09 Die heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT II)
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Medizinökonomische Betrachtung<br />
und Patientensicherheit<br />
Im Hinblick auf die Behandlung der<br />
<strong>HIT</strong> <strong>II</strong> müssen die Krankenhäuser zudem<br />
ökonomische und patientensicherheitsrelevante<br />
Aspekte berücksichtigen.<br />
Hierzu bedürfen folgende Gesichtspunkte<br />
einer weiterführenden Betrachtung:<br />
1. Welche Kosten entstehen bei der<br />
stationären Behandlung eines <strong>HIT</strong>-<br />
<strong>II</strong>-Patienten?<br />
2. Welchen Einfluss haben Komplikationen,<br />
die durch eine nicht rechtzeitig<br />
erkannte <strong>HIT</strong> <strong>II</strong> bedingt sind, auf die<br />
Krankenhausverweildauer und die<br />
Behandlungskosten?<br />
3. Kann die standardisierte primäre<br />
Gabe von Argatroban/Danaparoid<br />
als Thromboseprophylaxe bei <strong>HIT</strong>-<br />
<strong>II</strong>-Risikopatienten auf der Intensivstation<br />
Behandlungskosten für das<br />
Krankenhaus einsparen?<br />
4. Kann bei einem <strong>HIT</strong>-<strong>II</strong>-Risikopatienten<br />
mit einer Immobilisation der<br />
unteren Extremitäten im Rahmen<br />
einer ambulanten chirurgischen/<br />
konservativen Behandlung eine mögliche<br />
Behandlungslücke bestehen?<br />
5. Welchen Stellenwert hat die Prävention<br />
der <strong>HIT</strong> <strong>II</strong> aus Sicht der<br />
Patientensicherheit bei Risikopatienten?<br />
6. Hat die Arzneimittelliefersicherheit<br />
für eine <strong>HIT</strong>-<strong>II</strong>-Therapie unter<br />
Aspekten der Patientensicherheit<br />
einen besonderen Stellenwert?<br />
Methodik<br />
In dieser Übersichtsarbeit werteten wir<br />
für die Literaturrecherche nur aktuelle<br />
Publikationen zur <strong>heparininduzierte</strong>n<br />
<strong>Thrombozytopenie</strong> des Zeitraumes von<br />
2005 bis 2015 aus. Eingeschlossen wurden<br />
wissenschaftliche Veröffentlichungen,<br />
welche die Diagnostik und Behandlung<br />
der <strong>HIT</strong> <strong>II</strong> unter Berücksichtigung<br />
der für diese Indikation zugelassenen<br />
Arzneimittel (Argatroban/Danaparoid)<br />
beleuchteten, sowie Publikationen, die<br />
zudem Aussagen bezüglich des durch<br />
eine <strong>HIT</strong> <strong>II</strong> induzierten Kostenausmaßes<br />
betrafen.<br />
Verwendete Suchstrategie: <strong>Die</strong> beiden<br />
für die Indikation der <strong>HIT</strong> <strong>II</strong> zugelassenen<br />
Wirkstoffe „Argatroban“ und<br />
„Danaparoid“ wurden mit folgenden<br />
Suchbegriffen (in englischer und deutscher<br />
Sprache) kombiniert: „Heparininduzierte<br />
<strong>Thrombozytopenie</strong>“, „Thromboseprophylaxe“,<br />
„Bridging“, „Heparininduzierte<br />
<strong>Thrombozytopenie</strong> und Kosten“.<br />
Über die Verknüpfung der allgemeinen<br />
Begriffe mit den für eine <strong>HIT</strong> <strong>II</strong><br />
zugelassenen Wirkstoffen erfassten wir<br />
Quellen, die sich als Einzelkasuistiken<br />
einer sehr speziellen Thematik widmeten<br />
oder als Publikationen mit folgenden<br />
Schwerpunkten beschäftigten:<br />
4 hämatologischer, laborchemischer<br />
Schwerpunkt,<br />
4 klinische Erfahrungen zu Argatroban<br />
bzw. Danaparoid bei speziellen<br />
Patientengruppen bzw. Eingriffen<br />
im Bereich der Kardiochirurgie,<br />
Lebertransplantation, Hämodialyse,<br />
4 Thromboseprophylaxe mit Heparinen<br />
und anderen Antikoagulanzien<br />
ohne <strong>HIT</strong>-<strong>II</strong>-Zulassung,<br />
und daher in dieser Publikation keine<br />
Berücksichtigung finden konnten.<br />
Medizinökonomische Aspekte<br />
einer <strong>HIT</strong> <strong>II</strong><br />
Aspekt 1: Welche Kosten entstehen bei<br />
der stationären Behandlung eines <strong>HIT</strong>-<br />
<strong>II</strong>-Patienten? Um den medizinökonomischen<br />
Aufwand eines akutstationär behandelten<br />
<strong>HIT</strong>-<strong>II</strong>-Patienten (s. unter Abschn.<br />
„Behandlungskosten einer <strong>HIT</strong> <strong>II</strong>“)<br />
in Deutschland transparenter abzubilden,<br />
erfolgt zunächst eine kurze Darstellung<br />
des diagnostischen Pfades bei<br />
<strong>HIT</strong>-<strong>II</strong>-Verdacht. Nachfolgend wird auf<br />
die alternative antikoagulatorische Therapie<br />
basierend auf den Arzneimittelfachinformationen<br />
eingegangen.<br />
Diagnostischer Pfad<br />
In der Praxis wertet man häufig einen<br />
Thrombozytenabfall unter Heparintherapie<br />
als Verdacht auf eine mögliche<br />
<strong>HIT</strong> <strong>II</strong> und fordert aus Patientensicherheitsgründen<br />
spezifische Labortest an.<br />
Beim Verdacht auf eine <strong>HIT</strong> <strong>II</strong> erfolgt<br />
zunächst eine klinische Abklärung über<br />
das 4T-Scoring-Verfahren. <strong>Die</strong>ses basiertaufderAbfragevonvierklinischen<br />
Kriterien der <strong>HIT</strong> <strong>II</strong>, die in Abhängigkeit<br />
von der Ausprägung mit einem Punktescore<br />
von 0, 1 oder 2 bewertet werden.<br />
Folgende Kriterien werden abgefragt<br />
[30]:<br />
1. <strong>Thrombozytopenie</strong> unter Heparin:<br />
Liegt eine <strong>Thrombozytopenie</strong> vor?<br />
2. Timing der <strong>Thrombozytopenie</strong> unter<br />
Heparin: Wie ist der zeitliche Verlauf<br />
der <strong>Thrombozytopenie</strong>?<br />
3. Thrombosen: Liegen eine Thrombose<br />
oder andere Komplikationen vor?<br />
4. Andere Gründe („OTHERS“) für<br />
einen Thrombozytenabfall (Differenzialdiagnose)?<br />
In Abhängigkeit der Summe der ermittelten<br />
Punktzahl wird die weitere Vorgehensweise<br />
empfohlen [31, 32]:<br />
4 0–3 Punkte: Fortsetzen der Antikoagulation<br />
mit Heparin oder<br />
alternative Antikoagulation (AA),<br />
4 4–5 Punkte: ärztliches Ermessen, ob<br />
Heparingabe fortgesetzt wird oder<br />
AA,<br />
4 6–8 Punkte: Absetzen der Heparingabe<br />
und Therapie mittels eines<br />
alternativen Antikoagulans.<br />
Bei einem niedrigen 4T-Score (≤3) ist<br />
eine <strong>HIT</strong> <strong>II</strong> sehr unwahrscheinlich, sodass<br />
Heparin oder ein alternatives Antikoagulans<br />
weiter appliziert werden kann.<br />
Liegt eine begründete Verdachtsdiagnose<br />
auf eine <strong>HIT</strong> <strong>II</strong> vor (ab 4T-Score ≥4<br />
fakultativ,≥6obligatorisch),solltedieHeparintherapie<br />
unverzüglich gestoppt und<br />
der Patient auf eines der beiden alternativen<br />
Arzneimittel (Argatroban oder<br />
Danaparoid) umgestellt werden. Parallel<br />
sollte im 1. Schritt eine immunologische<br />
Diagnostik (z. B. PF4-ELISA, EIA)<br />
durchgeführt werden [21]. Fällt der PF4-<br />
ELISA, EIA-Test negativ oder schwach<br />
positiv aus (Konzentration (OD)