Oktober|November 2011 - Martin-Luther-Kirche
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KULTUR<br />
Gestutzte Eiche<br />
von Hermann Hesse<br />
Wie haben sie dich, Baum, verschnitten,<br />
Wie stehst du fremd und sonderbar!<br />
Wie hast du tausendmal gelitten,<br />
Bis nichts in dir als Trotz und Wille war !<br />
Ich bin wie du, mit dem verschnittnen,<br />
Gequälten Leben brech ich nicht<br />
Und tauche täglich aus durchlittnen<br />
Roheiten neu die Stirn ins Licht.<br />
Was in mir weich und zart gewesen,<br />
Hat mir die Welt zu Tod gehöhnt,<br />
Doch unzerstörbar ist mein Wesen,<br />
Ich bin zufrieden, bin versöhnt.<br />
Geduldig neue Blätter treib ich<br />
Aus Ästen huntertmal zerspellt,<br />
Und allem Weh zum Trotzde bleib ich<br />
Verliebt in die verrückte Welt.<br />
KALENDERBLATT<br />
18. Juni 1811 | Der erste Turnplatz<br />
Am 18. Juni 1811 eröffnete der Turnpädagoge<br />
Friedrich Ludwig Jahn im Volkspark<br />
Hasenheide den ersten öffentlichen Turnplatz<br />
in Berlin und Preußen. Bestandteil der Anlage<br />
war eine mächtige Stieleiche, die heutzutage<br />
Jahn-Eiche heißt, am Kopfende der Karlsgartenstraße<br />
steht und als Naturdenkmal<br />
geschützt ist. Das Alter der Eiche wird auf<br />
250-300 Jahre geschätzt. Sie ist 25 m hoch<br />
und hat einen Stammumfang von 5 m.<br />
Der Turnvater Jahn und seine Turnschüler<br />
haben die Äste der Eiche für Reckübungen<br />
genutzt.<br />
Die Turnbewegung war eine patriotische<br />
Bewegung mit dem Ziel der Ertüchtigung für<br />
die Befreiungskriege gegen Napoleon und für<br />
die Einheit Deutschlands. So kam es, dass<br />
das Turnen 1817-1842 von den politischen<br />
Gegnern als Gefährdung der Moral und<br />
10 Gemeindezeitung <strong>Oktober|November</strong> <strong>2011</strong><br />
Anstiftung zur Rebellion verboten wurde.<br />
Turnvater Jahn wurde verhaftet.<br />
mk<br />
BUCHTIPP<br />
Italo Calvino | Der Baron auf den<br />
Bäumen<br />
Im Jahr 1957 veröffentlichte Italo Calvino<br />
diese märchenhafte Geschichte über<br />
Cosimo di Rondó, der mit 12 Jahren auf eine<br />
Steineiche steigt, um seiner tyrannischen<br />
Familie und einem ekligen Schneckengericht<br />
zu entkommen.<br />
Fortan führt er ein Leben auf den Bäumen,<br />
klettert und hangelt von Baum zu Baum<br />
und versucht von dort oben im Leben seiner<br />
Zeitgenossen mitzumischen, deren Gemeinschaft<br />
er sich doch zugleich so radikal<br />
entzogen hat.<br />
mk<br />
dtv Taschenbuch, 8,90 Euro<br />
FILMTIPP<br />
Alles koscher | GB 2010<br />
Mahmud ist Moslem und lebt mit seiner Familie<br />
in London. Nach dem Tod seiner Mutter<br />
erfährt er zufällig, dass er als Baby adoptiert<br />
wurde. Und dass er eigentlich Jude ist.<br />
Mahmud fühlt sich wie zwischen den Stühlen.<br />
Der Rabbi seines im Sterben liegenden,<br />
biologischen Vaters möchte ihn erst zu ihm<br />
lassen, wenn Mahmud sich wenigstens<br />
Grundlagen des jüdischen Glaubens angeeignet<br />
hat. Gleichzeitig hat sich der zukünftige<br />
Schwiegervater seines Sohnes angekündigt,<br />
der als streng gläubiger Islamprediger die<br />
Familie auf ihren muslimischen Glauben<br />
prüfen will. Bei dem Versuch, sowohl der<br />
perfekte Jude als auch der perfekte Moslem<br />
zu sein, muss Mahmud mehr als ein Problem<br />
bewältigen.<br />
Herausgekommen ist ein lustiger, tiefgründiger<br />
Film über den Islam, über das Judentum,<br />
über Religion an sich, über Familien<br />
und über die persönliche kulturelle und<br />
religiöse Identität.<br />
Ein wunderbarer Film, der absolut sehenswert<br />
ist. lws