Die Mode als Spiegel des Wertewandels der Gesellschaft - am ...
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<strong>Die</strong> Ausgangssituation - Das Rokoko<br />
Das Rokoko ist eine anmutigere und gefälligere Spätform <strong>des</strong> Barocks. Seine <strong>Gesellschaft</strong><br />
zeichnet sich durch ihr Streben nach größtem Vergnügen und höchster Kunstfertigkeit<br />
aus. Man kann sie <strong>als</strong> eine Spaßgesellschaft bezeichnen, „Leichtsinn“ galt<br />
<strong>als</strong> Tugend. <strong>Die</strong> Kleidung, wie auch das Leben <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>des</strong> Rokoko zeichnete<br />
sich durch eine gewollte Künstlichkeit aus, die eine Verformung <strong>des</strong> Körpers und das<br />
Anbringen von allerlei Gestellen <strong>am</strong> Körper nach sich zog. Als Dekorationsstil benötigte<br />
das Rokoko große Flächen um wertvolle und reich verzierte Stoffe „auszustellen”,<br />
woraus die Übergröße <strong>der</strong> Röcke resultierte.<br />
<strong>Die</strong> künstliche Verformung <strong>des</strong> Körpers begann schon in <strong>der</strong> Kindheit. Bereits junge<br />
Mädchen trugen Korsette, die die Taille einschnürten. <strong>Die</strong>se Deformierung wurde in<br />
gesundheitsschädigendem Maße betrieben. Gräfin Franziska Krasinska berichtet zum<br />
Beispiel ihre Taille würde den Umfang einer halben Elle (ca. 30 cm) nicht überschreiten.<br />
1 Zum Vergleich: Der Taillenumfang einer Größe 36 beträgt heutzutage 66 cm. 2<br />
<strong>Die</strong> Verformung <strong>des</strong> Körpers erfüllte nicht nur ästhetische Ansprüche, das Korsett galt<br />
auch <strong>als</strong> Tugendwächter <strong>der</strong> Frau, indem es den Körper zähmt und die Sitten festigt.<br />
Es wurde <strong>als</strong> „Vormund <strong>des</strong> Körpers“ 3 bezeichnet.<br />
Im Kontrast zu den extrem schmalen Taillen waren die Röcke <strong>des</strong> Rokoko weit ausladend<br />
und wurden durch an <strong>der</strong> Hüfte angebrachte und flach gedrückte Reifröcke o<strong>der</strong><br />
Considérations-Gerüste (Abb. 3) gestützt. 4 So in Form gebracht hatte ein Galakleid<br />
eine Saumweite von bis zu 7 Ellen. Das bedeutet, dass eine D<strong>am</strong>e in einem solchen<br />
Kleid ca. 2 Meter breit war. <strong>Die</strong> dadurch entstandenen Unbequemlichkeiten kann<br />
man sich leicht vorstellen. So musste ein Mann, <strong>der</strong> eine D<strong>am</strong>e in solch einer „Robe à<br />
la française“ führte, stets einen Schritt vor o<strong>der</strong> hinter ihr gehen. <strong>Die</strong>selbe konnte nur<br />
seitwärts durch Türen treten und bei Tisch brauchte sie dreimal so viel Platz wie zuvor.<br />
Ein ebenso großer Aufwand wurde mit den Frisuren betrieben, die aufwändig gearbeitet<br />
unermesslich hoch wuchsen, so dass das Kinn einer normal großen Frau oft in <strong>der</strong><br />
Mitte ihres Körpers zu finden war.<br />
Das beträchtliche Gewicht <strong>der</strong> Klei<strong>der</strong> und die Steifheit <strong>des</strong> Stützwerks prägten,<br />
zusätzlich zur Deformierung <strong>des</strong> Körpers, Haltung und Gestik. Hier vor<br />
allem ist die oberste Prämisse <strong>des</strong> Barock zu erkennen, Wi<strong>der</strong>natürlichkeit anstelle<br />
von Natürlichkeit. Kunstfertigkeit und Schönheit zeichneten sich immer<br />
durch den Sieg über den Körper und über die Natur aus. Ähnlich wie<br />
bei den französischen Gartenanlagen dieser Zeit wurde auch <strong>der</strong> menschliche<br />
Körper den ästhetischen Ansprüchen <strong>der</strong> Zeit gemäß geformt.<br />
Abb. 1: „Robe à la française“<br />
1 Von Boehn, Max: <strong>Die</strong> <strong>Mode</strong>, Eine Kulturgeschichte vom Barock bis zum Jugendstil. München, 5. Aufl.<br />
1996 (1976), S. 43<br />
2 Größentabellen <strong>des</strong> DOB-Verban<strong>des</strong> Köln, 1983<br />
3 Stadtmuseum München, Son<strong>der</strong>ausstellung <strong>Mode</strong> sprengt Mie<strong>der</strong> - Silhouettenwechsel , 2010<br />
4 Von Boehn, Max: <strong>Die</strong> <strong>Mode</strong>, Eine Kulturgeschichte vom Barock bis zum Jugendstil. München, 5. Aufl.<br />
1996 (1976), S. 42 Abb. 2: Joseph von Goez: „Verschönerungskünste“ Abb. 3: Deutsche Karikatur, 1775-1781<br />
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