Rundbrief der Emmausgemeinschaft - Ausgabe 04|16
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8 Thema<br />
Gesucht: Stille!<br />
Was bringen erwachsene Menschen, die in ein betreutes Wohnheim ziehen,<br />
an Wichtigem mit? Das Familienalbum? Töpfe und Pfannen? Bücher?<br />
Weit gefehlt! Oft sind es riesige Bildschirme. Und den PC natürlich.<br />
Bei Jugendlichen ist es das<br />
obligate Smartphone. Zu je<strong>der</strong><br />
Gelegenheit wird es hervorgeholt,<br />
um offensichtlich<br />
Unaufschiebbares zu tun.<br />
Vor allem wird irgendetwas<br />
„nachgeschaut“ o<strong>der</strong> gespielt.<br />
O<strong>der</strong> telefoniert. O<strong>der</strong><br />
mit Partnern geschrieben,<br />
die scheinbar über Unmengen<br />
an freier Zeit verfügen.<br />
Es ist, als ob Menschen Stille<br />
und den Mangel an optischen<br />
Reizen schwer ertragen<br />
können. Denn – welcher<br />
unerträgliche Zustand würde<br />
eintreten?<br />
„Die Stille ist Gottes Sprache. Wenn es<br />
einen Grund für die Oberflächlichkeit<br />
<strong>der</strong> westlichen Kultur gibt, dann ist es<br />
ihr beständiger Lärm. An stillen Orten<br />
und in Zeiten <strong>der</strong> Stille aber können wir<br />
die Gnade empfangen und ins Hier und<br />
Jetzt fallen.“ (aus: Richard Rohr, „Befreiung<br />
vom Ego“)<br />
Die „Gnade des Hier und Jetzt“ gibt<br />
die nötige Klarheit für gute Entscheidungen<br />
– wichtig für mein Fortkommen<br />
und das meiner Nächsten. Wer<br />
hingegen ständig Geräuschen und medialem<br />
Bil<strong>der</strong>flimmern ausgesetzt ist<br />
(Endlos-Strategiespiele, Social Media-<br />
Nachrichten …), verliert sich selbst.<br />
Und wer dem bedeutungslosen, sich<br />
thematisch ständig wie<strong>der</strong>holenden<br />
Geschwätz keinen Riegel vorschiebt,<br />
ist grundsätzlich Burnout gefährdet.<br />
Das heißt: Verlust des im Frieden-<br />
Seins im Hier und Jetzt, sich nicht<br />
mehr als beschenkt und heil erleben.<br />
Begegnung mit Mitmenschen ist so<br />
kaum noch möglich. Stattdessen <strong>der</strong><br />
Zwang, gnadenlos – und gottlos – zu<br />
leben und zu entscheiden.<br />
Emmaus-Gäste mit diesem Verhalten<br />
sind gewöhnliche Menschen. Sie leben<br />
Normen und Werte <strong>der</strong> österreichischen<br />
Gesellschaft – und sind daran<br />
gescheitert. Ein Vorteil gegenüber<br />
den noch nicht Gescheiterten, wo<br />
scheinbar alles passt. Hier braucht es<br />
noch etwas Erschütterung. Sie wird<br />
kommen – zur rechten Zeit.<br />
Walter Steindl<br />
Foto: ESB Professional/shutterstock.com