Ausgabe 02-2008 als PDF vonhundert_2008-02_komplett.pdf
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Anklagen<br />
„A Crime Against Art“ im unitednationsplaza und „History Will Repeat Itself“ in den Kunst-Werken<br />
Halber Film „A Crime Against Art“ nur im unitednationplaza<br />
und Katalog „History Will Repeat Itself“ statt gleichnamiger<br />
Ausstellung. An einem Wochenende im November<br />
hatte ich mich der Zeitlichkeit der Medien Film und Ausstellung<br />
widersetzt. Wie einem braven ‚Subjekt‘, das sich ob<br />
der eigenen Vergeblichkeit rügt, dämmerte mir, mich der<br />
Spannungsbögen dieser Medien unrechtmäßig entzogen zu<br />
haben. So hätte auch kein ‚Werk‘ jem<strong>als</strong> offenkundig zu mir<br />
sprechen können! Meines „Crime Against Art“ wegen hätte<br />
man mich noch an Ort und Stelle anklagen sollen: Nämlich<br />
den Intentionen der Autoren nicht jene bürgerliche<br />
Aufmerksamkeit entgegen gebracht zu haben, die schon mit<br />
dem Wissen um Beginn und Ende einer Filmrolle oder eines<br />
Ausstellungsparcours hätte einsetzen müssen. Gefangen<br />
im Phantasma, dass maximale Aufmerksamkeit erreichbar<br />
sei, stellte meine pflichtbewusste Selbstanklage voreilig die<br />
bürgerliche Erwartungshaltung nicht mehr in Frage. Lagerte<br />
sich die Bourgeoisie auch nur in meinem Unbewussten ab,<br />
war ich nichtsdestotrotz ihrer Affekt- und Meinungsbildung<br />
wegen in Verantwortung zu ziehen. Aus der psychoanalytisch<br />
inquisitorischen (Gehirn)Kammer wäre die verinnerlichte<br />
Anklage ins Setting der Gerichtsverhandlung zu tragen<br />
gewesen.<br />
Der Film „A Crime Against Art“ von Hila Peleg lief schon<br />
mindestens eine halbe Stunde, <strong>als</strong> ich mich vor der Leinwand<br />
im unitednationsplaza einfand. Was dort im Licht der<br />
Projektion tatsächlich verhandelt wurde, gab mir Rätsel auf:<br />
Kein Wunder, hatte ich doch die Anklagepunkte der Ankläger<br />
Chus Martinez und Vasif Kortun verpasst. Gerade waren<br />
sie im Begriff, Anton Vidokle und Tirdad Zolghadr – die<br />
Initiatoren des unitednationsplaza sowie dieser Gerichtsverhandlung<br />
selbst – irgendeines Verbrechens zu überführen.<br />
Doch auch ohne mein explizites Zeugnis der Anklagepunk-<br />
te blieb nur noch zu bestätigen, dass sich die Gerichtsverhandlung<br />
nach und nach aufzulösen schien, sodass auch<br />
die Beteiligten immer wieder dem roten Faden der Anklage<br />
nachzuspüren hatten. Eine wiederholte Sichtung bestätigte:<br />
Allein der Verteidiger Charles Esche scheint befähig, derart<br />
Sachverhalte in seinem Sinne rhetorisch zuzuspitzen, dass<br />
die gerichteten Fragen jedem Zeugen finale Bestätigungen<br />
abverlangen, die die von ihm verteidigten Anton Vidokle<br />
und Tirdad Zolghadr entlasten. Denn da die Anklage tatsächlich<br />
auf „cooptation/collusion with the (new) bourgeoisie“<br />
lautet, zeigt Esche immer wieder auf, dass die Verteidigten<br />
nicht <strong>als</strong> Stellvertreter dafür gerichtet werden können,<br />
woran alle teilhaben. Es ist seine Erfüllung des szenischen<br />
Rahmens ‚Gerichtsverhandlung‘, die zunächst noch verkniffenes<br />
Lachen und Lächeln im Miteinander dieses Experiments<br />
sichtbarer werden lassen. Alles andere dagegen<br />
verliert sich in jenem, zur Anklage gebrachten, selbstreferentiellen<br />
Diskurs, der kapitalismuskritische Formeln ihres<br />
Bezugs entkleidet und dem Flattern der Assoziationen aussetzt.<br />
Der Hinweis der in den Zeugenstand berufenen Maria<br />
Lind, dass man sich in einem Moment der Inkubation<br />
befinde, bleibt <strong>als</strong> einzige Rechtfertigung dieses Entkleidens<br />
und Flatterns zurück: mit der Hoffnung, dass das Vokabular<br />
möglichst bald neu erfunden werde. Am Ende bleibt vom<br />
Experiment ‚Gerichtsverhandlung‘ tatsächlich übrig, einen<br />
Jargon ausgestellt zu haben.<br />
Weniger selbstreferentiell ließe sich „A Crime Against Art“<br />
eventuell wiederaufführen mit Angeklagten, die sich nicht<br />
selbst ihren Prozess bereiten wie Anton Vidokle und Tirdad<br />
Zolghadr. Anhand eines anderen ‚Subjekts‘ wäre zum<br />
Beispiel die Anklage zur „cooptation with the bourgeoisie“<br />
zu verhandeln; eines ‚Subjekts‘, das viel offenkundiger <strong>als</strong><br />
‚Täter‘ im Rahmen der von ihm co-kuratierten Ausstellung