Ausgabe 02-2008 als PDF vonhundert_2008-02_komplett.pdf
Ausgabe 02-2008 als PDF vonhundert_2008-02_komplett.pdf
Ausgabe 02-2008 als PDF vonhundert_2008-02_komplett.pdf
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
⁄ 100 ⁄ 20<br />
Posthume Schleifen<br />
⁄Gespräch über Michel Majerus’ Buch „If we’re dead so it is“<br />
Raimar Stange ⁄ Gerade ist das Buch zu Michel Majerus’<br />
Skateboard-Projekt im Kölner Kunstverein anno 2000, <strong>als</strong>o<br />
fünf Jahre nach seinem tragischen Tod, erschienen. Dies wirft<br />
Fragen auf. Welche Aufgabe hattest du <strong>als</strong> Grafikdesigner bei<br />
dieser posthumen Publikation?<br />
Andreas Koch ⁄ Majerus hatte das Buch schon entworfen<br />
und es lag <strong>als</strong> digitales Layout-Dokument vor. Den Hauptteil<br />
der Arbeit hätte auch ein Reprostudio erledigen können,<br />
Bilder scannen und einladen. Es fehlten jedoch ein paar<br />
Seiten, der Titel war nur vage <strong>als</strong> „etwas mit Spiegeln“ von<br />
Majerus vorgedacht, außerdem begradigte ich hier und da<br />
leicht, dies aber gemeinsam mit den Galeristen und Nachlassverwaltern<br />
von Neugerriemschneider. Man musste sich<br />
dann immer entscheiden, war das so gewollt oder noch Skizze.<br />
Meist entschied man sich für das erstere.<br />
Stange ⁄ Theodor W. Adorno beschriebt die adäquate Interpretation<br />
von ästhetischen Formulierungen <strong>als</strong> „produzierenden<br />
Nachvollzug“. Hast du bei deiner nachvollziehenden<br />
Arbeit an diesem Buch neues zu Michels ästhetischer<br />
Konzeption erfahren?<br />
Koch ⁄ Erstmal hat das was ich mit dem Buch machte zum<br />
größten Teil wenig von einem „produzierenden Nachvollzug“.<br />
Das wäre es gewesen wenn ich das ganze Buch im Sinne<br />
von Majerus nachgeformt hätte, das traf aber nur auf wenige<br />
Seiten zu. Trotzdem beschäftigte ich mich bei meiner Arbeit<br />
mit seiner Art, Dinge zu verwenden und zu setzen. Majerus<br />
ist für mich ein Künstler, der wie eine Sampling-Maschine<br />
alles verschluckt und wieder neu ausspuckt. Anders <strong>als</strong> die<br />
Nuller-Jahre-Künstler, die die <strong>komplett</strong>e Kunstgeschichte<br />
recyclen und oberflächlich miteinander verweben, hat Majerus,<br />
typisch für die Neunziger Jahre, die Werbe- und Comicästhetic<br />
benutzt und in ein eigenes Zeichen- und Referenzsystem<br />
überführt. Und so wie er all seine Figuren, Sätze und<br />
Zeichen immer wieder neu übereinander schichtete, legte<br />
er auch das Buch an. Als würde er die Fotos und Bilder aus<br />
seinem Fotoarchiv schnell auf die Buchseiten schieben und<br />
sich darüber freuen wie sie miteinander in Beziehung treten.<br />
Die Arbeitsweise könnte man <strong>als</strong> das aus der Computerarbeit<br />
bekannte „Drag and Drop“ bezeichnen.<br />
Stange ⁄ Ich teile deine Interpretation nur zum Teil, denn<br />
ich denke, dass Michel sehr bewusst und sorgsam ausgesucht<br />
hat, welche ästhetischen Formulierungen er weiterverarbeitet<br />
hat. Die Postmoderne war längst vorbei, ihm geht es um<br />
die inhaltlich-analytische Qualität des Samplings. Dies ist<br />
auch dem Buch ablesbar: Dem Thema Skateboarding gewinnt<br />
er den Aspekt des non-linearen Zeitverlaufs ab, der<br />
ja der Halfpipe dadurch eingeschrieben ist, dass man auf ihr<br />
fährt ohne wirklich ein Ziel zu haben, ohne wirklich eine<br />
Strecke zurückzulegen, es geht eben immer auf und ab, wie<br />
ein Pendel – entsprechend oft sind dann auch „loopartige“<br />
Motive, wie etwa Spielzeugrennbahnen, zu finden. Kannst<br />
du ähnliches im Buch finden?<br />
Koch ⁄ Ich weiß nicht ob die Postmoderne längst vorbei<br />
war oder ist, in der Kunst fand sie jedenfalls, anders <strong>als</strong> in<br />
der Architektur oder Mode der Achtziger Jahre, keine ernst<br />
zunehmende Richtung. Ok, da gab es die Neuen Wilden<br />
oder die italienische Transavanguardia, die alle möglichen<br />
griechischen Mythen und Symbole durchmischte. Erst 1991<br />
erschien von Frederic Jamersons seine Untersuchung zur<br />
Postmoderne „Postmodernism or the Cultural Logic of Late<br />
Capitalism“ in der er eben das räumliche Nebeneinander<br />
von historischen Zeugnissen im Unterschied zu deren zeitlichen<br />
Ablauf herausstellt. Und gerade Majerus, finde ich,<br />
verkörpert im Sinne der „Nicht-Linearität“ eine Position der<br />
Postmoderne, gerade weil er alle möglichen Positionen der<br />
jüngeren Kunstgeschichte mit einbezieht und Supermario