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Schweizer Kunst - Koller Auktionen

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<strong>Schweizer</strong> <strong>Kunst</strong><br />

3023<br />

HODLER, FERDINAND<br />

(Bern 1853 - 1918 Genf)<br />

Weiden an der Jonction. Abendstimmung. 1878.<br />

Öl auf Leinwand. Unten links datiert und signiert:<br />

1878. F. Hodler.<br />

55,4 x 46 cm.<br />

Provenienz:<br />

- <strong>Kunst</strong>schau A. Blumenreich, Berlin<br />

(7.10.1929).<br />

- H. Gysin-Mohler, Basel, 1930.<br />

- Otto Schmidlin, Zürich, 1930.<br />

- <strong>Schweizer</strong> Privatbesitz.<br />

Ausstellung:<br />

Galerie Moos, 1918, Nr. 9.<br />

Literatur (Auswahl):<br />

- Loosli, C. A.: Ferdinand Hodler, Leben, Werk<br />

und Nachlass, Bern, 1921 - 1924, Bd. 2, S. 111<br />

(Weiden an der Jonction am Abend), Nr. 2251<br />

des Generalkataloges.<br />

- Bender, E.: Die <strong>Kunst</strong> Ferdinand Hodlers,<br />

Gesamtdarstellung, Bd. 1, Das Frühwerk bis<br />

1895, Zürich, 1923, S. 58, 101, Abb. 41<br />

(Weiden an der Jonction, Abendstimmung,<br />

1878).<br />

- Roffler, Th.: <strong>Schweizer</strong> Maler. Reden und<br />

Aufsätze, Winterthur, 1937, S. 72 - 73, Abb. 8,<br />

78 (Weidenbäume, 1878).<br />

- Landschaftskatalog, in: Müller, W.Y.: Die<br />

<strong>Kunst</strong> Ferdinand Hodlers. Gesamtdarstellung,<br />

Bd. 2, Zürich 1941, Nr. 50.<br />

- Dietschi, P.: Der Parallelismus Ferdinand<br />

Hodlers. Ein Beitrag zur Stilpsychologie der<br />

neueren <strong>Kunst</strong>, Basel 1957, S. 50.<br />

- Brüschweiler, J.: Notizen zu einigen<br />

Jugendwerken, Berlin/Paris/Zürich 1983, S.<br />

180, Abb. 235.<br />

- Bätschmann, O. und Müller, P.: Hodler,<br />

Catalogue raisonné der Gemälde, Bd. 1, Die<br />

Landschaften, Teilband 1, Zürich, SIK, 2008,<br />

S. 119, WV. Nr. 66, mit Abb.<br />

Paul Müller schreibt im Werkverzeichnis (SIK<br />

2008, op.cit.): „Der Katalog der 1918 von der<br />

Galerie Moos organisierten Hodler-<br />

Retrospektive verzeichnet mit Abbildung zwei<br />

motivisch eng verwandte Jonction-<br />

Landschaften: Unter Nr. 9 ein Hochformat mit<br />

dem Titel „Saules à la Jonction - Soir“ sowie<br />

unter Nr. 19 ein Breitformat mit demselben<br />

Titel, jedoch mit der Präzisierung „Matin“. (...)<br />

Die Titel stammen möglicherweise von der<br />

Galerie Moos, da sie vorher in keiner<br />

Publikation verzeichnet sind. (...) Der durch das<br />

Format bedingte engere Blickwinkel und die<br />

kürzere Distanz zur zentralen Weidengruppe<br />

verschaffen dieser im Vergleich zur (querformatigen<br />

Morgenstimmung) stärkeres Gewicht im<br />

Bildgefüge.“<br />

Die Entdeckung dieser frühen Landschaft von<br />

Ferdinand Hodler in einer <strong>Schweizer</strong><br />

Privatsammlung kann als kleine Sensation gelten.<br />

Seit 1930 galt für dieses Werk: Standort<br />

unbekannt. Entsprechend ist es in dem breit<br />

angelegten Oeuvrekatalog von 2008<br />

(Bätschmann u. Müller, op. cit.) mit einer<br />

Schwarz-Weiss-Aufnahme belegt. Zudem ist<br />

dort die Überprüfung der farblichen Umsetzung<br />

der Abendstimmung als Forschungsdesiderat<br />

| 24<br />

formuliert (op. cit., Nr. 66, S. 118-119). Dieses<br />

kann nun eingelöst werden. Hodler nutzt in<br />

unserem Werk für die Schilderung der beginnenden<br />

Dämmerung eine verhaltene Farbpalette<br />

von tonigen Erd- und Grüntönen. Zwischen die<br />

Zweige der Weiden setzt er „Wattebäusche“<br />

lachsfarbener Wolken; unter den Silhouetten<br />

der Bäume auf der rechten Seite schimmern in<br />

gedämpften Gelb und Orange die letzten<br />

Strahlen der untergehenden Sonne. Deren<br />

Widerschein zeichnet auch auf das Wasser des<br />

ganz rechts liegenden Flussufers zartgelbe<br />

Schleier. Besonders interessant ist dieser<br />

Befund im Vergleich mit einer zweiten Fassung<br />

dieses Motivs, der exakt massgleichen Weiden<br />

an der Jonction (Privatbesitz, op. cit., Katalog<br />

Nr. 67, S. 119, mit Farbabb.), um 1878, in der er<br />

die Komposition unseres Gemäldes im<br />

Querformat erprobte und unsere etwas abgedunkelte<br />

Fassung zur taghellen variiert (vgl.<br />

Abb. 3). Laut Oeuvrekatalog (op. cit., S. 119)<br />

hat Hodler diese breitformatige Landschaft kurz<br />

nach deren Grundanlage noch einmal überarbeitet,<br />

insbesondere wohl den dort in der Bildmitte<br />

befindlichen hellen Himmelsstreifen hinzugefügt.<br />

Möglicherweise wollte er die<br />

Tagesstimmung gegenüber unserer Fassung<br />

noch einmal akzentuieren. „Genfer Barbizon“<br />

nannten Ferdinand Hodler und seine<br />

Malerfreunde die Gegend der Jonction, dem<br />

Zusammenfluss von Rhone und Arve bei Genf<br />

(heute ein Genfer Stadtteil). Damit spielten sie<br />

auf das Dorf im Wald von Fontainebleau an, wo<br />

eine als „Schule von Barbizon“ berühmt gewordene<br />

Gruppe von Malern im unmittelbaren<br />

Erleben der und Malen nach der Natur ihr Ideal<br />

formulierte. So kann man es als künstlerische<br />

Hommage an die Begründer und Vertreter der<br />

Freilichtmalerei bezeichnen, dass sich Hodler<br />

und seine Kollegen Théodore Douzon (1829-<br />

1914) und Louis Dunki (1856-1915) im Jahr 1878<br />

im Gebiet der Jonction der Landschaftsmalerei<br />

widmeten. Von Hodler sind fünf Landschaften<br />

bekannt, die in diesem Kontext entstanden.<br />

Neben unserer Landschaft und der bereits<br />

erwähnten Fassung im Querformat gehören zu<br />

dieser Motivgruppe auch die etwas grössere<br />

Landschaft an der Jonction (Von der Heydt-<br />

Museum, Wuppertal, op. cit., Katalog Nr. 64,<br />

S. 117-118, mit Farbabb. S. 118) und die in<br />

Privatbesitz befindlichen Schafe am Sentier des<br />

Saules (op. cit., Katalog Nr. 63, S. 116-117, mit<br />

Farbabb. S. 117), und Fischende Kinder am Ufer<br />

der Arve (op. cit., Katalog Nr. 65, S. 118, mit<br />

Farbabb.). Die drei Malerkollegen waren<br />

Mitschüler bei Bartélemy Menn (1815-1893),<br />

dem damaligen Leiter der Genfer Zeichenschule<br />

und engen Freund des der Schule von Barbizon<br />

nahe stehenden Camille Corot (1796-1875). Bei<br />

Menn hatte Hodler 1877 eine rund fünfjährige<br />

fundierte Ausbildung abgeschlossen und war zur<br />

gefestigten künstlerischen Persönlichkeit gereift.<br />

Von seinem Selbstbewusstsein zeugt, das er<br />

bereits 1874 an einem Landschaftswettbewerb<br />

teilnahm - mit Erfolg, wurde ihm doch der erste<br />

Preis zuerkannt. Matthias Fischer belegt in seiner<br />

aktuellen Studie Der junge Hodler , wie der<br />

ehrgeizige Künstler seit 1875 an zahlreichen<br />

Ausstellungen in Genf teilnahm und auf grosses<br />

Echo in der Öffentlichkeit stiess - wenn auch<br />

nicht auf ungeteiltes. Die konservative Genfer<br />

Fachpresse zeigte sich zwar von einzelnen<br />

Elementen der Hodlerschen Malerei durchaus<br />

Abb. 3: Weiden an der Jonction, Morgen<br />

(Privatbesitz)<br />

beeindruckt, stand aber seiner grundsätzlichen<br />

künstlerischen Auffassung zwiespältig gegenüber.<br />

So bemängelte sie beispielsweise an der<br />

bereits erwähnten Jonction-Landschaft Schafe<br />

am Sentier des Saules, mit der Hodler 1878 an<br />

der in mehreren Städten gezeigten<br />

<strong>Schweizer</strong>ischen <strong>Kunst</strong>ausstellung teilnahm, die<br />

„Vernachlässigung“ der dort gemalten Figuren<br />

und Tiere. Hodler kam den Ratschlägen, diesem<br />

Aspekt seiner Arbeit mehr Mühe zu widmen,<br />

allerdings nicht nach. Ganz im Gegenteil:<br />

In klarer Ablehnung der in der herkömmlichen<br />

Akademiemalerei üblichen, für die eigentliche<br />

Bildaussage aber nebensächlichen Menschen-<br />

und Tierfiguren verschwinden sie zunehmend<br />

aus seiner Malerei. Mitte der 1880er Jahre<br />

befindet er: „Wenn der Maler wünscht, dass das<br />

Bild berührend und fesselnd wirken soll, wird er<br />

keine Figuren verwenden. [...] Eine Landschaft<br />

muss Charakter haben, eine Leidenschaft oder<br />

eine Gefühlsbewegung ausdrücken. Ihr<br />

Charakter gibt ihr ihre Individualität. Figuren<br />

oder Anekdotisches fügen nicht nur nichts<br />

hinzu, sondern schwächen die packende und<br />

direkte emotionale Wirkung.“ Auch in unserem<br />

Werk „Weiden an der Jonction,<br />

Abendstimmung“ hat Hodler diese in die<br />

Moderne weisende Auffassung bereits umgesetzt.<br />

Er konzentriert sich ganz auf die<br />

Landschaft und platziert nur an der Uferlinie<br />

eine winzige, kaum mehr wahrnehmbare Figur.<br />

An der Darstellung interessiert ihn zunächst der<br />

durch die Bäume und die in die Ferne weisenden<br />

Pfade ausgelöste zentralperspektivische<br />

Tiefensog. Diesen Sog mildert Hodler aber<br />

durch mehrere Elemente ab. Neben der<br />

Staffagefigur, die er zur bis hin zur<br />

Bedeutungslosigkeit minimiert, fängt er ihn<br />

einerseits durch die steil in den Himmel ragenden<br />

Zweige der in der Bildmitte positionierten<br />

Weide auf, andererseits vermindert er ihn durch<br />

eine eher flächige Malweise, die keine exakte<br />

Farbperspektive zulässt. Diese Ansätze wird er<br />

unmittelbar danach auf seiner Spanienreise aufnehmen<br />

und weiterentwickeln: Es entstehen die<br />

ersten seiner berühmten Baumportraits. Die<br />

Werkgruppe der Jonction-Bilder, insbesondere<br />

die hier angebotenen Weiden an der Jonction.<br />

Abendstimmung können also als Beginn der<br />

modernen Malerei Ferdinand Hodlers bezeichnet<br />

werden, bei denen er seine Überlegungen<br />

zur neuen Landschaftsmalerei erprobte.<br />

CHF 300 000.- / 400 000.-<br />

(€ 208 330.- / 277 780.-)

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