mittlerweile Goldstatus<br />

– über 100.000 Tonträger gingen über die<br />

Ladentheke. Zwei Shows im Dezember 2015 in<br />

Berlin und Köln waren die größten Einzelkonzerte<br />

der Bandgeschichte. Das konnte auch die<br />

Echo-Jury nicht mehr ignorieren. (ht)


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Die neue Christenverfolgung<br />

_ von Martin Müller-Mertens/Federico Bischoff<br />

Der Islamofaschismus marschiert: Weltweit sind Christen die am meisten verfolgte<br />

Religionsgemeinschaft, im Nahen Osten sind sie sogar von der Auslöschung bedroht.<br />

Auch in Deutschland geraten sie zunehmend unter Druck eines immer aggressiver<br />

auftretenden Islams.<br />

Koptische Christen bei einer Messe<br />

in Kairo. In Ägypten stellen sie etwa<br />

20 Prozent der 80 Millionen Bürger.<br />

Nach dem Sturz von Präsident<br />

Mubarak durch die Muslimbrüder<br />

2011 gab es zahlreiche Pogrome.<br />

Foto: nationalreview.com<br />

An Ostern gedenken Christen in aller Welt des auferstandenen<br />

Gottessohnes – ein Freudenfest. Doch in<br />

diesem Jahr wurde die Heilige Woche für sie zur Hölle.<br />

Am Dienstag davor schlugen islamische Terroristen in<br />

Brüssel zu – 32 Tote. Am Karfreitag nagelten muslimische<br />

Mordgesellen in der jemenitischen Hauptstadt<br />

Aden einen katholischen Pfarrer ans Kreuz, wie der<br />

Wiener Kardinal Christoph Schönborn beklagte. Der<br />

Geistliche war bereits Anfang März entführt worden,<br />

als ein Dschihad-Kommando ein Altersheim überfallen<br />

und sechzehn Mitarbeiter, darunter vier Nonnen,<br />

bestialisch ermordet hatte. Am Ostersonntag riss ein<br />

Bombenanschlag in Pakistan 70 Menschen in den Tod.<br />

«Wir haben das Attentat von Lahore begangen, weil<br />

Christen unser Ziel sind», verkündete ein Sprecher der<br />

Terrormiliz Ehsanullah Ehsan.<br />

2.000 Jahre Geschichte ausgelöscht<br />

Während in den westlichen Ländern Politik und Leitmedien<br />

vor allem vor Islamfeindschaft («Islamophobie»)<br />

warnen, ignorieren sie die Bedrohung jener Religion,<br />

die das Abendland seit bald 2.000 Jahren prägt.<br />

«Gegenwärtig ist die größte Christenverfolgung aller<br />

Zeiten im Gang», warnte die Gesellschaft für Menschenrechte<br />

(IGFM) auf einer Konferenz im November<br />

2015. Nach wie vor gibt es weltweit mehr Anhänger<br />

von Jesus als von Mohammed (aktuell 2,26 versus 1,57<br />

Milliarden). Doch jeder zehnte Anhänger des christlichen<br />

Glaubens, rund 250 Millionen Menschen, lebt<br />

in Angst vor Diskriminierung, Verfolgung und Ermordung,<br />

wie Johann Marte, Präsident der Organisation<br />

Pro Oriente, bei der IGFM-Tagung offenlegte. «Christen<br />

machen Experten zufolge rund 80 Prozent all jener<br />

Menschen aus, die wegen ihres Glaubens bedroht,<br />

misshandelt, eingesperrt oder getötet werden.» Die<br />

Organisation Open Doors nennt 50 Länder, in denen ein<br />

beträchtlicher Teil der dort lebenden rund 625 Millionen<br />

Christen direkt von Verfolgung betroffen ist. In 35<br />

der 50 Länder sei der islamische Extremismus hauptverantwortlich.<br />

Die 2010 veröffentlichte Studie The Price of Freedom<br />

Denied geht von 130.000 bis 170.000 Märtyrern<br />

pro Jahr aus – Zahlen, die kein Gehör in der Öffentlichkeit<br />

finden. Urs Gehriger machte 2012 in der Schweizer<br />

Weltwoche eine regelrechte «Verschwörung des<br />

Schweigens» aus, als deren Grund er auch die weitverbreitete<br />

Angst vor dem politisch korrekten Vorwurf<br />

der Islamophobie nannte.<br />

Die Mutter Gottes konnte das<br />

Grauen nicht verhindern.<br />

Foto: Screenshot YouTube<br />

«Bewahrt die<br />

Christen im Nahen<br />

Osten vor der<br />

Auslöschung!» <br />

Pfarrer Jaar<br />

11


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Kairo, August 2013: Brennende Kirche,<br />

Bergung von Opfern. In jenem<br />

Sommer wurden über 50 Gotteshäuser<br />

von Flammen zerstört.<br />

Fotos: Archiv<br />

Flüchtlingsheime<br />

sind für Christen zu<br />

Angstzonen verkommen.<br />

Bild rechts: Erschlagen, erstochen,<br />

verbrannt: Islamistischer Überfall<br />

auf die Kirche Our Salvation Lady in<br />

Bagdad/Irak im Jahr 2010.<br />

Foto: raymondibrahim.com<br />

Besonders dramatisch ist die Lage im Orient. Dort<br />

geht gerade die 2.000-jährige Geschichte der Christen<br />

in den Stürmen der Gewalt unter, die der sogenannte<br />

Arabische Frühling entfesselt hat. «Bewahrt die Christen<br />

im Nahen Osten vor der Auslöschung», fordert der<br />

Koordinator der Flüchtlingshilfe in Jordanien, Pfarrer<br />

Khalil Jaar. Von den insgesamt 35 Millionen Christen,<br />

deren Muttersprache Arabisch ist, leben 20 Millionen<br />

im Exil und nur noch 15 Millionen in ihren Herkunftsländern.<br />

In Syrien, wo im Jahr 1920 noch jeder dritte<br />

Bürger unter dem Kreuz betete, war es 2010 nur noch<br />

jeder zehnte, insgesamt zwei Millionen. Davon sind<br />

jetzt, nach fünf Jahren Dschihad-Aggression, gerade<br />

noch 770.000 im Land geblieben, oft als Binnenvertriebene.<br />

Auch im benachbarten Irak hat der Vormarsch der<br />

Kopf-ab-Milizen zur Entstehung «christenfreier Zonen»<br />

geführt, wie der CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder<br />

zu Jahresanfang beklagte.<br />

Bezeichnend ist das Verhalten der US-Regierung,<br />

die den IS und die verbündete al-Nusra-Front lange<br />

gefördert hat. Während Washington immer dann,<br />

wenn Muslime sich bedroht fühlten, schnell von Genozid<br />

sprach – etwa in Bosnien, im Kosovo und in Tschetschenien<br />

–, weigern sich die USA bis heute, diesen<br />

Begriff für unsere von Mord und Vertreibung geplagten<br />

Glaubensbrüder in der Levante und im Zweistromland<br />

zu verwenden. Im Unterschied dazu hat das Europaparlament<br />

in einer Resolution vom Februar <strong>2016</strong> die Christenverfolgung<br />

durch den IS als «Völkermord» gebrandmarkt<br />

– aber nur jene im Irak, nicht jene in Syrien. Die<br />

Unterscheidung ist, was das Vorgehen der Terroristen<br />

angeht, völlig unsinnig. Ihr einziger Zweck besteht<br />

darin, dass die wackeren Menschenrechtsstreiter nicht<br />

ins selbe Horn stoßen wollen wie der syrische Präsident<br />

Baschar al-Assad. Diesen hassen die Eurokraten<br />

nämlich noch mehr als den IS – obwohl in seinem Herrschaftsbereich<br />

die Angehörigen der religiösen Minderheiten<br />

immer gleichberechtigte Bürger waren – und<br />

es noch sind.<br />

Vorstoß nach Europa<br />

Dass Christen um Leib und Leben fürchten müssen,<br />

ist aber längst nicht mehr nur ein Horrorszenario aus<br />

dem Nahen Osten. Im Zuge der Migrationsflut kamen<br />

auch zigtausende Dschihadisten zu uns, die hier ihren<br />

Arabischen Frühling fortsetzen wollen, nachdem sie<br />

in Syrien dank des russischen Eingreifens vorläufig an<br />

ihre Grenzen gestoßen sind.<br />

Ihre ersten Opfer sind in der Regel diejenigen, die<br />

vor ihnen gerade geflohen waren: Unsere Flüchtlingsheime<br />

sind für Christen zu Angstzonen verkommen.<br />

Dabei geht es längst nicht mehr nur um die «Verweigerung<br />

des Gebrauchs der Toilette mit dem Hinweis<br />

auf die angebliche Unreinheit des christlichen Benutzers»<br />

oder «Androhung und Austeilen von Prügel», wie<br />

Volker Kauder im März in der Welt am Sonntag kritisierte.<br />

Im Februar <strong>2016</strong> meldete ein Bewohner der<br />

Massenunterkunft in Berlin-Tempelhof sogar einen<br />

Mordplan. Demnach unterhielten sich Moslems darüber,<br />

wie christliche Iraner am besten umgebracht werden<br />

könnten. Detailliert planten sie, die Kuffar (Ungläubige)<br />

zu verbrennen. Auch Pfarrer Gottfried Martens<br />

von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche<br />

in Berlin kennt Fälle ungehemmter Gewaltorgien.<br />

Opfer waren zum Beispiel zwei Perser, die in einem<br />

Heim im Stadtteil Dahlem beim Bibellesen erwischt<br />

wurden. «Die Wachleute [sic!] stürmten ins Zimmer,<br />

riefen: ”Die Bibel ist haram [islamischer Ausdruck für<br />

unrein]”, drückten die beiden an die Wand, schlugen<br />

und traten auf sie ein.» Mittlerweile herrsche in vielen<br />

Einrichtungen ein regelrechtes «Scharia-Klima».<br />

Wo Christen am stärksten verfolgt werden<br />

Mauretanien<br />

Kasachstan<br />

Aserbaidschan<br />

Usbekistan<br />

Türkei<br />

Turkmenistan Tadschikistan<br />

China<br />

Tunesien Syrien<br />

Afghanistan<br />

Irak Iran<br />

Algerien<br />

Jordanien<br />

Pakistan<br />

Bhutan<br />

Libyen<br />

Kuweit<br />

Ägypten<br />

Bangla-<br />

Saudi- Katar<br />

Arabien<br />

Indien desch Laos<br />

VAE<br />

Myanmar<br />

Mali<br />

Sudan<br />

Eritrea Jemen Oman<br />

Vietnam<br />

Nigeria<br />

Dschibuti<br />

Zentralafrika<br />

Somalia<br />

Äthiopien<br />

Sri Lanka<br />

Kenia<br />

Malaysia<br />

Malediven<br />

Nordkorea<br />

Mexico<br />

Kolumbien<br />

Tansania<br />

Komoren<br />

Ausmaß der Verfolgung:<br />

Absolut > 85 Punkte<br />

Extrem > 70 Punkte<br />

Schwer > 45 Punkte<br />

Mittel > 40 Punkte<br />

100 = totale Verfolgung<br />

Indonesien<br />

Quelle: Weltverfolgungsindex Open Doors, 2015<br />

12


Oft verbündet sich der Christenhass der neu Zugereisten<br />

mit dem der schon länger hier lebenden Migranten.<br />

Das hat Ajdin (Name geändert) am eigenen Leib<br />

zu spüren bekommen. Unter den giftigen Blicken eines<br />

breitschultrigen moslemischen Sicherheitsmannes<br />

betrat der iranische Christ an einem Novemberabend<br />

2015 den Speisesaal seines Flüchtlingsheimes im hessischen<br />

Hochtaunuskreis. Plötzlich hagelte es Schläge<br />

durch einen weiteren Securitymitarbeiter. «Ein anderer<br />

schubste mich zum Pfortenbereich, wo zwei weitere<br />

Wachleute auf mich warteten. Der warf mir vor,<br />

ich hätte ”scheiß Islam” gesagt. Dann prügelten mich<br />

alle Vier, durch die Faustschläge ging ich zu Boden;<br />

dann traten sie mich ins Gesicht». Dass der 31-jährige<br />

Ajdin die Attacke überlebte, war ein Wunder:<br />

«Schädelprellung, Monokelhämatom rechts, Stumpfes<br />

Thoraxtrauma, stumpfes Bauchtrauma», beschreibt<br />

der Befund der Notaufnahme mit medizinischen Fachwörtern<br />

den Leidensweg des Christen.<br />

Hätten deutsche Sicherheitsmänner einen Migranten<br />

derart malträtiert, der Aufschrei wäre in der gesamten<br />

Republik vernehmbar gewesen. Doch in diesem Fall<br />

beschwichtigten die Behörden. «Ein etwaiger religiös<br />

motivierter Hintergrund dieser Auseinandersetzung ist<br />

uns nicht bekannt», erklärte die Kreisverwaltung.<br />

Justiz erlaubt «Scheiß Christen»<br />

Wegschauen und verharmlosen ist die Devise<br />

deutscher Staatsorgane, wenn es um muslimische<br />

Aggressivität geht. Dass Mohammedaner Andersgläubige<br />

wie selbstverständlich als «Scheiß Christen»<br />

bezeichnen dürfen, ist längst amtlich abgesegnet. Die<br />

Staatsanwaltschaft Koblenz stellte 2010 ein entsprechendes<br />

Verfahren gegen die Moslems Süleyman S.<br />

und Burak U. ein, da sie keine Beleidigung erkennen<br />

konnte. «Scheiß Moslem» würde dagegen – zu Recht<br />

– zu einer Verurteilung führen. Dass an einem Berliner<br />

Gymnasium – und nicht nur dort – «Verhaltenskontrollen<br />

selbsternannter Sittenwächter gang und<br />

gäbe gewesen» seien, räumte sogar die Frankfurter<br />

Allgemeine ein. «Die Wirklichkeit verändert sich seit<br />

zehn Jahren hin zu immer mehr fundamentalistischer<br />

Religiosität», sagt die langjährige Leiterin eines Mädchentreffs<br />

im Berliner Bezirk Neukölln, Gabriele Heinemann.<br />

Sie planten, die Ungläubigen zu<br />

verbrennen.<br />

Lange ging es Vorbetern und sittenstrengen Familienoberhäuptern<br />

in deutschen Parallelkulturen jedoch<br />

weniger um gesellschaftlichen Einfluss als um die<br />

Immunisierung der eigenen Gemeinschaft gegen die<br />

Verlockungen der deutschen Kuffar. Bereits 1993 thematisierte<br />

das Lehrbuch Du und der Islam einer Münchner<br />

Koranschule etwaige Wünsche moslemischer Kinder,<br />

an Geburtstagsfeiern ihrer deutschen Freunde teilzunehmen.<br />

«Gehe besser nicht dorthin, mein liebes<br />

Töchterchen, denn Elke und ihre Eltern und ihre Freundinnen<br />

sind keine Muslime», ließ das Schundwerk<br />

einen fiktiven Vater dozieren. Inzwischen sind die so<br />

belehrten Töchterchen, vor allem jedoch ihre indoktrinierten<br />

Brüder erwachsen geworden. Fordernd pochen<br />

sie heute auf ihre dominante Sichtbarkeit im öffentlichen<br />

Raum. Beim deutschen Appeasement-Staat<br />

haben sie damit leichtes Spiel. So sieht der geplante<br />

Islamvertrag zwischen dem Land Niedersachsen und<br />

den Verbänden DITIB und Schura das Recht auf Gebetsräume<br />

in allen öffentlichen Schulen vor.<br />

«Jesus ist der Sklave von Allah»<br />

(Plakat rechts). – «Der Islam wird<br />

Rom erobern» (Plakat links): Der Sitz<br />

des Papstes wird auch in Strategiepapieren<br />

des IS als Ziel genannt.<br />

Foto: thecommentator.com<br />

Vom Islamischen Staat öffentlich<br />

gekreuzigter Christ.<br />

Foto: jems.mr-sued.de<br />

Das Kreuz steht als Verursacher im<br />

Vordergrund: «Spiegel»-Cover nach<br />

den Terroranschlägen in Brüssel am<br />

22.3.<strong>2016</strong>. Foto: Spiegel Online<br />

13


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

«Islamofaschismus»<br />

Der Begriff hat eine seltsame<br />

Karriere gemacht: Zuerst wurde<br />

er von der Bush-Administration<br />

nach dem 11. September 2001<br />

verwendet und meinte den Islam<br />

insgesamt. Als solcher wird<br />

er auch heute noch von rechten<br />

Politikern wie Geert Wilders gebraucht.<br />

Dabei wird geflissentlich<br />

übersehen, dass ein Teil der<br />

Muslime aufopferungsvoll gegen<br />

al-Qaida-Ableger und den<br />

IS kämpfen, vor allem Schiiten,<br />

Alawiten und Kurden. So hat die<br />

vom Iran geförderte Hisbollah-<br />

Miliz erwiesenermaßen christliche<br />

Dörfer in Syrien unter Lebensgefahr<br />

verteidigt, in der Regierung<br />

von Baschar al-Assad<br />

gibt es seit Langem christliche<br />

Minister (wie auch im Irak unter<br />

Saddam Hussein). Unabhängig<br />

davon, wie man den Koran insgesamt<br />

bewertet, sind es derzeit<br />

ausschließlich sunnitische<br />

Strömungen, die Andersgläubige<br />

– auch dissidente Muslime<br />

– mit dem Tod bedrohen<br />

und die Eroberung Europas propagieren:<br />

Wahhabiten, Salafisten,<br />

Moslembrüder, ganz offen<br />

unterstützt von ihren Glaubensbrüdern<br />

in Saudi-Arabien, den<br />

Golfstaaten und der Türkei. Nur<br />

auf diese gemünzt trifft der Terminus<br />

«Islamofaschismus» genau<br />

genommen zu. Was die Sache<br />

brisant macht: Jene Regime<br />

gehören allesamt zu den wichtigsten<br />

Verbündeten der USA.<br />

Kein Wunder, dass man aus Washington<br />

den Begriff «Islamofaschismus»<br />

seit einigen Jahren<br />

nicht mehr hört.<br />

Brennende Kirchen<br />

Doch einem stetig wachsenden Teil der Moslems in<br />

Deutschland genügt auch das inzwischen nicht mehr.<br />

Ihnen gelten Christen und die christlich geprägte<br />

Gesellschaft als Feinde, die auch offensiv bekämpft<br />

werden müssen. So häufen sich in den letzten Jahren<br />

die Kirchenbrände. Am 30. Juli 2013 ging die evangelische<br />

Willehadi Kirche im niedersächsischen Garbsen<br />

in Flammen auf. In verdruckster politischer Korrektheit<br />

berichtete die Neue Presse Hannover von «jungen<br />

Männern» unter den Schaulustigen am Brandort,<br />

«die eine Art Partystimmung verbreiten und alles<br />

andere als traurig über die brennende Kirche sind».<br />

Am 5. Oktober 2014 zündeten Unbekannte die koptisch-orthodoxe<br />

Kirche in Berlin-Lichtenberg an. Der<br />

zuständige Bischoff Anba Damian sagte der evangelischen<br />

Nachrichtenagentur Idea, «dass ihn zuvor wiederholt<br />

arabisch sprechende Personen eines nahegelegenen<br />

Flüchtlingsheims wegen seines Glaubens beleidigt<br />

hätten».<br />

«Ich bin Moslem! Was seid Ihr?»<br />

Besonders bedrückend für die betroffenen Christen<br />

ist das demonstrative Schweigen von Politik<br />

und Amtskirchen. Nach der Brandschatzung in Garbsen<br />

war der Dachverband der evangelischen Kirchen<br />

EKD nicht einmal zu einer Presseerklärung bereit. An<br />

der Ruine des Sakralbaus lehnte dagegen ein Schild<br />

mit der Aufschrift: «Garbsen ist Multikulti and I love<br />

it.» Angesichts dieses Wegduckens riss Kritikern der<br />

Geduldsfaden. «Bei aller Sorge um das gesellschaftliche<br />

Miteinander darf man nicht die Augen vor einem<br />

Aufkeimen der Gewalt und des Rowdytums unter<br />

Jugendlichen ”mit Migrationshintergrund” verschließen»,<br />

schrieben Idea und das katholische Nachrichtenportal<br />

kath.net in einem gemeinsamen Kommentar.<br />

Die Flammen von Garbsen, Berlin-Lichtenberg und<br />

anderswo waren nur der Auftakt. Im September 2014<br />

patrouillierten Salafisten als «Scharia-Polizei» durch<br />

die Straßen von Wuppertal. Einen Teil der Stadt hatten<br />

sie zuvor durch Markierungen zur «Shariah Controlled<br />

Zone» erklärt. «Diese Personen wollen bewusst provozieren<br />

und einschüchtern und uns ihre Ideologie aufzwingen»,<br />

warnte Wuppertals Oberbürgermeister Peter<br />

Jung (CDU). Der Kopf der selbsternannten Sittenwächter,<br />

der Konvertit Sven Lau alias Abu Adam, räumte<br />

später ein, Ziel der Aktion sei eine Diskussion über islamische<br />

Gesetzgebung in Deutschland gewesen.<br />

Aus Sicht einiger von Laus Glaubensbrüdern scheint<br />

die Zeit für Diskussionen jedoch mittlerweile beendet<br />

zu sein. Längst sind Übergriffe auch auf der Straße<br />

zu beklagen. Am 26. Dezember 2015 bedrängte nach<br />

Polizeiangaben ein Mann mehrere Partygänger in Berlin<br />

mit den Worten «Ich bin Moslem! Was seid Ihr?»<br />

Anschließend «sollen weitere Personen hinzugekommen<br />

sein und gemeinsam mit dem Unbekannten auf<br />

die vier im Alter von 20, 24 und 25 Jahre alten Männer<br />

eingeschlagen haben», heißt es im Lagebericht<br />

der Ordnungshüter. Der Überfall ereignete sich nicht<br />

einmal in einem der berüchtigten Problemviertel der<br />

Hauptstadt, sondern vor einer Nobeldisco am Potsdamer<br />

Platz. Dort war den Opfern – orthodoxen Christen<br />

aus Serbien und Montenegro – von den Tätern<br />

beim Besuch einer Balkanparty aufgelauert worden.<br />

Brandschatzung einer Kirche in<br />

Lahore/Pakistan, März 2013. Als<br />

Vorwand nahm der Mob, dass<br />

sich ein Christ blasphemisch über<br />

Mohammed geäußert habe. In<br />

Lahore leben die meisten Christen<br />

in Pakistan. Der Druck auf sie hat<br />

sich in dem streng islamischen Land<br />

verstärkt. Foto: Reuters<br />

14<br />

_ Martin Müller-Mertens ist Chef<br />

vom Dienst bei <strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong>.<br />

Federico Bischoff ist Katholik und<br />

lebt im Tessin.


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Die Unterwerfung<br />

_ von Nils Röcke<br />

Während der Terror gegen Christen immer stärker auf Europa übergreift, halten unsere<br />

Kirchenvertreter bevorzugt noch die andere Wange hin. Von der Promille-Theologin<br />

Käßmann bis zum Wohlfühl-Papst Franziskus kommen Worte und Gesten der Unterwürfigkeit<br />

gegenüber Terroristen und Islamisten.<br />

Ausgerechnet am 7. Januar 2015, dem Erstverkaufstag<br />

von Michel Houellebecqs Roman Unterwerfung,<br />

begingen Islamisten die kaltblütigen Morde an<br />

den Redaktionsmitgliedern der Satirezeitschrift Charlie<br />

Hebdo – in ihren Augen eine gerechte Strafe für die<br />

Beleidigung ihres Propheten. Unterwerfung beschreibt<br />

ein Frankreich unter der Scharia im Jahre 2022 – also<br />

in einer nicht allzu fernen Zukunft. Der Übergang zur<br />

neuen Ordnung wurde nicht mit Gewalt erzwungen,<br />

sondern geschah freiwillig: Bei den Parlamentswahlen<br />

hatte sich, mit Unterstützung aller anderen Parteien,<br />

ein muslimischer Kandidat gegen die ach so<br />

böse Marine Le Pen durchgesetzt. Masochistische<br />

Feindesliebe hatte zur Selbstzerstörung der eigenen<br />

Identität geführt.<br />

Europa wird, so Houellebeqs düstere Vision, wegen<br />

seines maßlosen Liberalismus untergehen – keine<br />

unwahrscheinliche Dystopie, denn vor dem realen<br />

Gewaltpotenzial radikalisierter Islamisten, die ihre<br />

Legitimation einzig aus dem Koran ableiten, verschließen<br />

europäische Führer weiterhin die Augen. So wie<br />

Angela Merkel, Vorsitzende einer dem Namen nach<br />

eigentlich christlichen Partei, die bei den Attentätern<br />

von Paris Mitte November von «gottlosen Terroristen»<br />

sprach – wohlwissend, dass im Gegenteil religiöser<br />

Wahn Grundlage und Motivation ihrer Taten war.<br />

Knapp zwei Monate zuvor, Anfang September<br />

2015, hatte die Bundeskanzlerin bereits ihr gefährliches<br />

Missverstehen unserer Bedrohungssituation<br />

zur Schau gestellt. Bei einer Veranstaltung der Universität<br />

Bern stellte eine Frau die Frage, wie die deutsche<br />

Regierungschefin Europa und die europäische Kultur<br />

vor einer allmählichen Islamisierung bewahren wolle.<br />

Daraufhin nannte Merkel nicht etwa mögliche Schutzmaßnahmen<br />

(kein Wunder, da sie ja ohnedies der Überzeugung<br />

ist, der Islam gehöre zu Deutschland), sondern<br />

empfahl ein Ausweichen vor der Konfrontation:<br />

Besorgte Bürger müssten eben «mal wieder in den Gottesdienst»<br />

gehen, ein «bisschen bibelfest» werden oder<br />

«ein Bild in der Kirche noch erklären» können. Als ob<br />

sich Terrorismus wegbeten ließe, als ob wir Islamisten<br />

damit beeindrucken könnten, wie bibelfest wir sind…<br />

Noch irritierender als die Äußerungen der erkennbar<br />

glaubensfernen Pfarrerstochter Merkel sind jene hoher<br />

kirchlicher Würdenträger, die es eigentlich besser wissen<br />

müssten. So ergriff Papst Franziskus – ausgerechnet<br />

am Gründonnerstag, ausgerechnet zwei Tage nach<br />

dem Blutbad in Brüssel – die Gelegenheit, in einem<br />

Asylheim bei Castelnuovo di Porto einem Dutzend Asylbewerbern<br />

in einer pompösen Zeremonie zuerst die<br />

Füße zu waschen und diese dann zu küssen. Unter den<br />

auf diese Weise Verwöhnten waren auch vier Muslime<br />

– obwohl in Franziskus‘ eigenem Dekret zu dieser<br />

Zeremonie daran festgehalten wurde, dass nur das<br />

«Gottesvolk» in den Genuss dieses Rituals kommen<br />

solle. Gehören für den Papst jetzt auch Mohammedaner<br />

dazu? Die ehemalige Hannoversche Landesbischöfin<br />

und evangelische Theologin Margot Käßmann reagierte<br />

auf den Terror in der belgischen Hauptstadt mit<br />

dem Einwurf, dass «wir versuchen sollten, den Terroristen<br />

mit Beten und Liebe zu begegnen». Ihr Nachfolger<br />

im EKD-Ratsvorsitz, Heinrich Bedford-Strohm,<br />

ergänzte, Christen sollten «die Angst überwinden und<br />

mit Kraft, Liebe und Besonnenheit reagieren». Und wo<br />

bleibt der «heilige Zorn», den man in der Bibel nicht nur<br />

im Alten Testament findet?<br />

Es sind solche Unterwerfungsgesten, die das Christentum<br />

wehrlos machen. Wenn die eigenen Werte für<br />

wichtig und richtig gehalten werden, dürfen sie nicht<br />

auf dem Altar einer falsch verstandenen Liberalität<br />

geopfert werden.<br />

Unterwerfungsgeste: Papst Franziskus<br />

wäscht und küsst muslimischen<br />

Flüchtlingen die Füße (Gründonnerstag<br />

<strong>2016</strong>). Foto: L‘Osservatore<br />

Romano/EPA<br />

Bild oben: Zerstörte Kirche im indischen<br />

Bundesstaat Orissa (2009).<br />

Foto: kirche-in-not.de<br />

«Den Terroristen<br />

mit Beten und<br />

Liebe begegnen.» <br />

Margot Käßmann<br />

Nils Röcke (Pseudonym eines<br />

Medieninsiders) berichtete in<br />

<strong>COMPACT</strong> 3/<strong>2016</strong> «Aus dem Logbuch<br />

der Gleichschaltung».<br />

15


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

«Hat nichts mit dem Islam zu tun»<br />

_ von Adrian F. Lauber<br />

Mit diesem Satzbaustein melden sich nach jedem Terroranschlag<br />

die professionellen Gesundbeter zu Wort. Nur eine Minderheit der<br />

Muslime befürworte Gewalt zur Durchsetzung ihrer Religion, so wird<br />

behauptet. Doch Umfragen zeigen, dass zur Verharmlosung und Selbstberuhigung<br />

kein Anlass besteht.<br />

■■16 Prozent der Bevölkerung Frankreichs stehen hinter<br />

dem IS. Unter jungen Leuten zwischen 18 und 24<br />

Jahren sympathisieren sogar 27 Prozent mit den Kopfab-Milizen.<br />

(Newsweek, August 2014)<br />

■■<br />

Der arabische Fernsehsender al-Dschasira wollte im<br />

Mai 2015 von seinen Zuschauern in aller Welt wissen,<br />

wie sie zum IS stehen. Man lese und staune: 81 Prozent<br />

der Befragten äußerten sich positiv.<br />

■■<br />

Laut einer vom Arab Center for Research and Policy<br />

Studies im November 2014 veröffentlichten Erhebung<br />

sind 13 Prozent der befragten syrischen Flüchtlinge<br />

mehr oder weniger starke Sympathisanten der Terrorgruppe.<br />

■■<br />

Das Center for Security Policy hat im Juni 2015 eine<br />

Umfrage publiziert, wonach 25 Prozent der in den USA<br />

lebenden Muslime Gewaltanwendung befürworten,<br />

wenn jemand den Islam beleidigt, zum Beispiel indem<br />

er eine Karikatur von Mohammed zeichnet.<br />

16<br />

«Bild» und «B.Z.» haben sich der<br />

Sprache der Invasoren bereits angepasst.<br />

Foto: Bild<br />

Frühe Warnungen<br />

«Fundamentalismus auf dem<br />

Vormarsch: Laut einer Studie<br />

des Bundesinnenministeriums<br />

sind 40 Prozent aller in<br />

Deutschland lebenden Muslime<br />

fundamental orientiert. (…)<br />

Zwölf Prozent der Muslime in<br />

Deutschland identifizierten sich<br />

mit einer stark religiös-moralischen<br />

Kritik an westlichen Gesellschaften,<br />

kombiniert mit der<br />

Befürwortung von Körperstrafen<br />

bis hin zur Todesstrafe.» (spiegel.de,<br />

20.12.2007)<br />

_ Adrian F. Lauber lebt als Student<br />

und Publizist in Berlin.<br />

Doppelt so viele britische Muslime kämpfen heute<br />

für den Islamischen Staat (IS) wie für die Armee des<br />

Vereinigten Königreichs, meldete Newsweek im<br />

März <strong>2016</strong>. Kürzlich gab es viel Wirbel um eine Petition<br />

gegen Donald Trump. Die Unterzeichner wollten<br />

nicht, dass der US-Politiker einreisen darf und für seine<br />

Sache wirbt. Man bedenke: Das ist dasselbe Land, in<br />

dessen Hauptstadt Muslime mit IS-Fahnen und mit<br />

Parolen wie «Enthaupte die, die den Islam beleidigen»<br />

unbehelligt durch die Straßen ziehen. Ich frage mich:<br />

Wenn Trump zum Islam konvertieren würde, dürfte er<br />

dann in London sprechen? Wäre dann alles in Ordnung,<br />

gleichgültig was er sagt – auch wenn er die Ermordung<br />

seiner Kritiker fordern würde?<br />

Die harten Fakten<br />

Sind das nur Momentaufnahmen? Die nackten Zahlen<br />

zeigen, wie stark die Unterstützerszene der Dschihadisten<br />

in den westlichen Ländern angewachsen ist.<br />

■■<br />

Die BBC hat im Februar 2015 eine Statistik veröffentlicht,<br />

wonach 27 Prozent der in Großbritannien lebenden<br />

Muslime für die Terroristen Verständnis haben, die<br />

die Mitarbeiter von Charlie Hebdo ermordet hatten.<br />

■ ■«Rund ein Viertel der in Deutschland lebenden Muslime<br />

ist zu Gewalttaten gegen Andersgläubige bereit.<br />

Das ist das Ergebnis einer Studie, die Innenminister<br />

Schäuble in Auftrag gegeben hat», meldete die Süddeutsche<br />

Zeitung schon im Mai 2010. Zwei Jahre später<br />

ergab eine Befragung, wiederum durch das Bundesinnenministerium,<br />

ein ähnliches Bild: 24 Prozent der<br />

nichtdeutschen und 15 Prozent der deutschen Muslime<br />

seien «streng Religiöse mit starken Abneigungen gegenüber<br />

dem Westen, tendenzieller Gewaltakzeptanz und<br />

ohne Integrationstendenz». (derwesten.de, 1.3.2012)<br />

Rund ein Viertel der Muslime in<br />

Deutschland ist gewaltbereit.<br />

Wo sind die Muslime, die lautstark Position für die<br />

Meinungsfreiheit beziehen, wenn Fanatiker öffentlich<br />

Mohammed-Karikaturen verbrennen und die Zeichner<br />

lynchen wollen? Es gibt sie. Es gibt mutige Intellektuelle<br />

wie Ayaan Hrsi Ali, Hamed Abdel-Samad,<br />

Necla Kelek oder Bassam Tibi, die genau wissen, dass<br />

die islamische Kultur eigentlich einer Reformation<br />

bedürfte, um ihren destruktiven Zug zu beenden. Aber<br />

ihre Stimmen gehen im Geschrei der anderen unter.<br />

Außerdem fallen ihnen Pseudo-Linke und Pseudo-Liberale<br />

in den Rücken, indem sie den nicht säkularisierten<br />

Islam verniedlichen und verharmlosen und alle, die<br />

sich dagegen wehren wollen, mit Neonazis, Pauschal-<br />

Muslim-Hassern und Rassisten in einen Topf werfen.


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

«Wir verharmlosen die faschistische<br />

Ideologie des Islam»<br />

_ Interview mit Imad Karim<br />

Als 19-jähriger Student floh er 1977 vor dem Bürgerkrieg im Libanon in die Bundesrepublik.<br />

Bei uns lernte er den Fernsehjournalismus von der Pike auf und wurde mit<br />

Preisen überhäuft. Imad Karim kommt aus einer nominell muslimischen Familie, versteht<br />

sich aber als Agnostiker – und kennt die Parallelgesellschaften, die unser Land zerstören.<br />

Viele Ihrer Filme sind regelrechte Plädoyers für<br />

das Recht auf Asyl. Wie sehen Sie die aktuelle<br />

Migrationswelle?<br />

Diese Immigration ist ein Krieg, der mit Kinderaugen<br />

geführt wird. Das wird nicht gut ausgehen, so wie<br />

noch nie ein Krieg gut ausgegangen ist. Diese Zuwanderung<br />

von Millionen Menschen hilft ja niemandem.<br />

Wir belohnen nur diejenigen, die sich die Schlepper<br />

leisten können. Ich war vor ein paar Monaten in<br />

Syriens Nachbarländern: dem Libanon, Jordanien und<br />

der Türkei. Die syrischen Flüchtlinge, die dort seit drei,<br />

vier Jahren leben, verkaufen alles und machen sich auf<br />

den Weg nach Deutschland.<br />

Warum?<br />

Ihr Argument ist eine sichere Zukunft und vor allem<br />

wirtschaftliche Sicherheit. Starke Gründe sind, dass<br />

hier jeder seine Kinder kostenlos zur Schule schicken<br />

und sich medizinisch behandeln lassen kann und noch<br />

dazu eine Grundsicherung erhält. In meinen Recherchen<br />

ist genauestens dokumentiert, dass richtige und<br />

vermeintliche Syrer jeden Monat mehrere Millionen<br />

Euro Sozialhilfe von Deutschland aus in ihre Heimatländer<br />

überweisen. Dass diese Zuwanderer wirklich<br />

verfolgten Menschen den Platz wegnehmen, interessiert<br />

unsere Entscheidungsträger nicht.<br />

Kennen Sie solche Verfolgten?<br />

Natürlich. In Köln interviewte ich vor drei Wochen<br />

eine junge Frau aus Saudi-Arabien. Sie flüchtete nach<br />

Deutschland, weil ihre Eltern und die dortigen Sicherheitsorgane<br />

herausfanden, dass sie Atheistin ist. Die<br />

Frau ist noch nicht ein Jahr in Deutschland, aber spricht<br />

schon die Sprache, kennt die deutsche Geschichte und<br />

Gegenwart. Doch über ihren Asylantrag wurde bis jetzt<br />

nicht entschieden. Stattdessen ist sie gezwungen, eine<br />

Halle mit hunderten von Muslimen zu teilen, die diese<br />

jeden Morgen in eine Moschee verwandeln und darauf<br />

Mit Preisen überhäuft: Filmemacher<br />

Imad Karim. Foto: Privat<br />

«Islam und<br />

Integration werden<br />

sich nie treffen.» <br />

Imad Karim<br />

70 Tote waren bei einem Bombenanschlag<br />

in Lahore/Pakistan am<br />

Ostersonntag <strong>2016</strong> zu beklagen,<br />

darunter über 30 Christen.<br />

Foto: Reuters<br />

17


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

misierung dieser Leute hier in Deutschland mit unseren<br />

Steuergeldern.<br />

Seit 1.400 Jahren Steinzeit<br />

18<br />

Rechtschreibschwach – aber geil<br />

auf Dschihad... Foto: Twitter<br />

« Die wahren<br />

Muslime finden wir<br />

beim Islamischen<br />

Staat.» Imad Karim<br />

Hetze auf «Facebook» nach den<br />

Charlie-Hebdo-Morden.<br />

Foto: Screenshot Facebook<br />

Imad Karim, Jahrgang 1958, lebt<br />

seit 1977 in Deutschland, wo er<br />

Medien- und Sozialwissenschaften<br />

studierte. 1992 begann er als freier<br />

Filmemacher für die ARD, das ZDF<br />

und den WDR zu arbeiten. Seine<br />

Filme führten ihn immer wieder<br />

zurück in islamische Länder.<br />

Er gewann zahlreiche internationale<br />

Preise, darunter auch den<br />

Civis-Integrationspreis der ARD.<br />

2001 gründete Karim seine eigene<br />

Produktionsfirma Strong Shadow<br />

Media. – Das Gespräch führte Tino<br />

Perlick.<br />

achten, dass auch jeder zum Gebet kommt. In den Heimen<br />

trifft die Frau quasi ihre Verfolger erneut.<br />

Nicht nur die Salafisten sind gefährlich<br />

Die meisten ankommenden Menschen sind Muslime.<br />

Wie hoch ist denn der Anteil der Fanatiker?<br />

98 von 100 dieser Menschen glauben, ein Moslem,<br />

der den Islam verlässt, verdiene den Tod. Heute, im<br />

21. Jahrhundert, soll ich getötet werden, weil ich vom<br />

Islam, in den ich zufällig hineingeboren wurde, nicht<br />

mehr überzeugt bin? Gibt es etwas, das absurder,<br />

menschenfeindlicher und faschistischer ist als das?<br />

Für diese Menschen gelten Juden und Christen als<br />

Unreine, die man allerdings ertragen muss, solange<br />

die Muslime noch schwach und in der Minderheit sind.<br />

Das habe ich übrigens als Kind auch gelernt.<br />

Dann besteht keine Aussicht auf Integration?<br />

Wer integriert wird, ist bereits als Integrierter in<br />

Deutschland angekommen. Das sind Agnostiker, Atheisten,<br />

Christen und andere Freidenker. Islam und Integration<br />

werden sich nie treffen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel:<br />

Ich kenne einen dem Anschein nach integrierten<br />

arabischen Vater, der seit 28 Jahren in Deutschland<br />

lebt. Am Rande einer Unterhaltung erzählte er mir, er<br />

glaube, die Muslime werden Deutschland durch ihre<br />

Geburtenrate und Missionierungen islamisieren und<br />

die Christen irgendwann zum Konvertieren zwingen.<br />

Hindus, Buddhisten und andere Götzenanbeter würden<br />

dann im Auftrag Allahs getötet werden.<br />

Ist der Mann Salafist?<br />

Nein. Er sagte sogar, dass er Salafisten verachtet und<br />

hasst, weil sie Deutschland mit Gewalt islamisieren<br />

wollen. Ich war sehr erschrocken und erklärte ihm, was<br />

er sage, sei menschenfeindlicher Blödsinn. Er erwiderte,<br />

ich würde das nicht verstehen, weil ich als Noch-<br />

Agnostiker den Auftrag Allahs nicht sehen würde. Dem<br />

islamischen Verein dieses Mannes hat die Stadt Geld<br />

gegeben und ihn beauftragt, 170 Muslimen zur Integration<br />

zu verhelfen. Wir erleben quasi die Re-Isla-<br />

Die Re-Islamisierung…?<br />

Ich kenne eine deutsche Stadt mit etwa 50.000 Einwohnern,<br />

von denen zwölf Prozent Moslems sind. Dort<br />

gibt es heute 18 Hinterhofmoscheen. Jeden Tag gehen<br />

fromme Muslime zu nicht-frommen Muslimen und fragen,<br />

warum sie ihre Frauen noch nicht verschleiert<br />

haben. Es entsteht also Druck in den Gemeinschaften.<br />

Deshalb wundert mich nicht, was in Brüssel passiert<br />

oder wie es in Marxloh und Neukölln aussieht. Diese<br />

Menschen leben nach dem Koran, und der lehnt Demokratie<br />

und Pluralismus ab. Das ist Tatsache. Wer die<br />

destruktive Kraft im Islam unterschätzt, begeht ein Verbrechen<br />

an den kommenden Generationen.<br />

Augenblick: Der Islam ist doch angeblich friedlich.<br />

Seit 1.400 Jahren metzeln Muslime Nichtmuslime –<br />

und kommen Sie mir nicht mit der Blütezeit in Spanien<br />

oder anderen Märchen. Das ist eine Erfindung der<br />

Spätorientalisten. Moslems waren Eroberer und Kolonialherren<br />

in Spanien, und als solche haben sie sich<br />

verhalten. Das müssen die Sozialromantiker begreifen,<br />

solange sie noch Zeit haben.<br />

Was Sie beschreiben, hört sich eher nach Islamismus<br />

an.<br />

Die Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus ist<br />

eine Erfindung des Westens. Es gibt nur einen Islam,<br />

und der verharrt seit 1.400 Jahren in seiner faschistischen<br />

Ideologie. Die wahren Muslime finden wir beim<br />

Islamischen Staat. Sie praktizieren denselben Terror<br />

wie Mohammed. Jeder, der sich mit der Geschichte<br />

befasst, weiß, dass Mohammed Unschuldige töten<br />

ließ. Wir verharmlosen und verklären die faschistische<br />

Ideologie des Islam, dabei müssten wir eine echte<br />

Debatte führen und jungen, mitten unter uns gebore-<br />

Apostasie Länder mit Todesstrafe<br />

Mauretanien<br />

Quelle: Wikipedia<br />

Sudan<br />

Saudi-<br />

Arabien<br />

Iran<br />

Jemen<br />

Somalia<br />

Afghanistan<br />

Pakistan<br />

Grafik: <strong>COMPACT</strong>


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

nen Muslimen die Augen öffnen. Es ist unsere Aufgabe,<br />

dass wir diese Menschen entgiften.<br />

Jetzt klingen Sie aber ganz schön hart.<br />

Ich komme aus einer sehr liberalen Familie. Wir waren<br />

Agnostiker, weltoffen und nur formal gesehen islamisch.<br />

Bei meinen Onkeln und Tanten war das anders.<br />

Wenn wir dort zu Familientreffen zusammenkamen,<br />

mussten wir vor dem Essen beten: «Gott verfluche die<br />

Christen und die Juden.» Man darf nicht sagen: «Gott<br />

schütze die Menschheit», sondern «Gott schütze die<br />

Muslime», sonst wäre das eine Sünde. Heute höre ich<br />

das überall und sogar von großen Minaretten deutscher<br />

Städte. Wir haben im Koran eine Anfangssure.<br />

Darin beten wir Muslime zu Allah und sagen, «Gott<br />

zeige uns den richtigen Weg, nicht den Weg der Verfluchten<br />

und Verdammten». Damit meinen wir Christen<br />

und Juden. Überlegen Sie sich, das wird in Deutschland<br />

tagtäglich millionenfach rezitiert. Sorry, aber das<br />

ist für mich Steinzeitalter und Faschismus pur!<br />

Das Schweigen der Mehrheit<br />

Na gut, aber die meisten Muslime leben doch<br />

friedlich.<br />

Ja, aber durch ihre passive Haltung decken sie unbewusst<br />

die Verbrechen der Radikalen. Wir hören nie,<br />

dass diese Menschen sagen: Wir müssen die Salafisten<br />

selber stoppen! In dieser Haltung steckt auch eine<br />

feige Bejahung. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Zu Ostern<br />

gab es in Pakistan einen Terroranschlag mit über 100<br />

Toten, darunter viele Kinder…<br />

… und sehr viele Christen!<br />

«Wir müssen die Demokratie bejahenden<br />

Muslime wissen lassen,<br />

dass sie erwünscht sind.» Karim<br />

Am Tag darauf habe ich bewusst alle arabischen<br />

Medien überflogen. Überall war das Wort Terroranschlag<br />

in Anführungszeichen gesetzt, wodurch in<br />

Frage gestellt wurde, dass es ein terroristisches Verbrechen<br />

war. So kommt diese Nachricht bei den Muslimen<br />

in Deutschland an, die ja Satellitenfernsehen<br />

haben. Radikale und moderate Muslime verbindet<br />

zudem die Opferrolle. Alle sehen sich als Opfer.<br />

Können Sie nicht nachvollziehen, dass Muslime<br />

wütend auf den Westen sind?<br />

Doch, absolut. Die Eliten im Westen, die uns in Bezug<br />

auf die «Willkommenskultur» ihre Definition von Humanität<br />

aufzwingen wollen, sind dieselben, die Kriege in<br />

der Region entfachen und Waffenlieferungen in Milliardenhöhe<br />

genehmigen. Ich verstehe die Wut der<br />

Menschen, aber nicht den Hass. Aber leider ist Hass,<br />

unabhängig von der menschenverachtenden Politik des<br />

Westens, ein Bestandteil des Korans. Der lehrt nämlich,<br />

dass ein gläubiger Moslem gegen die Ungläubigen<br />

kämpfen muss, bis die ganze Welt islamisch ist. Er darf<br />

nicht ruhen, bis er den Letzten islamisiert oder getötet<br />

hat. Ein Gläubiger, der schon vom Islam verseucht<br />

ist und sieht, wie muslimische Länder von westlichen<br />

Bomben zerstört werden, dessen Bild wird dadurch<br />

noch mehr bestätigt. So schließt sich der Teufelskreis.<br />

Was bedeutet das konkret für Deutschland?<br />

Natürlich gibt es hier Muslime, die im Grunde religionsfrei<br />

sind, und ich kann mit Sicherheit behaupten,<br />

die Mehrheit der Muslime ist friedlich. Aber wenn die<br />

radikale Minderheit an Macht gewinnt, wird sie die<br />

Mehrheit einschüchtern oder im schlimmsten Fall mitradikalisieren.<br />

Schauen Sie in den Irak. In Mossul konnten<br />

gerade einmal 20.000 IS-Kämpfer ungehindert die<br />

dort lebenden Christen und Jeziden töten oder versklaven.<br />

Was haben die etwa drei Millionen Sunniten<br />

der Stadt getan? Nichts. Sie schauten einfach weg<br />

oder stahlen Häuser und Mobiliar der Getöteten. Das<br />

haben wir auch in Deutschland in den dunklen zwölf<br />

Jahren gehabt.<br />

Was können wir tun?<br />

Wir müssen unsere Werte der Aufklärung, der Freiheit<br />

und der individuellen Entfaltung verteidigen und<br />

schleunigst damit aufhören, politische Kräfte aus unserer<br />

rechtskonservativen Mitte zu verteufeln. Wir müssen<br />

die echten Demokratie bejahenden Muslime wissen<br />

lassen, dass sie erwünscht sind, und uns von den<br />

aus der Türkei und Saudi-Arabien finanzierten Islamverbänden<br />

lösen. Die Mehrheitsgesellschaft muss<br />

außerdem klare Forderungen an die Einwanderer stellen.<br />

Noch ist das einfach, aber in zehn oder 20 Jahren<br />

wird es nicht mehr so sein. Zeit ist das Rare, was wir<br />

in dieser Hinsicht besitzen.<br />

Herr Karim, vielen Dank für das Gespräch.<br />

Sie lieben Deutschland: Imad Karim<br />

und <strong>COMPACT</strong>-Redakteur Tino Perlick.<br />

Foto: <strong>COMPACT</strong><br />

Deutsche<br />

Befindlichkeiten<br />

«Niemand hat ein Problem mit<br />

Deutschland. Deutschland hat<br />

ein Problem mit sich. Ob bei den<br />

Linken oder bei den Konservativen:<br />

Immer merkte ich, dass die<br />

Deutschen Angst haben, sich<br />

zu loben, ja sich zu lieben. Anscheinend<br />

hat mit der Entnazifizierung<br />

nach Kriegsende auch<br />

ein Stück Entnormalisierung<br />

stattgefunden. Es ist mir immer<br />

– und nicht selten, ohne erschrocken<br />

zu sein –, aufgefallen,<br />

dass die Menschen mir gegenüber<br />

ihre Zuneigung ausdrücken<br />

wollten, indem sie mir<br />

zu verstehen gaben, sich selbst<br />

zu entlieben. Es tut mir unendlich<br />

weh, wenn ich sehe, wie<br />

die Deutschen diesen Zeigefinger<br />

auf sich selbst richten. Dadurch<br />

wird das Sichtfeld beeinträchtigt,<br />

und nicht selten werden<br />

Werte der Aufklärung wie<br />

Gleichberechtigung, individuelle<br />

Freiheiten und eigene Entfaltung<br />

geopfert, um Frommen<br />

oder Strenggläubigen, zum Beispiel<br />

den Muslimen, die ”Toleranz<br />

der deutschen Mehrheit” zu<br />

beweisen.» (Imad Karim)<br />

19


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Auf Einladung<br />

der Kanzlerin<br />

_ von Jürgen Elsässer<br />

Die Terroranschläge in Brüssel wären ohne Angela Merkels Politik<br />

der Offenen Grenzen nicht möglich gewesen. Der Drahtzieher nutzte<br />

den von ihr angeordneten Verzicht auf Polizeikontrollen, um die<br />

Mörder an den Tatort zu bringen.<br />

Die Verharmlosung geht weiter. «Die Terroristen<br />

sind keine Flüchtlinge», erklärte Bundesjustizminister<br />

Heiko Maas (SPD) am 24. März mit Blick auf das Blutbad,<br />

das Killer des Islamischen Staates (IS) zwei Tage<br />

zuvor in der belgischen Hauptstadt angerichtet hatten.<br />

Genauso blind hatte sich Innenminister Thomas<br />

de Maizière (CDU) schon wenige Stunden nach den<br />

Anschlägen geäußert: Er sehe «keinerlei Hinweise auf<br />

einen Deutschland-Bezug» der Täter.<br />

Der Terroristen-Chauffeur und mutmaßliche<br />

Drahtzieher in Paris und<br />

Brüssel Salah Abdeslam. Foto: picture<br />

alliance/dpa<br />

Die Bombenleger vom Brüsseler<br />

Flughafen: Der «Mann mit<br />

Hut» überlebte, ist mittlerweile<br />

gefasst und hat gestanden. Die beiden<br />

anderen sind tot: Ibrahim el-<br />

Bakroui (Mitte, Bruder des im Artikel<br />

erwähnten Khalid) und der<br />

ebenfalls im Text erwähnte Sofiane<br />

Ayari (links, richtiger Name vermutlich<br />

Najim Laachraoui). Foto: Belgian<br />

Federal Police<br />

Ähnliche Beschwörungsformeln waren schon nach<br />

der Schreckensnacht am 13. November in Paris aus der<br />

Bundesregierung zu hören gewesen: Maas verkündete<br />

auch damals, es gebe «keine Verbindung zwischen<br />

Terror und Flüchtlingen». Doch bereits nach wenigen<br />

Tagen wurde klar, dass zumindest einer der acht Attentäter<br />

als Flüchtling über die griechische Insel Leros eingereist<br />

war, bald darauf erhöhte sich die Zahl auf drei.<br />

Von Leros nach Ulm<br />

Wie schon im November haben sich Maas und Co.<br />

auch im März mit ihrer Weißwäscherei gründlich blamiert<br />

– aber sich bis heute nicht für diese gemeingefährliche<br />

Irreführung der Öffentlichkeit entschuldigt.<br />

Betrachten wir die Fakten. «Zumindest drei der<br />

Attentäter von Brüssel sind als Flüchtlinge getarnt über<br />

die Balkanroute in die EU eingereist», berichtete die<br />

österreichische Kronen-Zeitung am 31. März mit Verweis<br />

auf griechische Polizeikreise. Bei den dreien handelte<br />

es sich um Naim al-Hamed und Sofiane Ayari, die<br />

ebenfalls in Leros den Boden des gelobten Schengen-<br />

Landes betreten hatten, und um Khalid el Bakraoui,<br />

der sich dann in der Metro in die Luft sprengte. Dessen<br />

Reiseroute ist besonders bemerkenswert: Er kam<br />

eigens im Juli 2015 von Italien nach Leros – ein riesiger<br />

Umweg auf dem Weg nach Brüssel. Das häufige Auftauchen<br />

dieser Insel als Einreisepunkt sowohl für die<br />

Pariser wie für die Brüsseler Attentäter weist darauf<br />

hin, dass sie hier auf die Komplizenschaft, zumindest<br />

aber auf die Schlamperei griechischer Grenzbeamter<br />

hoffen konnten.<br />

Mittlerweile scheint klar, dass nicht nur drei der<br />

Täter als Asylbewerber kamen. «Die IS-Terroristen, so<br />

glauben die französischen Ermittler inzwischen, reisten<br />

mehrheitlich [sic!] als syrische Flüchtlinge getarnt<br />

auf der sogenannten Balkanroute in die Europäische<br />

Union», referierte die Welt am 6. April den Ermittlungsstand<br />

zum Brüsseler Anschlag.<br />

20<br />

Als Organisator fungierte dabei – wie schon zuvor<br />

in Paris – Salah Abdeslam, der Bruder eines Selbstmordbombers<br />

vom 13. November. Seine Festnahme im<br />

berüchtigten Molenbeek am 18. März soll die Attentäter<br />

zum Zuschlagen vier Tage später provoziert haben.<br />

Abdeslam sitzt mittlerweile im Hochsicherheitstrakt<br />

in Brügge und schweigt. Trotzdem konnten die Ermittler<br />

anhand der Navigationsgeräte seiner Mietwagen<br />

rekonstruieren, wie er vorgegangen war.


Insgesamt vier Fahrten sind nachgewiesen: Anfang<br />

August 2015 reiste er von Italien ins griechische Patras<br />

und wieder zurück. Der Zweck der Fahrt ist unklar, eventuell<br />

diente sie der Vorbereitung des Folgenden. Am<br />

8. und 9. September fuhr er gezielt von Brüssel nach<br />

Budapest und parkte dort unweit des Ostbahnhofes,<br />

wo sich zu diesem Zeitpunkt Tausende von Syrern<br />

und anderen angeblichen Flüchtlingen in Erwartung<br />

der Weiterreise nach Mitteleuropa gesammelt hatten.<br />

Das Datum steht in unmittelbarer Verbindung mit<br />

dem Wegfall der deutschen Grenzkontrollen, die Merkel<br />

in der Nacht vom 4. auf den 5. September verkündet<br />

hatte. Abdeslam erkannte offensichtlich, dass diese<br />

Situation günstig war, um mordwillige Dschihadisten<br />

zu schleusen. Erwiesen ist jedenfalls, dass er auf dem<br />

Rückweg Mohammed Belkaid und Nadschim Lachraoui<br />

im Auto hatte: den angeblichen Logistiker der Pariser<br />

Anschläge und einen der Selbstmordbomber vom<br />

Brüsseler Flughafen. Die gleiche Tour machte Abdeslam<br />

nochmal am 17. September, wobei ungeklärt ist,<br />

wen er an diesem Tag abgeholt hat.<br />

aus der Flüchtlingsunterkunft verschwunden.» (Welt,<br />

6.4.<strong>2016</strong>) Im Ibis checkten in jener Nacht drei Personen<br />

unter falschem Namen ein. Das Bundeskriminalamt<br />

identifizierte eine von ihnen anhand der Fingerabdrücke<br />

als Monir Ahmed Alaj – der Mann, der Mitte März<br />

zusammen mit Abdeslam verhaftet werden sollte. Er<br />

und der eingangs bereits erwähnte Sofiane Ayari hatten<br />

sich am 1. Oktober brav im bayrischen Feldkirchen<br />

als Asylbewerber registrieren lassen.<br />

Blut an den Händen<br />

Das Verblüffende: Die genannten Personen wiesen<br />

sich beim Betreten von Schengen-Europa allesamt mit<br />

gefälschten Pässen als Syrer aus. Auf diese Idee hatte<br />

sie Merkel höchstpersönlich gebracht: Sie hatte in den<br />

letzten Augusttagen 2015 angewiesen, dass Bürger<br />

des Bürgerkriegslandes auf jeden Fall in Deutschland<br />

einreisen könnten und nicht in den Staat, wo sie zuerst<br />

in die EU eingereist waren, zurückgeschoben werden<br />

dürften – ein klarer Bruch des Dublin-Abkommens.<br />

Der Schock, das Grauen, die Verzweiflung:<br />

Überlebende auf dem<br />

Brüsseler Flughafen, 22. März <strong>2016</strong>.<br />

Foto: picture alliance / AP Photo<br />

Zu spät: Armeeaufmarsch nach dem<br />

Inferno. Foto: picture alliance / dpa<br />

Besonders interessant ist der Ausflug, den der Terror-Chauffeur<br />

am 2. und 3. Oktober unternahm. Dieses<br />

Mal fuhr er nicht nach Ungarn, das seine Grenzen<br />

mittlerweile geschlossen hatte, sondern nach Ulm,<br />

wo einige hundert Balkandurchzügler gelandet waren.<br />

«Sein Ziel war das Ibis-Hotel am Bahnhof. Wenige Tage<br />

zuvor war in der Nähe eine Notunterkunft für Flüchtlinge<br />

in den Ulmer Messehallen eingerichtet worden.<br />

(…) Unter sie hatten sich vermutlich auch die IS-Terroristen<br />

gemischt, die Abdeslam in dieser Nacht einsammelte.<br />

Nach seiner Reise waren jedenfalls drei<br />

Männer, die sich in Ulm als Syrer ausgegeben hatten,<br />

Aber die Schuld der Bundeskanzlerin ist noch größer.<br />

Es stimmt nämlich nicht, wie die Leitmedien behaupten,<br />

dass man die gefälschten Personaldokumente<br />

nicht hätte entdecken können, weil es sich dabei gar<br />

nicht um Fälschungen handele, sondern um originale<br />

Blankopässe, von denen der IS und die verbündete al-<br />

Nusra-Front schon 2015 insgesamt 3.800 gestohlen<br />

hatten. Dabei wird geflissentlich übergangen, dass<br />

man die Neuinhaber dieser Papiere sehr wohl hätte<br />

identifizieren können, denn: «Die Nummern der gestohlenen<br />

Pässe sind den Behörden bekannt und zur Fahndung<br />

ausgeschrieben. Die Informationen gab Griechen-<br />

Merkel selbst hatte<br />

die Terroristen auf<br />

die Idee mit den<br />

syrischen Pässen<br />

gebracht.<br />

21


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Spott über die<br />

Fahnder<br />

Wie fahrlässig die Sicherheitsdienste<br />

die Dschihadisten gewähren<br />

lassen, zeigt besonders<br />

das Beispiel des mutmaßlichen<br />

Drahtziehers der Pariser<br />

Anschläge, Abdelhamid<br />

Abaaoud (übrigens ein Bekannter<br />

des im Artikel genannten<br />

deutschen Dschihadisten Nils<br />

D.). Er gab dem IS-<strong>Magazin</strong> Dabiq<br />

bereits im Februar 2015 ein<br />

Interview, in dem er aus seinen<br />

Terrorplänen keinen Hehl machte.<br />

Obwohl er darin seine Fahnder<br />

verspottete, wurde er in der<br />

Folge nicht mit Hochdruck gesucht.<br />

Auszüge: «Die Nachrichtendienste<br />

kannten mich,<br />

weil ich vorher von ihnen geschnappt<br />

worden war. Nach der<br />

Erstürmung konnten sie mich<br />

direkt mit den geplanten Anschlägen<br />

in Verbindung bringen.<br />

(…) All das beweist, dass<br />

Muslime nicht das aufgeblasene<br />

Image der Überwachung<br />

der Kreuzfahrer fürchten müssen.<br />

Mein Name und mein Bild<br />

waren überall in den Nachrichten,<br />

trotzdem konnte ich in ihren<br />

Ländern bleiben, Operationen<br />

gegen sie planen und das Land<br />

sicher verlassen, wenn es notwendig<br />

wurde.»<br />

Abdelhamid Abaaoud mit IS-Fahne.<br />

Foto: Dabiq<br />

land bereits im Juni in das Schengeninformationssystem<br />

(SIS) ein.» (Berliner Zeitung, 24.9.2015) Hätte die<br />

Bundeskanzlerin also Anfang September die Grenzkontrollen<br />

nicht ausgesetzt und jedes einzelne Ausweisdokument<br />

der Einreisenden überprüfen lassen, hätten<br />

durch SIS-Abgleich alle verdächtigen Personen sofort<br />

festgenommen und eingesperrt werden können. Nur<br />

weil das nicht geschah, konnten die Terroristen durchschlüpfen<br />

und auf ihre Stunde warten.<br />

Ein alter Bekannter<br />

Mittlerweile versuchen die deutschen Sicherheitsbehörden<br />

in aller Hektik, die von der Kanzlerin zu verantwortende<br />

Gefährdungslage in den Griff zu bekommen.<br />

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen<br />

gab Mitte April zu, dass man die Situation «zunächst<br />

falsch eingeschätzt» habe: Man habe es «für unwahrscheinlich<br />

gehalten, dass der IS den Flüchtlingsstrom<br />

nutzen» werde. Maaßen weiter: «Wir dachten, das<br />

Risiko sei schlichtweg viel zu hoch. Mittlerweile wissen<br />

wir: Was den IS angeht, müssen wir eben auch<br />

dazulernen.» Das «islamistisch-terroristische Potential»<br />

in der Bundesrepublik beziffert er auf 1.100 Personen,<br />

hinzu kämen 8.650 Salafisten.<br />

Maaßen warnt nach jüngsten Videodrohungen der<br />

Kopf-ab-Miliz auch bei uns vor Anschlägen: «Deutsche<br />

Städte werden in einem Zusammenhang mit anderen<br />

Metropolen wie Paris, London oder Brüssel genannt.»<br />

Dass die Furcht nicht unbegründet ist, zeigt das Beispiel<br />

Nils D.. Der Konvertit aus Dinslaken steht seit<br />

Januar vor Gericht. Ermittler haben Fotos von ihm<br />

BELGIEN<br />

Brüssel<br />

4<br />

DEUTSCHLAND<br />

Würzburg<br />

2<br />

Ulm<br />

ITALIEN<br />

1<br />

3<br />

Polizeikontrolle<br />

Aisterheim<br />

UNGARN<br />

gefunden, die ihn beim IS in Syrien zeigen. «Auf einem<br />

trägt D. einen Sprengstoffgürtel. Auf einem anderen<br />

hält er einem gefesselten Gefangenen eine Pistole an<br />

den Hinterkopf» (Süddeutsche Zeitung, 14.1.<strong>2016</strong>). Von<br />

besonderer Brisanz: D. gibt an, deutsche IS-Kämpfer<br />

hätten mit einigen der Paris-Attentäter in der Kleinstadt<br />

Kafr Hamra zusammengelebt. Etliche von ihnen<br />

haben laut D. in belgisch geführten Einheiten gekämpft.<br />

«Damit wäre die Verbindung zwischen Belgiern und<br />

Deutschen deutlich enger als bisher bekannt», resümiert<br />

die SZ.<br />

Laut D. ist ein gewisser Reda Seyam der wichtigste<br />

deutschsprachige Mann des IS. Die Bild-Zeitung will<br />

erfahren haben, dass der Deutsch-Ägypter für die Terrormiliz<br />

eine Liste mit «über 100 Männern» erstellt hat,<br />

die bereit seien, Aufgaben für den IS «in der Türkei oder<br />

in Europa» zu übernehmen, und auch vor Selbstmordattentaten<br />

nicht zurückschrecken. Während das Verfahren<br />

gegen D. als Ergebnis der Wachsamkeit unserer<br />

Behörden erscheinen mag, deuten die Aussagen<br />

über Seyam auf ihr Scheitern oder Schlimmeres hin:<br />

Obwohl er seit 20 Jahren bei allen dschihadistischen<br />

Mordbrennereien als vermeintlicher Kameramann auftaucht<br />

– Bosnienkrieg 1995, Bali-Attentate 2002, Latakia/Syrien<br />

2013 –, konnte er die ganze Zeit in Ulm, später<br />

in Berlin offen leben und Hartz-IV beziehen. Im Jahr<br />

2012 unterstützte er mit seinen Videofilmen die kostenlose<br />

Koran-Verteilung der Salafisten. Auch bei deren<br />

gewalttätigen Kundgebungen in Bonn im selben Jahr<br />

war er anwesend. Will man mit seiner Verhaftung warten,<br />

bis seine IS-Rekruten ein deutsches 9/11 ins Werk<br />

gesetzt haben? (Mehr zu Seyam in <strong>COMPACT</strong> 9/2014)<br />

Die Wege der Brüsseler Terroristen<br />

Budapest<br />

5<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

1.8.2015: Organisator Salah<br />

Abdeslam reist nach Piräus<br />

zu Vorbereitungen.<br />

8./9.9.2015: Abdeslam holt<br />

einige der späteren Täter in<br />

Budapest ab.<br />

17.9.2015: Abdeslam erneut<br />

in Budapest.<br />

2./3.10.2015: Abdeslam holt<br />

weitere Terroristen in Ulm ab.<br />

Einreise von mindestens<br />

drei Terroristen über die<br />

griechische Insel Leros.<br />

Bari<br />

GRIECHENLAND<br />

22<br />

<strong>COMPACT</strong> Spezial Nr. 5 – «Dschihad<br />

in Europa». Foto: <strong>COMPACT</strong><br />

Quelle: statista Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />

Leros


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Der Schöngeist und die Umvolkung<br />

_ von Akif Pirinçci<br />

Navid Kermani lehnt das Kreuz der Christen rundheraus ab und gerät bei islamischen<br />

Turnübungen in Ekstase. Trotzdem – nein: deswegen! – ist der deutsch-iranische Schriftsteller<br />

zum Liebling des Feuilletons avanciert und wird von den Eliten mit Auszeichnungen<br />

überhäuft.<br />

Der Begriff «Umvolkung» stammt von den Nationalsozialisten<br />

und meint den Bevölkerungsaustausch und<br />

die Re-Germanisierung in den damals von der Wehrmacht<br />

eroberten Ostgebieten zugunsten von Volksdeutschen<br />

und parallel dazu die Umsiedlung unerwünschter<br />

Volksgruppen in die ihnen neu zugewiesenen Gebiete.<br />

Es geht um die Auswechslung einer Bevölkerung gegen<br />

eine andere. Das Hauptmerkmal der Umvolkung ist ihre<br />

absolute Künstlichkeit. Sie ist eine widernatürliche<br />

Kopfgeburt. Menschen, die durch eine klar definierte<br />

Geographie, eine gemeinsame Gruppen- und Ahnengeschichte,<br />

einen Kulturkreis, einen kollektiven Erinnerungsschatz<br />

und nicht zuletzt durch eine exakt zu<br />

lokalisierende Heimat miteinander verschmolzen sind,<br />

sollen par ordre du mufti in ein fremdes Gefilde verfrachtet<br />

werden.<br />

Ein Volk dagegen ist eine dem Lande über Generationen<br />

hinweg natürlich gewachsene Menschenmenge<br />

mit mehr oder weniger ins Auge springenden<br />

speziellen Umgangsformen, Bräuchen, Schrulligkeiten,<br />

Gepflogenheiten und Lebensweisen, vor allem jedoch<br />

mit einer alle verbindenden gemeinsamen Identität.<br />

Darunter kann selbstredend auch der neu Hinzugekommene<br />

fallen, der anerkennt, dass diese landestypische<br />

Manier ihm weit mehr behagt als seine alte und abgelegte.<br />

Er müsste es jedoch nicht nur anerkennen, sondern<br />

auch fühlen und beweisen. Das Nachplappern von<br />

aufgeschnappten Grundgesetzartikeln nützt gar nichts.<br />

Es ist bloß Show, um unter einem freiheitlichen Banner<br />

wie zum Beispiel der Religionsfreiheit seine zutiefst<br />

grundgesetzwidrigen Charakteristika mit Hilfe von<br />

pseudo-juristischen Spitzfindigkeiten zu verschleiern.<br />

Die Neudeutschen<br />

Einer dieser Deutschtuenden ist Navid Kermani, ein<br />

deutsch-iranischer Schriftsteller, den vermutlich nur<br />

ein Prozent der deutschen Buchinteressierten kennt<br />

und liest. Exakt jener ahnungslose deutsche Leser fiele<br />

jedoch wohl aus allen Wolken, wenn er erführe, dass<br />

gerade dieser unbekannteste Schriftsteller der Republik<br />

der absolute, wenn nicht sogar der Feuilletonliebling<br />

schlechthin unserer moslemarschkriechenden<br />

Presse ist und wie viele Literaturpreise er schon eingeheimst<br />

hat. Ich zähle sie kurz auf: Ernst-Bloch-Förderpreis,<br />

Jahrespreis der Helga-und-Edzard-Reuter-Stiftung,<br />

Schwarzkopf-Europa-Preis der Schwarzkopf-Stiftung<br />

Junges Europa, Stipendiat in der Villa Massimo,<br />

Hessischer Kulturpreis, Buber-Rosenzweig-Medaille,<br />

Hannah-Arendt-Preis, Ehrenpreis des Kölner Kulturpreises,<br />

Kleist-Preis, Cicero-Rednerpreis, Gerty-Spies-<br />

Literaturpreis, Joseph-Breitbach-Preis, Deutscher Dialogpreis<br />

des BDDI, Mitglied der Nordrhein-Westfälischen<br />

Akademie der Wissenschaften und der Künste<br />

und schließlich und endlich der höchste aller in diesem<br />

Land zu vergebenden Literaturpreise, nämlich den Friedenspreis<br />

des Deutschen Buchhandels.<br />

Ganz ehrlich, kennen Sie Navid Kermani? Nein?<br />

Dann möchte ich Sie über ihn aufklären. Kermani ist<br />

nicht irgendein Schriftsteller mit Migrationshintergrund<br />

und schon gar nicht ist er einer der üblichen<br />

Islamverharmloser, der, obwohl selber areligiös und<br />

westlich lebend, die verlogene Monstranz der Fremdenliebe<br />

vor sich herträgt, indem er jede Art von Barbarei<br />

dieses Gewalt-und-Jungfrauen-Kults relativiert<br />

und als «andere Kultur» schönredet. Im Gegenteil, Kermani<br />

ist ein ganz Harter und spuckt seinen christlichen<br />

Gastgebern sogar ins Gesicht: «Kreuzen gegen-<br />

Navid Kermani, hier mit Mineralwasser,<br />

gerät bei Sufi-Übungen in<br />

Verzückung. Foto: ravensbuch.de<br />

Das Hauptmerkmal<br />

der Umvolkung ist<br />

ihre absolute<br />

Künstlichkeit.<br />

23


Sonder-Ausgabe Nr. 9 | 8,80 EUR (D) · compact-online.de<br />

<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Boykott gegen<br />

Pirinçci<br />

Zensur<br />

in der BRD<br />

Die schwarze Liste<br />

der verbotenen<br />

Autoren<br />

9,90 Euro (A), 13 sFr (CH)<br />

Das Das Lügenkartell gegen Eva Eva Herman, Akif Pirinçci, Matthias Matussek,<br />

Nicolaus Fest, Fest, Gerhard Wisnewski, Elmar Hörig, Frieder Wagner, Michael<br />

Vogt, Vogt, Jürgen Elsässer, Ken Ken Jebsen, Jan van Helsing.<br />

24<br />

Seit Ende Oktober 2015 boykottiert<br />

der Buchhandel weitgehend<br />

die Bücher von Pirinçci.<br />

Vorausgegangen war eine Rede<br />

des Schriftstellers bei Pegida<br />

in Dresden, in der er – so die<br />

Falschdarstellung der Lügenmedien<br />

– angeblich die Einrichtung<br />

von KZs für Flüchtlinge gefordert<br />

haben soll; in Wirklichkeit hatte<br />

er vor der Errichtung von KZs für<br />

Deutsche gewarnt.<br />

Bei Amazon werden offenbar<br />

immerhin Angebote unabhängiger<br />

Einzelhändler geduldet.<br />

Allerdings offerierten bei<br />

einer Recherche im April <strong>2016</strong><br />

lediglich eine Handvoll Anbieter<br />

wenige Exemplare von Deutschland<br />

von Sinnen und Die große<br />

Verschwulung. Zudem waren<br />

einige Katzenkrimis antiquarisch<br />

erhältlich. Die Amazon-Tochter<br />

AbeBooks verzeichnet unter<br />

dem Suchbegriff Akif Pirinçci<br />

dagegen ausschließlich seine<br />

Romane, ebenso wie deren auf<br />

Gebrauchtbücher spezialisierter<br />

Ableger ZVAB. Bei Hugendubel<br />

waren keine Angebote aufzufinden,<br />

ebenso wenig bei Thalia.<br />

Der stärkste Grossist hat bereits<br />

angekündigt, das neue Pirinçci-<br />

Buch Umvolkung nicht an die<br />

Buchhandlungen auszuliefern.<br />

Auf jeden Fall sind Pirinçcis<br />

Sachbücher bei seinem neuen<br />

Verlag Antaios (antaios.de) und<br />

über den Kopp-Verlag (kopp-verlag.de)<br />

erhältlich.<br />

Mehr zur Zensur von Pirinçci und<br />

anderer Autoren in <strong>COMPACT</strong>-Spezial<br />

Nr. 9. Foto: <strong>COMPACT</strong><br />

Bild oben rechts: Ein Wegekreuz vor<br />

dunklen Gewitterwolken. Foto: dpa/<br />

Felix Kästle/Illustration<br />

über bin ich prinzipiell negativ eingestellt. Nicht, dass<br />

ich die Menschen, die zum Kreuz beten, weniger respektiere<br />

als andere betende Menschen. Es ist kein Vorwurf.<br />

Es ist eine Absage. Gerade weil ich ernst nehme,<br />

was es darstellt, lehne ich das Kreuz rundherum ab.<br />

Nebenbei finde ich die Hypostasierung des Schmerzes<br />

barbarisch, körperfeindlich, ein Undank gegenüber<br />

der Schöpfung, über die wir uns freuen, die wir genießen<br />

sollen, auf dass wir den Schöpfer erkennen. Ich<br />

kann im Herzen verstehen, warum Judentum und Islam<br />

die Kreuzigung ablehnen. Sie tun es ja höflich, viel zu<br />

höflich, wie mir manchmal erscheint, wenn ich Christen<br />

die Trinität erklären höre und die Wiederauferstehung<br />

und dass Jesus für unsere Sünden gestorben sei.<br />

Der Koran sagt, dass ein anderer gekreuzigt worden<br />

sei. Jesus sei entkommen. Für mich formuliere ich die<br />

Ablehnung der Kreuzestheologie drastischer: Gotteslästerung<br />

und Idolatrie [Bilderverehrung].»<br />

Gut, diese Äußerungen könnten auch von einem<br />

Atheisten stammen, so wie ich einer bin und wie fast<br />

jeder in der Kreativbranche. Tun sie aber nicht. Sie sind<br />

von einem Autor, der sich fast ausschließlich mit der<br />

Religion beschäftigt, nämlich mit dem Islam, darüber<br />

jedoch nicht nur artige Akademikertraktätchen verfasst,<br />

sondern sich in ihm richtiggehend suhlt und ihn verherrlicht.<br />

Navid Kermani ist das fleischgewordene und<br />

auffälligste Symptom der Migrantisierung der deutschen<br />

Kultur, und es ist dabei gleichgültig, dass er<br />

bereits in Deutschland geboren wurde: Der vom linksgrünen<br />

Kulturbetrieb und von staatlichen Kulturinstitutionen<br />

krampfhaft postulierte Anspruch, dass der<br />

Künstler und Intellektuelle ausländischer, besser muslimischer<br />

Herkunft weit genialischer sei und unsere<br />

Gesellschaft authentischer abbilde als ein Autor oder<br />

Filmemacher, der Karl heißt, ist seit Anfang der 1990er<br />

Programm und Staatsdoktrin, zumindest was den Fluss<br />

der Staatsknete von den Fördertöpfen an die «üblichen<br />

Verdächtigen» anbetrifft.<br />

So wie es scheint, gerät Kermani bei seinen islamischen<br />

Turnübungen sogar regelrecht in einen Rausch:<br />

«Ich selbst habe einmal bei einem sufischen Atemritual<br />

mit anderen laut hyperventiliert, bis ich in Ohnmacht<br />

fiel. Als ich aufwachte, lag ich auf dem Boden, zwei<br />

Leute kümmerten sich um mich und gaben mir Zuckerwasser.<br />

Das war eine sehr schöne Erfahrung, und die<br />

Sehnsucht nach dieser kleinen Ekstase treibt mich weiter<br />

an. Die Gefahr ist allerdings, nach der Verzückung<br />

süchtig zu werden…» (Zeit-<strong>Magazin</strong>, 12. Januar 2015)<br />

Kermani spuckt seinen christlichen<br />

Gastgebern ins Gesicht.<br />

Man stelle sich vor, diese Zeit-Heinis würden an<br />

den Lippen eines deutschen Schriftstellers hängen<br />

und diesen als eine große geistige Autorität Deutschlands<br />

apostrophieren, der bei katholischen Exerzitien<br />

in Ekstase gerät und davon süchtig zu werden droht.<br />

Das brüllende Gelächter des Intellektuellenpublikums<br />

wäre ihm sicher. Doch da die größte Bedrohung der<br />

gegenwärtigen Welt schleichend auch das Epizentrum<br />

des deutschen Feuilletons diszipliniert und es ob<br />

der Schönheit der islamischen Spiritualität den Atem<br />

anhalten lässt, kann man von solcherlei Ohnmachtsanfällen<br />

nicht genug kriegen. Schon einige Wochen<br />

später nämlich kam in der Zeit ein neues Interview mit<br />

der Islamkoryphäe aufs Tapet. Man ist schier besessen<br />

von dem Mann.


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Selbsterniedrigung des Bundestags<br />

Offenkundig in Ermangelung eines deutschen Schwadroneurs<br />

durfte ausgerechnet der Islam-Hyperventilierer<br />

Navid Kermani am 23. Mai 2014 in einer Feierstunde<br />

anlässlich der Verkündung des Grundgesetzes<br />

vor 65 Jahren im deutschen Bundestag die Festrede<br />

halten. Vielleicht revanchieren sich die Muslime einmal<br />

und lassen einen Ungläubigen die Festrede zur<br />

Einführung der Scharia in Deutschland halten? Es war<br />

der Tiefpunkt des deutschen Parlaments, die Endstufe<br />

sozusagen. Und was sagte Kermani so? Er nannte die<br />

Einschränkung des Asylrechts, die der Bundestag in<br />

den 1990er Jahren beschlossen hat, einen «hässlichen<br />

Schandfleck», vermutlich weil dieses Land noch nicht<br />

zur Gänze mit seinen Glaubensbrüdern penetriert worden<br />

ist. Angeblich führte dies zu einem Eklat. I wo, die<br />

Merkel zumindest hatte die Botschaft schon damals<br />

verstanden und längst mitgeteilt, dass die Kermanis<br />

zu Deutschland gehören. Und es ist wahr, wir brauchen<br />

noch mehr Kermanis, damit Deutschland endlich<br />

den bluttriefenden Hieronymus-Bosch-Landschaften<br />

ähnelt, die der Herr Wissenschaftler in seinen «Reiseberichten»<br />

beschreibt – um danach den Gebetsteppich<br />

auszurollen.<br />

Der letzte Deutsche<br />

Eigentlich ist Kermani uninteressant. Er ist nur symbolhaft<br />

für die von der vergrünisierten Politik missverstandene<br />

Bevölkerungsidee. Nämlich dass alle in<br />

einem Land Lebenden völlig entgegengesetzte Lebensstile<br />

und Ansichten, insbesondere jedoch Umgangsformen<br />

mit Frauen pflegen können, ohne dass das sie<br />

alle verbindende Band der Heimat und der wie auch<br />

immer gearteten nationalen Identität zerfasert, gar<br />

sich völlig auflöst, obgleich die einander Entgegengesetzten<br />

im Tode nicht einmal auf ein und demselben<br />

Friedhof begraben werden wollen. Und Kermani ist<br />

ein Symptom für die Schwachsinnsidee des sturzdummen<br />

deutschen Politikers, dass das Raubtier Islam sich<br />

mit Sonntagsreden eines Schreiberlings mal so eben<br />

intellektualisieren und kompatibel für einen modernen<br />

westlichen Industriestaat machen lässt. Eher ist das<br />

Gegenteil der Fall.<br />

Kermani ist das fleischgewordene<br />

Symptom der Migrantisierung<br />

unserer Kultur.<br />

Das Fremde, der uns feindlich Gesinnte, im besten<br />

Falle unsere freiheitliche Lebensweise und unsere<br />

Sitten Ignorierende und über kurz oder lang uns seine<br />

vormoderne Denkart Aufzwingende dreht den Spieß<br />

durch sein demographisches Megawachstum einfach<br />

um und gängelt den deutschen Politiker, seine ganze<br />

Aufmerksamkeit, seine Zeit und die eingetriebenen<br />

Tribute (Steuern) nicht seinem eigenen Volk, sondern<br />

dem destruktiven Gast zu widmen. Schlussendlich<br />

betreibt der (muslimische) Ausländer eine Umvolkung<br />

des Inländers über die Bande der Politik, die – zumal<br />

schon völlig irre geworden vom Willkommens- und<br />

Vielfaltswahn – ihm den Gefallen tut. Bleibt nur das<br />

Problem, wer dann für die tolle Westniveau-Existenz<br />

des Fremden löhnen soll, wenn der letzte Deutsche<br />

weg ist.<br />

Cooler Typ: Pirinçci zieht auf Lunge.<br />

Foto: der-kleine-akif.de<br />

Das aktuelle Buch von Akif Pirinçci.<br />

Nicht in Buchhandlungen erhältlich,<br />

sondern auf antaios.de. Foto: Verlag<br />

Leider nicht geschlossen: Diese<br />

Moschee in der Brüsseler Salafistenhochburg<br />

Molenbeek steht unter<br />

saudischer Kontrolle, gepredigt wird<br />

nur auf Arabisch. Foto: picture alliance/AP<br />

Photo<br />

_ Vorabdruck aus Pirinçcis<br />

neuem Buch «Umvolkung. Wie<br />

die Deutschen still und leise<br />

ausgetauscht werden» (ISBN<br />

978-3-944422-19-0, 160 Seiten,<br />

14 Euro, antaios.de). – Akif Pirinçci<br />

(*1959) kam 1969 aus der Türkei<br />

nach Deutschland. Sein erstes<br />

Buch «Tränen sind immer das<br />

Ende» erschien 1980. Bekanntheit<br />

erlangte er mit seinem Katzenkrimi<br />

«Felidae» (1989). Seit 2012<br />

betätigt sich Pirinçci vor allem als<br />

gesellschaftspolitischer Essayist<br />

und Kritiker. Sein Buch «Deutschland<br />

von Sinnen» (2014) über<br />

die privilegierte Stellung von<br />

Migranten und Schwulen machte<br />

ihn zur Hassfigur des Mainstream.<br />

25


Die letzten Aramäer im Tur Abdin<br />

_ von Fritz Poppenberg<br />

26<br />

Im Ersten Weltkrieg betrieb das türkische Regime eine Vertreibungsund<br />

Ausrottungspolitik gegenüber den christlichen Minderheiten. Das<br />

Dorf Hah hielt stand – und verteidigt seinen Glauben bis heute.<br />

Aramäerin im Gebirge Tur Abdin.<br />

Foto: Autor<br />

Ihre Familie musste<br />

1993 fliehen, um<br />

Mordanschlägen zu<br />

entgehen.<br />

Verwüstet: Zaz, das Heimatdorf<br />

unserer Reiseführerin Hatune.<br />

Foto: Autor<br />

Wer heute preisgünstig Urlaub in der Türkei macht,<br />

erlebt als Pauschalreisender ein Land ohne Widersprüche.<br />

«Erlebe die Vielfalt», der Slogan der offiziellen<br />

Tourismus-Werbung, bezieht sich gerade noch auf<br />

die landschaftliche Verschiedenheit oder den unbeschwerten<br />

Wechsel zwischen Strand, Hamam und<br />

Hagia Sophia. Von der ethnischen und religiösen Vielfalt<br />

zwischen Bosporus und Anatolien, die das Osmanische<br />

Reich einst auszeichnete und vor hundert Jahren<br />

durch das grausame Abschlachten friedlicher Völkerschaften<br />

zerstört wurde, erfährt der Besucher nichts.<br />

Doch unsere kleine Reisegruppe geht ihren eigenen<br />

Weg: Wir wollen keinen Schnäppchen-Urlaub, sondern<br />

besuchen das Gebirge Tur Abdin, das Kerngebiet der<br />

Aramäer, nahe der syrischen Grenze. Die Klöster der<br />

Region gehören zu den ältesten der Welt – die hochstehende<br />

Kultur der christlichen Bevölkerung gab es<br />

schon ein halbes Jahrtausend vor Mohammed. Doch<br />

wie die Armenier des Osmanischen Reiches, so fielen<br />

auch die meisten Aramäer dem Genozid im und nach<br />

dem Ersten Weltkrieg zum Opfer.<br />

Ihre wenigen Nachfahren haben bis heute unter<br />

Enteignung und Entrechtung zu leiden. So wird das im<br />

Jahr 397 nach Christus gegründete, weltbekannte Kloster<br />

Mor Gabriel seit 2008 mit einer Flut von Gerichtsverfahren<br />

überzogen. Das Regime will an die Ländereien<br />

der Abtei heran, wobei es sich nicht scheut,<br />

geltendes Recht zu brechen. Zwar hat Recep Tayyip<br />

Erdogan 2013 unter Druck aus der Europäischen Union<br />

von «Unrecht» gesprochen, das den Mönchen widerfahren<br />

sei, doch bisher ist nichts passiert, was dieses<br />

Unrecht wiedergutgemacht hätte. Zudem ist das<br />

Unterrichten der aramäischen Sprache, immerhin der<br />

Sprache Jesu, verboten. Auf Bücher mit aramäischen<br />

Schriftzeichen machen Militär und Polizei regelmäßig<br />

Jagd. Schikanöse Durchsuchungen der Heiligtümer und<br />

Kontrollen ihrer Bewohner sind an der Tagesordnung.<br />

Unsere Reiseführerin Hatune kennt die Gegend und<br />

ihre Geschichte gut. Immerhin stammt sie selbst aus<br />

einem der Dörfer. 1993, sie war gerade neun Jahre alt,<br />

musste ihre Familie fliehen, um der grausamen Verfolgung<br />

seitens der herrschenden kurdischen Aga-Sippe<br />

zu entgehen.<br />

Der Untergang von Zaz<br />

Als wir in ihrem Heimatort Zaz ankommen, begreifen<br />

wir langsam die ganze Dimension des Geschehenen.<br />

Das ehemals blühende christliche Dorf mit etwa<br />

2.000 Einwohnern ist weitgehend eine Trümmerlandschaft.<br />

Von den kurdischen Eroberern sind gerade noch<br />

zwei oder drei Familien ansässig, die anderen sind auf<br />

der Suche nach fetterer Beute weitergezogen – nach<br />

Deutschland. Die einzig hier noch lebenden Christen


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

sind ein Mönch syrischer Konfession und eine ältere<br />

Frau. Abgesehen vom gelegentlichen Kontakt mit der<br />

sie schikanierenden Polizei leben die beiden isoliert in<br />

der Kirche oben auf dem Hügel.<br />

Hatune führt uns zu ihrem Elternhaus – oder vielmehr<br />

zu dem, was von ihm übrig geblieben ist, nachdem<br />

Muslime eine Bombe hineingeworfen haben. Sie<br />

zeigt uns die verdorrten Felder, auf denen sie einst<br />

ihren Eltern bei der Ernte half, und die Stelle, an der ihr<br />

Vater von Kurden mit der Erschießung bedroht wurde.<br />

Er hatte versucht, den Weinberg gegen die Räuber zu<br />

verteidigen. Uns fehlen die Worte. Die Trauernde klettert<br />

auf den Trümmerhaufen, unter dem ihre Kindheit<br />

begraben liegt, setzt sich auf die Steine und weint.<br />

Im Gebiet des Tur Abdin gibt es viele Dörfer mit ähnlichem<br />

Schicksal. Als die türkische Regierung 1915 den<br />

Plan zur Ausrottung der osmanischen Christen in die<br />

Tat umsetzte, wurden die meisten Ansiedlungen von<br />

der Mordwelle einfach weggespült. Einige, die sich<br />

wie Zaz zunächst mutig wehrten, legten aufgrund der<br />

Übermacht und heimtückischer Versprechungen seitens<br />

der Angreifer die Waffen nieder. Männer und Alte<br />

wurden daraufhin abgeschlachtet, hübsche Frauen und<br />

Kinder nach den Regeln des Dschihad zwangsislamisiert.<br />

Die neuen Herren der Siedlung haben Kahlschlag<br />

gemacht, selbst den großen jahrhundertealten<br />

Baum am Teich haben sie gefällt. Ohne den Schatten<br />

der Laubkronen ist es unerträglich heiß. Eine alte<br />

Kurdin bleibt in unserer Nähe stehen, zeigt auf den<br />

ausgetrockneten Weiher und sagt so etwas wie: «Mit<br />

der Flucht der letzten Christen ist auch der Segen verschwunden,<br />

der einmal auf diesem Dorf lag.»<br />

Ob in Ägypten, im Senegal oder in der Türkei –<br />

auf meinen Reisen ist mir immer wieder aufgefallen,<br />

dass die Mohammedaner auf Kriegsfuß mit Bäumen<br />

und Wald zu stehen scheinen. Im gesamten Gebirgszug<br />

machen wir überall dieselbe Erfahrung: Fast alle<br />

Gehölze wurden gerodet, sodass die Erde der Sonne<br />

schutzlos ausgeliefert ist.<br />

Eine Oase in der Einöde<br />

So durchqueren wir eine ermüdende wüstenähnliche<br />

Landschaft. Doch je näher wir unserem neuen<br />

Reiseziel, dem Dorf Hah, kommen, desto grüner wird es<br />

erstaunlicherweise. Der Weg schlängelt sich durch neu<br />

angepflanzte Plantagen von Mandel-, Granatapfel- und<br />

Feigenbäumen, dann sogar durch einen kleinen Forst.<br />

Leute arbeiten auf den Feldern oder bringen Wagen<br />

voller Weintrauben und Wassermelonen heim. Als wir<br />

später von den Zinnen der Festung, die am Rande des<br />

christlichen Dorfes liegt, das ganze Gebiet überblicken<br />

können, liegt uns eine bewaldete Ortschaft zu Füßen –<br />

eine Oase inmitten der Zerstörung. Wir sind sprachlos.<br />

Warum wurde nicht auch Hah zerstört? Warum wurden<br />

die Menschen hier nicht auch getötet oder versklavt?<br />

Was war geschehen?<br />

Der christliche Widerstand<br />

Im Frühjahr 1915 drangen die ersten Gerüchte von<br />

fernen Massentötungen in das Dorf. Der Herr der Festung,<br />

der Adlige Rasch-scho Henno, war darüber sehr<br />

besorgt und machte sich auf den Weg in die armenischen<br />

Gebiete, um sich persönlich ein Bild zu machen.<br />

Als er nach mehreren Wochen zurückkehrte, alarmierte<br />

«Mit den letzten<br />

Christen ist auch<br />

der Segen verschwunden.»<br />

Eine Kurdin<br />

Die toten Christen, die Europa vergessen<br />

hat: Massengrab im Tur<br />

Abdin. Foto: Autor<br />

Opfer eines Massakers an Armeniern<br />

im Ersten Weltkrieg, 1918 veröffentlicht<br />

von US-Botschafter Morgenthau.<br />

Foto: Henry Morgenthau,<br />

Public domain, Wikimedia Commons<br />

27


<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

Das Schicksal der<br />

Armenier<br />

Die größte christliche Volksgruppe<br />

im Osmanischen Reich<br />

waren die etwa 1,7 Millionen<br />

orthodoxen Armenier. Nach<br />

Ausbruch des Ersten Weltkrieges<br />

wurden sie von der türkischen<br />

Regierung verdächtigt,<br />

mit dem ebenfalls christlich-orthodoxen<br />

Russland,<br />

einem Verbündeten der gegnerischen<br />

Entente, zu kollaborieren.<br />

Durch Massenhinrichtungen<br />

und Todesmärsche insbesondere<br />

in den Jahren 1915 und<br />

1916 kamen je nach Schätzung<br />

zwischen 300.000 und mehr als<br />

1,5 Millionen Armenier zu Tode.<br />

An den Verfolgungsaktionen<br />

waren neben Türken auch Kurden<br />

beteiligt.<br />

Weltweit erkennen die meisten<br />

Historiker diesen Völkermord als<br />

Tatsache an, während die Türkei<br />

lediglich von einzelnen Massakern<br />

spricht. Der Streit belastet<br />

auch die Beziehungen einiger<br />

westlicher Staaten mit Ankara.<br />

Viele Armenier überlebten die<br />

Deportationsmärsche nicht, zu<br />

denen sie das türkische Militär<br />

1915 zwang. Das Foto hat der deutsche<br />

Offizier Armin Wegner aufgenommen.<br />

Foto: Public Domain, Wikimedia<br />

Commons<br />

er umgehend die Dorfbewohner, dass die Abschlachtung<br />

der dortigen Glaubensbrüder tatsächlich in vollem<br />

Gange war. Obwohl das Morden bisher noch nicht ihr<br />

Gebiet erreicht hatte, war sich die Ältestenschaft von<br />

Hah der tödlichen Gefahr bewusst. Im Gegensatz zu<br />

einigen anderen Weilern des Tur Abdin, die entweder<br />

gar nicht oder nicht entschlossen genug zu den Waffen<br />

griffen, bereitete man sich hier auf das Schlimmste vor<br />

und begann mit Verteidigungsarbeiten. Die Mauern der<br />

Zinnen wurden verstärkt, Gewehre, Pistolen, Munition<br />

und Sprengstoff herangeschafft sowie Türme für günstige<br />

Schusspositionen errichtet. Schließlich brachte<br />

man – in Erwartung eines lang andauernden Kampfes<br />

– große Mengen Lebensmittel in die Festung und<br />

sicherte den Zugang zu frischem Wasser.<br />

45 Tage hielten die Aramäer dem<br />

Ansturm der Moslems stand – und<br />

siegten schließlich.<br />

Anfang Juli setzten, wie befürchtet, die Massaker<br />

in den umliegenden Dörfern ein. Überlebende aus Ortschaften<br />

wie Eschtrako, Qustan und Schahirkan retteten<br />

sich nach Hah, sodass die Zahl der Schutzsuchenden<br />

auf über 2000 anstieg. Zu diesem Zeitpunkt standen<br />

schon mehrere hundert christliche Männer unter<br />

Waffen und bereiteten sich auf den Angriff vor. Der<br />

kam Ende August 1915. Nachdem feindliche Unterhändler<br />

die Entwaffnung und Unterwerfung der Verteidiger<br />

gefordert hatten, aber abgewiesen worden waren,<br />

griff eine kleine Einheit türkischer Soldaten an. Unterstützt<br />

wurde sie von etwa 15.000 Kurden aus der Umgebung.<br />

Mordlust und Gier hatte ganze Sippen ergriffen,<br />

und das schrille Trillern der Frauen schien keinen Zweifel<br />

daran zu lassen, dass die Festung verloren war.<br />

Immer wieder rannten die Angreifer gegen die Mauern<br />

an, doch jedes Mal brach ihre Attacke im Feuer der<br />

Verteidiger zusammen. In der Chronik der Ereignisse<br />

ist von 45 Tagen Gefecht die Rede, in dessen Verlauf<br />

die Muslime erhebliche Verluste hinnehmen mussten.<br />

Weitere Verhandlungsangebote von deren Seite wurden<br />

von Rasch-scho Henno und seinen Männern als<br />

hinterhältig eingeschätzt und abgelehnt.<br />

Glücklicherweise stand der türkischen Militäreinheit<br />

an dieser Stelle keine Kanone zur Verfügung, wie<br />

sie zum Beispiel im Dorf Zaz zum Einsatz gekommen<br />

war. Immer größere Verluste und schlechte Aussichten<br />

auf absehbaren Erfolg schwächten den Kampfgeist<br />

der Belagerer zusehends. Nachdem die Angriffe<br />

nachgelassen hatten, erschien der über den Parteien<br />

stehende Scheich Fathallah auf dem Kriegsschauplatz<br />

und ermöglichte einen Waffenstillstand. Das<br />

Vorhaben, die Bewohner abzuschlachten, ihre jungen<br />

Frauen und Kinder und ihr Hab und Gut wegzuschleppen,<br />

war gescheitert. Auch wenn nicht wenige der<br />

Einwohner von Hah in den Folgejahren hinterrücks<br />

auf den Feldern gemeuchelt wurden, so existiert dieses<br />

Dorf immer noch, und seine Bewohner haben trotz<br />

Schikanen des türkischen Staates eine großartige<br />

Geschichte zu erzählen.<br />

Als wir uns kurz vor Sonnenuntergang verabschieden,<br />

treffen wir im Tor der Festung auf eine gebeugte,<br />

steinalte Frau, die mit unserer Reiseleiterin ein paar<br />

Worte wechselt. Ich bin nicht sicher, ob ihre müden<br />

Augen uns überhaupt wahrnehmen können, doch als<br />

sich unsere Reiseleiterin von ihr verabschiedet, hebt<br />

die Greisin ihre Hand und spricht in unsere Richtung.<br />

Hatune übersetzt, dass sie uns Gottes Segen wünscht<br />

und eine gute Heimreise – und dann etwas, das wie<br />

ein Menetekel klingt und uns den Rest der Reise nicht<br />

mehr loslässt: «Ihr in Almanya seid in großer Gefahr.<br />

Ihr müsst es so machen wie wir. Ihr müsst kämpfen!»<br />

28<br />

_ Fritz Poppenberg (* 1949) ist<br />

ein deutscher Autorenfilmer,<br />

Kameramann und Regisseur.<br />

Er produziert vor allem<br />

Dokumentationen über kontrovers<br />

diskutierte Themen wie die Verfolgung<br />

der Zeugen Jehovas im<br />

Nationalsozialismus und in der DDR<br />

und die aktuelle weltweite Verfolgung<br />

von Christen. Seine Filme<br />

«Mein Vater» (1982) und «Die AIDS-<br />

Rebellen» (1992) erhielten von der<br />

Filmbewertungsstelle Wiesbaden<br />

das Prädikat «besonders wertvoll».<br />

Mehr Informationen auf seinem<br />

Filmportal «dreilindenfilm.de».<br />

Öffentliche Hinrichtung von Armeniern im Zuge von Massenvertreibung und Völkermord durch Soldaten des Osmanischen Reiches in der<br />

damaligen Türkei im Jahre 1915. Foto: picture alliance/Mary Evans Pict


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Wenn Propaganda über Leichen geht<br />

_ von Marc Dassen<br />

Im Flüchtlingslager bei Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze spielten sich<br />

dramatische Szenen ab. Fernsehbilder zeigten Menschen, die einen reißenden Fluss<br />

durchqueren – drei ertranken. Die Toten gehen auf das Konto skrupelloser Asylaktivisten.<br />

Mit schmerzverzerrten Gesichtern blicken die<br />

Gestrandeten von Idomeni in die Kamera, während<br />

sie verzweifelt versuchen, sich und ihre Habseligkeiten<br />

ans andere Ufer zu retten. Sogenannte Fluchthelfer<br />

haben ein Seil gespannt, an dem sich im eiskalten<br />

Wasser stehende Menschen festklammern. Durch<br />

starke Regenfälle zu einem tückischen Strom angeschwollen,<br />

ist der Fluss nahe der mazedonischen Stadt<br />

Gevgelija nur unter Lebensgefahr zu durchqueren. Und<br />

trotzdem schließen sich an diesem 14. März Tausende<br />

dem Himmelfahrtskommando an, statt in den neu eingerichteten<br />

Camps im Landesinneren Schutz zu suchen.<br />

Der scheinbar spontane Exodus wird von einer Division<br />

sensationshungriger Journalisten begleitet, die sich<br />

in den Fluten postiert haben und eifrig Bilder knipsen.<br />

Die ganze Szene wirkt surreal, wie ein makabres Fotoshooting.<br />

Doch wer könnte an solchen Schnappschüssen<br />

Gefallen finden?<br />

«Gefährlicher noch als Kälte und Krankheiten sind<br />

in Idomeni die Gerüchte», schreibt Zeit Online Ende<br />

März. Tatsächlich: Schon einen Monat zuvor hatten<br />

Unbekannte im Zeltlager verbreitet, dass die Grenze<br />

zu Mazedonien wieder offen, der Weg nach Deutschland<br />

frei sei. Prompt setzten sich Hunderte in Bewegung.<br />

«Öffnet die Grenze!» schallte es, und «Wir wollen<br />

Deutschland!» Am Übergang kam es dann zu<br />

hässlichen Tumulten; Zäune wurden niedergerissen,<br />

Beamte mit Steinen beworfen. Aktivisten verteilten<br />

Bolzenschneider an Camp-Bewohner. «Es liegt in der<br />

Luft, dass etwas passieren wird, (…) überall wird<br />

gemurmelt und einige Anführer versuchen, Anweisungen<br />

zu geben», beschrieb ein Reporter der Deutschen<br />

Welle die Lage in diesen Februartagen. Die Situation<br />

eskalierte, als einige Männer «ein Straßenschild als<br />

Rammbock» benutzten, um «damit den Grenzzaun einzureißen».<br />

Aufruf zur Invasion<br />

Wer hatte die Hysterie im Camp ausgelöst, wer das<br />

Kommando zur Grenzstürmung gegeben? Wenigstens<br />

ein Mainstreammedium, die Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung, stellte Mitte März klar: «Flüchtlings-Exodus<br />

war offenbar organisierte Aktion». Die Rede ist von<br />

«Migrationsideologen», die die «europäischen Öffentlichkeiten<br />

mit herzzerreißenden Fotos» versorgen wollen.<br />

Die Flüchtlinge wurden bei diesem Marsch in Idomeni<br />

«bewusst in Lebensgefahr gebracht – und auf<br />

der anderen Seite des Flussufers warteten TV-Teams<br />

und Journalisten», fasste die österreichische Kronen-<br />

Zeitung unter Berufung auf Polizeiangaben zusam-<br />

Dieses Bild zeigt die Szenerie am<br />

Flussufer von Idomeni. Kaum zu<br />

erkennen: Die vielen Fotografen, die<br />

das Leid der Flüchtlinge aus nächster<br />

Nähe festhalten. Foto: picture<br />

alliance/AP Photo<br />

Selbst Säuglinge treiben No-border-<br />

Fußtruppen in den reißenden Strom.<br />

Foto: picture alliance/AP Photo<br />

«Wir wollen<br />

Deutschland!»<br />

Flüchtlinge in Idomeni<br />

29


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

30<br />

Am Eisenbahnübergang von<br />

Idomeni muss die mazedonische<br />

Polizei immer wieder Sturmangriffe<br />

mit Tränengas abwehren.<br />

Foto: picture alliance/AP Photo<br />

Dieses Flugblatt des sogenannten<br />

Kommandos Norbert Blüm zeigt die<br />

vorgegebene Fluchtroute und gibt<br />

Handlungsanweisungen zur Grenzstürmung.<br />

Quelle: protothema.gr<br />

_Marc Dassen ist Redakteur bei<br />

<strong>COMPACT</strong>. In Ausgabe 4/2015<br />

schrieb er über die Manipulationsstrategien<br />

der westlichen Massenmedien<br />

im Syrien-Krieg.<br />

men. Mazedonische Beamte nahmen Dutzende dieser<br />

Voyeure und Instrukteure wegen Mittäterschaft<br />

kurzzeitig in Gewahrsam. Darunter war laut österreichischem<br />

Außenministerium auch die Wiener Aktivistin<br />

Fanny Müller-Uri, die der Partei Die Grünen nahesteht<br />

und auf ihrem Twitter-Account die Botschaften<br />

einschlägiger Gruppen verbreitet.<br />

«Flüchtlings-Exodus war offenbar<br />

organisierte Aktion».<br />

FAZ<br />

Drahtzieher der fatalen PR-Aktion war offenbar eine<br />

deutsche Fluchthelfer-Truppe, die zum Ärger der Behörden<br />

zuvor eifrig Flugblätter in arabischer Sprache im<br />

griechischen Grenzgebiet bei Idomeni verteilt hatte.<br />

Unterschrieben war das Pamphlet mit «Kommando<br />

Norbert Blüm». Die Wartenden – knapp 10.000 Menschen<br />

– sollten durch diesen Aufruf zum Sturm auf die<br />

Grenze angestachelt werden. Laut Spiegel wurde die<br />

Aktion zuerst per «Facebook-Gruppe organisiert», die<br />

gedruckten Flugblätter sollen «in einem weißen Transportwagen»<br />

ins Camp gekommen sein – auf dem Fahrzeug<br />

war «ein gefälschtes Zeichen des Roten Kreuzes».<br />

In dem Infoblatt wurde panikartig verbreitet, dass «das<br />

Lager von Idomeni in den kommenden Tagen evakuiert<br />

wird» und verbleibende Personen in die Türkei abgeschoben<br />

werden könnten. «Wer es schafft, illegal in<br />

einen anderen Staat Mittel- oder Osteuropas zu reisen,<br />

wird bleiben können. Deutschland akzeptiert noch<br />

Flüchtlinge», hieß es dort weiter – eine klare Handlungsanweisung.<br />

Die Autoren empfahlen, «zu Tausenden»<br />

nach Mazedonien durchzubrechen: Wenn alle<br />

gleichzeitig kommen, «wird die Polizei Sie nicht stoppen<br />

können».<br />

Unter den mutmaßlichen Organisatoren dieser<br />

Aktion tauchen einige alte Bekannte auf. Neben Linksautonomen<br />

von Blockupy und NoBorder sind etwa die<br />

Asylaktivisten von bordermonitoring.eu mit von der<br />

Partie. Über einen der Köpfe, Bernd Kasparek, berichteten<br />

wir bereits ausführlich in <strong>COMPACT</strong> Spezial Nr.<br />

8: Asyl. Das Chaos. Auch Kasparek steht den Grünen<br />

nahe, seine politischen Projekte wurden in der Vergangenheit<br />

mit reichlich Steuergeld finanziert – so etwa<br />

die Internationale Schlepper- und Schleusertagung<br />

(ISS) in München 2015, die ihre linksextremen Ambitionen<br />

als Aktionskunst zu verkleiden versuchte. Die<br />

Kamikaze-Operation in Idomeni begleitete bordermonitoring.eu<br />

an jenem Tag mit einem Liveticker auf Twitter<br />

unter dem Hashtag #marchofhope (Marsch der Hoffnung),<br />

der alle Aktivisten vor Ort mit den notwendigen<br />

Informationen versorgte. Eine «riesige Armada» solcher<br />

vermeintlichen Helfer war laut der Gruppe Moving<br />

Europe schon kurz zuvor dort eingetroffen. Wie die sich<br />

nützlich machten, dokumentierte Welt Online: «Fuck<br />

your racist borders – f**kt eure rassistischen Grenzen<br />

– steht in Sprühfarbe auf diversen Wohncontainern<br />

im Flüchtlingslager Idomeni.» Nach Aussage der<br />

Bewohner hatten nicht Asylbegehrer diese Botschaften<br />

verbreitet, «sondern Helfer, junge Leute aus westlichen<br />

Ländern».<br />

Inszenierung mit Todesfolge<br />

Die von Aktivisten auch mittels Skizze auf besagtem<br />

Flugblatt ausgegebene Fluchtroute zeigt, dass die<br />

Massen ganz bewusst an dieser Stelle durch den Fluss<br />

getrieben werden sollten – was dann drei Afghanen<br />

zum Verhängnis wurde. Dass die ganze Aktion von<br />

Anfang an «aussichtslos» war, gab die Sprecherin von<br />

Moving Europe in einem Zeit-Interview freimütig zu.<br />

Die Flüchtenden hatten ihr Leben ganz umsonst ris-


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

kiert, weil sie gleich auf der anderen Seite der Grenze<br />

von mazedonischen Uniformierten aufgegriffen wurden.<br />

Ging es den Aktivisten nur um Publicity? Wollte<br />

man vor dem EU-Flüchtlingsgipfel in Brüssel ein Zeichen<br />

setzen, wie Die Zeit spekulierte? Setzte man für<br />

starke Bilder Menschenleben aufs Spiel?<br />

Im Netzwerk Moving Europe haben sich gleich mehrere<br />

Aktivistengruppen wie Bordermonitoring, die Berliner<br />

Forschungsgesellschaft Flucht und Migration,<br />

Medico International und die Gruppe Welcome to<br />

Europe zusammengeschlossen. Letztere – hinter der<br />

manche die Open Society Foundation des US-Milliardärs<br />

George Soros vermuten – gab im September letzten<br />

Jahres ein Handbuch heraus, das den Migranten<br />

bei der illegalen Einreise in die EU behilflich sein sollte.<br />

Mit dem Idomeni-Flugblatt will aber niemand etwas zu<br />

tun haben. Eine Adrienne Homberger – Sprecherin von<br />

Moving Europe – bestreitet im Interview mit der Zeit,<br />

dass Aktivisten den Impuls zur Grenzstürmung gegeben<br />

haben, spricht stattdessen von «Selbstorganisation»<br />

der Flüchtlinge. Offensichtlich ist jedoch, dass<br />

die Asyllobbyisten jede Silbe des Aufrufs unterstützten.<br />

Das tat indirekt sogar Norbert Blüm. Der CDU-<br />

Politiker verbrachte wenige Tage vor den Todesfällen<br />

eine Nacht in einem Zelt bei Idomeni und soll den<br />

Menschen dort laut Spiegel-Informationen versprochen<br />

haben, dass diejenigen, die es nach Deutschland<br />

schaffen, dort auch bleiben können. Ob nicht<br />

auch dadurch der Druck im Hexenkessel gestiegen ist?<br />

Ein übles Spiel<br />

Die furchtbaren Bilder hilfloser Menschen sollten<br />

in den Medien den Beweis erbringen, dass die Abriegelung<br />

von Flüchtlingsrouten Ursache der Notsituation<br />

sei. In ihrem Wahn machten die No-border-Ideologen<br />

vor nichts mehr Halt, wie der Fotograf Björn Kietzmann<br />

Ende März auf Twitter dokumentierte: «Filmteam holt<br />

Kinder zum Zaun & fordert sie auf am NATOdraht zu<br />

rütteln». Man sieht auf den Aufnahmen auch Kinder,<br />

die Deutschlandfahnen schwenken und Pappschilder<br />

mit Sprüchen wie «open the borders» oder «Mama<br />

Merkel» in die Kamera halten. Wer diese Accessoires<br />

bereitgestellt hatte, bleibt unklar. Jedenfalls hat nicht<br />

die Grenzschließung zu Not und Gewalt geführt, sondern<br />

die Wühlarbeit unverantwortlicher Aktivisten, die<br />

ständig falsche Hoffnungen, Panik und Misstrauen verbreiteten,<br />

zum Widerstand gegen Grenzbeamte und<br />

immer wieder zum illegalen Grenzübertritt aufriefen.<br />

«Wenn Sie zu Tausenden gleichzeitig<br />

über die Grenze kommen,<br />

wird die Polizei Sie nicht stoppen<br />

können.» Kommando Norbert Blüm<br />

Dass die genannten Aktivistengruppen auch angesichts<br />

der drei Toten nicht von ihrer Mission ablassen<br />

wollten, zeigte sich schon Ende März. Es gab erneut<br />

«Hunderte Nachrichten auf Facebook, die die Flüchtlinge<br />

dazu animierten, loszulaufen», wie Zeit Online<br />

berichtete. Zu allem Überfluss bekamen die selbsternannten<br />

Fluchthelfer zu diesem Zeitpunkt auch<br />

noch aktive Schützenhilfe aus der deutschen Politik.<br />

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke)<br />

äußerte im Spiegel gönnerhaft, sein Land könnte bei<br />

einer «koordinierten Aktion mehrerer Bundesländer»<br />

1.000 bis 2.000 Flüchtlinge direkt aus Idomeni aufnehmen.<br />

Grünen-Chefin Simone Peter forderte gar, diese<br />

Menschen «im Alleingang» nach Deutschland zu holen.<br />

«Vielleicht spielen einige ein übles Spiel auf dem<br />

Rücken der Flüchtlinge», sagte Giorgos Kyritsis, Griechenlands<br />

Regierungssprecher in Sachen Asylkrise.<br />

Linke Logik<br />

Welch Geistes Kind manche<br />

Asylaktivisten sind, zeigte sich<br />

nach den Terroranschlägen in<br />

Brüssel am 22. März. Wenige<br />

Stunden nach den Explosionen<br />

schrieb die linke Aktivistin<br />

Chiara Lauvergnac auf ihrer<br />

Facebook-Seite: «Eurostar nach<br />

Brüssel lahmgelegt (…). Das<br />

könnte einiges an Chaos bedeuten<br />

und eine gute Gelegenheit<br />

sein, dass ein paar Menschen<br />

nach Großbritannien durchkommen.<br />

Schade, dass alles auch<br />

eine gute Seite hat.» Lauvergnac<br />

kann den Toten von Brüssel<br />

also etwas Gutes abgewinnen<br />

und ruft gleichzeitig Menschen<br />

dazu auf, ihr Leben beim<br />

Versuch der illegalen Grenzüberschreitung<br />

zu riskieren – entlang<br />

der Gleise, in Laderäumen,<br />

unter Lkws. Ob sie ein schlechtes<br />

Gewissen hat?<br />

Immer dabei: die Fahne des gelobten<br />

Landes. Foto: AFP/Sadis Mikrolidis<br />

Auf dem Fährhafen von Piräus hausten<br />

zeitweise 4.500 Flüchtlinge in<br />

einem wilden Camp. Foto: AP<br />

Warteraum Griechenland<br />

BULGARIEN<br />

Die größten Flüchtlingslager, Stand März <strong>2016</strong>,<br />

und die Zahl der dort Untergebrachten.<br />

MAZEDONIEN<br />

Camp Mazarakis Kilki 3.674<br />

Idomeni 12.000<br />

Nea Kaval Polykastro 3.274<br />

Thassaloniki<br />

Nordregion 3.714<br />

GRIECHENLAND<br />

Larissa<br />

Limnos<br />

griechische Inseln 9.623<br />

Lesbos<br />

Attica 9.428<br />

Athen<br />

Chios<br />

Samos<br />

Quelle: Daily Mail<br />

Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />

31


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Germany, all-inclusive<br />

_ von Hans-Hermann Gockel<br />

Prostituierten-Besuche im Asylantenheim. Mit dem Taxi zu<br />

McDonald’s. Von den Sozialkassen finanzierte Vielweiberei. «Gut<br />

leben in Deutschland» – das Motto, unter dem die Bürgerdialoge<br />

mit der Kanzlerin stattfanden – haben viele Flüchtlinge längst<br />

verinnerlicht. Und der deutsche Steuerzahler finanziert es.<br />

Der Oldentruper Hof vor seiner<br />

Schließung. Quelle: Animod<br />

Das Flüchtlingsheim<br />

war früher<br />

ein nobles<br />

4-Sterne-Hotel.<br />

Komplett kostenlos - wie vom<br />

Münchner Pfarrer Ulrich Wagner<br />

2015 vorgeschlagen - sind Bordellbesuche<br />

für Asylanten nicht.<br />

Foto: Leonhard Foeger/Reuters<br />

High Heels und Miniröcke gibt es nicht. Auf dem<br />

Bielefelder Straßenstrich geht es rustikaler zu. Die jungen<br />

Damen warten in Jeans und Turnschuhen auf ihre<br />

Freier. «Full Service?», fragt die rumänische Prostituierte<br />

Ewa und schiebt die Antwort gleich hinterher:<br />

«Macht 50 Euro.» Normalerweise. Aber was ist in Zeiten<br />

wie diesen schon normal? Seitdem Ewa auch im<br />

Oldentruper Hof «zu tun» hat, wie sie es nennt, ist ihre<br />

Preisgestaltung ausgesprochen flexibel: «Da mache ich<br />

es für 40 Euro. Ein Sonderpreis. Und wenn mir einer<br />

gefällt, auch schon für 30.» Die Jungs, die ihr gefallen<br />

könnten, sind Asylsuchende. Sie kommen aus aller<br />

Herren Länder und haben eines gemeinsam: Sie wohnen<br />

im Oldentruper Hof, am Fuße des Teutoburger Waldes,<br />

und fühlen sich dort ausgesprochen wohl. Jutta<br />

Küster (63), eine ehemalige Radiomoderatorin, die sich<br />

in der Flüchtlingshilfe engagiert («Ich habe beschlossen,<br />

dafür ein Jahr meines Lebens zu spenden!»), weiß<br />

auch, warum. Die ehrenamtliche Helferin nennt das<br />

Etablissement eine «Luxusunterkunft».<br />

Urlaub im Nobelschuppen<br />

Bevor Angela Merkel beschloss, Deutschland zum<br />

Labor für Gesellschaftsexperimente zu machen, war<br />

das heutige Flüchtlingsheim ein vornehmes 4-Sterne-<br />

Hotel mit Hallenbad, Sauna, Solarium, drei Restaurants<br />

der gehobenen Gastronomie, exklusiver Bar und<br />

einer hauseigenen Kegelbahn. Irgendwann muss der<br />

Besitzer des Nobelschuppens Dollarzeichen in die<br />

Augen bekommen haben. Jedenfalls bewohnen nun<br />

500 Asylanten die ehemals 134 Superior-Zimmer. Der<br />

Hotelier machte im Zuge der Merkelschen «Willkommenskultur»<br />

das Geschäft seines Lebens. Er diente<br />

seine Immobilie für die Dauer von zehn Jahren (plus<br />

Verlängerungsoption) dem Land Nordrhein-Westfalen<br />

an. Das griff freudig zu. Aus dem Hotel wurde eine<br />

Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE). Die Landesregierung<br />

überweist dem Ex-Hotelier seitdem angeblich<br />

120.000 Euro Miete pro Monat. Mehr als 1,4 Millionen<br />

Euro im Jahr. Viel Geld fürs Nichtstun. Den 60<br />

Hotelangestellten wurde gekündigt. Die ZUE wird seit<br />

dem 1. September 2015 komplett vom Arbeiter-Samariter-Bund<br />

bewirtschaftet.<br />

Zurück zu Ewa: Merken die Sicherheitsleute gar<br />

nicht, was da im Haus abgeht? «Nein», beteuert die<br />

Prostituierte mit den langen braunen Haaren und klimpert<br />

mit den Augen: «Ich gehe dort immer gleich ins<br />

Café International. Die Leute sehen es doch gerne,<br />

wenn wir normale Bürger Kontakt zu den Flüchtlingen<br />

suchen.» Sie hat tatsächlich «normale Bürger» gesagt<br />

– und meint es auch so. Das Café in der Asylbewerberunterkunft<br />

wurde von Ehrenamtlichen ins Leben gerufen.<br />

Auch Jutta Küster hat dort sehr viel Herzblut investiert.<br />

Mittlerweile engagiert sie sich aber bei anderen<br />

Projekten.<br />

32<br />

Glaubt man der rumänischen Professionellen, bekommt<br />

tatsächlich niemand mit, wenn es aus dem Café<br />

International direkt aufs Zimmer geht. Bleiben noch<br />

zwei Fragen: Ist sie die Einzige aus dem horizontalen


Gewerbe, die dort «zu tun» hat? Und woher haben die<br />

jungen Burschen überhaupt das Geld für ihren «Full Service»?<br />

Da klimpert sie wieder mit den Augen: «Leider<br />

habe ich inzwischen Konkurrenz bekommen.» Und das<br />

Geld? «Einige meiner Kunden dealen, andere klauen.»<br />

Sie redet wirklich von «Kunden». Es geht also munter<br />

voran mit der Integration in Deutschland.<br />

Shuttle-Service zum Rütli<br />

kutschieren. Ist das Sinn der Sache?» Nein, ist es nicht.<br />

Der Steuern zahlende Bürger finanziert nämlich nicht<br />

nur den Big Mac und die Taxikosten, sondern auch<br />

noch die Verpflegung, die den Flüchtlingen in ihrer<br />

Unterkunft täglich zur Verfügung gestellt wird. Diese<br />

Nahrungsmittel landen regelmäßig in der Mülltonne.<br />

Anwohner, die das fotografiert haben, vermuten, dass<br />

so jeden Monat Essen im Wert von mehreren tausend<br />

Euro vernichtet wird.<br />

Bis Februar <strong>2016</strong> hatten alleine<br />

die Sparkassen – wie hier in<br />

Bielefeld – bereits 100.000 Konten<br />

für Asylanten angelegt. Für die<br />

neue Kundschaft wurde extra das<br />

Geldwäschegesetz gelockert. Foto:<br />

picture alliance / dpa<br />

Essen. Trinken. Taxi fahren. «All-inclusive!» Der<br />

Be griff aus der Reisebranche treibt rund um die Bielefelder<br />

Flüchtlingsbetreuung seltsame Blüten. Weil<br />

eine andere Unterkunft mit dem schönen Namen Rütli<br />

etwas außerhalb liegt, hat die Stadt für deren Bewohner<br />

und ein paar ehrenamtliche Helfer einen Taxi-Shuttle<br />

eingerichtet. Der schlägt mit 7.500 Euro im Monat<br />

zu Buche – und empört viele Bürger. Verständlich, denn<br />

die nächste Bushaltestelle liegt keine 1.700 Meter vom<br />

Rütli entfernt. Wolfgang Quakernack schrieb in einem<br />

Leserbrief: «Man kann Leuten, die halb Europa zu Fuß<br />

durchquert haben, wohl zumuten, zur nächsten Haltestelle<br />

zu laufen.» Und Rüdiger Weißenberger äußerte<br />

sich gegenüber der örtlichen Tageszeitung ähnlich kritisch:<br />

«Auch ich stamme aus einer Flüchtlingsfamilie.<br />

Meine Eltern kamen aus Schlesien. Ich bin in den<br />

1960er Jahren zu Fuß zur Schule gegangen. Jeden Tag<br />

2,1 Kilometer hin – und wieder zurück.»<br />

Selbst die Taxifahrer können über den Shuttle-Service<br />

nur den Kopf schütteln. Nils D. (Name geändert):<br />

«Wir nehmen die Kohle natürlich gerne mit. Aber die<br />

Asylbewerber aus Afghanistan, aus Syrien und dem<br />

Irak lassen sich am liebsten zum nächsten McDonald´s<br />

1,2 Milliarden Euro Schulden lasten auf der Stadt<br />

Bielefeld. 85 Millionen Euro wird sie allein in diesem<br />

Jahr für ihre Flüchtlinge aufbringen müssen. Da sind<br />

die 7.500 Euro pro Monat für den Taxi-Shuttle in die<br />

City beinahe so etwas wie die berühmten Peanuts.<br />

Doch weil die Kosten für die Asylbewerber explodieren,<br />

muss die Stadt ihre Bürger schröpfen, wo es<br />

nur geht: Grundsteuer, Gewerbesteuer, Hundesteuer –<br />

alles rauf. Beim Theater wird der Etat um 600.000 Euro<br />

zusammengestrichen. Und in etlichen Schulen fällt der<br />

Putz von den Wänden. Noch im Jahre 1990 wurden<br />

lediglich 33 Prozent der Steuereinnahmen in Bielefeld<br />

für Jugend und Soziales verwendet. Heute – im Jahre<br />

<strong>2016</strong> – verschlingen die Sozialausgaben die gesamten<br />

Steuereinnahmen. Oberbürgermeister Pit Clausen<br />

(SPD) konnte diese Fakten den Bürgern nicht länger<br />

verschweigen.<br />

Die Einheimischen sind die Leidtragenden. In Nieheim<br />

wurde einer 51-jährigen Krankenschwester über<br />

Nacht die Wohnung gekündigt, die ihr von der Stadt<br />

vermietet worden war. Die Frau hatte 16 Jahre lang<br />

pünktlich die Miete bezahlt, ihr Zuhause tadellos<br />

gepflegt – und sich nichts zu Schulden kommen las-<br />

Den Bus zu nehmen ist einem Asylanten<br />

natürlich nicht zuzumuten.<br />

Quelle: Screenshot Westfalenblatt<br />

Weil die Kosten für<br />

die Asylbewerber<br />

explodieren, muss<br />

die Stadt ihre<br />

Bürger schröpfen.<br />

33


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Im gelobten Land<br />

Während Angela Merkel und all<br />

die politischen Träumer an ihrer<br />

Seite davon ausgehen, dass die<br />

Flüchtlinge Deutschland irgendwann<br />

wieder verlassen, redet<br />

zumindest einer, der es seit Jahren<br />

besser weiß, Klartext. Der<br />

Mann heißt Heinz Buschkowsky.<br />

Er war viele Jahre SPD-Bürgermeister<br />

im Problembezirk Berlin-<br />

Neukölln: «Wenn die Kanzlerin<br />

erklärt: Die Flüchtlinge müssen<br />

wieder zurück, wenn dort<br />

die Krisen vorbei sind, hält sich<br />

doch jeder den Bauch vor Lachen.<br />

Wann soll das sein? Menschen<br />

aus den ärmsten Winkeln<br />

der Welt sind gefühlt im Paradies<br />

angekommen. So schnell<br />

geht niemand von denen wieder<br />

zurück.»<br />

Eine Reportage des arabischen<br />

TV-Senders Al Dschasira unterstützt<br />

Buschkowskys These.<br />

«Germany!», «Germany!», «Germany!»<br />

hallt es den Reportern<br />

entgegen, als sie ein Flüchtlingslager<br />

an der türkisch-syrischen<br />

Grenze besuchen. Und:<br />

«Merkel!», «Merkel!», «Merkel!».<br />

Die Reporter können es<br />

nicht fassen: «Alle wollen weg.<br />

Alle wollen nach Deutschland!»<br />

Bettina Halbey wurde nach 16 Jahren aus ihrer Wohnung geworfen.<br />

Quelle: Video RTL Next/Screenshot <strong>COMPACT</strong><br />

sen. Im Kündigungsschreiben war dann die Rede vom<br />

«Eigenbedarf»: Die Stadt benötigt die Wohnung dringend<br />

selbst, um Flüchtlinge unterzubringen. So geht es<br />

inzwischen zu in diesem Land! Deutsche müssen ihre<br />

Wohnungen räumen – Somalier, Afghanen, Pakistani,<br />

Iraker, Syrer oder Nigerianer ziehen ein. Die Krankenschwester<br />

wird für ihr neues Heim vermutlich erheblich<br />

mehr bezahlen müssen. Sie wird jeden Tag darüber<br />

nachdenken, für wen sie eigentlich noch arbeitet<br />

und ihre Steuern bezahlt.<br />

Nachdenklich geworden sind auch Manuela Echterhoff<br />

und ihr Ehemann. Die 56-Jährige ist Verkäuferin<br />

bei einem Lebensmittel-Discounter in Köln. Mit ihrem<br />

24-Stunden-Vertrag verdient sie kaum mehr als 1.000<br />

Euro im Monat. Ihr Mann, einst Maurer, ist arbeitslos.<br />

Nun trägt er zweimal die Woche Anzeigenblätter aus.<br />

«Wir üben für die Altersarmut», erklären die beiden mit<br />

einer gehörigen Portion Bitternis.<br />

Drei Frauen für Muhamed<br />

Kerstin Spieker, die junge Redakteurin der Zeitung,<br />

zeigte viel Verständnis für den potenten Muhamed<br />

und dessen Mini-Harem und gab den Lesern nebenbei<br />

noch etwas Nachhilfe in puncto fremder Sitten:<br />

«In den meisten muslimischen Ländern, in denen die<br />

Vielehe in der Regel nicht verboten ist, müssen die<br />

Männer zumindest nachweisen, dass sie in der Lage<br />

sind, mehrere Ehefrauen und die aus den Beziehungen<br />

hervorgehenden Kinder wirtschaftlich zu unterhalten.»<br />

Der Syrer kassiert für seinen Mini-<br />

Harem plus Kinder monatlich 3.900<br />

Euro vom Staat.<br />

Dieses Problem hat Muhamed in Deutschland nicht.<br />

Bei uns garantieren der Steuerzahler und die örtliche<br />

Krankenkasse ihm und seiner «Familie» eine perfekte<br />

Rundumversorgung. Selbstverständlich zum Nulltarif.<br />

Der Papa, seine drei Frauen und ihre – bislang – neun<br />

Kinder kassieren monatlich mehr als 3.900 Euro Sozialhilfe<br />

– plus mietfreier Wohnung inklusive aller Nebenkosten<br />

wie Heizung, Wasser und Müllabfuhr. Dazu eine<br />

kostenlose Kita und eine exzellente ärztliche Betreuung.<br />

Auch Muhameds Zweit- und Drittfrau sind beitragsfrei<br />

krankenversichert. Ein Steuerberater hat<br />

errechnet, dass dieser Syrer normalerweise ein Brutto-<br />

Einkommen von knapp 10.000 Euro haben müsste, um<br />

seine Großfamilie allein über die Runden zu bringen.<br />

Aber da die deutsche Solidargemeinschaft keinen im<br />

Stich lässt, sucht der gute Mann jetzt noch eine vierte<br />

Frau. Der Prophet, sagt er, habe es ihm ausdrücklich<br />

befohlen.<br />

Geplante Ausgaben für Flüchtlinge <strong>2016</strong><br />

Angaben in Milliarden Euro<br />

Schleswig-Holstein 0,82<br />

Hamburg 0,62<br />

Bremen k. A.<br />

Niedersachsen 1,28<br />

0,17 Mecklenburg-Vorpommern<br />

0,66 Brandenburg<br />

0,60 Berlin<br />

34<br />

Foto: HHG Verlag<br />

_ Hans-Hermann Gockel hat<br />

als TV-Journalist viele Jahre für<br />

RTL, SAT. 1 und N24 gearbeitet.<br />

Heute ist er freier Journalist und<br />

Produzent. Letztes Jahr erschien<br />

sein Buch «Finale Deutschland –<br />

Asyl. Islam. Innere Sicherheit.»<br />

(HHG-Verlag, 19,99 Euro)<br />

Diese Sorge hat die «Familie» nicht, die sich im<br />

westfälischen Borgholzhausen niedergelassen hat.<br />

Obwohl die Ehe mit mehreren Frauen – also Polygamie<br />

– gegen Europas Werteverständnis und das<br />

Grundgesetz fundamental verstößt, wurde der Syrer<br />

Muhamed hier in Deutschland nicht nur mit offenen<br />

Armen empfangen – sondern auch gleich bestens versorgt.<br />

Unter der Überschrift «Ein Papa, drei Mamas<br />

und neun Kinder» berichtete das Haller Kreisblatt ausführlich<br />

über diesen Fall, den es so ähnlich – dank der<br />

Massenzuwanderung aus der arabischen Welt – inzwischen<br />

zigfach zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen<br />

gibt.<br />

Nordrhein-Westfalen 4,0<br />

Rheinland-Pfalz 0,35<br />

Saarland 0,1<br />

Baden-Württemberg 2,25<br />

ingesamt<br />

16,52<br />

Bremen: Keine Angaben für <strong>2016</strong>. Ausgaben 2015: 0,2 Mrd. Euro<br />

Quelle: Finanzministerien der Länder <br />

0,45 Sachsen-Anhalt<br />

0,50 Sachsen<br />

0,48 Thüringen<br />

1,30 Hessen<br />

3,31 Bayern<br />

Grafik: <strong>COMPACT</strong>


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Geschichten vom Pferd<br />

_ von Jürgen Elsässer<br />

Viel Fantasie, wenig Fakten: Jetzt haben die Filmemacher die Führungsrolle bei der<br />

Aufklärung der sogenannten NSU-Morde übernommen. Im Windschatten eines ARD-<br />

Dreiteilers versuchten dann die Monopolmedien, eine neue Sensation zu präsentieren<br />

– die sie allerdings bei der NPD abgeschrieben haben.<br />

«Mythenbildung.<br />

Davon gibt es beim<br />

NSU schon zu<br />

viele.» Barbara John<br />

Schwach angefangen und dann unheimlich stark<br />

nachgelassen: Die hundsteure ARD-Trilogie Mitten in<br />

Deutschland: NSU hatte durchschnittlich nur 2,5 Millionen<br />

Zuschauer und damit weniger als die Katzen-<br />

Hits auf Youtube. Das war vorhersehbar, denn man<br />

brauchte kein besonders feines Näschen, um aufgrund<br />

der Vorankündigung den Braten zu riechen: Präsentiert<br />

wurde die Story von den drei Nazi-Killern in Dunkeldeutschland,<br />

die vorher schon gefühlte zehntausend<br />

Mal auf allen Kanälen erzählt worden war. Das Publikum<br />

ist der Sache überdrüssig, denn es spürt, dass mit<br />

viel Moralin wettgemacht werden soll, was an Beweisen<br />

fehlt. Tatsächlich gibt es von den medial Vorverurteilten<br />

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate<br />

Zschäpe an keinem einzigen der insgesamt 29 Tatorte<br />

– Banküberfälle eingerechnet – auch nur eine einzige<br />

DNA-Spur, von Augenzeugen ganz zu schweigen.<br />

«Beate will nur knutschen», ließe sich der erste<br />

Teil zusammenfassen – die Herleitung der Radikalisierung<br />

des Trios in den 1990er Jahren mittels eines<br />

Verschnitts aus Küchenpsychologie und Antifa-Klippschule.<br />

Besonders penetrant wurde der volkspädagogische<br />

Ansatz der Filmemacher in Folge zwei, die sich<br />

mit den Opfern beschäftigt. Behandelt wurden nämlich<br />

ausschließlich die neun erschossenen Ausländer<br />

– Nummer zehn, die im April 2007 ermordete Polizistin<br />

Michèle Kiesewetter, wurde salopp übergangen.<br />

Selbst der CDU-Politikerin Barbara John, die die Bundesregierung<br />

zur Ombudsfrau für die Hinterbliebenen<br />

gemacht hat, ist das aufgestoßen. «Diese Ausgrenzung<br />

wirft Fragen auf», sagte sie. Es sei wohl eher die subjektive<br />

Sicht der Sendeanstalt beziehungsweise der<br />

Filmemacher, dass nur Migranten als Opfer ins Filmbild<br />

passten. «Keine handwerkliche Panne», urteilte<br />

sie, «sondern Mythenbildung. Davon gibt es beim NSU<br />

schon zu viele.» Die ARD-Programmdirektion redete<br />

sich darauf heraus, dass der Kiesewetter-Mord zu<br />

Beginn von Folge drei auftauchen werde – aber da<br />

war dann nüscht. Dieser Teil war trotzdem noch der<br />

interessanteste, weswegen er auch das Missfallen<br />

von Spiegel Online erregte: «Der NSU-Komplex bietet<br />

reichlich Anlass, sich mit dem offenbar tief sitzenden<br />

Alltagsrassismus dieser Gesellschaft auseinanderzusetzen.<br />

Eine eher unangenehme Aufgabe. Viel leichter<br />

ist es da, den Verfassungsschutz als finstere Macht<br />

im Hintergrund auszumachen, vor dem auch die mutmaßlichen<br />

Rechtsterroristen wie bloße Marionetten<br />

wirken. Die problematische Botschaft (…) lautet: Der<br />

Prozess gegen Zschäpe ist eine Farce und sie ein Bauernopfer<br />

der Geheimdienste.»<br />

Infoquelle NPD<br />

Kurz nach Ausstrahlung der Spielfilm-Fiktion wurden<br />

von der hochgelobten Spürnase Stefan Aust vermeintlich<br />

neue Fakten präsentiert: Demnach sollen<br />

Mundlos und Zschäpe zur Zeit der ersten Döner-Morde<br />

in der Zwickauer Baufirma des V-Manns Ralf Marschner<br />

(«Primus») beschäftigt gewesen sein. Der einsetzende<br />

Buhei in Medien und Politik war heiße Luft, denn<br />

fast alles war bereits im Juli 2014 enthüllt worden –<br />

und zwar ausgerechnet von der NPD. Deren Abgeordneter<br />

Arne Schimmer erklärte damals im sächsischen<br />

Landtag: «Der Fall dieses Zwickauer Skinheads und<br />

V-Mannes ist dazu geeignet, den gesamten NSU-Komplex<br />

in seinen Grundfesten zu erschüttern. Marschner<br />

(…) wohnte nach dem Umzug des Trios von Chemnitz<br />

nach Zwickau im Juli 2000 in [dessen] unmittelbarer<br />

Nähe (…). Obwohl V-Mann Primus (…) über die<br />

gesamte rechte Szene in Westsachsen ausführlichst<br />

berichtete und Hunderte von Konzertbesuchern (…)<br />

identifizierte, soll er angeblich (…) nie über das Trio<br />

berichtet haben, obwohl eine Zeugenaussage vorliegt,<br />

dass Beate Zschäpe in einem seiner Läden in Zwickau<br />

ein Stammgast war.»<br />

Sexy Nazis: Wer knutscht wen?<br />

Foto: ARD<br />

Die entscheidende<br />

Frage<br />

Dass der Verfassungsschutz<br />

in all den Jahren wusste, wo<br />

sich die drei gesuchten Neonazis<br />

aufhielten, ist offensichtlich.<br />

Damit ist aber noch lange<br />

nicht geklärt, ob das Trio in dieser<br />

Zeit mordete – wie es der<br />

ARD-Dreiteiler analog zur offiziellen<br />

Version darstellte –, oder<br />

ob der Staat ihnen nur, zum Beispiel<br />

als Gegenleistung zu früheren<br />

Auftragsarbeiten, einen<br />

Vorruhestand in der Anonymität<br />

garantierte. Der grüne Bundestagsabgeordnete<br />

Hans-Christian<br />

Ströbele sagt immerhin:<br />

«Wir wissen aber auch nicht mit<br />

Sicherheit, ob Böhnhardt oder<br />

Mundlos die Täter waren. Es<br />

gibt Indizien, dass sie sehr eng<br />

damit zu tun hatten. Aber dass<br />

sie am Abzug waren, das ist in<br />

fast allen Fällen bis heute nicht<br />

bewiesen.» (Taz, 3.11.2014)<br />

35


Feuer im schwarzen Garten<br />

_ von Martin Müller-Mertens<br />

Die jüngsten Angriffe im südlichen Kaukasus sollten eine Warnung<br />

der USA an Armenien sein: Das Land hatte sich in den letzten Jahren<br />

immer stärker Russland angenähert. Dass die Operation schief ging,<br />

ist kein Anlass zur Beruhigung.<br />

Heinrich-Böll-Stiftung in Tiflis. 2015 spitzte sich die<br />

Situation weiter zu – insbesondere wegen des Einsatzes<br />

schwerer Mörsergranaten.<br />

Rammbock gegen Russland<br />

36<br />

Nach nicht überprüften Angaben<br />

beider Seiten kostete der Krieg<br />

zwischen 42 und 64 Menschenleben.<br />

Foto: Sputnik/Asatur Esajanz<br />

Muslimische Männerfreundschaft:<br />

Ilcham Alijew und Recep Tayyip<br />

Erdogan. Foto: Kayhan Ozer/AFP<br />

Der Tod flog mit 620 Metern pro Sekunde. Krachend<br />

detonierte ein Geschoss des Raketenwerfers BM21<br />

im Grenzgebiet von Bergkarabach. Als der Staub sich<br />

legte, gab er den Blick auf den leblosen Körper eines<br />

12-Jährigen frei – das erste Opfer des jüngsten Krieges<br />

im südlichen Kaukasus. Dutzende sollten in der ersten<br />

Aprilwoche dieses Jahres folgen – bei den schwersten<br />

Kämpfen seit 20 Jahren in der sowohl von Armenien<br />

als auch Aserbaidschan beanspruchten Region.<br />

Aserbaidschan bot Israel seinen<br />

Luftwaffenstützpunkt Sitalcay an.<br />

Richtiger Frieden herrschte nie: Zwischen beiden<br />

Ländern gab es seit einem Abkommen 1994 nur eine<br />

labile Waffenruhe. Armenien hatte damals nämlich<br />

faktisch die Unabhängigkeit der Republik Bergkarabach<br />

– bis dahin nur das autonome Siedlungsgebiet<br />

seiner Landsleute in Aserbaidschan – durchgesetzt.<br />

Doch seit 2014 «eskaliert die Lage an der Frontlinie<br />

immens. Schusswechsel, Grenzübertritte von sogenannten<br />

Diversionsgruppen und Todesfälle haben stark<br />

zugenommen», so Nino Lejava von der Grünen-nahen<br />

Der Kampf um den «gebirgigen schwarzen Garten»,<br />

so die Bedeutung des Namens Karabach, gilt als sogenannter<br />

eingefrorener Konflikt. Doch in Wirklichkeit<br />

handelt es sich um einen Schwelbrand. Der Pate der<br />

US-Geopolitik, Zbigniew Brzezinski, sah in dem mehrheitlich<br />

muslimischen Aserbaidschan schon vor 20 Jahren<br />

einen der Schlüssel zur Eindämmung Russlands.<br />

1997 gehörte die ölreiche Republik zu den Gründungsmitgliedern<br />

der von den USA unterstützten antirussischen<br />

Allianz GUAM. Bereits 2009 – fünf Jahre vor<br />

dem Nachbarn Georgien – band die EU das Land in<br />

ihr Aufnahmevorbereitungsprogramm Östliche Partnerschaft<br />

ein. Im Gegensatz dazu scherte das christlichorthodoxe<br />

Armenien zunehmend aus der westlichen<br />

Hemisphäre aus. 2007 plante die Regierung in Jerewan<br />

eine militärische Zusammenarbeit mit dem Iran und<br />

trug auch später die US-geführten Sanktionen gegen<br />

den angeblichen Schurkenstaat nur widerwillig mit. Es<br />

folgten 2015 der Beitritt zur Eurasischen Union, bereits<br />

zuvor zur von Russland gebildeten Militärallianz OVKS.<br />

Doch die US-Geopolitik kann sich eine zu offensichtliche<br />

Parteinahme im Karabachkonflikt nicht leisten.<br />

Andernfalls würde sie die einflussreiche armenische<br />

Diaspora gegen sich aufbringen. Deren Lobbyisten<br />

gelang bereits die Anerkennung der Republik


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Bergkarabach durch fünf US-Bundesstaaten. Auch deshalb<br />

scheint eine militärische Abstrafung kaum die<br />

erste Wahl, um Armenien aus der Allianz mit Russland<br />

herauszubrechen. Doch die andernorts bewährte<br />

Anzettelung einer Bunten Revolution will partout nicht<br />

gelingen. Der letzte Versuch fand zwischen Juni und<br />

September 2015 statt. Aus Protesten gegen Preiserhöhungen<br />

für Strom versuchte der als proamerikanisch<br />

geltende Oppositionspolitiker Andrias Ghukasyan vergeblich,<br />

eine Bewegung zu formen. Der Politiker hatte<br />

bereits 2013 zu den Führungsfiguren eines gescheiterten<br />

Aufstandes gegen den Beitritt zur Eurasischen<br />

Union gehört.<br />

Die Bellizisten in Washington mussten also das<br />

Kunststück fertigbringen, Armenien zu destabilisieren,<br />

ohne dabei als Drahtzieher aufzufallen. Für dieses<br />

Treiben bot sich der Streit um Bergkarabach wie<br />

auf dem Silbertablett an. Der private US-Geheimdienst<br />

Stratfor erwartete schon im Sommer 2015 den Beginn<br />

eines offenen Krieges. Wusste der Analysedienst des<br />

einflussreichen Publizisten George Friedman mehr über<br />

die Pläne der Kriegsfraktion?<br />

Kerry lässt kämpfen<br />

Am 2. April <strong>2016</strong> griff die aserbaidschanische Armee<br />

den Nordosten Bergkarabachs an. Vieles spricht<br />

dafür, dass sich Baku der Unterstützung des Westens<br />

sicher wähnte – tatsächlich jedoch als Bauer auf<br />

das Schachbrett geschickt wurde. In den Tagen zuvor<br />

weilte Staatschef Ilcham Alijew zu Gesprächen in<br />

Washington. Dort empfahl ihm Außenminister John<br />

Kerry überraschend aber deutlich «eine ultimative Lösung»<br />

des Karabachkonfliktes, wie der US-Regierungssender<br />

Radio Freies Europa meldete. «Gab Kerry den<br />

Aseris grünes Licht?», fragte der US-Publizist Justin<br />

Raimondo. Jedenfalls muss dem Chef des State Department<br />

bewusst gewesen sein, dass Alijew seine<br />

Worte genau so interpretieren würde. Lange bitten ließ<br />

sich das aktuelle Oberhaupt der aserbaidschanischen<br />

Herrscherdynastie ohnehin nicht: Seit Jahren droht der<br />

Muslimpolitiker dem Nachbarn mit Krieg und prahlt damit,<br />

dass sein Rüstungsetat «das Zweifache des armenischen<br />

Staatshaushaltes» umfasst.<br />

Ali Hasanov in kaum diplomatischen Worten seinen<br />

«strategischen Partner – den Staat Israel – nach seiner<br />

Haltung». Aserbaidschans Armee war in den vergangenen<br />

Jahren nicht zuletzt durch Kooperationen mit<br />

dem jüdischen Staat aufgerüstet worden. Im Gegenzug<br />

soll Alijew 2012 nach Recherchen von Foreign Policy<br />

seinen Luftwaffenstützpunkt Sitalcay für einen damals<br />

diskutierten israelischen Luftangriff auf den Iran angeboten<br />

haben. Doch das ist Vergangenheit: Aktuell ließ<br />

Israels Außenamtssprecher Emmanuel Nachshon die<br />

Hilfsanfrage Hasanovs ins Leere laufen.<br />

Auch der Türkei, dem Hauptverbündeten Aserbaidschans,<br />

verschlug es plötzlich die Sprache. Präsident<br />

Recep Tayyip Erdogan hatte sich in den Tagen<br />

vor Kriegsbeginn in Washington mit Vertretern zionistischer<br />

Organisationen wie AIPAC getroffen und Alijew<br />

noch am ersten Kriegstag vollmundig Unterstützung<br />

«bis zum Ende» zugesichert. Auch Bergkarabach<br />

zeigte sich mit Blick auf die Attacken überzeugt, «dass<br />

die Türkei (…) hinter Aserbaidschan steht», so Regierungssprecher<br />

David Babajan.<br />

Doch Moskau nahm geschickt Dampf aus dem Kessel.<br />

«Wir beschuldigen keine auswärtigen Akteure, die<br />

jetzige Eskalation der Spannungen provoziert zu haben»,<br />

so Außenminister Sergej Lawrow. Statt auf Konfrontation<br />

zu gehen, setzten Russland und der Iran über diplomatische<br />

Kanäle einen Waffenstillstand durch. Alijew<br />

musste seine Truppen wieder auf die Demarkationslinie<br />

vor Beginn seines Angriffs zurückpfeifen.<br />

Unterm Strich geriet die April-Offensive für die Bellizisten<br />

in Baku und Washington zu einer Niederlage<br />

auf ganzer Linie. Allerdings dürfte es nicht ihr letzter<br />

Versuch gewesen sein, im Südkaukasus die Lunte an<br />

das Pulverfass zu legen.<br />

Demarkationslinien im Südkaukasus<br />

Georgien<br />

Tiflis<br />

Russland<br />

Republik<br />

Bergkarabach<br />

Der von Armeniern besiedelte<br />

Staat wurde 1991 auf dem Gebiet<br />

des einstigen autonomen<br />

Gebietes Bergkarabach innerhalb<br />

der Aserbaidschanischen<br />

Sowjetrepublik ausgerufen.<br />

Seit dem Waffenstillstand von<br />

1994 gehören von der armenischen<br />

Armee besetzte aserbaidschanische<br />

Distrikte quasi<br />

zum Verwaltungsgebiet des<br />

von der UNO nicht anerkannten<br />

Landes mit insgesamt etwa<br />

150.000 Einwohnern. Der Einfluss<br />

Bergkarabachs auf die Politik<br />

Armeniens ist dabei auch<br />

personell erkennbar. Armeniens<br />

erster Präsident Lewon Ter-Petrosjan<br />

musste 1998 zurücktreten,<br />

nachdem er Zugeständnisse<br />

an Aserbaidschan angekündigt<br />

hatte. Seine beiden Amtsnachfolger<br />

Robert Kotscharjan und<br />

Sersch Sargsjan stammen aus<br />

Bergkarabach.<br />

Mehrere Dörfer in Karabach brachte<br />

Aserbaidschans Armee zeitweise<br />

unter Kontrolle. Foto: APA/AFP/PAN<br />

Photo/Davit Abrahamy<br />

Zusätzlich von der selbsternannten Republik<br />

Bergkarabach eroberte Gebiete.<br />

Kaspisches<br />

Meer<br />

Zur Verschleierung der eigenen Rolle gehörte also,<br />

dass Washington aktuell zwar Staub aufwirbeln, sich<br />

aber selbst nicht schmutzig machen wollte. Ein mögliches<br />

Kalkül der USA: Die Welt würde den Militärschlag<br />

sowieso nicht auf Uncle Sam zurückführen, sondern<br />

für einen Stellvertreterkrieg zwischen Aserbaidschans<br />

Hauptverbündetem Türkei und dessen Gegner Russland<br />

halten. Als Alijews hochgerüstete Armee in Karabach<br />

einfiel, hüllte sich die US-Regierung – von ein<br />

paar Floskeln abgesehen – in vornehmes Schweigen.<br />

Nun schrillten in Baku offenbar die Alarmglocken:<br />

Aufgeregt fragte der hochrangige Regierungsberater<br />

Türkei<br />

Armenien<br />

Quelle: Wikipedia Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />

Jerewan<br />

Nachitschewan<br />

Iran<br />

Ganje<br />

Agdam<br />

Stepanakert<br />

Shusha<br />

Aserbaidschan<br />

Der autonome Bezirk Bergkarabach<br />

zu Sowjetzeiten.<br />

Baku<br />

37


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Sklaven des Mikrochips<br />

_ von Tino Perlick<br />

Der maschinenlesbare Mensch ist ein Traum der Industrie – und<br />

totalitärer Systeme. Bislang haben die allermeisten Bürger den<br />

Angeboten, sich elektronische Überwachungstechnik einpflanzen zu<br />

lassen, widerstanden. Doch die Generation Google ist anders drauf –<br />

sie findet Datenträger unter der Haut cool und komfortabel.<br />

Ursprünglich dienten RFID-Anwendungen<br />

der Freund-Feind-Erkennung<br />

im Zweiten Weltkrieg. Foto:<br />

Getty Images<br />

Für 89 Euro kann<br />

man ein Komplettset<br />

zum<br />

Selbstimplantieren<br />

erwerben.<br />

Das Gebührenfernsehen macht den<br />

Cyborg bereits zum Vorbild für Kinder.<br />

Quelle: Video KIKA, Screenshots<br />

SJ<br />

Rin ist circa zwanzig Jahre alt. So intersexuell<br />

wie ihr Name ist auch ihre Frisur, die weder männlich<br />

noch weiblich anmutet. Rins Ohrläppchen sind von Ringen<br />

gedehnt, ihre Arme und ihr Dekolleté mit Tattoos<br />

bestochen. In die Außenseiten ihrer Hände ließ sie<br />

sich Magnete implantieren. Doch Rin hebt sich noch in<br />

einem weiteren Punkt von anderen Menschen ab. Zwischen<br />

ihren Daumen und Zeigefingern trägt sie jeweils<br />

einen reiskorngroßen Funkchip unter der Haut, der ihre<br />

Kontaktdaten auf Smartphones übertragen und Türen<br />

öffnen kann. Der Name Rin kommt aus dem Japanischen.<br />

Auf Deutsch bedeutet er «kalt». Dieser neue<br />

Mensch wurde Anfang März dieses Jahres den jungen<br />

Zuschauern des Kinderkanals als letzter Schrei<br />

präsentiert.<br />

Hersteller schätzen, dass sich weltweit circa 30.000<br />

Menschen einen Chip auf der Basis von RFID (Radiofrequenz-Identifikation)<br />

beziehungsweise NFC (Nahfeldkopplung)<br />

implantieren ließen. In Ausweisdokumenten<br />

oder Konsumartikeln versteckt, tragen schon Milliarden<br />

Menschen solche Transponder mit sich herum.<br />

Cyborg statt Mensch<br />

In Deutschland erlebten die implantierbaren Mikrochips<br />

auf der CeBIT-Messe im Frühjahr ihren medialen<br />

Durchbruch. Das Hamburger Unternehmen Digiwell<br />

ermöglichte Besuchern bei sogenannten Free<br />

Chipping Events, an Ort und Stelle «ein Cyborg zu<br />

werden». Wer diese Chance verpasste, kann auf der<br />

Internetpräsenz der Firma für 89 Euro ein Komplettset<br />

zum Selbstimplantieren erwerben – Injektionsspritze<br />

und antibakterieller Wundverband inklusive. Eine entsprechend<br />

vernetzte Umgebung vorausgesetzt, lassen<br />

sich so Türen öffnen und Autos starten. In einem Bürogebäude<br />

für IT-Unternehmen im Zentrum Stockholms<br />

lässt sich ohne Datenträger unter der Haut schon heute<br />

noch nicht einmal mehr der Kopierer bedienen. «Auch<br />

anderswo lassen sich damit inzwischen eine Reihe<br />

von Büros, Fitnessstudios und Waschsalons betreten»,<br />

berichtete die Frankfurter Allgemeine am 25. Februar<br />

2015. Hersteller und Mitläufer glauben an die Sicherheit<br />

der neuen Technik. Bei normkonformen RFID-Systemen<br />

rangiere die Lesbarkeit zwar noch zwischen<br />

zehn Zentimeter bis maximal eineinhalb Meter. Eine<br />

Glasummantelung reduziere den nötigen Abstand der<br />

von Digiwell vertriebenen Chips jedoch auf wenige<br />

Millimeter. Zudem seien die Geräte passiv, also ohne<br />

eigene Stromversorgung, und daher nicht zu orten.<br />

Sogenannte Biohacker wie Digiwell-Gründer<br />

Patrick Kramer träumen davon, dass der Mensch<br />

irgendwann gänzlich mit dem Cyberspace verschmilzt:<br />

Wir werden «in naher Zukunft unsere Gehirne direkt<br />

mit dem Internet verbinden und Informationen in Echtzeit<br />

ins Gehirn streamen können». Mit ihrer Euphorie,<br />

ihr Menschsein abzulegen, erweisen sich diese<br />

«Technikaktivisten» als Erfüllungsgehilfen von Industrie<br />

und Geheimdiensten. «Die Regierung wird uns<br />

niemals eine Waffe an die Stirn setzen und sagen:<br />

”Du bekommst einen Chip, mit dem man Dich verfolgen<br />

kann”», erklärte Katherine Albrecht, Autorin des<br />

38


Buchs Spychips (deutsch: Spionagechips), gegenüber<br />

dem US-Nachrichtenportal World Net Daily im Jahr<br />

2012. «So etwas geschieht immer schrittweise. Wenn<br />

man jemandem einen Mikrochip implantieren kann,<br />

durch den der Mensch nicht verfolgt wird, schauen<br />

alle und sagen, ”Na, komm schon.” Es wird interessant<br />

sein, zu sehen, wohin die Reise führt.»<br />

Vom Peilsender zur schlauen Tablette<br />

Die Menschen auf diese Weise zu kontrollieren, ist<br />

keine neue Idee. Ob Kind, Bergsteiger oder Ex-Knacki –<br />

das US-Unternehmen Applied Digital Solutions (ADS)<br />

wollte Amerikanern schon im Jahr 2000 einen «Digital<br />

Angel» in den Oberarm implantieren lassen, durch<br />

den sie im Notfall jederzeit per GPS-Signal lokalisierbar<br />

gewesen wären. «Dieser Chip, der einzig von Körperwärme<br />

angetrieben wird, überträgt das Signal und<br />

die Vitalfunktionen Ihres Körpers an eine Bodenstation»,<br />

berichtete Fox News im Oktober 2000. Weil mit<br />

dem «digitalen Engel» gechippte Personen auch von<br />

der einfachen Abwicklung elektronischer Geschäfte<br />

profitieren würden, witterte ADS einen dreistelligen<br />

Milliardenmarkt allein in Nordamerika. Nach Protesten<br />

von Bürgerrechtlern und besorgten christlichen Gruppen<br />

verschwand das Produkt damals jedoch wieder in<br />

den Schubladen. Evangelikale sehen in der Technologie<br />

«das Malzeichen des Biestes» aus der Johannes-Offenbarung.<br />

Aus der Idee wurde wenige Jahre später der angeblich<br />

passive VeriChip. ADS hoffte, dass Ärzte bald<br />

standardmäßig den Oberarm eines Patienten scannen<br />

und anhand eines im implantierten Mini-Datenträger<br />

gespeicherten 16-stelligen Codes alle relevanten<br />

medizinischen Informationen aus einer Datenbank<br />

abrufen würden – so ähnlich werden auch streunende<br />

Haustiere identifiziert. Im Jahr 2004, fünf Monate bevor<br />

US-Gesundheitsminister Tommy Thompson in den Vorstand<br />

von ADS wechselte, wurde VeriChip von der US-<br />

Arzneimittelbehörde zugelassen. Fabriziert wurde der<br />

Sender vom fünftgrößten Rüstungskonzern der Welt,<br />

Raytheon. Doch obwohl mancherorts Clubs und Hotels<br />

den circa 150 US-Dollar teuren Chip als Armband an<br />

ihre Besucher verteilten, kam der Absatz nicht recht<br />

in Schwung.<br />

Bei der All Things Digital Konferenz 2013 verkündete<br />

Google-Führungskraft Regina E. Dugan ihrem<br />

Publikum, dass der Konzern an einem Mikrochip<br />

arbeite, den man täglich über das Schlucken einer<br />

Pille zu sich nehmen könne. So ließe sich die «Superpower»<br />

entwickeln, den eigenen Körper in ein biologisches<br />

Authentifizierungssystem für Mobiltelefone,<br />

Autos, Türen und weitere Gegenstände zu verwandeln –<br />

also all das, was Biohacker noch über ihr Handimplantat<br />

erreichen müssen. «Diese Pille trägt einen kleinen<br />

Schalter in sich», sagte Dugan, die wie Google-Chef<br />

Erich Schmidt 2015 an der Bilderberger-Konferenz<br />

teilnahm. «Wenn man sie schluckt, dient die Magensäure<br />

als Elektrolyt und schaltet ihn ein.» Die Kapsel<br />

sei zugelassen und könne ein Leben lang sage und<br />

schreibe 30 Mal am Tag bedenkenlos eingenommen<br />

werden. Dugans voriger Arbeitgeber war die US-Militärforschungsbehörde<br />

DARPA. 2012 bestätigte man<br />

dort Pläne, Soldaten Nanosensoren zu implantieren,<br />

die deren Vitalfunktionen kontrollieren und Medikamente<br />

in die Blutbahn zuführen können.<br />

Der nächste Schritt: Screen-Chips<br />

auf der Iris als Schnittstelle zum<br />

Computer. Foto: Flying Wild Hog<br />

Dieser Chip des Herstellers Motorola<br />

soll bei Kontakt mit menschlicher<br />

Magensäure einen 18-Bit-<br />

Schlüssel aussenden. Foto:<br />

Unimed-PR<br />

«Wenn man den<br />

Chip schluckt, dient<br />

die Magensäure als<br />

Elektrolyt und<br />

schaltet ihn ein.» <br />

<br />

Google<br />

39


<strong>COMPACT</strong> Politik<br />

Peilsender im<br />

Kragen<br />

2006 wurde IBM ein Patent namens<br />

«Identifikation und Verfolgung<br />

von Personen mittels<br />

RFID-gekennzeichneter Gegenstände<br />

in Geschäften» gewährt.<br />

Es zeichnet eine Welt,<br />

in der vernetzte RFID-Lesegeräte,<br />

sogenannte «Personenverfolgungseinheiten»,<br />

die Bewegungen<br />

von Menschen, die einen<br />

Chip bei sich tragen, praktisch<br />

überall nachverfolgen: in «Einkaufszentren,<br />

Flughäfen, Bahnhöfen,<br />

Bushaltestellen, Fahrstühlen,<br />

Zügen, Flugzeugen, öffentlichen<br />

Toiletten, Sportarenen,<br />

Bibliotheken, Theatern,<br />

Museen». Am Rande der CeBIT<br />

2007 erklärte die damalige EU-<br />

Kommissarin für Digitalwirtschaft,<br />

Viviane Reding, dass sie<br />

die RFID-Technologie nicht regulieren<br />

wolle. «Meiner Ansicht<br />

nach sollten wir unterregulieren<br />

statt überregulieren, damit<br />

dieser Sektor abheben kann.»<br />

Am 16. Februar 2012 berichtete<br />

computerbild.de: «Vermehrt nähen<br />

Bekleidungshersteller RFID-<br />

Chips in Anzüge, Hemden & Co.<br />

Die kleinen Peilsender erlauben<br />

dem Verkäufer individuelle Einkaufstipps<br />

für ausgespähte Kunden.<br />

Schlimmer noch: Die heimliche<br />

Ortung ermöglicht es, Bewegungsprofile<br />

zu erstellen.<br />

(…) Einige Bekleidungshersteller,<br />

darunter Peuterey, Lemmi<br />

Fashion, Levi’s und Gerry Weber,<br />

setzen bereits auf RFID-Chips.<br />

Andere wie s’Oliver bereiten<br />

den Einsatz derzeit vor und rüsten<br />

ihre Läden nach und nach<br />

mit RFID-Lesegeräten aus.»<br />

Die Pharmaindustrie verspricht sich von sogenannten<br />

smarten Pillen derweil ein Milliardengeschäft.<br />

Nach dem Einnehmen misst der Mini-Spion die<br />

Gesundheitswerte und überträgt sie an das Smartphone<br />

oder einen autorisierten Arzt. Der Nutzer soll<br />

so nie wieder vergessen, seine Tabletten zu nehmen.<br />

Aus dem aktuellen James-Bond-Film kennt man das<br />

Konzept anders. Der Geheimdienst MI6 bedient sich<br />

darin der gleichen Methode, um 007 jederzeit lokalisieren<br />

zu können.<br />

Rockefellers Vision<br />

«Neun Implantate, die wir bald im Körper tragen»<br />

stellte bild.de am 25. Oktober 2014 seinen Lesern vor.<br />

An letzter Stelle: ein «Ortungs-Chip», mit dem «jeder<br />

Mensch mitsamt Aufenthaltsort eindeutig identifizierbar»<br />

wird. Die Menschheit derart zu kontrollieren, sieht<br />

so der Plan einer geheimen Elite aus?<br />

Der amerikanische Filmemacher Aaron Russo<br />

behauptete vor seinem Tod im Jahr 2007, Nicholas<br />

Rockefeller habe beim Versuch, ihn anzuwerben,<br />

Unglaubliches erzählt: «Das Endziel ist, jedem<br />

einen Chip zu implantieren, um die gesamte Gesellschaft<br />

zu kontrollieren.» Das Deutsche Patentamt hat<br />

2007 einem saudi-arabischen Erfinder verwehrt, einen<br />

implantierbaren Killer-Chip zu patentieren, wie die<br />

Augsburger Allgemeine am 18. Mai 2009 berichtete.<br />

Laut Patentantrag verfügt die Kapsel über eine Strafkammer,<br />

aus der per Fernsteuerung Cyanid oder andere<br />

hochgiftige Stoffe freigesetzt werden.<br />

Pikant ist die Rolle des amerikanischen IT-Riesen<br />

IBM, der den VeriChip mitfinanzierte. Über diverse<br />

Tochterfirmen in Europa hatte IBM mittels Lochkartensystem<br />

schon einmal Menschen katalogisiert: in den<br />

Ghettos und Vernichtungslagern der Nazis. «Ohne die<br />

Lochkarten wäre es wie Gewehre ohne Kugeln gewesen»,<br />

fasst Edwin Black, Autor des Buches IBM und<br />

der Holocaust, die Komplizenschaft zwischen IBM und<br />

den Nationalsozialisten zusammen. Im Jahr 20<strong>05</strong> forderte<br />

der Konzern ein globales Identifizierungssystem<br />

– ein standardisierter RFID-Chip unter der Haut sei die<br />

Lösung.<br />

Bisherige Versuche, den Menschen Elektronik einzupflanzen,<br />

beruhten auf freiwilliger Basis. Damit wäre<br />

Schluss, wenn man Sachzwänge schüfe, an denen<br />

niemand vorbeikäme. Würde etwa das Bargeld abgeschafft,<br />

könnten Zahlungen nur noch elektronisch abgewickelt<br />

werden – am einfachsten natürlich mit einem<br />

Chip unter der Fingerspitze. «Die bargeldlose Zukunft<br />

ist nur knapp einen Zentimeter groß», hieß es in<br />

einem ZDF-Beitrag Ende Februar <strong>2016</strong>.<br />

Der Chip hat eine Strafkammer, aus<br />

der per Fernsteuerung Cyanid<br />

freigesetzt wird.<br />

Dabei muss es gar nicht unter die Haut gehen. Die<br />

chinesische Regierung hat unlängst 150 Millionen vom<br />

Land in die Städte gezogenen Bürgern auferlegt, RFID-<br />

Ausweise zu beziehen, die neben Name und Adresse<br />

des Trägers auch dessen beruflichen Werdegang, Bildungshintergrund,<br />

Religion, Ethnie, Strafregister und<br />

Versicherungsstatus speichern. «Wenn sie sich die<br />

Ausweise nicht holen, dürfen sie hier nicht leben und<br />

keine Leistungen der Regierung beziehen», zitierte die<br />

New York Times den Vizepräsidenten der Kartenherstellerfirma<br />

am 12. August 2007. «So kann die Regierung<br />

die Bevölkerung in Zukunft kontrollieren.»<br />

Voll cool: Jeans mit Micro-Einlage.<br />

Foto: Getty Images<br />

Die jüngste Generation von RFID-<br />

Chips gibt es bereits zum Ausdrucken.<br />

Foto: wired.com<br />

40<br />

_Tino Perlick ist Redakteur bei<br />

<strong>COMPACT</strong>. In Ausgabe 4/<strong>2016</strong><br />

schrieb er über die anstehenden<br />

US-Präsidentschaftswahlen.


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

Dossier _ Seite 42–51<br />

Protestparteien<br />

Der Triumph der Alternative für Deutschland (AfD) bei den Landtagswahlen im März stellt<br />

die Partei vor ein Dilemma: Bleibt sie Fundamentalopposition – oder kann sie in einer<br />

Regierungskoalition mehr bewirken? Was jetzt den baden-württembergischen Wahlsieger<br />

Jörg Meuthen beschäftigt, hat schon vor 16 Jahren Jörg Haider verführt – und vor<br />

30 Jahren die damals noch systemfernen Grünen.<br />

Foto: picture alliance/AP Images<br />

41


«Koalitionen sind derzeit kein Thema»<br />

_ Interview mit Dr. Jörg Meuthen<br />

42<br />

Die Landtagswahlen Mitte März haben das Machtgefüge der<br />

Republik erschüttert. Die Alternative für Deutschland (AfD) steht nun<br />

vor schweren Entscheidungen. Ein Gespräch über Mitregieren und<br />

Opponieren, gesunden Patriotismus und direkte Demokratie.<br />

Jörg Meuthen war vor seinem<br />

AfD-Beitritt parteilos, interessierte<br />

sich jedoch zeitweise für die FDP.<br />

In der AfD wird er dem wirtschaftsliberalen<br />

Flügel zugerechnet.<br />

Foto: AfD Geschäftsstelle Baden-<br />

Württemberg<br />

«Wir dürfen und<br />

wir müssen<br />

als Deutsche<br />

patriotisch sein.»<br />

Herr Dr. Meuthen, in den Medien werden Sie ja<br />

gerne als das «brave, bürgerliche Gesicht» einer<br />

ansonsten gefährlichen Partei dargestellt – als<br />

ein «Gemäßigter unter Radikalen»…<br />

Tja, die Medien brauchen ihre Etikettierung, aber das<br />

ist natürlich Quatsch. In der Tat bin ich aus ökonomischer<br />

Sicht liberal, aber ich bin eben gesellschaftspolitisch<br />

genauso konservativ wie es etwa Alexander Gauland<br />

ist, da gibt es eigentlich keinen Unterschied. Die<br />

Medien haben ihre Etiketten, ich selbst finde meine<br />

Positionen gar nicht so brav. Vor allem aber sind meine<br />

vielen Parteifreunde nicht radikal.<br />

Frauke Petry sagte kürzlich im Spiegel-Interview,<br />

dass «ein gesunder Patriotismus in Deutschland<br />

selbstverständlich sein sollte». Sehen Sie sich<br />

auch als Patrioten?<br />

Ohne jede Einschränkung ja! Man kann es gesunden<br />

Patriotismus nennen, ich nenne es immer auch einen<br />

weltoffenen Patriotismus, um die Abgrenzung zu nationalistischen<br />

Positionen klarzumachen. Wir dürfen und<br />

wir müssen als Deutsche patriotisch sein, wir haben<br />

da verbreitet immer noch ein verklemmtes Verhältnis<br />

zur eigenen Nation. Das ist unsinnig.<br />

Was müsste passieren, damit die AfD in eine<br />

Koalition mit den sogenannten Altparteien geht?<br />

Um das ganz klar zu sagen: Es gibt solche Gedanken<br />

derzeit nicht. Man kann das auf lange Sicht für spätere<br />

Legislaturperioden ja nicht ausschließen, aber jetzt,<br />

nach diesen Landtagswahlen, in irgendeine Koalition<br />

mit anderen Parteien zu gehen, ergibt keinen Sinn,<br />

und dafür sind die Deckungssummen der Positionen<br />

auch zu gering. Weder mit Grün noch mit Rot kann<br />

ich mir irgendeine Koalition vorstellen, weil die weltanschaulichen<br />

Positionen viel zu weit auseinander sind,<br />

und auch mit CDU oder FDP kommt das derzeit sicherlich<br />

nicht in Frage. Es mag sein, dass so was in einer<br />

späteren Legislaturperiode mal eine ernsthafte Überlegung<br />

wert sein könnte, derzeit ist das aber definitiv<br />

kein Thema.<br />

Der Tagesspiegel zitierte Sie Mitte März mit dem<br />

Satz: «Wir werden mittelfristig Koalitionen eingehen»<br />

– etwa mit CDU und FDP.<br />

Ja, das war etwas schräg vom Tagesspiegel. Ich wurde<br />

von einem Journalisten dazu befragt und habe dann<br />

gesagt, dass es sein kann, dass wir auf längere Sicht<br />

auch mal Koalitionen eingehen, gleichzeitig habe ich<br />

aber auch gesagt: Derzeit kommen Koalitionsbildungen<br />

für uns nicht in Frage. So wie der Tagesspiegel<br />

das dann geschrieben hat, löste das allerlei Irritationen<br />

aus, so nach dem Motto: Oh, guck mal hier, der<br />

Meuthen schielt da nach Regierungsbeteiligung. Das<br />

ist wirklich völliger Quatsch.


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

Welche Bedingungen müssten erfüllt sein, um<br />

Koalitionen eingehen zu können? Grenzen dicht?<br />

Raus aus dem Euro? Rückbau der EU?<br />

Im Grunde genommen müsste unser Programm rauf<br />

und runter akzeptiert werden. Eine zentrale Forderung<br />

wäre – und da sehe ich im Moment eben überhaupt<br />

nichts –, sich mehr direktdemokratischen Entscheidungen<br />

anzunähern, das ist für uns Herzblut. Wir<br />

wollen eine direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild.<br />

Das ist in keiner der anderen Parteien so vorhanden,<br />

in keiner.<br />

Wenn man sich die Beispiele der Regierungsbeteiligung<br />

von national orientierten Parteien<br />

anschaut – etwa die Wahren Finnen, die Koalition<br />

von Anel mit Syriza in Griechenland oder<br />

das Schicksal der FPÖ unter Haider –, dann gibt<br />

das zu denken.<br />

Ja, eindeutig. Ich glaube, es würde uns als ein Gieren<br />

nach der Macht ausgelegt, wir würden daran Schaden<br />

nehmen. Es gab ja das Ansinnen, eine schwarzgrüne<br />

Landesregierung zu tolerieren. Ich habe von vornherein<br />

gesagt, das ist mit mir nicht machbar, weil es<br />

falsch ist. Man kann Politik auch aus der Opposition<br />

heraus gestalten und wir werden, wenn es jetzt eine<br />

grün-schwarze Regierung geben wird, die Oppositionsführung<br />

haben. Wir können die Regierung da richtig<br />

treiben und sie werden sich für jeden Schritt rechtfertigen<br />

müssen.<br />

Versteht sich die AfD aus Ihrer Sicht als parlamentarisch<br />

zentrierte Kraft oder als Bewegungspartei?<br />

Wird sich die AfD auch in Zukunft<br />

mit dem Protest auf der Straße, mit Pegida und<br />

Co., solidarisieren?<br />

Ich glaube da gibt es einfach Unterschiede in diesem<br />

Punkt zwischen Ost und West, weil die Menschen in<br />

den neuen Bundesländern immer noch diese Erfahrungen<br />

der Wende 1989/90 haben, die im Westen völlig<br />

fehlen. Ich bin ja nun ein Kind des Westens, und ich<br />

sehe eben auch einiges bei Pegida sehr kritisch. Ich<br />

finde es schon richtig, die Straße mitzunehmen, aber<br />

ich bin zugleich auch wirklich ein Freund institutionalisierter<br />

Demokratie, die freilich so sein muss, dass sie<br />

direkter gestaltet ist als bei uns. In der Schweiz gibt<br />

es keine Pegida-Bewegung, denn wenn auf direktdemokratische<br />

Weise die Bürger wirklich etwas zu sagen<br />

haben, dann müssen sie nicht auf die Straße gehen.<br />

nicht mit einem Flügel. Es ist in einer Partei, die auch<br />

den Anspruch erhebt, Volkspartei werden zu wollen,<br />

völlig normal, dass es da auch unterschiedliche Strömungen<br />

gibt. Da muss man integrativ arbeiten – und<br />

nicht spalten. Das war der entscheidende Fehler, den<br />

Leute wie Lucke und Henkel gemacht haben.<br />

Den Spalt zwischen Ihnen und Höcke scheinen<br />

die Medien ja auch immer wieder gerne herbeizuschreiben…<br />

Jeden Tag, kann ich Ihnen sagen, jeden Tag. Vor Kurzem<br />

hat sich Höcke zu diesen Vorgängen im Saarland<br />

geäußert…<br />

…wo ein AfD-Landesverband wegen angeblicher<br />

NPD-Nähe aufgelöst wurde…<br />

Höcke hatte dazu einen kurzen Post veröffentlicht, und<br />

sofort hat man mich gefragt, ja was sagen Sie denn<br />

dazu, der Höcke hat das und das gesagt. Ich habe dann<br />

gesagt, naja, nicht dramatisch. Im Grunde hat er da<br />

etwas gesagt, was zutreffend ist: Nämlich, dass dieser<br />

Vorgang ein Zeichen dafür ist, dass die Partei «noch<br />

ein bisschen in den Kinderschuhen steckt». Und was<br />

machen Höcke und ich dann? Wir telefonieren miteinander<br />

und lassen da keinen Keil zwischen uns treiben<br />

– so muss das sein.<br />

Ist es nicht bemerkenswert, dass der Höcke/<br />

Poggenburg-Flügel die weitaus besten Wahlergebnisse<br />

der AfD insgesamt erzielt hat? Ist<br />

Ihr wirtschaftsliberaler Ansatz eher etwas für<br />

Besserverdienende?<br />

Hier, in einem Land wie Baden-Württemberg, wo es<br />

den Menschen so gut geht, aus dem Stand 15 Prozent<br />

zu holen, ist auch ein sensationell gutes Ergebnis. Ich<br />

freue mich ebenso für Herrn Poggenburg, aber es sind<br />

Sonntagsfrage zur<br />

Bundestagswahl<br />

ARD-Deutschlandtrend 7. April<br />

<strong>2016</strong> (in Prozent)<br />

34 (0)<br />

4 (0)<br />

CDU<br />

SPD<br />

AfD<br />

Grüne<br />

Linke<br />

FDP<br />

Sonstige<br />

Quelle: infratest dimap<br />

«Wir akzeptieren<br />

TTIP nicht.»<br />

21 (-1)<br />

14<br />

(+1)<br />

7 (0) 7 (-1) 13 (+1)<br />

Mit dem Austritt von Parteigründer<br />

Bernd Lucke verließen 2015 etwa<br />

20 Prozent der Mitglieder die AfD.<br />

Mittlerweile stieg die Zahl durch<br />

Neueintritte wieder auf gut 20.000.<br />

Foto: aktivnews/dpa<br />

Besteht in der AfD die Gefahr erneuter Flügelkämpfe<br />

wie zu Lucke-Zeiten?<br />

Ich glaube das nicht. Man kann das exemplarisch an<br />

meinem Verhältnis zu Björn Höcke klarmachen. Man<br />

würde mich eher dem wirtschaftsliberalen Flügel<br />

zurechnen und Höcke eher dem national-konservativen.<br />

Wir sind sicherlich in einigen Punkten auch nicht<br />

einer Meinung, aber wir pflegen einen guten und vertrauensvollen<br />

Umgang miteinander. Und ich glaube<br />

eben – um im Bild zu bleiben: Das Vögelchen fliegt<br />

43


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

Wege aus der<br />

Asylkrise<br />

«Kurzfristig müssen wir jetzt tatsächlich<br />

erstmal diesen enormen<br />

Zustrom kappen, und das<br />

heißt nun wirklich auch mit<br />

Grenzschließung zu operieren,<br />

auch wenn das unschöne Bilder<br />

erzeugt. Das geschieht ja<br />

auch schon in Teilen, aber nicht<br />

aufgrund der deutschen Politik,<br />

sondern durch die Politik der Österreicher<br />

mit den Balkanstaaten,<br />

die mit Recht zornig auf uns<br />

sind und auf die Politik Merkels.<br />

In einer mittel- bis langfristigen<br />

Perspektive müssen wir sehen,<br />

dass wir die Zuwanderung einfach<br />

steuern. Wir werden uns<br />

darüber verständigen müssen:<br />

Wie viel Zuwanderung wollen<br />

wir und wie gestalten wir sie?»<br />

(Jörg Meuthen)<br />

Jörg Meuthen im Wahlkampf.<br />

Foto: Screenshot Youtube /JF-TV<br />

wirklich unterschiedliche Voraussetzungen. Mit einer<br />

Poggenburg-Linie hier in Baden-Württemberg wäre es<br />

problematisch geworden, und mit einer Meuthen-Linie<br />

in Sachsen-Anhalt vermutlich auch.<br />

Herr Gauland hat die Forderung erhoben, die Partei<br />

der kleinen Leute zu sein…<br />

…und er hat da völlig Recht. Wir müssen dafür Sorge<br />

tragen, dass Soziale Marktwirtschaft wirklich auch<br />

Soziale Marktwirtschaft ist. Für mich ist das Herzblut,<br />

ich bin Marktwirtschaftler durch und durch. Ich bin liberaler<br />

Ökonom, ja, aber ich bin nicht neoliberal, sondern<br />

ordoliberal, und das macht einen entscheidenden<br />

Unterschied. Das heißt nämlich, dass wir das Soziale<br />

sehr wohl ernst nehmen. Warum haben wir denn den<br />

Zulauf aus der SPD? Weil die SPD genau das nicht<br />

mehr auf die Reihe bekommt.<br />

«Höcke und ich lassen keinen Keil<br />

zwischen uns treiben.»<br />

In ersten Reaktionen zum AfD-Programmentwurf<br />

haben die Medien Ihnen aber neoliberale Positionen<br />

vorgeworfen – etwa die Privatisierung<br />

der Krankenversicherung und die Abschaffung<br />

von Erbschafts- und Vermögenssteuer. Also doch<br />

Politik für Reiche?<br />

Da muss man in die Einzelpunkte reingehen. Ich bin zum<br />

Beispiel ein Vertreter der Abschaffung der Erbschaftssteuer.<br />

Das habe ich selber auch gefordert – und auch<br />

umfassend begründet. Dazu muss man freilich von<br />

Steuerpolitik ein bisschen was verstehen. Wenn man<br />

das allein auf die Frage der – vermeintlichen – sozialen<br />

Gerechtigkeit bezieht, dann kann man sagen: Oh, da<br />

werden die Reichen begünstigt. Aber tatsächlich gehen<br />

mit der Erbschaftssteuer so unglaublich viele Praktikabilitätsprobleme<br />

einher und eine so ungerechte, unterschiedliche<br />

Belastung verschiedener Formen von Erbschaften,<br />

dass diese Steuer keinen Sinn ergibt.<br />

Kürzlich haben Sie sich zum Thema Sozialstaat<br />

geäußert und sich gegen eine «Vollkaskomentalität»<br />

ausgesprochen. Was bedeutet das?<br />

Ja. Das bedeutet, dass der Staat den Menschen helfen<br />

muss, ihr Existenzminimum abzusichern, die dazu<br />

selbst nicht im Stande sind. Vollkaskomentalität heißt:<br />

Ich decke alle Risiken für alle Menschen ab und mache<br />

eine Sozialpolitik mit der Gießkanne. Das ist weder<br />

sinnvoll, weil es nämlich systematisch Fehlanreize<br />

setzt, noch finanzierbar.<br />

Eine letzte Frage: Viele Wähler haben der AfD<br />

unter Lucke übel genommen, dass einige Abgeordnete<br />

im EU-Parlament für das Freihandelsabkommen<br />

TTIP gestimmt haben. Wird die neue<br />

AfD sich dem entgegenstellen?<br />

Das kann man ganz knapp beantworten: definitiv ja.<br />

Wir akzeptieren TTIP nicht. Das ist eine Begünstigung<br />

der Großindustrie, die dem Mittelstand eher Schaden<br />

zufügt. Abgesehen davon spricht das Abkommen<br />

demokratischen Gepflogenheiten Hohn.<br />

Herr Dr. Meuthen, vielen Dank für das Gespräch.<br />

Die AfD ist bereits in acht Landtagen<br />

vertreten. Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />

Der Höhenflug der AfD<br />

Entwicklung der Umfragewerte seit Gründung in Prozent<br />

44<br />

_ Dr. Jörg Meuthen ist Professor<br />

für Volkswirtschaftslehre und<br />

Finanzwissenschaft an der<br />

Hochschule Kehl. Er trat der AfD<br />

erst nach der Bundestagswahl<br />

im September 2013 bei. Im Juli<br />

2015 wurde er zu einem der<br />

drei Landessprecher in Baden-<br />

Württemberg und zusammen mit<br />

Frauke Petry zum Bundessprecher<br />

gewählt. Bei den Landtagswahlen<br />

im März <strong>2016</strong> erhielt die AfD<br />

mit ihm als Spitzenkandidaten<br />

15,1 Prozent der Stimmen, er zog<br />

damit als Fraktionschef und Oppositionsführer<br />

ins Parlament ein.<br />

Das Gespräch führte <strong>COMPACT</strong>-<br />

Redakteur Marc Dassen.<br />

Erfolge bei Landtagswahlen in Prozent<br />

Hamburg<br />

6,1 %<br />

Bremen<br />

5,5 %<br />

Rheinland-Pfalz<br />

12,6 %<br />

Baden-Würtemberg<br />

15,1 %<br />

AfD im Landesparlament<br />

Quellen: infratest dimap, wikipedia<br />

Brandenburg<br />

12,2 %<br />

Sachsen -Anhalt<br />

24,3 %<br />

Sachsen<br />

9,7 %<br />

Thüringen<br />

10,6 %<br />

15<br />

10<br />

38.000<br />

5<br />

0<br />

3<br />

2<br />

04/2013 2014 2015 04/<strong>2016</strong><br />

Wählerwanderung zur AfD bei den Landtagswahlen am 13.3.<strong>2016</strong><br />

Sachsen-Anhalt<br />

28.000<br />

20.000<br />

3.000<br />

6.000<br />

54.000 151.000<br />

101.000<br />

5<br />

7<br />

9<br />

Baden-Württemberg<br />

190.000<br />

4<br />

10<br />

22.000<br />

14<br />

90.000<br />

70.000<br />

18.000<br />

209.000<br />

CDU Linke SPD Grüne FDP Nichtwähler Andere


Haiders Aufstieg, Haiders Fall<br />

_ von Klaus Faißner<br />

In der AfD gibt es Stimmen, die für einen Regierungseintritt werben. Das Beispiel<br />

Österreich zeigt, wo das enden kann: Vor 16 Jahren bildeten dort die nationalliberalen<br />

Freiheitlichen (FPÖ) eine Koalition mit der konservativen ÖVP – und zerstörten sich<br />

beinahe selbst. Erst in der Opposition gelang der Wiederaufstieg.<br />

Nur ein Statist: Bei der Bekanntgabe<br />

des schwarz-blauen Bündnisses<br />

am 1.2.2000 saß Jörg Haider<br />

noch neben dem künftigen Bundeskanzler<br />

Wolfgang Schüssel. In dessen<br />

Kabinett war er nicht vertreten.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Es war ein politisches Erdbeben, das Österreich am<br />

3. Oktober 1999 erschütterte: Die FPÖ erreichte bei der<br />

Nationalratswahl mit 26,9 Prozent der Stimmen den<br />

zweiten Platz. Ein Teil des Volkes jubelte, ein anderer<br />

war fassungslos. Parteiobmann Jörg Haider stand am<br />

– vorläufigen – Ziel seiner Träume: In seinen 13 Jahren<br />

an der Spitze der FPÖ hatte er sie aus der Bedeutungslosigkeit<br />

herausgeführt und zu einem mitbestimmenden<br />

Faktor im Land geformt. Diesmal konnte der Charismatiker<br />

sogar einen Zugewinn von fünf Prozentpunkten<br />

verbuchen, die einst so mächtige ÖVP um knappe 415<br />

Stimmen übertrumpfen und auf Rang drei verweisen.<br />

Die in Österreich alles beherrschende «rot-schwarze<br />

Einheitspartei», wie Haider SPÖ und ÖVP nannte, verbuchte<br />

gerade noch 60 Prozent für sich; zum Zeitpunkt<br />

seines Eintritts in die Bundespolitik waren es noch über<br />

90 Prozent gewesen.<br />

Der Kärntner stellte die politische Landschaft auf<br />

den Kopf, wie es niemand für möglich gehalten hätte.<br />

Er polarisierte wie kein Zweiter, spielte geschickt auf<br />

der Klaviatur des Tabubruchs und sprach vielen patriotischen<br />

Menschen aus dem Herzen. Er kritisierte unter<br />

anderem das Proporzsystem, mit dem Rot und Schwarz<br />

das Land unter sich aufgeteilt hatten, die Pro-Ausländer-Politik,<br />

das Buckeln vor zionistischen Kreisen und<br />

– wenn auch moderat – die EU. Haider hatte den ehemaligen<br />

Großparteien, die sich keinen Deut mehr ums<br />

Volk scherten, Wahl für Wahl Verluste beschert und die<br />

FPÖ zu deren Angstgegner gemacht. Das Stimmergebnis<br />

vom Oktober 1999 zeigte, dass die Freiheitlichen<br />

künftig sogar stärkste Kraft werden könnten, wenn Rot<br />

und Schwarz so weitermachten. Haider hätte Geduld<br />

haben und noch ein paar Jahre warten müssen – vielleicht<br />

auch nur ein paar Monate, denn Österreich stand<br />

vor der Unregierbarkeit, und dann wäre es zu Neuwahlen<br />

gekommen.<br />

Haider wollte unbedingt regieren<br />

Doch er und seine ihm fast bedingungslos ergebene<br />

Gefolgschaft hatten keine Geduld. Schon im<br />

August 1999, zwei Monate vor der Nationalratswahl,<br />

hatte der Erfolgshungrige zwei Ziele vorgegeben: Platz<br />

zwei zu erreichen und in die Regierung zu kommen.<br />

Er wollte das Image des Schmuddelkindes ablegen,<br />

das ihm und der FPÖ seit seinem Aufstieg an die Parteispitze<br />

1986 hartnäckig anhaftete. Vor dem Urnengang<br />

liebäugelte er sogar mit einem Übereinkommen<br />

mit der SPÖ, was aber deren linker Parteiflügel rasch<br />

Der fesche Jörg (1950–2008). Wahlplakat<br />

aus dem Jahr 1986.<br />

Foto: ONB Bildarchiv Austria<br />

Bundespräsident<br />

Klestil weigerte sich,<br />

zwei von der FPÖ<br />

vorgeschlagene Minister<br />

zu vereidigen.<br />

45


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

Der lange Weg der Freiheitlichen<br />

Wahlumfrage <strong>2016</strong><br />

Stimmenanteil in Prozent<br />

Die Zeit scheint wieder reif für eine<br />

freiheitliche Partei. Die SPÖ des<br />

aktuellen Bundeskanzlers Werner<br />

Faymann muss sich warm anziehen.<br />

Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />

Sozialistenchef<br />

Klima regte die<br />

EU-Sanktionen<br />

gegen sein eigenes<br />

Land an.<br />

FPÖ bei den Nationalratswahlen<br />

Stimmenanteil in Prozent<br />

<strong>2016</strong>: aktueller<br />

Umfragewert<br />

17,5<br />

12<br />

1986: Haider<br />

20<strong>05</strong>: Abspaltung<br />

des BZÖ<br />

6<br />

33,0<br />

übernimmt<br />

Parteivorsitz<br />

33<br />

26,9<br />

23<br />

22,5 21,9<br />

16,6<br />

20,5<br />

23<br />

9,7<br />

10,0 11,0<br />

FPÖ<br />

5,0<br />

SPÖ<br />

ÖVP<br />

Grüne<br />

1983 1986 1990 1994 1995 1999 2002 2006 2008 2013 <strong>2016</strong><br />

Neos Quelle: Statista <strong>2016</strong> Quelle: Wikipedia<br />

zurückwies. Bereits einen Tag nach der Wahl ließ Haider<br />

durchblicken, dass er der ÖVP im Falle einer Koalition<br />

den Kanzlersessel überlassen würde, wie deren<br />

Frontmann Wolfgang Schüssel später in seiner Biographie<br />

schrieb. Trotzdem gab der damalige Bundespräsident<br />

Thomas Klestil, der seinerzeit von der ÖVP für<br />

dieses Amt nominiert worden war, zu verstehen, dass<br />

er strikt gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ sei.<br />

Es kam zu Sondierungsgesprächen zwischen den<br />

Fraktionen. Nach Wochen willigte Schüssel Anfang<br />

Dezember 1999 in offizielle Koalitionsverhandlungen<br />

mit den Sozialisten ein. Es gelang ihm, der SPÖ<br />

in so gut wie allen Sachfragen große Zugeständnisse<br />

abzuringen. Doch das war ein Pyrrhussieg: An<br />

der linken Basis brodelte es, und folgerichtig kam es<br />

am 20. Januar 2000 zum Abbruch der rot-schwarzen<br />

Regierungsanbahnung.<br />

Bundespräsident Klestil machte gegenüber der ÖVP<br />

sofort klar: «Alles, nur nicht Schwarz-Blau.» Gleich<br />

danach traf er sich mit Noch-Bundeskanzler Viktor<br />

Klima (SPÖ). Der schlug vor, eine von ihm geführte Minderheitsregierung<br />

auch unter Einschluss von «unabhängigen<br />

Experten» – gemeint waren der FPÖ nahestehende<br />

Wirtschaftsfachleute – zu bilden. Damit wollte<br />

er sich die Unterstützung seines Kabinetts durch die<br />

FPÖ erkaufen.<br />

Haider lehnte ab und trat bereits am 24. Januar in<br />

Verhandlungen mit der ÖVP ein. In nur einer Woche<br />

schnürten die beiden Parteien das komplette Koalitionspaket.<br />

Laut Schüssel entsprach dieses jedoch zu<br />

95 Prozent dem soeben gescheiterten Arbeitsübereinkommen<br />

von SPÖ und ÖVP – trotzdem stimmten<br />

die Freiheitlichen zu! Bundespräsident Klestil vergatterte<br />

Schüssel und Haider dazu, eine Präambel zu<br />

unterschreiben, die dem Regierungsprogramm vorangestellt<br />

wurde. Sie strotzte vor Hinweisen auf die historische<br />

Schuld Österreichs im 20. Jahrhundert, enthielt<br />

die Verpflichtung, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus<br />

und Antisemitismus scharf zu bekämpfen sowie<br />

sich der EU bedingungslos unterzuordnen. Weiterhin<br />

weigerte sich Klestil, zwei von der FPÖ vorgeschlagene<br />

Minister zu vereidigen («anzuloben») – die Partei<br />

musste sie austauschen. Trotzdem führte er die Angelobung<br />

selbst mit versteinerter Miene durch, als hätte<br />

er es mit Verbrechern zu tun.<br />

Haider selbst hatte angesichts von Klestils Betonablehnung<br />

von vornherein darauf verzichtet, der künftigen<br />

Bundesregierung anzugehören. Er trieb den Kotau<br />

auf die Spitze, trat sogar vom Amt des FPÖ-Vorsitzenden<br />

zurück und bezeichnete sich als nur noch «einfaches<br />

Parteimitglied». Noch vor der ersten Amtshandlung<br />

des neuen Kabinetts hatte sich der wichtigste<br />

freiheitliche Politiker damit selbst aus dem bundespolitischen<br />

Spiel genommen.<br />

Die Nazikeule kam trotzdem<br />

Doch all das nützte nichts: Innenpolitisch wie international<br />

kam es zu Protesten ungeahnten Ausmaßes. In<br />

Österreich gingen Tausende gegen die neue Regierung<br />

auf die Straße. Im Ausland wurde Haider zum neuen Hitler<br />

hochstilisiert, egal ob von deutschen, französischen,<br />

israelischen oder US-amerikanischen Medien. Die EU<br />

verhängte mit den Stimmen aller anderen 14 Mitglieder<br />

Sanktionen gegen die Alpenrepublik – ein historisches<br />

Novum im «europäischen Einigungsprozess». Österreich<br />

war über Nacht zum Paria-Staat geworden. Haider<br />

erklärte im Rückblick, dass Klima bei einer Holocaust-Konferenz<br />

am 26. Januar 2000 die EU-Strafmaßnahmen<br />

gegen sein eigenes Land angeregt hatte…<br />

46<br />

Als einzige Nationalratspartei stellt<br />

sich die FPÖ, wie hier im Wiener<br />

Ortsteil Atzgersdorf, klar gegen die<br />

Asyllawine. Foto: APA<br />

Bedingungslose Unterwerfung


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

Die Regierungsarbeit der FPÖ wurde ab dem ersten<br />

Tag zum Fiasko: Sie präsentierte sich als EU-hörig,<br />

inkompetent sowie mit dünner Personaldecke und ließ<br />

Rekordzahlen an Einbürgerungen von Ausländern zu.<br />

Haider, das «einfache Parteimitglied», machte sich mit<br />

seiner Doppelrolle unglaubwürdig: Einerseits spielte er<br />

als Ministerpräsident («Landeshauptmann») von Kärnten<br />

Opposition gegen die blau-schwarze Koalition auf<br />

Bundesebene, andererseits agierte er als deren Souffleur.<br />

Damit stieß er zunehmend auf Widerstand seiner<br />

Parteifreunde im Kabinett.<br />

Haiders neue Partei BZÖ wedelte als<br />

Schwanz der ÖVP weiter.<br />

Am 8. September 2002 legten Vizekanzlerin<br />

Susanne Riess-Passer, Finanzminister Karl-Heinz Grasser<br />

und Fraktionsvorsitzender («Klubobmann») Peter<br />

Westenthaler nach einem außerordentlichen FPÖ-Parteitag<br />

ihre Ämter nieder. Daraufhin kam es zu Neuwahlen,<br />

bei denen die FPÖ von 27 auf 10 Prozent einbrach,<br />

während die ÖVP sich vom gleichen Ausgangswert<br />

auf 42 Prozent hochkatapultierte. Wieder fanden<br />

sich ÖVP und FPÖ für eine Koalition zusammen, aber<br />

bei einer gänzlich anderen Kräfteverteilung: mit den<br />

Freiheitlichen als reinem Anhängsel der Konservativen.<br />

Die parteiinterne Kritik wurde immer stärker. Im April<br />

20<strong>05</strong> gründete Haider kurzerhand mit allen bisherigen<br />

FPÖ-Ministern und fast allen bisherigen FPÖ-Nationalratsabgeordneten<br />

eine eigene Partei: das Bündnis<br />

Zukunft Österreich (BZÖ). Die FPÖ war somit so gut wie<br />

tot: In Umfragen lag sie deutlich unter den vier Prozent,<br />

die für den Einzug in den Nationalrat notwendig sind.<br />

Schüssel führte die Koalition mit der in BZÖ umgetauften<br />

Haider-Partei weiter. Heinz-Christian Strache stand<br />

als neu gewählter FPÖ-Bundesparteiobmann vor einem<br />

Scherbenhaufen.<br />

Opposition als Rettung<br />

Doch während das BZÖ als Schwanz der ÖVP weiterwedelte,<br />

ließ Strache seine Partei mit ehrlichen<br />

(auch vielen altbewährten) Inhalten wieder auf Kurs<br />

bringen und konnte so bei der Nationalratswahl im<br />

folgenden Jahr elf Prozent der Stimmen erobern. Das<br />

BZÖ schaffte hingegen mit Spitzenkandidat Peter Westenthaler<br />

mit vier Prozent nur hauchdünn den Einzug<br />

ins Parlament.<br />

Fazit: Die FPÖ gewann seit 1986, als Haider die<br />

Spitze übernahm, so lange in jeder Wahl, wie sie<br />

sich als Opposition zum Machtkartell präsentierte.<br />

Die Regierungsbeteiligung wurde aber – auch für die<br />

Abspaltung BZÖ – zum Fiasko. Auf jeden Fall erfolgte<br />

der Eintritt in das Kabinett Schüssel – abgesehen vom<br />

damaligen Verrat sämtlicher Prinzipien – viel zu früh.<br />

Es stellt sich aber auch ganz prinzipiell die Frage, ob<br />

es der FPÖ in Österreich oder der AfD in Deutschland<br />

überhaupt gelingen kann, im Rahmen einer Koalition<br />

eine Stärkung des Nationalstaates zu erreichen – oder<br />

ob sich nicht immer der globalistisch ausgerichtete<br />

Regierungspartner durchsetzt. Daher sieht es so aus,<br />

als ob die einzige Chance für einen echten Systemwechsel<br />

darin liegt, auf die Erringung einer absoluten<br />

Mandatsmehrheit und damit auf eine Alleinregierung<br />

hinzuarbeiten, so wie es Viktor Orbán mit seiner<br />

Fidesz-Partei in Ungarn geschafft hat.<br />

Keine Angst vor<br />

Abspaltungen<br />

Die AfD hat einen Flügelkampf<br />

an der Parteispitze (Lucke gegen<br />

Petry) bereits bestens überstanden.<br />

Bei der FPÖ gab es gleich<br />

zwei Abspaltungen – und auch<br />

die FPÖ wurde dadurch gestärkt,<br />

zumindest auf lange Sicht. 1993<br />

trat Haiders Vize Heide Schmidt<br />

zusammen mit vier Nationalräten<br />

aus der FPÖ aus und machte<br />

mit der neu gegründeten Partei<br />

Liberales Forum im Parlament<br />

weiter. Ab sofort vertrat die Politikerin<br />

in vielen Bereichen genau<br />

das Gegenteil dessen, was<br />

sie zuvor als ihre Überzeugung<br />

ausgegeben hatte. Bereits 1999<br />

wurde die neue Partei von den<br />

Wählern in die Wüste geschickt.<br />

Ähnlich erging es Haiders Kind,<br />

dem BZÖ: 20<strong>05</strong> gegründet, erlebte<br />

es auf Bundesebene 2008<br />

mit einem Wahlergebnis von<br />

10,7 Prozent seinen Höhepunkt.<br />

Ein Jahr nach Haiders Tod konnte<br />

es in Kärnten 2009 zwar noch<br />

eine Landtagswahl gewinnen<br />

und mit Gerhard Dörfler den<br />

Landeshauptmann stellen; aber<br />

das Verfehlen der Vier-Prozent-<br />

Hürde bei der Nationalratswahl<br />

2013 war der Anfang vom Ende<br />

des BZÖ, das inzwischen vollständig<br />

in der Versenkung verschwunden<br />

ist.<br />

Bundespräsident Thomas Klestil mit<br />

Jörg Haider nach dessen sogenannter<br />

Demokratieerklärung vor der<br />

Regierungsbildung.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Vor der Nationalratswahl 2008<br />

hatte die FPÖ unter Heinz-Christian<br />

Strache (Mitte) – hier im TV-Duell<br />

der Spitzenkandidaten – bereits<br />

wieder die Nase vorn. Foto: SPÖ/<br />

Zinner<br />

_ Klaus Faißner ist Wirtschaftsund<br />

Umweltjournalist. In <strong>COMPACT</strong><br />

3/<strong>2016</strong> portraitierte er den<br />

derzeitigen Bundeskanzler Werner<br />

Faymann (SPÖ).<br />

47


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

Zwischen Joschka und Jutta<br />

_ von Jürgen Elsässer<br />

Die Frühgeschichte der Grünen birgt reichhaltiges Anschauungsmaterial,<br />

in welchen Fallstricken sich eine oppositionelle Kraft<br />

verheddern kann. Einige kreative Ansätze, die von den Apparatschiks<br />

abgebügelt wurden, verdienen nähere Betrachtung.<br />

verlassen hatte. Das taten viele, darunter auch heute<br />

noch bekannte Köpfe wie Winfried Kretschmann (vorher<br />

KBW), Marieluise Beck (dito) oder Jürgen Trittin<br />

(vorher KB). Aber auch prominente Konservative standen<br />

in der ersten Reihe, etwa der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete<br />

Herbert Gruhl oder der Ökobauer<br />

Baldur Springmann, der später von Jutta Ditfurth als<br />

Faschist verleumdet wurde.<br />

Brandts List, Fischers Gier<br />

48<br />

Joschka Fischer und Jutta Ditfurth<br />

1986 in Frankfurt am Main.<br />

Foto: dpa<br />

«Nicht links,<br />

nicht rechts,<br />

sondern vorn».<br />

Grüner Slogan 1980<br />

Man macht einen großen Fehler, wenn man die<br />

Grünen allein nach ihrem heutigen Profil beurteilt. Sie<br />

waren nicht immer die selbsternannte Avantgarde, die<br />

das Volk durch Verbote züchtigen und durch Masseneinwanderung<br />

austauschen wollte. Vielmehr ging es,<br />

zumindest bis Mitte der 1980er Jahre, bei ihnen fast<br />

genauso wild zu wie heute bei der AfD. Die neue Partei<br />

verstand sich explizit als «basisdemokratisch», befürwortete<br />

Plebiszite auf allen Ebenen und warb mit dem<br />

Slogan «nicht links, nicht rechts, sondern vorn». Das<br />

entsprach auch der Zusammensetzung ihrer Basis: Ihre<br />

Entstehung verdanken die Grünen der Anti-Atomkraft-<br />

Bewegung, die 1975 mit der Bauplatzbesetzung im südbadischen<br />

Whyl entstanden war. Dort, im Kernland der<br />

CDU, dominierten zunächst konservative Bauern und<br />

Winzer den Protest. Kommunistische Gruppen, die mit<br />

Mao «Dem Volke dienen» wollten, kamen erst später<br />

hinzu. Bei den zum Teil gewaltsamen Demonstrationen<br />

am geplanten AKW Brokdorf an der Unterelbe<br />

(1976/77) wurde ihr Einfluss spürbar stärker.<br />

Auf dem Gründungsparteitag 1980 wurde ein<br />

Unvereinbarkeitsbeschluss gegen Mitglieder von kommunistischen<br />

Gruppen beschlossen. Den Grünen beitreten<br />

durfte nur, wer zuvor seine alte Organisation<br />

Weitgehender Konsens bestand bei den frühen Grünen<br />

darin, dass man eine «Anti-Parteien-Partei» sein<br />

wolle – so eine Formulierung von Petra Kelly, Frontfrau<br />

der ersten Stunde. Nicht die Arbeit im Parlament, sondern<br />

die Unterstützung außerparlamentarischer Bewegungen<br />

sei entscheidend. Dieses Selbstverständnis<br />

geriet nach der Bundestagswahl im März 1983 ins<br />

Wanken. Die neue Kraft war von 1,5 Prozent drei Jahre<br />

zuvor auf 5,6 Prozent geklettert. Daraus entwickelte<br />

der SPD-Vorsitzende Willy Brandt eine Taktik, wie man<br />

den gerade ins Bundeskanzleramt eingezogenen Helmut<br />

Kohl wieder loswerden könne: Es gebe nämlich<br />

eine Mehrheit «diesseits der Union». Tatsächlich verfügten<br />

SPD, Grüne und FDP im Hohen Haus über mehr<br />

Mandate als CDU und CSU. Der Pfälzer konnte sich<br />

nur halten, weil er auch von den Liberalen unterstützt<br />

wurde – und solange Rot und Grün nicht zusammenkamen.<br />

Brandts Formulierung provozierte einen Linienkampf<br />

bei den Grünen. Vor allem zwei Lager standen<br />

sich in der Folge gegenüber:<br />

■■<br />

Die Realos: Sie wurden angeführt von Joschka<br />

Fischer, der mit 200 ehemaligen Linksradikalen den<br />

hessischen Landesverband unterwandert hatte. Der<br />

arbeitsscheue Nichtstuer, der «außer strategischem<br />

Bücherklau nichts gelernt hatte» (so sein Biograph<br />

Christian Schmidt), sah in den Grünen vor allem ein<br />

Vehikel für seine Karriere und war deswegen bereit,<br />

für eine Machtbeteiligung alle Prinzipien aufzugeben.<br />

So geschah es auch in der ersten rot-grünen Landesregierung<br />

ab 1985 in Hessen: Politisch setzte die<br />

Fischer-Gang nichts durch, aber alle kamen zu gutdotierten<br />

Jobs. Dass die Äppelwoi-Grünen beim nächsten<br />

Urnengang 1987 ihr Ergebnis sogar noch steigern konnten<br />

(von 5,9 auf 9,4), nutzten die Glücksritter als Argument<br />

für ihre Linie. Tatsächlich dürfte eher die Tschernobyl-Katastrophe<br />

1986 den Anstieg verursacht haben.<br />

■■<br />

Die Fundis: An ihrer Spitze stand mit Jutta Ditfurth<br />

eine abgehalfterte Adlige, die als Tochter eines<br />

berühmten Wissenschaftlers günstige Startbedingungen<br />

hatte. Die von ihr vertretene Fundamentalopposition<br />

bedeutete die prinzipielle Ablehnung jeder Regie-


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

Die Grünen an der Macht <strong>2016</strong><br />

Schleswig-Holstein<br />

Hamburg<br />

Bremen<br />

Niedersachsen<br />

Baden-Württemberg<br />

<br />

<br />

Regierung<br />

Koalitionspartner<br />

in Opposition<br />

30,3 %<br />

rungsbeteiligung und war damit nur ein Spiegelbild der<br />

Realo-Option. Mit dem Abebben der außerparlamentarischen<br />

Bewegungen in der zweiten Hälfte der 1980er<br />

Jahre verloren die Radikalinskis rapide an Bedeutung.<br />

Alternative Ansätze<br />

13,2 %<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

11,3 %<br />

Hessen<br />

11,1 %<br />

Rheinland-Pfalz 5,3 %<br />

Saarland 5,0 %<br />

12,3 %<br />

15,1 %<br />

13,7 %<br />

5,7 %<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

8,7 %<br />

5,2 %<br />

8,6 %<br />

6,2 %<br />

17,6 %<br />

5,7 %<br />

Brandenburg<br />

Berlin<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Sachsen<br />

Thüringen<br />

Bayern<br />

Quelle: Wikipedia<br />

Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />

Zwischen den beiden großen Blöcken wurden<br />

andere Strategien leider schnell zerrieben. Interessant<br />

ist etwa die sogenannte Hamburger Linie, die<br />

von den Ökosozialisten um Thomas Ebermann (zeitweilig<br />

Fraktionschef im Bundestag) und Rainer Trampert<br />

(einige Jahre Co-Bundesvorsitzender) entwickelt<br />

worden war. Sie lehnten zwar die Teilnahme an Koalitionen<br />

ab, nicht aber die Tolerierung einer Minderheitsregierung.<br />

Dies sollte davon abhängig gemacht<br />

werden, dass die SPD die Umsetzung bestimmter Forderungen<br />

zusicherte. Als solche «Knackpunkte» sollten<br />

idealtypisch Ziele fixiert werden, die in großen Teilen<br />

der SPD-Wählerschaft populär waren, aber bei deren<br />

Führung auf taube Ohren stießen. Das Kalkül: Entweder<br />

erzeugt die sozialdemokratische Basis den notwendigen<br />

Druck, damit die Obersozis Richtung Grüne<br />

umsteuern – oder diese Basis, enttäuscht von der<br />

Starrköpfigkeit der Funktionäre, läuft beim nächsten<br />

Urnengang zur Sonnenblumen-Partei über.<br />

bezirzen, wie das Ergebnis der fälligen Neuwahlen<br />

bewies: Die Sozialdemokraten erhielten wieder die<br />

absolute Mehrheit, die GAL ging auf 6,8 Prozent zurück.<br />

Das braucht nicht unbedingt zu bedeuten, dass eine<br />

Tolerierungsstrategie auch in Zukunft aussichtslos sein<br />

muss, etwa wenn sie von der AfD gegenüber der CDU<br />

ausprobiert würde. Vermutlich war das, was die weit<br />

links stehende GAL als «Knackpunkte» formuliert hatte,<br />

für die sozialdemokratische Arbeiterschaft einfach zu<br />

weltfremd gewesen.<br />

Fischer hatte mit 200 ehemaligen<br />

Linksradikalen die hessischen<br />

Grünen unterwandert.<br />

Weit jenseits aller parteipolitischen Spielchen war<br />

der Ansatz von Rudolf Bahro angesiedelt. Der 1979 aus<br />

der DDR abgeschobene Ökokommunist ging zwar in der<br />

Strategiedebatte ein zeitweiliges Bündnis mit Ditfurth<br />

ein. Aber im Unterschied zu den linksradikalen Fundis<br />

plädierte er für die Einbeziehung wertkonservativer,<br />

vulgo rechter, Strömungen in die Partei. Er liebte<br />

das Volk und wollte es im positiven Rückgriff auf die<br />

deutsche Geschichte, etwa die Bauernkriege, in seiner<br />

gesamten Breite mobilisieren. Bahros Ziel war weder<br />

Reform noch Revolution, sondern Reformation – eine<br />

zunächst geistig-spirituelle Bewusstmachung, wie sie<br />

nach seiner Auffassung Thomas Müntzer versucht und<br />

Adolf Hitler pervertiert hatte. Das ging freilich über<br />

den Horizont der Ökopaxe hinaus. Bahro trat 1985 enttäuscht<br />

aus den Grünen aus und wandte sich in der<br />

Folge fragwürdigen Sekten und Lebensreformern zu.<br />

Bahros Abschied<br />

von den Grünen<br />

«Er sympathisiert mit den Grünen,<br />

gehört 1982 bis 1984 dem<br />

Bundesvorstand der Partei an<br />

und verlässt sie auf dem Hagener<br />

Parteitag 1985, weil ihm<br />

ihr politischer Kurs zuwider<br />

ist: “Die Grünen sind fast noch<br />

schlimmer als nutzlos. Sie sind<br />

so durch und durch Teil des Systems<br />

geworden, dass der Kapitalismus<br />

sie erfinden müsste,<br />

wenn es sie nicht schon gäbe“,<br />

sagt er später. Er wird Gastdozent<br />

an der Freien Universität<br />

in Westberlin, kämpft für<br />

Tierschutz und besucht Sektenguru<br />

Bhagwan in Oregon, fördert<br />

Landkommunen und gründet<br />

1990 an der Humboldt-Universität<br />

das Institut für Sozialökologie.<br />

Seine Vorlesungen<br />

erfreuen sich zunächst großen<br />

Zuspruchs, bis zum Schluss besuchen<br />

an die 200 Hörer regelmäßig<br />

die Veranstaltungen im<br />

Auditorium Maximum der Universität<br />

Unter den Linden. Was<br />

sie zu hören bekommen, ist ein<br />

Konzept von Buddhismus, Pazifismus<br />

und Esoterik, das in einem<br />

“spirituellen Kommunismus“<br />

gipfelt.» (Arnold Schölzel,<br />

Utopie kreativ 88/1998)<br />

Der Praxistest für das Tolerierungskonzept kam im<br />

Juni 1982. Die SPD stürzte bei den Landtagswahlen<br />

in Hamburg erstmals auf den zweiten Platz hinter der<br />

CDU ab und brauchte zum Weiterregieren einen Partner.<br />

Die Grünen (damals noch unter dem Kürzel GAL),<br />

die auf 7,7 Prozent gekommen waren, boten Unterstützung<br />

ohne Regierungsbeteiligung an und formulierten<br />

Mindestbedingungen. Die Verhandlungen<br />

darüber dauerten zehn Wochen, dann zog die SPD die<br />

Reißleine. Trotz großem öffentlichen Interesse war es<br />

Ebermann und Co. nicht gelungen, die SPD-Basis zu<br />

Grünen-Frontmann Ebermann hatte gewettet, dass die SPD bei den Hamburger Neuwahlen im Dezember<br />

1982 keine absolute Mehrheit bekäme. Andernfalls werde er ein Bad in der eiskalten Elbe nehmen – was er<br />

dann im Januar 1983 tatsächlich musste. Foto: Henning Scholz, Die Grünen<br />

49


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

«Nur durch eine Volkserhebung<br />

aufzuhalten»<br />

_ von Rudolf Bahro<br />

50<br />

Rudolf Bahro skizzierte für die Grünen einen Weg zum gesellschaftlichen<br />

Neuanfang, der weder den linksradikalen Revoluzzern<br />

noch den liberalen Reformern gefiel. Er sprach von «Reformation» in<br />

der Tradition von Thomas Müntzer, sah explizit das Volk und nicht die<br />

Partei als politisches Subjekt und zog sogar den Aufstieg der NSDAP,<br />

rein strukturell verstanden, als Beispiel heran.<br />

«Ihr seid dabei,<br />

dem Drachen den<br />

Panzer etwas zu<br />

erleichtern, ihm die<br />

Zähne zu putzen,<br />

den schlechten<br />

Atem zu desodorieren.»<br />

Die Menschen im Lande bewegen sich noch immer<br />

zu langsam, aber ziemlich sicher geistig auf den Ausgang<br />

zu. Deshalb ist es ja so wichtig für die Macht,<br />

uns, Die Grünen, die bisher als Anti-Parteien-Partei<br />

ambivalent, halb dabei waren – als Partei, die sich<br />

auf Parlament und Staat bezieht, sind wir [die Grünen]<br />

generell halb dabei, es kommt dann aufs Gefälle an –,<br />

im Gegenzuge schnell an sich heranzuziehen, damit<br />

das Volk politisch ins Leere läuft, wenn’s zum Schwur<br />

kommt. Es [das Volk] soll vorsorglich der embryonalen<br />

politischen Struktur, die es sich in uns gegeben hat,<br />

beraubt, enteignet werden. (…)<br />

Ich werde Euch sagen, was Realpolitik auf dieser<br />

Ebene bedeutet: Ihr seid dabei, dem Drachen den Panzer<br />

etwas zu erleichtern – ein Drittel im Militärhaushalt<br />

[kürzen], das kommt sowieso nicht, aber man kann‘s<br />

ja sagen –, ihm die Zähne zu putzen, den schlechten<br />

Atem zu desodorieren und die Exkremente zu sortieren.<br />

Da seid Ihr dabei! [Beifall]<br />

Ihr Reformisten, das könnt Ihr doch selbst nicht<br />

ernstlich glauben, dass die große Maschine, die uns<br />

immer mehr an die Wand drückt, durch irgendetwas<br />

anderes aufzuhalten ist als durch eine Volkserhebung,<br />

für die unsere Brokdorf- und Startbahn-Demonstration<br />

bloß ein Prolog gewesen sein kann!<br />

Vorbild Bauernkrieg<br />

Das ist nicht Reformistenzeit jetzt. Das ist eine<br />

Reformationszeit, die jetzt angehoben hat. Und es<br />

gibt da einen kleinen Unterschied zur Reformation:<br />

dass nämlich die Reformation etwas einschließt, was<br />

Friedrich Engels die radikalste Tatsache der deutschen<br />

Geschichte genannt hat – den Großen Deutschen<br />

Bauernkrieg. Ich sage das als Analogie. Es gab<br />

nicht nur Luther, an den heranzureichen sich schon lohnen<br />

würde. Es gab damals nämlich auch noch Thomas<br />

Müntzer. Der hat sie unter der Regenbogenfahne – ich<br />

hoffe, wir erkennen das wieder –, voran einen unsichtbaren<br />

Bauern-Christus, in den Kampf geführt, als ihnen<br />

die Herren keine andere Wahl gelassen hatten als den<br />

Aufstand.<br />

Die Bauern sind besiegt worden, ja. Und es steht<br />

geschrieben: Wer zum Schwert greift, wird durch das<br />

Schwert umkommen. Das kann für uns nur heißen:<br />

diesmal anders, besser. Also eine gewaltfreie Volks-


<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />

Der Bauernkrieg auf einem Gemälde von Fritz Neuhaus. Die von<br />

ihm vertretene Düsseldorfer Schule der Malerei war vom Vormärz<br />

geprägt. Foto: The Athenaeum<br />

erhebung. Aber wir müssen Müntzersche sein, wenn<br />

wir da durchkommen wollen – von unserem Geiste<br />

her. Ich denke mir, wir können nicht sein, was Müntzer<br />

genannt hat «dieses sanftlebige Fleisch zu Wittenberg»<br />

– so hat er den Luther später tituliert. Wir können<br />

nicht sein: diese ökoliberale Paulskirchenpartei,<br />

die manche aus uns machen wollen, die von vornherein<br />

so vor dem Idealtypus der repräsentativen Demokratie<br />

scharwenzelt wie die späten Bismarck-Liberalen schon<br />

1848/49 vor der verfassten Monarchie. [Paulskirchenpartei<br />

– die Gemäßigten in der Revolution von 1848/49]<br />

«Die Grünen steigen formell – ich<br />

sage formell! – nach einem ganz<br />

ähnlichen Muster auf wie die Nazipartei.»<br />

Ich will Euch sagen, was diesen damaligen Liberalen<br />

das Wichtigste war: Denen war es halt das Wichtigste,<br />

dass sich das Volk, der «wilde Lümmel», nur<br />

wohldosiert zu Worte melden konnte – Heine hat es<br />

damals gesagt. Jetzt haben die moderaten Leute noch<br />

einen viel schöneren Hammer parat: Das Volk – und<br />

mit ihm als einer autonomen Kraft umgehen zu wollen<br />

–, das ist nämlich «totalitär». Sie haben es nötig,<br />

dem Hitler diesen letzten Sieg zuzuschanzen, dass man<br />

nun endgültig in Deutschland das Volk nicht mehr rufen<br />

dürfe. Das ist eine schöne Politik!<br />

Wir hatten zuerst Bundschuhverschwörungen in<br />

diesen Jahren [vor dem Bauernkrieg 1525] – Treffen<br />

wie die Aufläufe um den Behaim Hans in Niklashausen<br />

20 oder 30 Jahre davor. Die hatten damals allerdings<br />

noch eines mehr als wir, nämlich eine naive Vision<br />

vom Reiche Gottes, das mit dem Reich der Freiheit<br />

verdammt verwandt ist. Wie gesagt, das waren erst<br />

Windstöße. Der Sturm kommt noch! (…)<br />

Der Aufstieg der NSDAP<br />

Zunächst würde ich eine weitere halbe Stunde<br />

über das Verhältnis zwischen Ökopax-Bewegung und<br />

Faschismus sprechen, aber anders, als Ihr es riskiert.<br />

Formell, strukturell gesehen, stehen sich nämlich<br />

Bewegung, Staat und Gesellschaft heute ganz ähnlich<br />

gegenüber wie in der Republik von Weimar, und<br />

Die Grünen steigen formell – ich sage formell! – nach<br />

einem ganz ähnlichen Muster auf wie die Nazipartei.<br />

[Pfiffe, Buh-Rufe, anhaltende Unruhe im Saal, während<br />

Bahro weiterspricht.]<br />

Um diesmal gut herauszukommen, nämlich damit<br />

die Volkserhebung gewaltfrei wird, dürfen Die Grünen<br />

nicht verloren gehen. Lassen sich Die Grünen kooptieren<br />

oder werden sie kooptiert, sind sie nachher, wenn<br />

der Sturm seine größte Stärke, die Welle ihre volle<br />

Höhe erreicht, schon eine Systempartei mehr. Besser<br />

könnt Ihr den Bürgerkrieg und die nachfolgende Diktatur<br />

nicht vorbereiten. [weitere Zurufe] Aber dazu wäre<br />

viel mehr zu sagen, vor allem darüber, dass die Bewegung<br />

für einen friedlichen Übergang noch eine andere<br />

von innen arbeitende Struktur als nur die politische<br />

Partei braucht, die Partei gerade nicht als Avantgarde –<br />

sie wäre der Bock als Gärtner für eine neue Kultur; sie<br />

darf nur politischer Arm sein, der im entscheidenden<br />

Augenblick den politischen Arm der Gegenseite, die<br />

CDU/CSU und so weiter, mit Fingerhakeln beschäftigt,<br />

sodass die Staatsmaschinerie paralysiert ist, [Beifall]<br />

durch die Bewegung natürlich, die nichts aus den<br />

Kasernen lässt, nachdem sie die Soldaten schon bis<br />

hinauf ins Offizierskorps gespalten hat. Ich erinnere<br />

mich: Novotny hat Ende 1967 Armee und Sicherheitskräfte<br />

gerufen – sie kamen nicht, weil sie gespalten<br />

waren. [Antonyn Novotny war der starke Mann der<br />

tschechoslowakischen KP, die sich ab Ende 1967 einer<br />

wachsenden Volksbewegung, dem sogenannten Prager<br />

Frühling, gegenübersah; zu dessen Niederschlagung<br />

brauchte es am Ende sowjetische Truppen, da<br />

die eigene Armee in Teilen mit den Aufständischen<br />

sympathisierte.] (…)<br />

Die Fundamentalisten wurzeln alle – auch die es<br />

leugnen, beweisen’s durch den Widerstand oder gar<br />

durch den Sprung – auch noch in einer anderen Wirklichkeit,<br />

die wir alle in uns haben, die aber unter unserer<br />

eigenen Mitwirkung alltäglich zugeschüttet wird.<br />

Der Wettlauf mit der Apokalypse kann nur gewonnen<br />

werden, wenn dies eine große Glaubenszeit wird,<br />

eine Pfingstzeit mit dem lebendigen Geist, möglichst<br />

gleichermaßen ausgegossen über uns alle! [Zurufe:<br />

«Amen, Amen!»] Erinnert Euch an Thomas Müntzer!<br />

Das war seine Predigt! (…)<br />

«Der grüne Adolf»<br />

«Kein Gedanke verwerflicher als<br />

ein neues, anderes 1933? Gerade<br />

der aber kann uns retten. Die<br />

Ökopax-Bewegung ist die erste<br />

deutsche Volksbewegung seit<br />

der Nazibewegung. Sie muss<br />

Hitler miterlösen.» Die Grünen<br />

waren für Bahro «eine Enttäuschung,<br />

weil sie dieses nationale<br />

(…) völkische Moment nicht<br />

bedient [haben]. Eigentlich ruft<br />

es in der Volkstiefe nach einem<br />

grünen Adolf. Und die Linke hat<br />

davor nur Angst, anstatt zu begreifen,<br />

dass ein grüner Adolf<br />

ein völlig anderer Adolf wäre als<br />

der bekannte.»<br />

(Rudolf Bahro, 1987)<br />

Rudolf Bahro (1935-1997) auf dem<br />

Sonderparteitag der SED im Dezember<br />

1989. Foto: Bundesarchiv, Bild<br />

183-1989-1216-014, CC-BY-SA 3.0,<br />

Wikimedia Commons<br />

Der Kupferstich von Christoph van<br />

Sichem ist die älteste, allerdings<br />

nicht verbürgte Darstellung Thomas<br />

Müntzers aus dem Jahr 1608. Foto:<br />

Wikimedia / Public Domain<br />

_ Rudolf Bahro, damals Beisitzer<br />

im Bundesvorstand der Grünen,<br />

hielt diese Rede auf dem<br />

Bundesparteitag im Dezember<br />

1984 in Hamburg. Die hier abgedruckte<br />

Fassung entspricht dem<br />

gesprochenen Wort beziehungsweise<br />

Bahros Manuskript und<br />

wurde behutsam von Sprechfehlern<br />

bereinigt. Bemerkungen<br />

in eckigen Klammern und<br />

Zwischenüberschriften sind von<br />

der Redaktion eingefügt.<br />

51


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<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Gestorben auf Golgatha<br />

_ von Harald Harzheim<br />

Der Film «Superman vs. Batman» setzt einen Schlusspunkt unter die Saga der Weltenretter,<br />

die in den letzten Jahrzehnten die Massenkultur dominiert haben. Immerhin hat<br />

ihnen Hollywood ein Begräbnis erster Klasse spendiert.<br />

Duell der Giganten: Für den 151<br />

Minuten langen Abgesang traten<br />

Henry Cavill (Superman) und Ben<br />

Affleck (Batman) gegeneinander<br />

an. Foto: Clay Enos, Warner Bros.<br />

Entertainment Inc.<br />

Zwei Figuren haben im Horror- oder Sci-fi-Genre<br />

Erfolg? Dann lässt man sie garantiert gegeneinander<br />

antreten. Dieses Erfolgsrezept kannte schon der deutsche<br />

Stummfilm: Der Golem (1915) zog die Massen<br />

ins Kino? Und Alraune (1918) ließ die Kassen klingeln?<br />

Also drehte man Alraune und der Golem (1919). Auch<br />

in Hollywood setzte sich diese Strategie schnell durch:<br />

Frankenstein (1931) und The Wolfman (1941) füllten<br />

Kinosäle? Wie sehr musste erst Frankenstein meets<br />

the Wolfman (1943) das Publikum anlocken! Wobei<br />

«meets» (deutsch: trifft) natürlich gegenseitiges Zerfetzen<br />

meinte.<br />

Auch in den letzten Jahren stürmte das Crossover-<br />

Konzept cineastische Hitparaden. Nach Etablierung<br />

der kultigen Serienkiller Freddy Krueger (Nightmare<br />

on Elm Street) und Jason Voorhees (Friday the 13th)<br />

ließ man sie in Freddy vs. Jason (2003) aufeinander<br />

los. Ebenso die beiden Mega-Monster Alien vs. Predator<br />

(2004). In solchen Filmen mussten die Guten<br />

nicht das Böse besiegen. Es reichte, wenn Hollywood<br />

einen Showdown arrangierte. Dann konnte man sich<br />

zurücklehnen und zusehen, wie die Bösen sich gegenseitig<br />

zermetzgerten. Wie aber passt das zu Batman<br />

vs. Superman: Dawn of Justice (Batman gegen Superman:<br />

Anbruch der Gerechtigkeit), der jüngst ins Kino<br />

kam? Da handelt es sich doch um zwei gute Charaktere.<br />

Warum sollten die sich bekriegen? Hat einer von denen<br />

die Seite gewechselt? Nein, besser: Der Unterschied<br />

zwischen Gut und Böse fällt einfach weg…<br />

Die Welt aus den Fugen<br />

Bereits Comic-Zeichner Frank Miller hatte die Figur<br />

Batman kräftig verdunkelt, ihr Brüche und Abgründe<br />

zugestanden. Eine Deutung, die Regisseur Christopher<br />

Nolan für seine Dark-Knight-Trilogie übernahm.<br />

Als ausführender Produzent von Batman vs. Superman<br />

treibt er den Fledermausmann diesmal noch tiefer<br />

in die Finsternis. Unheilbar von der Ermordung seiner<br />

Eltern traumatisiert, ist er jetzt beinahe zum Dämon<br />

mutiert: unrasiert, im schuppigen Eisenpanzer und mit<br />

glühenden Augen. Regisseur Zack Snyder, der mit 300<br />

(2006) bereits einen Comic Millers verfilmte, verwandelt<br />

auch Superman in einen tragischen Helden: Wie<br />

einst Leonidas steht er zaudernd vor den heimatlichen<br />

Kornfeldern und entschließt sich schließlich zur Aufopferung<br />

– als letzte Chance für eine Welt, die völlig<br />

aus den Fugen geraten ist, die ihn nicht mehr versteht,<br />

ihn nicht länger anerkennt.<br />

Traumata<br />

determinieren die<br />

Handlungen der<br />

Charaktere.<br />

20<strong>05</strong> wurde Henry Cavill für «Batman<br />

Begins» gecastet – aber letztlich<br />

nicht genommen. Foto: Warner<br />

Bros. Pictures<br />

53


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Kal-El schlägt Hitler<br />

54<br />

«Dass die Welt vor den Nazis<br />

gerettet wurde, verdankt sie<br />

nicht zuletzt US-Superhelden:<br />

Superman, Batman und ihre Kollegen<br />

fochten im Zweiten Weltkrieg<br />

für Amerika und seine<br />

Alliierten. Die Comicfiguren<br />

waren für diesen Kampf hochmotiviert.<br />

Schließlich waren sie<br />

häufig Schöpfungen jüdischer<br />

Zeichner. Vor allem Superman,<br />

den Jerry Siegel und Joe Shuster,<br />

zwei jüdische Teenager aus<br />

Cleveland/Ohio erfunden hatten,<br />

gilt als die ”ultimative jüdische<br />

Assimilierungsphantasie”,<br />

wie der Karikaturist Jules<br />

Feiffer es formuliert. Der fliegende<br />

Kraftbolzen vom Planeten<br />

Krypton, dessen ursprünglicher<br />

Name Kal-El lautet –<br />

hebräisch für ”Alles, das Gott<br />

ist” – wurde, wie einst Moses,<br />

in einem winzigen Gefährt vor<br />

dem Bösen gerettet. Seitdem<br />

lebt er unauffällig als Lokaljournalist<br />

Clark Kent unter den Menschen,<br />

die ihn für einen bebrillten<br />

Schwächling halten. Doch<br />

immer, wenn der Erde Gefahr<br />

droht, verwandelt sich der Nudnik<br />

in den Helden Superman<br />

und rettet die Welt.» (Eva C.<br />

Schweitzer in der Jüdischen Allgemeinen,<br />

7.12.2006)<br />

Gegen den Mann aus Stahl sah<br />

Adolf alt aus. Foto: Unbekannt<br />

Bild oben rechts: Ein bisschen untot<br />

wirken die Superman-Groupies<br />

schon. Foto: Clay Enos, Warner<br />

Bros. Entertainment Inc.<br />

_ Unser Filmklassiker Harald Harzheim<br />

schrieb in <strong>COMPACT</strong> 4/<strong>2016</strong><br />

über den Merkel-Versteher George<br />

Clooney.<br />

Es beginnt mit Supermans (Henry Cavill) Freundin,<br />

der Reporterin Lois Lane (Amy Adams). Die hat<br />

sich zu einem afrikanischen Dorf durchgekämpft, in<br />

dem eine Rebellengang kampiert. Auf Lanes Frage,<br />

wer den Terror finanziere, antwortet der Anführer mit<br />

einer Gegenfrage: «Wer finanziert die Drohnen?» Was<br />

unterscheidet die US-Regierung vom Chef einer Terrorbande?<br />

Der Anführer nimmt Lois als Geisel. Superman<br />

befreit sie, zerstört bei der Rettung aber Teile<br />

des Dorfes. In den USA wird das zum Skandal, er<br />

muss sich im Pentagon verantworten. Die Medien<br />

fordern, dass er künftig nur noch mit demokratischer<br />

Legitimation handeln dürfe. Kulturkritiker rätseln, ob<br />

die Gesellschaft nicht zu viel Heilserwartung in den<br />

Helden projiziert habe. Nicht einmal James Bond in<br />

Spectre (2015) wurde derart dekonstruiert. Superman<br />

wehrt sich nicht gegen die Vorwürfe. Schwermut<br />

befällt ihn. Aber es kommt noch härter: Seine<br />

Heimatstadt Metropolis wird von Außerirdischen terrorisiert.<br />

Ein Flugobjekt rast wie ein Sägeblatt zwischen<br />

die Wolkenkratzer, mäht sie reihenweise um.<br />

Batman alias Bruce Wayne (Ben Affleck) wirft Superman<br />

unterlassene Hilfeleistung vor. Mehr noch als die<br />

Medien befürchtet Wayne, der Unverwundbare könne<br />

sich eines Tages über die Menschheit erheben, zum<br />

Diktator mutieren. Umgekehrt wirft der ihm vor, die<br />

Verbrechen in seiner Heimatstadt Gotham City mit<br />

unlauteren Methoden zu bekämpfen. Beide Helden<br />

sprechen sich gegenseitig die Legitimation ab.<br />

Der Kampf der Titanen<br />

Batman vs. Superman zeigt eine unheilvolle Interessenüberschneidung<br />

von Medien und Politik, um Aufklärung<br />

bestmöglich zu verhindern. Perry White (Laurence<br />

Fishburne), Chefredakteur von Daily Planet, glaubt zu<br />

wissen, dass seine Leser kein Interesse an ernsthaften<br />

Themen hätten. Wehe, seine Reporter kommen mit<br />

politischen Enthüllungen. Lieber Klatsch und Football…<br />

Ein Politiker, den Lois Lane nach Waffengeschäften mit<br />

afrikanischen Rebellen befragt, wehrt sich mit brandaktuellen<br />

Totschlag-Vokabeln: Ob sie einen Aluhut aufhabe,<br />

schreit er. Sie solle ihn nicht mit «Verschwörungstheorien»<br />

belästigen. Bei solcher Zerrissenheit<br />

einer Gesellschaft haben Erzschurken wie Lex Luthor<br />

(Jesse Eisenberg) leichtes Spiel. Und er nutzt seine<br />

Chance: In frühen Comics ein glatzköpfiger Midlife-<br />

Gangster, ist er bei Snyder ein postpubertärer Psychopath,<br />

optisch und psychisch dem Joker aus The Dark<br />

Knight (2008) verwandt. Beide interessieren sich nicht<br />

nur für Geld oder Macht, sondern sind auf die Verbreitung<br />

von Chaos und Zerstörung fixiert. Luthor nimmt<br />

Supermans Adoptivmutter (Diane Lane) als Geisel. Er<br />

droht, sie lebendig abzufackeln, es sei denn: Superman<br />

tötet Batman!<br />

«Weltentzug und Weltzerfall sind nie<br />

mehr rückgängig zu machen.» <br />

<br />

Martin Heidegger<br />

So kommt es zum Kampf der Titanen: Sie prügeln<br />

sich gegenseitig das Mark aus den Knochen. Durch<br />

eine List gewinnt der Fledermausmann die Oberhand.<br />

Als er zum tödlichen Stoß ausholt, flüstert Superman<br />

den Vornamen seiner Adoptivmutter, Martha. Batman<br />

erstarrt. Sein Kindheitstrauma, die Ermordung seiner<br />

Eltern, ergreift Besitz von ihm. Denn auch der Vorname<br />

seiner getöteten Mutter lautete – Martha! Plötzlich<br />

stehen sich nicht mehr zwei Helden, sondern zwei verlassene<br />

Waisenkinder gegenüber. Eine typische Snyder-Pointe:<br />

Dessen Protagonisten haben stets enorme<br />

Kräfte, aber keine seelische Souveränität. Ihr Han-


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

deln ist von frühen Angsterfahrungen geprägt: Leonidas<br />

(300) aufgrund des Kampfes mit dem Riesenwolf,<br />

Babydoll (Sucker Punch, 2011) aufgrund des Verlustes<br />

der Mutter und des Missbrauchs der Schwester. In<br />

Snyders erstem Superman-Film (Man of Steel, 2013)<br />

erlebt der kindliche Protagonist zuerst den Tod der leiblichen<br />

Eltern – und kurz darauf den des Adoptivvaters.<br />

Traumata determinieren die Handlungen dieser Charaktere.<br />

Sie sind das Schicksal, dem sich selbst Götter<br />

und Helden beugen müssen.<br />

Die Helden sind müde<br />

Comiczeichner Miller hatte sein Interesse an Megahelden<br />

so begründet: «Die Griechen hatten Götter, wir<br />

haben Supermänner.» Da ist die Sehnsucht nach einer<br />

übermächtigen Kraft, die helfend ins Weltgeschehen<br />

eingreift. Aber auch deren Zeit scheint abgelaufen.<br />

Superman und Batman prügeln sich in einer Säulenhalle,<br />

die dabei restlos zu Bruch geht. Überall liegen<br />

zerstörte Säulen, kleine Giebel, wie in einer griechischen<br />

Tempelruine – das Ende der Götter und Helden<br />

andeutend. Unrestaurierbar ist deren Zeit vorbei.<br />

Was Martin Heidegger über Kultstätten der Antike<br />

sagte, gilt auch hier: «Weltentzug und Weltzerfall<br />

sind nie mehr rückgängig zu machen.» Eigentlich ist<br />

nach Batman vs. Superman kein weiterer Superhelden-Film<br />

mehr möglich. Es sei denn, er ignoriert das<br />

hier erreichte Reflexionsniveau und kehrt zur ehemaligen<br />

Eindimensionalität zurück.<br />

Aber Regisseur Snyder geht noch über Millers<br />

Bezug auf die altgriechischen Götter hinaus und stilisiert<br />

Superman zum Nachfolger Christi! Anders als<br />

früher begleitet die Kamera nicht in endlosen Parallelfahrten<br />

seine Flüge. Dafür zeigt sie ihn in der Luft<br />

schwebend – wie eine biblische Erscheinung. Im Finale<br />

ist die Gleichsetzung überdeutlich. Nach der letztlich<br />

missglückten Entführung von Supermans Mutter – sie<br />

wird befreit – greift Lex Luthor zum Äußersten. Er kreiert<br />

das Monster Doomsday aus Kryptonit. Letzteres<br />

stammt von einem Meteoriten und ist für Superman<br />

absolut tödlich. Dennoch stellt sich dieser der Gefahr.<br />

Er muss es – spürt er doch intuitiv, dass dieses Monster<br />

einen Teil seiner selbst repräsentiert. Ein Kampf gegen<br />

die eigene dunkle Seite erwartet ihn. Ein Gemetzel, in<br />

dem Spezialeffekte und eine wendige 3-D-Kamera mit<br />

dem Zuschauer Achterbahn fahren – ein Festival der<br />

Destruktion. Superman siegt am Ende, erleidet aber<br />

selbst tödliche Verletzungen. Seine Leiche liegt auf<br />

dem Schoß der Freundin Lois, die um ihn weint. Auf<br />

dem felsigen Hintergrund ragen Kruzifixe hoch… Golgatha.<br />

Eine Pietà. Der Superheld als Christus, als verstorbener<br />

Welterlöser.<br />

Die klassischen Comic-Superhelden – Batman, Superman,<br />

Captain America und andere – wurden alle<br />

in den 1930er/1940er Jahren erfunden. In einer Zeit<br />

also, als das amerikanische Volk unter einer nicht enden<br />

wollenden Wirtschaftskrise ächzte und in Europa<br />

die «Gottesfinsternis» (Martin Buber) hereinbrach. Die<br />

Massen kompensierten ihre Hilflosigkeit mit der Phantasie<br />

eines unverwundbaren Erlösers, der – mit einem<br />

Übermaß an Kraft ausgestattet – die Welt wieder ins<br />

Lot bringt. Sie waren die letzten «Schutzengel unserer<br />

Zeit» (Adolf Heinzlmeier). Aber deren Uhr ist ebenso<br />

abgelaufen wie der linke Glaube an «revolutionäre<br />

Massen». «Worauf noch setzen?», fragt sich Batman<br />

während Supermans Beerdigung. Ihm kommt die<br />

Idee, dass es auf der Welt viele übernatürlich begabte<br />

Menschen gibt. Mit ihnen will er ein Netzwerk errichten:<br />

Ein Team soll den Toten ersetzen. Aber Wonder<br />

Woman lehnt müde ab. Sie hat schon im Ersten<br />

Weltkrieg gekämpft. Hat schon vor hundert Jahren<br />

das Schlimmste verhindern wollen. Vergeblich. Weiterkämpfen?<br />

Nein danke.<br />

Der Superheld<br />

erscheint als<br />

Christus, als verstorbener<br />

Welterlöser.<br />

Schock für die Damenwelt: 2012<br />

behauptete Zeichner und Mitautor<br />

Grant Morrison, seine Schöpfung<br />

sei schwul. Foto: Clay Enos, Warner<br />

Bros. Entertainment Inc.<br />

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Zurück zum echten deutschen Bier!<br />

_ von Peter Wiegrefe<br />

Im April feierte die Brauereiindustrie mit viel Gedöns den<br />

500. Geburts tag des Reinheitsgebots. Doch das war nur ein Marketing-<br />

Trick: Die internationalen Konzerne haben die gute alte Vorschrift<br />

schon längst unterlaufen. Ursprüngliche Qualität findet sich nur bei<br />

kleineren Herstellern, von denen es gottlob immer mehr gibt.<br />

Gerste, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht<br />

werden sollen». Der 23. April 1516, als dies feierlich<br />

verkündet wird, gilt als Geburtsstunde des «deutschen<br />

Reinheitsgebots».<br />

Kleine Schummeleien<br />

56<br />

Nur die Tschechen trinken mehr:<br />

Rund 109 Liter Bier lässt sich jeder<br />

Deutsche pro Jahr im Durchschnitt<br />

schmecken. Foto: picture alliance /<br />

Foodcollectio<br />

Warum gibt es<br />

Weizenbier, obwohl<br />

das Reinheitsgebot<br />

die Verwendung<br />

von Weizen<br />

untersagte?<br />

Ingolstadt im Frühjahr 1516: Das nach Erbfolgekriegen<br />

wiedervereinigte Herzogtum Bayern wird von Nahrungsmittelengpässen<br />

geplagt. Besonders Getreide ist<br />

knapp, die Versorgung der Bevölkerung gefährdet. Zu<br />

allem Überfluss gibt es noch Streit zwischen Bäckern<br />

und Brauern: Letztere verwenden bevorzugt den fürs<br />

Brot wie fürs Bier gleichsam nutzbaren Weizen und<br />

verschärfen die Mehlknappheit dadurch weiter. Doch<br />

noch ein weiteres Problem treibt den bayerischen Herzog<br />

Wilhelm IV. um. Da die Inhaltsstoffe für Bier nicht<br />

klar definiert sind und Hopfen teuer ist, mischen viele<br />

Brauer auch Stechäpfel, Bilsenkraut oder Tollkirschen<br />

in ihren Sud. Das hat fatale Auswirkungen. Im ganzen<br />

Land grassieren Klagen, schwere Vergiftungen bis hin<br />

zu Todesfällen häufen sich.<br />

Um den Weizen ebenso wie gefährliche Zusatzstoffe<br />

aus der Bierproduktion zu verbannen, diktiert<br />

der Herzog eigens einen gesonderten Brauerei-Passus<br />

in die neue Landesordnung. Dort ist festgelegt, «dass<br />

forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und<br />

auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein<br />

Für die Brauerverbände ist dieses Datum ein Festtag,<br />

den sie als «Tag des Deutschen Bieres» seit 1995<br />

zelebrieren. <strong>2016</strong>, am 500. Jubiläum, war der vorläufige<br />

Höhepunkt: Mit großem Brimborium ließen Brauereien<br />

und Lobbyverbände das Reinheitsgebot hochleben,<br />

priesen es als «ältestes Lebensmittelgesetz<br />

der Welt», das bis heute die herausragende Qualität<br />

deutschen Gerstensaftes garantiere. Das klang in der<br />

Tat nach einem Anlass, kräftig auf das Geburtstagskind<br />

anzustoßen – und was die Stimmung hebt, ist ja<br />

im seltensten Fall verkehrt. Bei näherem Hinsehen entlarvte<br />

sich das Tamtam jedoch als pure Marketingblase<br />

einer Branche, die in weiten Teilen den Profitinteressen<br />

von Konzernen gehorcht.<br />

Wie herbeigeredet die Partystimmung ist, zeigt<br />

sich schon bei den historischen Unstimmigkeiten ihrer<br />

Begründung. Dass das Gebot von 1516 nur wenige<br />

Jahre Bestand hatte und in Bayern bereits 1551 wieder<br />

Koriander und Lorbeer, später auch Kümmel und<br />

Wacholder als Inhaltsstoffe zugelassen wurden, erwähnten<br />

die feierwütigen Industriellen natürlich nicht.


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Auch dass der Begriff «Reinheitsgebot» erst Anfang<br />

des 20. Jahrhunderts geprägt wurde und der Deutsche<br />

Brauer- Bund ein «deutsches Reinheitsgebot» erst in<br />

den 1960er Jahren als Werbewaffe entdeckte, scheint<br />

heute vergessen.<br />

Nun gut, in einer zunehmend von Werbung und internationaler<br />

Liberalisierung dominierten Zeit musste<br />

eben auch diese Branche sehen, wo sie bleibt, und<br />

entsprechende Alleinstellungsmerkmale kreieren. Außerdem<br />

glauben wir Deutschen gern an Mythen und<br />

Legenden, da lassen wir uns von ein paar historischen<br />

Schönheitsfehlern nicht aus der Spur bringen.<br />

Schwamm drüber! Dass heute auch auf den Etiketten<br />

der Weizenbiere mit dem «Reinheitsgebot von 1516»<br />

geworben wird, wäre trotzdem ein Fall für den Verbraucherschutz,<br />

hatte doch die damalige Verordnung<br />

ausdrücklich zum Ziel, dass der Weizen den Bäckern –<br />

und den mit teuren Lizenzen von Herzogs Gnaden ausgestatteten<br />

«weißen Brauhäusern» – vorbehalten blieb.<br />

Verwässerter Geschmack<br />

Schwerer jedoch wiegt der Umstand, dass die hochgelobte<br />

Vorschrift in den vergangenen Jahrzehnten<br />

dermaßen unterhöhlt und aufgeweicht wurde, dass<br />

ihre Lobpreisung beinahe zynisch wirkt. Was heute in<br />

deutsches Bier hinein darf und was nicht, das bestimmt<br />

nicht die Verordnung von Herzog Wilhelm IV., sondern<br />

Paragraph 9 des Vorläufigen Biergesetzes von<br />

1993, der 20<strong>05</strong> in das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände-<br />

und Futtermittelgesetzbuch überführt wurde.<br />

Dort bestimmt zum Beispiel Absatz 2, dass für obergärige<br />

Biere wie Weizen oder Kölsch neben Gerstenmalz<br />

«auch die Verwendung von anderem Malz und die<br />

Verwendung von technisch reinem Rohr-, Rüben- oder<br />

Invertzucker (…) zulässig» ist. Um aus einem hellen<br />

ein dunkles Bier zu zaubern, dürfen sogar Farbmittel<br />

wie Zuckercouleur verwendet werden.<br />

Absatz 5 wiederum gestattet die Zubereitung von<br />

Bier mittels «Hopfenpulver oder (…) Hopfenauszüge[n]»<br />

anstelle echten Hopfens. Der chemisch gewonnene<br />

Hopfenextrakt, der seit 1968 zur Bierherstellung<br />

verwendet wird, ist länger haltbar und günstiger zu<br />

lagern und verursacht damit weniger Kosten. Er beschleunigt<br />

außerdem den Reifeprozess des Bieres und<br />

schafft so die Voraussetzungen für höhere Ausstöße.<br />

Die Gleichung ist einfach: Minderwertige Rohstoffe,<br />

weniger Kosten – mehr Profit. Der Nachteil: Aufgrund<br />

des geringeren Bitterstoffgehalts und weniger Stammwürze<br />

wird auch der Geschmack verwässert. Natürlich<br />

ist im Nachhinein kaum feststellbar, woher der für den<br />

Extrakt verwendete Rohhopfen tatsächlich stammt. So<br />

schwimmt in den Sudkesseln deutscher Großbrauereien,<br />

die heute mehrheitlich internationalen Konzernen<br />

gehören, auch Konzentrat aus China, Kanada oder<br />

den USA.<br />

Die Großkonzerne präsentieren ein<br />

totfiltriertes und turbogereiftes<br />

Einheitsbier.<br />

Kostenoptimierte Brauprozesse kommen nicht ohne<br />

chemische Hilfsmittel aus. Deshalb erlaubt Paragraph 9<br />

Absatz 6 des Vorläufigen Biergesetzes die Beimischung<br />

von mehr als 60 teils fragwürdigen Inhaltsstoffen, sofern<br />

diese – «bis auf gesundheitlich, geruchlich und<br />

geschmacklich unbedenkliche, technisch unvermeidbare<br />

Anteile» – wieder ausgeschieden werden. Zu diesen<br />

erlaubten Zusätzen gehören Leckereien wie das<br />

Bindemittel Polyvinylpolypyrrolidon (PVPP), Asbest<br />

oder Formaldehyd. Auf die Fragen, wie unvermeidbar<br />

«technisch unvermeidbar» tatsächlich ist und auf welche<br />

Weise die «gesundheitliche, geruchliche und ge-<br />

Darauf ein Pils!<br />

Bierabsatz in Deutschland 2009<br />

nach Sorten im Lebensmitteleinzeilhandel<br />

und in Abholmärkten<br />

(Marktanteil in Prozent).<br />

Pils<br />

Export<br />

Weizen<br />

Hell<br />

Alkoholfrei<br />

Schwarzbier<br />

Koelsch<br />

Alt<br />

Malzbier<br />

55,2<br />

9,8<br />

8,3<br />

4,7<br />

2,9<br />

1,7<br />

1,6<br />

1,4<br />

1,3<br />

0 30 60<br />

Quelle: AC Nielsen EU Chart<br />

Der Lokalbesuch war schon zu Kaisers<br />

Zeiten oft Höhepunkt des<br />

Sonntagsausflugs. Foto: picture-alliance/akg-images<br />

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57


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Wer gehört wem?<br />

Anheuser-Busch InBev<br />

(größte Brauereigruppe der<br />

Welt)<br />

Beck’s, Diebels, Dinkelacker,<br />

Franziskaner, Haake-Beck, Hasseröder,<br />

Löwenbräu, Spatenbräu,<br />

Unionsbräu<br />

Dr.-Oetker-Gruppe / Radeberger-Gruppe<br />

(größte Brauereigruppe in<br />

Deutschland)<br />

Allgäuer Brauhaus, Berliner Pilsner,<br />

Tucher Bräu, Berliner Kindl,<br />

Berliner Bürgerbräu, Potsdamer<br />

Rex Pils, Binding, Braufactum,<br />

Brinkhoff’s, Clausthaler, Dortmunder<br />

Union, DAB, Erbacher<br />

Premium Pils, Freiberger, Gilden<br />

Kölsch, Hansa Pils und Hansa<br />

Kölsch, Henninger, Hövels Original,<br />

Jever, Kronen, Kurfürsten<br />

Kölsch, Küppers Kölsch, Kronsberg<br />

Pils, Mahn und Ohlerich,<br />

Peters Kölsch, Radeberger, Rostocker,<br />

Schöfferhofer, Schlösser<br />

Alt, Schultheiss, Sester Kölsch,<br />

Sion Kölsch, Sternburg, Stuttgarter<br />

Hofbräu, Ur-Krostitzer,<br />

Wicküler Pils<br />

Heineken<br />

(Niederlande)<br />

Hacker-Pschorr, Kulmbacher,<br />

Paulaner<br />

Carlsberg<br />

(Dänemark)<br />

Astra, Duckstein, Gatzweilers<br />

Alt, Hannen Alt, Holsten Pilsener,<br />

Landskron, Lüneburger Pilsener,<br />

Lübzer<br />

Bitburger Holding<br />

Bitburger Braugruppe, König-<br />

Brauerei, Köstritzer Schwarzbierbrauerei,<br />

Licher, Wernesgrüner<br />

schmackliche» Unbedenklichkeit getestet wird, gibt<br />

das Gesetz keine Antwort. Warum die verwendeten<br />

Chemikalien nicht auf den Etiketten der Endprodukte<br />

vermerkt sein müssen, ist dagegen einfach erklärt:<br />

Rechtlich gelten technische Hilfsstoffe nicht als Lebensmittel<br />

und unterliegen deshalb keiner Kennzeichnungspflicht.<br />

Für den Verbraucher ist somit nicht nachvollziehbar,<br />

wie Bier auf diese Weise «veredelt» wurde,<br />

bevor es in die Flaschen kam. Dafür erhält er im Gegenzug<br />

oft ein totfiltriertes, turbogereiftes und gleichförmiges<br />

Einheitsprodukt, das nicht nur schlank in der<br />

Kostenstruktur ist, sondern vor allem auch schlank im<br />

Geschmack.<br />

Die Mikrobrauereien kommen!<br />

Doch noch sind Hopfen und Malz nicht verloren.<br />

Denn es gibt sie noch, die Hüter des guten Geschmacks:<br />

Brauer mit Leib und Seele, die sich mit ihren Bieren und<br />

ihrer Heimatregion identifizieren und für die Qualität<br />

und Nachhaltigkeit mehr zählen als Geld und Hektoliter.<br />

Einer von ihnen ist Michael Weiß aus dem Allgäu, Chef<br />

des Meckatzer Löwenbräu in vierter Generation. Sein<br />

Credo: Klasse statt Masse! Zu diesem Zweck setzt<br />

Meckatzer ganz auf regionale Rohstoffe aus kontrolliert-integriertem<br />

Anbau und auf entschleunigte Brauverfahren.<br />

Langsame Filtration und behutsame Reifung<br />

sind Selbstverständlichkeiten. «Slow Brewing»<br />

heißt die Zauberformel – dem Bier Zeit zur Entfaltung<br />

lassen. Gemeinsam mit Brüdern im Geiste engagiert<br />

sich Michael Weiß seit Jahrzehnten mit dem Ziel, das<br />

Bewusstsein der Verbraucher für hohe Standards und<br />

authentische Marken zu stärken. «Zusammen können<br />

wir viel mehr für eine neue Bierkultur tun, als wenn<br />

jeder für sich alleine vor sich hin arbeitet», erklärt er.<br />

Mit ihrer klaren Philosophie – «Erfolg durch Qualität<br />

in allem Tun» – stehen die Meckatzer nicht allein.<br />

In ganz Deutschland besinnen sich kleine und mittelständische<br />

Brauereien auf ihre Stärken und wenden<br />

sich ab vom stetigen «höher, schneller, weiter» um<br />

jeden Preis. Handwerk und Regionalität sind wieder<br />

im Trend. Immer mehr unabhängige Betriebe schließen<br />

sich zu Dachorganisationen wie den Freien Brauern<br />

zusammen, um den Großen gemeinsam die Stirn<br />

zu bieten. Die Zahl der deutschen Brauereien wächst,<br />

von 1.281 im Jahr 20<strong>05</strong> auf heute 1.388. «Mittlerweile<br />

sind rund 50 Prozent der angemeldeten Betriebe sogenannte<br />

Mikrobrauereien mit einem Jahresausstoß bis<br />

1.000 Hektoliter», heißt es beim Deutschen Brauer-<br />

Bund. Eine kulinarische Graswurzelrevolution.<br />

Unabhängige Brauereien haben<br />

eine Graswurzelrevolution<br />

begonnen.<br />

Die Zukunft deutscher Bierkultur scheint also trotz<br />

allem gesichert. Fragt sich nur, ob diese Zukunft noch<br />

den Popanz eines abgelebten Reinheitsgebots braucht,<br />

oder ob nicht ein neues «Qualitätsgebot» sehr viel zielführender<br />

wäre.<br />

Die hat Muckis: Zwölf Maßkrüge schleppte Kellnerin Sandra auf<br />

dem Oktoberfest 2006 durch ihr Bierzelt. Mit rund sechs Millionen<br />

Besuchern ist die Wiesn das größte Volksfest Deutschlands und<br />

hat inzwischen weltweit Nachahmer gefunden. Foto: picture-alliance<br />

/ Sueddeutsche<br />

Bier vom Fließband – hier bei der<br />

Brauerei Stauder. Foto: picture alliance/dpa<br />

58<br />

_ Peter Wiegrefe schrieb in den<br />

letzten beiden <strong>COMPACT</strong>-Ausgaben<br />

über seine Reise nach Nordkorea.


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Die Hexen sind los!<br />

_ von Pia Lobmeyer<br />

Die Walpurgisnacht: Christliches Erbe oder heidnisches Fest? Gaben sich wilde Frauen<br />

dem Teufel hin? Die offizielle Forschung dämonisiert unser kulturelles Erbe aus der<br />

germanischen Zeit.<br />

Dass Hexen auf Besen reiten sollen,<br />

übernahm man von den antiken<br />

Dämonenfiguren der Strigae.<br />

Foto: Unbekannt<br />

Der Frühling ist in Mitteleuropa die schönste Jahreszeit.<br />

Man kann sich lebhaft vorstellen, wie unsere<br />

Vorfahren das Aufblühen und die milderen Temperaturen<br />

herbeisehnten, als man noch mit Feuer heizen<br />

musste und der Winter eine echte Lebensgefahr darstellte.<br />

Aus dem Mittelalter sind unzählige Minnelieder<br />

überliefert, in denen die «Maienzit» besungen wird.<br />

Eine Zeit der Sehnsucht, in der alles sprießt und grünt<br />

und die Liebe erwacht – kein deutscher Dichter, der<br />

dem Frühling nicht mindestens ein Gedicht gewidmet<br />

hätte! Wie aber passt zu dieser freudigen Zeit der Wiedergeburt<br />

der Natur die unheimliche Walpurgisfeier,<br />

die in ganz Deutschland jedes Jahr in der Nacht zum<br />

1. Mai begangen wird? In Großstädten wie Berlin geht<br />

sie sogar mit Gewaltexzessen einher. Warum reiten<br />

in diesen Nachtstunden die Hexen, und wer oder was<br />

ist Walpurgis?<br />

Wer sich in der Lügenpresse über die Hintergründe<br />

und den Ursprung dieses Brauchs informieren will,<br />

wird – wie sollte es anders sein – enttäuscht. Allenfalls<br />

findet man Geschichten über die Frauen, die zu diesem<br />

Datum auf dem Besen geritten sein sollen – die<br />

Hexen. Man erfährt Bedrückendes über Foltermethoden,<br />

die bei den Prozessen gegen sie angewandt wurden<br />

– aber nach einer überzeugenden kultur- und symbolgeschichtlichen<br />

Deutung sucht man vergeblich. Es<br />

fällt schon auf: Die deutsche Journaille und die Historikerzunft<br />

scheuen die Mythen unseres Volkes wie<br />

der Teufel das Weihwasser und reden um den heißen<br />

Brei herum.<br />

Walburga – eine christliche Heilige?<br />

Beim Namen geht es schon los. Die Bezeichnung<br />

«Walpurgisnacht» wird im Mainstream von einer christlichen<br />

Missionarin hergeleitet – der aus England stammenden<br />

Heiligen Walburga aus dem 8. Jahrhundert.<br />

Die Benediktinerin sollte die noch widerspenstigen<br />

Germanen endlich zum Christentum bekehren. Weil<br />

sie am 1. Mai heilig gesprochen wurde, gehen offizielle<br />

Quellen davon aus, dass das Fest nach ihr benannt<br />

wurde. Alternative etymologische Herleitungen werden<br />

unter den Teppich gekehrt – zum Beispiel, dass<br />

der eindeutig germanische Name «Walburga» auch<br />

auf die «Walas» verweisen könnte, die weisen Frauen<br />

und kräuterkundigen Seherinnen der Germanen. Die<br />

Silbe «Wal» findet man jedenfalls auch in den urgermanischen<br />

Begriffen Walhalla, Walküre und Walvater –<br />

auch die Bezeichnung für den höchsten Gott Wotan<br />

klingt an. Auf einer griechischen Tonscherbe taucht<br />

«Waluburg» schon im 2. Jahrhundert nach Christus<br />

auf: Hier wird sie als eine «Sybille», also eine Seherin<br />

oder Prophetin, der Semnonen erwähnt, eines elbgermanischen<br />

Stammes, der die heutige Mark Brandenburg<br />

und Mecklenburg-Vorpommern besiedelte. Die<br />

Behauptung, Walburga sei ursprünglich die Maikönigin,<br />

eine Göttin des Waldes, der Fruchtbarkeit und Sinnlichkeit,<br />

gewesen, ist schwer zu belegen – sie erscheint<br />

aber plausibler als die komplizierte Herleitung von<br />

einer christlichen Heiligen, für deren Leben und Wirken<br />

es außerhalb von Kirchenchroniken keine stichhaltigen<br />

Belege gibt. Es war ja schließlich die gängige Pra-<br />

Es war gängige<br />

Kirchenpraxis,<br />

heidnische Bräuche<br />

umzudeuten.<br />

59


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

60<br />

Dieser nackte Hexensabbat zielte<br />

1878 wohl auf die Phantasie der<br />

Betrachter. Foto: Luis Ricardo<br />

Falero, Public domain, Wikimedia<br />

Commons<br />

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Heft-Nr.:<br />

Name<br />

Anschrift<br />

PLZ Ort<br />

Datum<br />

xis der Papisten, heidnische Bräuche zu vereinnahmen<br />

und umzudeuten. Im keltischen Kalender beginnt übrigens<br />

am 1. Mai die «helle Jahreszeit», die mit dem Fest<br />

Beltane begrüßt wird. Das Datum liegt auf halber Strecke<br />

zwischen der Tag-und-Nacht-Gleiche am 21. März<br />

und der Sommersonnenwende am 21. Juni, die auch<br />

im germanisch besiedelten Raum wichtige Eckpunkte<br />

im Jahreskreislauf markierten.<br />

Die Hexenforschung<br />

Die Etymologie des Wortes Hexe ist ebenfalls aufschlussreich<br />

– und auch hier landen wir wieder bei den<br />

Walas. Der Begriff kommt von althochdeutsch Hagedise<br />

oder Hagazussa, wie die Walas auch genannt<br />

wurden. Als Heckenreiterin (was Hagazussa eigentlich<br />

bedeutet) war die Hexe stets in zwei Welten zu<br />

Hause: im lichten, geordneten Dorf und im dunklen<br />

Wald, im Hier und Jetzt und in der Anderswelt. Als die<br />

Die seit vielen Jahren<br />

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SCHIFFE - MENSCHEN - SCHICKSALE<br />

hat sich mit spannenden auf Tatsachen beruhenden Darstellungen und vielen Informationen<br />

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Klöster sich zum Anbau von Heilkräutern durchrangen,<br />

mussten die Mönche allerdings feststellen, dass die<br />

Wirkmacht eines Kräutleins in einem künstlich angelegten<br />

Beet nicht dieselbe war wie in der freien Natur,<br />

in Nachbarschaft zu bestimmten anderen Pflanzen.<br />

Davon stand in der Bibel leider nichts… Immerhin:<br />

Der Äbtissin Hildegard von Bingen (1098 –1179) gelang<br />

der Spagat, das alte Heilwissen der Frauen mit dem<br />

Christentum in Einklang zu bringen. Auch die berühmte<br />

Naturheilkundlerin Maria Treben (1907–1991) war eine<br />

gläubige Katholikin.<br />

Der Vorwurf an die Hexen, sich dem<br />

Teufel sexuell hingegeben zu haben,<br />

ist katholische Propaganda.<br />

In den Leitmedien kommen die Hexen nicht als kreative<br />

Seherinnen und Heilerinnen vor, sondern vorzugsweise<br />

als Opfer. Inzwischen gibt es sogar Mahnmale<br />

für die Gefolterten der frühen Neuzeit. Doch warum<br />

wurden diese Frauen verfolgt? In der Populärwissenschaft<br />

und im Feuilleton ist die Sündenbock-Theorie<br />

verbreitet: Sie unterstellt dem Volk, dass es aus Aberglauben,<br />

Dummheit und Fanatismus eine bestimmte<br />

Menschengruppe für Missernten und Krankheiten verantwortlich<br />

machte – mal traf es die Hexen, zu anderen<br />

Zeiten die Juden. Dass hier ein Kampf um politische<br />

und weltanschauliche Grundlagen ausgefochten<br />

wurde, der nicht vom Volk ausging, sondern gegen das<br />

Volk gerichtet war – davon ist nicht einmal zwischen<br />

den Zeilen die Rede. Während sich die Kirchen heute<br />

bemühen, die Verfolgungen offiziell als Fehler einzugestehen,<br />

zeigen sich manche Historiker bemüht, den<br />

Klerus von Verantwortung freizusprechen. Der Hexenexperte<br />

Thomas Becker von der Universität Bonn<br />

behauptet, die Verfolgung sei «entgegen der landläufigen<br />

Meinung weniger eine Angelegenheit der kirchlichen<br />

Inquisition, sondern weltlicher Gerichte» gewesen.<br />

Im nächsten Absatz bestätigt er aber wieder die<br />

anstiftende Rolle der katholischen Eiferer: Juristische<br />

Grundlage für die Prozesse war eben doch der Hexenhammer<br />

(1487), der von dem Dominikanerpater Henricus<br />

Institoris verfasst wurde.<br />

Becker behauptet weiterhin, die Wissenschaft habe<br />

sich erst in den 1970er Jahren des Phänomens der<br />

Hexen angenommen. Das stimmt nicht. Was ein professioneller<br />

Hexenforscher eigentlich wissen müsste:<br />

Im Dritten Reich wurde dieses düstere Kapitel besonders<br />

intensiv erforscht. Unter der Ägide von Heinrich<br />

Himmler führte die SS ein Sonderforschungsprojekt<br />

über die Hexenprozesse durch, das als geheime<br />

Reichssache behandelt wurde. Himmler hegte den Verdacht,<br />

dass es sich bei den Gefolterten und Verbrannten<br />

um die letzten Anhängerinnen des Wotansglau-


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

bens handelte. Auch wenn hier die nationalsozialistische<br />

Weltanschauung die Richtung vorgab, sind einige<br />

Forschungsergebnisse interessant, etwa über die Stätten<br />

der Walpurgisnacht: «Gerade an diesen Plätzen»<br />

seien «die Scheiterhaufen für die als Hexen verklagten<br />

unglücklichen Frauen errichtet worden». Schlussfolgerung:<br />

«Die Hexenprozesse (…) haben bewirkt, dass der<br />

germanische Mythos in Hexen- und Teufelsgeschichten<br />

unterging.»<br />

Nicht nur die NS-Forschung weist nach, dass der<br />

Vorwurf an die Kräuterweiblein, sich dem Teufel<br />

sexuell hingegeben zu haben («Teufelsbuhlschaft»),<br />

nicht aus germanischen Mythen abgeleitet werden<br />

kann, sondern eher auf deren Umdeutung und Dämonisierung<br />

durch die Kirche zurückgeht. Unsere Vorfahren<br />

sollten mit dem Satan in Verbindung gebracht werden,<br />

um ihre blutige Unterwerfung durch Missionare zu<br />

rechtfertigen… Das könnte auch die Etikettierung des<br />

Brocken im Harz als Hexentanzplatz erklären. Angeblich<br />

feierten die Sachsen hier in der Nacht zum 1. Mai<br />

ihr Frühlingsfest und opferten den Wald- und Berggöttinnen.<br />

Laut Überlieferung wurde der Brauch von<br />

Karl dem Großen verboten, woraufhin sich die Sachsen<br />

als Hexen verkleideten und auf Besen reitend die<br />

fränkischen Soldaten, die den Platz bewachen sollten,<br />

verjagten.<br />

Auftritt Mephistopheles<br />

Thomas Becker hingegen hält es für falsch, «dass<br />

die Walpurgisnacht an uraltes heidnisches Brauchtum<br />

anknüpft». Vielmehr ist er überzeugt, dass «wir<br />

den Mythos der Walpurgisnacht Johann Wolfgang<br />

von Goethe zu verdanken» haben. Ach so? «Der Frühling<br />

webt schon in den Birken, und selbst die Fichte<br />

fühlt ihn schon», sinniert Faust in einer vom Dichterfürsten<br />

selbst letztlich gestrichenen Passage, als er<br />

mit seinem teuflischen Verführer Mephistopheles den<br />

Brocken erklimmt. «Durch die Steine durch den Rasen,<br />

eilet Bach und Bächlein nieder. Hör’ ich Rauschen?<br />

hör ich Lieder? / Hör ich holde Liebesklage, Stimmen<br />

jener Himmelstage? / Was wir hoffen, was wir lieben!<br />

Und das Echo, wie die Sage / Alter Zeiten, hallet<br />

wider.» Wenn das mal nicht deutliche Zugeständnisse<br />

an die Walpurgisnacht als Frühlingsfest «alter<br />

Zeiten» sind! Später steigert sich beim Freimaurer Goethe<br />

die Szene allerdings zu einer satanischen Sexorgie<br />

samt einem Hochgericht aus Mönchen in schwarzen<br />

Kutten mit Kapuzen. Man fühlt sich eher an Illuminaten-Rituale<br />

aus Hollywood erinnert als an europäische<br />

Volksbräuche…<br />

Goethe hat die Blocksberg-Szene zu<br />

einer satanischen Sexorgie ausgebaut.<br />

Immerhin: In der Lokalpresse werden hin und wieder<br />

Ross und Reiter genannt. «Das Walpurgisfest ist<br />

ein traditionelles europäisches Fest, dessen Ursprünge<br />

bis in die vorchristliche Zeit zurückreichen. Bereits vor<br />

1.000 Jahren feierten die ”Ureinwohner” des Harzes<br />

ein Frühlingsfest, an dem durch verschiedene Opfergaben<br />

an den obersten Germanengott Wodan der Frühling<br />

begrüßt wurde.» (Göttinger Tageblatt, 30.4.2012).<br />

Na also, geht doch.<br />

Auf zum Blocksberg!<br />

Die erste organisierte Walpurgisfeier<br />

auf dem Brocken – dem<br />

sogenannten Blocksberg – fand<br />

1896 statt. Ab 1899 konnten die<br />

Feiernden dann sogar mit der<br />

Brockenbahn hinauffahren. 1901<br />

bereitete der damalige Besitzer<br />

des Berggrundstücks, Fürst von<br />

Stolberg-Wernigerode, per Verbot<br />

dem Spektakel ein vorläufiges<br />

Ende.<br />

In den letzten Jahren wurde die<br />

Tradition wiederbelebt. Zehntausende<br />

Teilnehmer versammeln<br />

sich rund um den Blocksberg,<br />

auf den Zufahrtsstraßen<br />

wimmelt es nur so von «Hexen»<br />

und «Teufeln». Im Jahr 2002<br />

gab es in insgesamt 44 Gemeinden<br />

im Harz Walpurgisfeiern, oft<br />

mit Feuerwerken und Kulturveranstaltungen,<br />

manchmal wurde<br />

auch eine Maikönigin gewählt.<br />

Mehr Infos unter harzinfo.de<br />

_ Pia Lobmeyer schrieb in<br />

<strong>COMPACT</strong> 2/<strong>2016</strong> über die ebenso<br />

wehrhaften wie liebreizenden<br />

Germaninnen.<br />

Bild links: Als Hexe verschrien –<br />

Emily Cox als Brida in «The Last<br />

Kingdom». Foto: BBC/Carnival<br />

Films/Kata Vermes<br />

Bild rechts: Hexen während der<br />

Waldkirchner Fastnacht <strong>2016</strong>. Foto:<br />

picture alliance/ROPI<br />

61


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Die Wurzel vieler Übel<br />

_ von Jan von Flocken<br />

Vor hundert Jahren teilten Briten und Franzosen den Nahen Osten<br />

unter sich auf: Im sogenannten Sykes-Picot-Abkommen bedienten sie<br />

sich aus der Konkursmasse des Osmanischen Reiches und brachen<br />

alle Versprechen auf Selbstbestimmung, die sie zuvor den Arabern<br />

gegeben hatten.<br />

Die Gespräche zur Aufteilung des Nahen Ostens<br />

fanden unter strengster Geheimhaltung statt. Führend<br />

daran beteiligt waren François-Georges Picot, ehemaliger<br />

französischer Generalkonsul in Beirut, und Oberst<br />

Sir Mark Sykes, Leiter des Arabischen Büros im britischen<br />

Außenministerium. «Diese zwei Männer haben<br />

sich vordere Plätze unter den Teufeln Arabiens verdient»,<br />

so die Einschätzung des britischen Nahost-Historikers<br />

Desmond Stewart. Am 16. Mai 1916 schlossen<br />

die beiden Diplomaten einen Vertrag, der offiziell «Asia<br />

Minor Agreement» genannt wurde, aber als «Sykes-<br />

Picot-Abkommen» in die Annalen einging. Es trat mit<br />

Unterzeichnung durch den britischen Außenminister<br />

Edward Grey und den französischen Sonderbotschafter<br />

Paul Cambon in Kraft.<br />

Der Pakt<br />

62<br />

Anthony Quinn, Peter O’Toole<br />

und Omar Sharif im Kultstreifen<br />

«Lawrence von Arabien».<br />

Foto: Columbia Pictures<br />

«Diese zwei Männer<br />

haben sich vordere<br />

Plätze unter den<br />

Teufeln Arabiens<br />

verdient.»<br />

Desmond Stewart<br />

Großbritanniens militärischer Nimbus zeigte sich<br />

im zweiten Jahr des Ersten Weltkrieges arg ramponiert.<br />

Die Mittelmächte Deutschland, Österreich und<br />

Türkei hatten sich in der militärischen Konfrontation<br />

mit der Entente London-Paris-Petersburg als ebenbürtig<br />

erwiesen. Der Versuch der Briten, durch ein Landeunternehmen<br />

die Dardanellen und danach die osmanische<br />

Hauptstadt Konstantinopel zu erobern, war im<br />

Frühjahr 1916 unter horrenden Verlusten von Heer und<br />

Flotte gescheitert. In Mesopotamien hatte wenig später<br />

eine britische Armee von 13.000 Mann vor den Türken<br />

unter Führung des deutschen Feldmarschalls Colmar<br />

Freiherr von der Goltz kapitulieren müssen.<br />

Diese prekäre Lage nutzte Londons Bundesgenosse<br />

Frankreich schamlos aus, um sich im Nahen Osten<br />

künftige Beute zu sichern. Es ging darum, nach einer<br />

absehbaren Niederlage des Osmanischen Reiches dessen<br />

Territorium außerhalb des anatolischen Kernlandes<br />

zu okkupieren. Ursprünglich war es Ziel der britischen<br />

Diplomatie gewesen, die gesamte Region unter<br />

ihre Kontrolle zu bekommen. Jetzt mussten Frankreichs<br />

Begehrlichkeiten einkalkuliert werden, und beide Seiten<br />

handelten nach der bis heute bevorzugten imperialistischen<br />

Patentlösung, wonach alle vermeintlich<br />

unterentwickelten Länder eine westliche Vormundschaft<br />

benötigen.<br />

Ohne jede Rücksicht auf geschichtliche, religiöse<br />

und nationale Unterschiede oder Stammesgebiete<br />

wurde in dem Abkommen die noch zu erobernde, mit<br />

zahlreichen Ölfeldern gesegnete Beute aufgeteilt.<br />

Dabei gingen die Beteiligten teilweise mit dem Lineal<br />

zu Werke. Zur Debatte stand eine enorme Fläche von<br />

mehr als anderthalb Millionen Quadratkilometern, die<br />

sich von Jerusalem bis zum Persischen Golf und von<br />

Ostanatolien bis zum Suezkanal erstreckte. Dort lebten<br />

ungefähr 20 Millionen Einwohner – Türken, Kurden,<br />

Araber, Armenier, Sunniten, Schiiten, Christen<br />

und Juden.<br />

Der zwölf Punkte umfassende Vertrag teilte die südlichen<br />

Gebiete des Osmanischen Reiches in das Territorium<br />

«A» (Frankreich) und «B» (Großbritannien) auf.<br />

Hier besaßen die beiden Großmächte «festgelegte<br />

Vorrechte». Die Franzosen sicherten sich die Herrschaft<br />

über die Südost-Türkei (Alexandrette/Iskenderun),<br />

den Nordirak, Syrien und den Libanon. Das Gebiet<br />

erstreckte sich von Beirut über Damaskus und Aleppo<br />

bis Mossul. Großbritannien erhielt ein Territorium, das<br />

dem heutigen Jordanien und dem südlichen Irak entspricht<br />

und von Amman bis Bagdad, Basra und Kuwait<br />

reichte. Die Grenzen innerhalb ihrer jeweiligen Einflusszone<br />

konnten Briten und Franzosen nach Gutdünken<br />

bestimmen.<br />

Unter Punkt 2 des Vertrages hieß es: «Beiden Mächten<br />

soll es erlaubt sein, in diesem Gebiet direkte oder<br />

indirekte Verwaltung oder Kontrollen einzurichten, wie<br />

sie es für notwendig halten.» Deutlicher gesagt: Es sollten<br />

keine nationalen Interessenvertretungen gewählt<br />

werden, vorgesehen waren lediglich arabische Vasallenregime<br />

unter Oberhoheit der Kolonialherren. Gleichzeitig<br />

wurde betont, man werde «nicht zustimmen, dass


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

eine dritte Macht auf der arabischen Halbinsel territoriale<br />

Besitzrechte erwirbt oder Flottenbasen an der<br />

Küste oder auf den Inseln des Roten Meeres einrichtet»<br />

(Punkt 10).<br />

Für das von Frankreich beanspruchte Palästina<br />

wurde eine Sonderregelung vereinbart. Das Gebiet<br />

wurde einer internationalen Verwaltung unterstellt.<br />

Die Häfen von Haifa und Akkon wurden aber Großbritannien<br />

zugesprochen, gleichzeitig erhielten die Briten<br />

das Recht zum Bau einer Eisenbahnlinie zwischen<br />

Haifa und Bagdad. Dieses Territorium entsprach dem<br />

Nordteil des heutigen Staates Israel um die Städte<br />

Jerusalem und Hebron und wurde in den folgenden<br />

Jahrzehnten als britisches Mandatsgebiet erbitterter<br />

Zankapfel zwischen Juden und Palästinensern.<br />

Bei aller Geheimhaltung sickerte Mitte 1916 dennoch<br />

etwas über dieses Abkommen durch, und arabische<br />

Politiker, welche die Unabhängigkeit ihrer Länder<br />

anstrebten, gerieten in Unruhe. So sprach Sykes in<br />

Kairo mit drei Repräsentanten Syriens und versicherte<br />

ihnen, «dass nichts Unheilvolles vorbereitet werde».<br />

Zynisch berichtete er nach London, es sei nicht leicht<br />

gewesen, «die Delegierten auszumanövrieren, ohne ihnen<br />

eine Landkarte zu zeigen oder sie wissen zu lassen,<br />

dass es schon längst ein detailliertes Abkommen gab».<br />

Lawrence, der Betrüger von Arabien<br />

Rücksicht musste man bei diesem heimlichen Vorgehen<br />

lediglich auf Hussein Ibn Ali nehmen, den einflussreichen<br />

Emir des Hedschas, heute der westliche<br />

Teil von Saudi-Arabien mit den heiligen Stätten Mekka<br />

und Medina. Hussein, den ein Zeitgenosse als «frommen<br />

alten Herrn mit starkem Hang zum Größenwahn»<br />

beschrieb, strebte ein unabhängiges großarabisches<br />

Königreich unter seiner Führung an. Sein Sohn Faisal<br />

konspirierte seit 1915 in der Nähe von Damaskus mit<br />

Britisch-französische<br />

Gebietsaufteilung 1916<br />

unter französischer Verwaltung<br />

französisches Einflussgebiet<br />

unter britischer Verwaltung<br />

britisches Einflussgebiet<br />

unter gemeinsamer Verwaltung<br />

LAND Staaten und Grenzen heute<br />

Quelle: Wikipedia<br />

ÄGYPTEN<br />

KAIRO<br />

LIBANON<br />

BEIRUT<br />

ISRAEL<br />

DAMASKUS<br />

JERUSALEM<br />

JORDANIEN<br />

dem britischen Abenteurer und Geheimdienstagenten<br />

Thomas Edward Lawrence, bekannt als «Lawrence von<br />

Arabien». Beide organisierten einen Aufstand gegen<br />

die Türken, der am 5. Juni 1916 begann und den britischen<br />

Truppen enormen Beistand leistete. Lawrence<br />

bekannte später: «Mir war klar, dass im Falle unseres<br />

Sieges die den Arabern gemachten Versprechungen<br />

nicht mehr als ein Fetzen Papier sein würden.»<br />

Italien und das zaristische Russland, die Verbündeten<br />

der Anglofranzosen im Ersten Weltkrieg, waren<br />

durch ihre Geheimdiplomatie vom Sykes-Picot-Abkommen<br />

unterrichtet und meldeten sich bald zu Wort.<br />

Sie verlangten einen Anteil am Raubgut. Widerwillig<br />

gestand man den Russen Armenien und Teile von<br />

Kurdistan zu. Die Italiener sollten Rhodos und einige<br />

andere Inseln in der südlichen Ägäis erhalten, sowie<br />

eine Einflusszone um die Stadt Smyrna (Izmir) im Südwesten<br />

von Anatolien.<br />

Als nach dem Ende des Ersten Weltkriegs eine rücksichtslose<br />

Neuaufteilung der Welt einsetzte, wurden<br />

die Hauptpunkte des Sykes-Picot-Abkommens bestätigt<br />

(die Sowjets hatten das Papier bereits Ende November<br />

1917, kurz nach der bolschewistischen Revolution, veröffentlicht).<br />

Während der Konferenz von San Remo im<br />

April 1920 erhielten die beiden Siegermächte das Mandat<br />

des Völkerbundes für ihre Vorherrschaft im Nahen<br />

Osten. Der Keim für ein politisches Chaos war damit<br />

unwiderruflich gelegt. Denn die Araber, denen man<br />

jahrelang Versprechungen auf nationale Unabhängigkeit<br />

gemacht hatte, sahen sich bitter getäuscht in der<br />

Rolle von Völkern zweiter Klasse. Und so lassen sich<br />

alle gewalttätigen Auseinandersetzungen – der Israel-<br />

Palästina-Konflikt, der libanesische Bürgerkrieg, Iraks<br />

Überfall auf Kuwait, die Golfkriege und das Wüten des<br />

Islamischen Staates (IS) – letztlich auf den kolonialen<br />

Größenwahn und die willkürliche Grenzziehung der Politiker<br />

in London und Paris vor 100 Jahren zurückführen.<br />

TÜRKEI<br />

ALEPPO<br />

SYRIEN<br />

SYKES-PICOT-LINIE<br />

ARABIEN<br />

ANATOLIEN<br />

SAUDI-ARABIEN<br />

IRAK<br />

MOSSUL<br />

BAGDAD<br />

PERSIEN<br />

IRAN<br />

Lawrence von<br />

Arabien<br />

Thomas Edward Lawrence<br />

(1888–1935) schloss sich im Dezember<br />

1914, kurz nach Beginn<br />

des Ersten Weltkrieges, dem<br />

britischen Nachrichtendienst in<br />

Kairo an. Ein halbes Jahr später<br />

initiierte Scherif Hussein, der<br />

Emir von Mekka, einen Aufstand<br />

auf der Arabischen Halbinsel<br />

gegen den osmanischen Sultan.<br />

Die Briten unterstützten ihn<br />

mit Geld und Militärberatern,<br />

Lawrence war der Verbindungsmann.<br />

Obwohl ohne besondere<br />

militärische Erfahrung brachte<br />

er den Beduinen Guerillataktiken<br />

bei und ritt bei Nadelstichattacken<br />

gegen die Osmanen in<br />

vorderster Reihe mit. Die Eroberung<br />

von Al Waih und der Festung<br />

Akaba leitete die Niederlage<br />

der türkischen Besatzer ein.<br />

Am 1. Oktober 1918 zogen die<br />

arabischen Befreier mit Lawrence<br />

in Damaskus ein.<br />

Nach dem Krieg plagten den Geheimagenten<br />

schwere Schuldgefühle,<br />

hatte er doch die ganze<br />

Zeit von dem Sykes-Picot-Abkommen<br />

gewusst, das die eben<br />

eroberten Gebiete nicht den<br />

Arabern, sondern den Kolonialmächten<br />

zusprach.<br />

Die Verfilmung der Kriegsabenteuer<br />

mit Omar Sharif in der Rolle<br />

des Lawrence aus dem Jahre<br />

1962 begeistert bis heute.<br />

Thomas Edward Lawrence lehnte<br />

nach dem Krieg sämtliche Auszeichnungen<br />

und hohe Posten ab.<br />

Foto: Wikipedia/public domain<br />

Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />

_ Der Historiker Jan von Flocken<br />

schrieb in <strong>COMPACT</strong> 4/<strong>2016</strong> über<br />

den Roman «Utopia» von Thomas<br />

Morus.<br />

63


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Erstmals in kompletter deutscher Übersetzung:<br />

das ultimative Standardwerk<br />

über die Machtstrukturen der Welt<br />

■ Lange Zeit stand dieses Buch nur in einer stark gekürzten deutschen Version zur Verfügung. Jetzt liegt erstmals eine<br />

komplette Übersetzung des Meisterwerks eines der bedeutendsten amerikanischen Historiker vor: In Tragödie und<br />

Hoffnung analysiert Carroll Quigley die Geschichte unserer Welt vom 19. Jahrhundert bis in die 1960er-Jahre. Das<br />

Ergebnis ist ein einzigartiges und in vielfacher Hinsicht bemerkenswertes Werk. Es zeichnet mit beispielloser Genauigkeit<br />

ein Bild von der Welt in Bezug auf die wechselseitige Beeinflussung verschiedener wirtschaftlicher und geopolitischer<br />

Interessen, und es erklärt in bisher nicht erreichter Klarheit, wie eine geheime Machtelite die Entwicklung der Welt von<br />

heute beeinflusst hat.<br />

Carroll Quigley demonstriert, mit welchen Methoden die »geheime Weltregierung«<br />

immer mehr Einfluss gewann, und beleuchtet die Vorgänge<br />

wie kaum ein anderer. Dafür gibt es auch einen Grund: Carroll Quigley<br />

gehörte über Jahrzehnte zum Umfeld der Elite. Dabei hatte er sogar Einblick<br />

in deren geheime Unterlagen.<br />

Das Meisterwerk über die »geheime Weltregierung«<br />

Carroll Quigley war ein bedeutender Historiker. Er lehrte an den Universitäten<br />

von Harvard und Princeton. Er unterrichtete zudem an der Georgetown-Universität<br />

in Washington, wo sein berühmtester Schüler die Vorlesungen<br />

bei ihm besuchte: Bill Clinton. Neben diesen Tätigkeiten schrieb<br />

er an seinem Lebenswerk Tragödie und Hoffnung – insgesamt 20 Jahre lang!<br />

Was viele erstaunen wird: Carroll Quigley steht der geheimen Elite keineswegs<br />

kritisch gegenüber. Er unterstützt die meisten ihrer Ziele. Sein<br />

einziger Kritikpunkt an dem Netzwerk: Die Aktivitäten der Verbindung<br />

dürfen nicht länger geheim bleiben. Mit diesem Buch bringt er Licht ins<br />

Dunkel der verborgenen Machenschaften und verschafft Ihnen Einblicke in<br />

Machtstrukturen, die sich kaum jemand vorstellen kann. Wenn Sie dieses<br />

Buch lesen, werden Sie die Welt mit anderen Augen sehen.<br />

»Die Mächte des Finanzkapitals hatten ein anderes, weit gestecktes<br />

Ziel, und zwar kein geringeres als die Errichtung eines Systems der<br />

weltweiten Finanzkontrolle in privaten Händen, das in der Lage wäre,<br />

das politische System eines jeden Landes und die Weltwirtschaft in<br />

Gänze zu beherrschen.«<br />

Carroll Quigley<br />

Carroll Quigley: Tragödie und Hoffnung<br />

großformatig gebunden • 1008 Seiten • Best.-Nr. 951 100 • 39.95 €<br />

Telefon (0 74 72) 98 06 10 • Telefax (0 74 72) 98 06 11 • info@kopp-verlag.de • www.kopp-verlag.de


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

BRD-Sprech _ Einfache Antworten<br />

Wenn Politiker und andere gesellschaftlich mächtige<br />

Akteure Ziele verfolgen, die den Interessen der<br />

breiten Mehrheit des Volkes ins Gesicht schlagen,<br />

haben sie – zumindest in einer Demokratie, solange<br />

es die noch gibt – ein Problem: Sie dürfen auf keinen<br />

Fall zulassen, dass ihre Ziele unter dem Gesichtspunkt<br />

von Interessen diskutiert werden – nicht der Interessen<br />

jener vergleichsweise winzigen Machtgruppen,<br />

denen ihre Politik dient, erst recht nicht jener Mehrheit,<br />

über die sie sich hinwegsetzt. In dieser Lage bieten<br />

sich der Politik zwei Auswege an, um einen Diskurs<br />

über Interessen gar nicht erst aufkommen zu lassen:<br />

zum einen die Berufung auf vermeintliche Gebote<br />

der Moral, die den Kritiker zu einem sinistren amoralischen<br />

«Menschenfeind» stempelt, zum anderen die<br />

Berufung auf vermeintlich höhere Einsichten, denen<br />

gegenüber der Kritiker, auch und gerade wenn er die<br />

Ansichten einer Mehrheit zum Ausdruck bringt, als<br />

Dummkopf dastehen soll.<br />

In einer demokratischen Debattenkultur haben<br />

solche Manöver, die der Vernebelung, nicht der Aufklärung<br />

dienen, nichts zu suchen. Dass sie nicht nur<br />

gelegentlich, sondern systematisch und im großen Stil<br />

stattfinden, ohne zu einem Aufschrei oder auch einem<br />

Aufstand zu führen, ist nur deshalb möglich, weil alle<br />

Institutionen, die der Kontrolle politischer Macht dienen<br />

– von der Presse über die Justiz bis hin zur Wissenschaft<br />

– demselben Interessen- und Ideologiekartell<br />

angehören wie die Politik selbst. Die etablierte Politik<br />

braucht daher von gesellschaftlichen Meinungsmultiplikatoren<br />

keinen Widerspruch zu befürchten, wenn<br />

sie oppositionelle Kräfte bezichtigt, «einfache Antworten<br />

auf komplexe Fragen» zu geben, um sie dadurch<br />

zu Idioten zu erklären. Die jüngsten Wahlerfolge der<br />

AfD haben dieser Arroganz der Macht bisher offenbar<br />

nichts anhaben können.<br />

Der Stammtisch ist für das Establishment Synonym für das verachtete<br />

Volk. Foto: Screenshot ebay<br />

Die Antworten auf diese einfachen Fragen sind in<br />

der Tat einfach. Sie liegen auf der Hand und fallen<br />

für die politische Klasse so vernichtend aus, dass sie<br />

schon die Fragen tabuisieren muss.<br />

Von Leuten, die ein so hohes Ross reiten, darf man<br />

wohl erwarten, dass sie nun ihrerseits mit entsprechend<br />

komplexen Argumenten aufwarten, um die eigenen<br />

hochtrabenden Ansprüche zu untermauern. Was<br />

wir stattdessen zu hören bekommen, ist allerdings in<br />

blamabler Weise unterkomplex: «Der Islam gehört zu<br />

Deutschland», «Scheitert der Euro, scheitert Europa»,<br />

«Deutschland bleibt bunt», «Wir schaffen das».<br />

Was sogenannte Populisten von der etablierten<br />

Politik unterscheidet, ist in Wirklichkeit nicht die Einfachheit<br />

ihrer Antworten, sondern die Klarheit ihrer<br />

Fragen: Wollen die Völker Europas Masseneinwanderung?<br />

Bereichert sie sie? Hat der Euro ihnen genützt?<br />

Wollen sie von Brüssel aus regiert werden? Wollen sie<br />

Gender Mainstreaming? Ist Deutschland das Land der<br />

Deutschen? Sagen unsere Politiker uns die Wahrheit?<br />

Die Antworten auf einfache Fragen<br />

sind in der Tat einfach.<br />

Die Floskel von den «einfachen Antworten auf komplexe<br />

Fragen» dient ausschließlich dazu, die Probleme<br />

als so ungeheuer kompliziert darzustellen, dass nur<br />

Personen von übermenschlicher Genialität (als welche<br />

sich die Angehörigen der politischen Klasse somit<br />

en passant selbst darstellen) diesen «Herausforderungen»<br />

gewachsen seien, während der Normalsterbliche,<br />

insbesondere sofern er sich am «Stammtisch» äußert,<br />

von vornherein unqualifiziert sei, seine Interessen zu<br />

vertreten, weswegen er sich tunlichst – und natürlich<br />

nur zu seinem eigenen Besten – bevormunden zu lassen<br />

habe.<br />

Verlag Antaios, 240 Seiten, gebunden,<br />

22,00 Euro (Bestellung über<br />

antaios.de). Foto: Verlag<br />

_ Manfred Kleine-Hartlage ist<br />

Publizist und Diplom-Sozialwissenschaftler.<br />

Regelmäßig veröffentlicht<br />

er kritische Beiträge auf<br />

seinem Blog «korrektheiten.com».<br />

Sein aktuelles Buch «Die Sprache<br />

der BRD – 131 Unwörter und ihre<br />

politische Bedeutung», 2015 im<br />

Verlag Antaios erschienen, liefert<br />

die Vorlage für diese <strong>COMPACT</strong>-<br />

Serie.<br />

65


<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

Harzheims Klassiker_ 1001 Nacht<br />

«Falsch geraten!» Die drei Grazien<br />

lachen über den Kandidaten, der im<br />

erotischen Quiz versagt.<br />

Foto: Filmverleih<br />

Filmplakat zu «Erotische Geschichten<br />

aus 1001 Nacht».<br />

Foto: Filmverleih<br />

Nur-ed-Din eilt von Ortschaft zu Ortschaft, sucht<br />

seine Geliebte Zumurrud. Die wurde zuvor von Räubern<br />

entführt. Seine Reise bildet den Rahmen für ausgewählte<br />

Geschichten aus 1001 Nacht, die – wie in der<br />

literarischen Vorlage – ineinander verschachtelt sind.<br />

Irgendwann gelangt Nur-ed-Din in ein herrschaftliches<br />

Haus. Die Töchter des Besitzers beherbergen ihn, lesen<br />

dem Gast alte Liebesgeschichten vor, springen mit ihm<br />

ins Badebecken und lassen ihn die Kosenamen ihrer<br />

(Sie wissen schon…) raten: «Und wie heißt ”meine”?»<br />

Der verwirrte Knabe überlegt, assoziiert die Namen<br />

von Schmackhaftem: Dattel, Feige. Aber jede Antwort<br />

steigert nur das Gelächter der drei Grazien. Man<br />

plantscht, lacht, schubst sich. Am Rande des Beckens<br />

stehen, im Schatten der Palmen, Teller mit köstlichen<br />

Speisen (Foto oben). Nur-ed-Din als Paris im Paradies.<br />

Pasolini suchte die Utopie jenseits<br />

des Konsumismus.<br />

der Tod an Schrecken verliert. Erotische Geschichten<br />

aus 1001 Nacht (1974), Abschluss und Höhepunkt dieser<br />

Triologie, gewann den Großen Preis der Jury in<br />

Cannes. Im Original heißt er übrigens Il fiore delle mille<br />

e una notte (Die Blüte aus 1001 Nacht).<br />

Gedreht wurde in Eritrea, im Jemen und in Nepal.<br />

Viele kostbare Bauten, im Film noch als Kulissen sichtbar,<br />

wurden kurz nach dem Dreh planiert, um kommerziell<br />

orientiertem Städtebau Platz zu schaffen. Schon<br />

zuvor hatte Pasolini dort Die Mauern von Sana’a (1971)<br />

gedreht: einen 15-minütigen Appell an die UNESCO,<br />

Jemens architektonisches Weltkulturerbe zu bewahren.<br />

Vergebens. Pasolini verzweifelte. Der Konsumismus<br />

hatte unwiderruflich das letzte Wort. Er widerrief<br />

seine «Trilogie des Lebens» und drehte einen Antifilm<br />

zu deren Utopie: Salò oder die 120 Tage von Sodom<br />

(1975).<br />

66<br />

Bild rechts: Pier Paolo Pasolini<br />

(1922–1975). Foto: Screenshot<br />

Youtube<br />

_ Harald Harzheim ist der Filmklassiker<br />

von <strong>COMPACT</strong>.<br />

Nach Jahren zehrender Gesellschaftskritik versuchte<br />

der Katholik und Marxist Pier Paolo Pasolini Anfang<br />

der 1970er eine filmische «Trilogie des Lebens», um die<br />

Utopie jenseits des Konsumismus zu illustrieren, die<br />

Lebenslust des befreiten, erotischen Körpers, umrahmt<br />

von der Schönheit traditioneller Bauten und Festlichkeiten.<br />

Und das Füllhorn des Lebens gibt allen reichlich.<br />

Überschäumende Emotion, so stark, dass selbst


Zensur in der BRD<br />

Solidarität mit Akif Pirinçci<br />

Redner<br />

Jürgen Elsässer<br />

Diktatur Merkel – Zensur in der BRD<br />

Akif Pirinçci<br />

Liest aus seinem neuen Buch «Umvolkung.<br />

Wie die Deutschen still und<br />

leise ausgetauscht werden»<br />

Götz Kubitschek<br />

Warum Solidarität mit Akif Pirinçci?<br />

«Umvolkung. Wie die Deutschen<br />

still und leise ausgetauscht werden»<br />

(ISBN 978-3-944422-19-0, 160 Seiten,<br />

14 Euro, wegen Buchhandelsboykott<br />

am besten bestellen über antaios.de).<br />

Do 19. Mai <strong>2016</strong> | 18.30 Uhr | Magdeburg<br />

Eventhalle Halber85 | Halberstädter Straße 85 | 39112 Magdeburg | Beginn 18.30 Uhr, Einlass 18 Uhr<br />

Freier Eintritt für Abonnenten | VVK: EUR 10,00/ ermäßigt EUR 6,00 | Abendkasse: EUR 12,00/ EUR 8,00.<br />

Aktuelles <strong>COMPACT</strong>-<strong>Magazin</strong> im Preis inklusive! | Vorverkauf unter live.compact-magazin.com


Einzelheft oder SPEZIAL-Abo unter Tel: 03327-569 86 11 . Fax: 03327-569 86 17<br />

abo@compact-magazin.com . shop.compact-magazin.com<br />

Zensur in der BRD – Solidarität mit Akif Pirinçci | <strong>COMPACT</strong>-Live | 19. Mai | Magdeburg

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