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Ausgabe 02-2008 als PDF vonhundert_2008-02_komplett.pdf

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Kollektives Kleben<br />

⁄ Olga in der Galerie Kai Hoelzner<br />

Es zeichnet die zeitgenössische Kunst bekanntlich aus, bereits<br />

zirkulierende Bilder zitierend auf- und umzuwerten<br />

und damit vorzuführen, wie Bestehendes so anzueignen ist,<br />

dass dabei anderes entsteht. Entsprechend hat Boris Groys<br />

die Aufnahme schon produzierter Bilder in der gegenwärtigen<br />

Kunst <strong>als</strong> Form des Konsums theoretisiert. Allerdings<br />

muss man bezweifeln, ob das Prinzip der Aneignung tatsächlich<br />

das Charakteristische visueller Recycling-Strategien<br />

trifft. Denn anders <strong>als</strong> in der angleichenden Vereinnahmung<br />

lebt im derzeit wiederentdeckten Collage-Verfahren gerade<br />

dasjenige fort, was sich nicht restlos appropriieren und in<br />

Eigenes verwandeln lässt. Die verunreinigende Zusammenstellung<br />

vorm<strong>als</strong> leicht konsumierbarer, effekthascherischer<br />

oder glamouröser Bilder aus Medien und Werbung lässt den<br />

visuellen Trash in der neueren Collage vielmehr zu etwas<br />

Anstößigem und Heiklem werden.<br />

In der heutigen visuellen Kultur kann sich selbstredend niemand<br />

mehr <strong>als</strong> immun gegenüber der gleichermaßen affektiven<br />

wie formierenden Kraft von Bildern wähnen und das<br />

sogenannte sehende, <strong>als</strong>o nicht bereits von Klischees gesättigte<br />

Sehen lässt sich keiner noch so asketischen Arbeit am<br />

Motiv mehr abgewinnen. Daher bleibt der oftm<strong>als</strong> zitierte<br />

Topos, dass die weiße Bildfläche vor ihrer Behandlung durch<br />

den Künstler nicht leer, sondern bereits von Bildern übervölkert<br />

sei, in Kraft. Die Aufgabe ist demnach nicht ihre<br />

Anfüllung mit Bildern – im Gegenteil: Das unwillkürlich,<br />

wenn nicht widerwillens Angeeignete mit Gegenkräften<br />

zu bekämpfen, wäre das Anliegen gegenwärtiger Collage-<br />

Kunst. Traditionellerweise gilt die Collage <strong>als</strong> das bildliche<br />

Verfahren, das in der Zusammenstellung des Heterogenen<br />

dem Moment schockhaften Aufeinanderpralls am ehesten<br />

gerecht wird. Es kommt nicht nur zur Anwendung, um der<br />

Allgegenwart divergenter Bilder zum Ausdruck zu verhelfen<br />

und der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sich in unseren<br />

Köpfen unzählige Bilder und Visionen bereits überlagern<br />

und durchmischen, sondern auch um diese Bildwelten gegeneinander<br />

ins Feld zu führen.<br />

Wenn – wie bei Olga (das sind Katharina Fengler, Stefan<br />

Panhans und Linn Schröder) – die Collage darüber hinaus<br />

gekoppelt wird mit Formen kollektiver Produktion, dann<br />

werden damit zwei Verfahren kombiniert, die eine Subversion<br />

von Autorschaft und Eigenem versprechen. Einem anderen<br />

die Fortführung der begonnenen Arbeit zu überlassen,<br />

kann <strong>als</strong> sicherste Strategie gelten, um das Produzierte den<br />

anvisierten Intentionen zu entfremden und abseitige, unbewusste<br />

Schichten zu erschließen. Die drei Künstler von Olga<br />

haben die Collagen untereinander zirkulieren lassen, sie den<br />

bisweilen destruktiven Eingriffen der anderen ausgesetzt,<br />

um unvermutet freizusetzen, was den bekannten Sichtweisen<br />

entgeht. Ein Klischee lässt sich vornehmlich von einem<br />

zweiten stören und was in beider Widerstreit geschieht, ist<br />

mit dem oft zitierten Wort Walter Benjamins <strong>als</strong> die Hervortreibung<br />

des Optisch-Unbewussten zu bezeichnen. Wenn in<br />

den ungewöhnlich großformatigen Collagen der Ausstellung<br />

(keine ist kleiner <strong>als</strong> 70 × 100 cm) auf ein sattsam bekanntes<br />

Bildrepertoire zurückgegriffen wird – mit Darstellungen<br />

von Krieg, Starkult, Lifestyle oder Sex –, dann um sie durch<br />

andere Bilder zu infizieren und ihre glatten Oberflächen<br />

aufzubrechen. Die pornografische Qualität der aufreizenden<br />

Medienbilder tritt dabei offen zutage und der voyeuristische<br />

Aspekt wird nicht sublimiert, sondern eher durch weitere,<br />

ebenso phantasmatische Ausschnitte verstärkt und über sich<br />

hinausgetrieben.<br />

In einem Text von Georges Salles, den Benjamin sehr geschätzt<br />

hat, heißt es nahezu surrealistisch anmutend, die<br />

Kraft eines Bildes sei um so größer „je obskurer die Reserven<br />

und je unerforschter die Winkel, aus denen die gleichzeitigen<br />

Bilder sich speisen, die es erweckt“. Und in diesem<br />

Sinne ließe sich die vervielfältigte Autorschaft von Olga <strong>als</strong><br />

Probe darauf verstehen, welches bisher unbekannte Begehren<br />

das Bild im anderen entfacht. Durch das mehrhändige<br />

Ausschneiden, Aneinanderkleben, Überzeichnen und erneute<br />

Überkleben wird außerdem eine bildliche Demontage<br />

in Gang gesetzt, die <strong>als</strong> probates Kampfmittel gegen die<br />

etablierte Politik der Sichtbarkeiten gelten kann. Vielleicht<br />

erscheinen die collagierten Details deshalb auch nicht willkürlich<br />

zusammengesetzt – vielmehr meint man, innerhalb<br />

der bisher mehr <strong>als</strong> 100 Collagen umfassenden Serie eine<br />

kryptische Geschichte lesen zu können. So wie bei Max<br />

Ernst in seinen Collageromanen bestimmte Figuren und ein<br />

festumrissenes Bildrepertoire wiederkehren, so verflechten<br />

sich auch in den Blättern von Olga Motive und Themen<br />

zu untergründigen Erzählsträngen, so dass man sich „Die<br />

Ankunft der 6000 Führungskräfte“ sehr gut <strong>als</strong> Teil eines<br />

solchen Collage-Romans vorstellen kann. Kathrin Busch<br />

Olga „Die Ankunft der 6000 Führungskräfte“<br />

Galerie Kai Hoelzner, Adalbertstraße 96, 2.11.–8.12.2007

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