HFSnews24 Print Ausgabe 2/2017
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POLITIK<br />
JÜNGERE SEHEN MEDIZINISCHE VOLLMACHT FÜR EHE-<br />
PARTNER KRITISCH - JEDER ZWEITE MÖCHTE ZUDEM<br />
NICHT FÜR EIGENE ELTERN ENTSCHEIDEN<br />
Rund die Hälfte der Deutschen im Alter von durchschnittlich<br />
29 Jahren möchte nicht, dass ihr Partner über die<br />
med. Behandlung entscheidet, falls sie selbst bewusstlos<br />
sind.<br />
Eine noch größere Zahl fühlt sich überfordert, wenn sie für<br />
die Eltern entscheiden müsste. Aus Anlass des aktuellen<br />
Gesetzesvorhabens hat das Marktforschungsunternehmen<br />
Appinio im Auftrag von DIPAT Die Patientenverfügung über<br />
1500 Deutsche online befragt.<br />
Nach Vorstellung von Justizminister Heiko Maas (SPD) sollen<br />
Ehepartner und eingetragene Lebenspartner künftig automatisch<br />
befugt sein, in medizinischen Belangen füreinander zu<br />
entscheiden. Das Entscheidungsrecht soll Untersuchungen,<br />
Behandlungen und Operationen umfassen und gelten, wenn<br />
der Betroffene aufgrund seiner gesundheitlichen Lage<br />
nicht selbst entscheiden kann. Eine Onlineumfrage unter<br />
1504 Teilnehmern im Auftrag von DIPAT hat nun ergeben:<br />
Die Meinung junger Menschen über diese Regelung ist<br />
stark geteilt. Über 44% möchten nicht, dass ihr Ehe- oder<br />
Lebenspartner medizinische Entscheidungen an ihrer Stelle<br />
trifft. Eine noch größere Zahl der Befragten (über 47%) gibt<br />
zudem an, aus Sorge vor Fehlern selbst nicht über die Behandlung<br />
der eigenen Eltern entscheiden zu wollen.<br />
„Diese Ergebnisse zeigt das große Problem, das wir täglich<br />
auf Intensivstationen und im Rettungsdienst haben“, sagt<br />
Dr. Paul Brandenburg, Notarzt und Gründer von DIPAT.<br />
„Angehörige sind verständlicherweise schnell überfordert,<br />
wenn es um das Leben und Sterben der Familie geht. Selbst<br />
der beste Stellvertreter kann den tatsächlichen Patientenwillen<br />
nicht ersetzen. Im Ernstfall schützt nur eine wirksame<br />
Patientenverfügung.“<br />
Geplantes Gesetz geht am eigentlichen Problem vorbei<br />
Das geplante Gesetz löst aus Sicht von Brandenburg nicht<br />
das Problem: „Es ist in der Praxis schon lange so, dass<br />
Ehepartner und Angehörige den Ärztinnen und Ärzten die<br />
entscheidenden Informationen geben, wenn eine Verfügung<br />
fehlt. Das geplante Gesetz bringt also keine Besserung. Um<br />
das eigentliche Problem der Behandlungsentscheidung zu<br />
lösen, muss die Politik dafür Sorgen, dass alle Menschen<br />
in Deutschland mit wirksamen Patientenverfügungen versorgt<br />
werden. Das ist nur durch eine Onlinelösung wie<br />
DIPAT möglich. Die Krankenkassen sollten hierfür die Kosten<br />
übernehmen.“<br />
Über DIPAT<br />
DIPAT ist ein neuartiger Online-Dienst für Patientenverfügung<br />
und medizinische Notfalldaten, einschließlich Betreuungsverfügung,<br />
Vorsorgevollmacht, Organspendeangaben,<br />
Kontaktdaten von Bezugspersonen, Vorerkrankungen und<br />
Medikamenten. Es umfasst die laufende Aktualisierung aller<br />
Dokumente, ihre jederzeitige Abrufmöglichkeit für Ärzte<br />
und die Alarmierung von Kontaktpersonen im Notfall.<br />
GROSSE UNTERSCHIEDE IN DER SCHLAGANFALL-<br />
VERSORGUNG IN EUROPA<br />
Die europäische Schlaganfall Patienten-Organisation<br />
Stroke Alliance for Europe (SAFE) hat den lang erwarteten,<br />
ausführlichen Überblick über die Situation der<br />
Schlaganfall-Versorgung in Europa vorgestellt.<br />
Vor Mitgliedern des EU-Parlaments präsentierte das<br />
Präsidium von SAFE gemeinsam mit der europäischen<br />
Schlaganfall-Fachgesellschaft (ESO) die wichtigsten Forschungsergebnisse<br />
des King‘s College London aus 35<br />
europäischen Ländern.<br />
Die schlaganfall-bedingten Todesraten in Europa sind<br />
innerhalb der letzten 20 Jahre kontinuierlich gesunken.<br />
Dennoch stellt der Schlaganfall nach wie vor eine große<br />
Herausforderung dar. Patienten, die den Schlaganfall<br />
überleben, müssen mit teilweise schweren Beeinträchtigungen<br />
und Behinderungen umgehen.<br />
Die standardisierten Berechnungen des Reports zeigen<br />
auf, dass die Schlaganfall-Zahlen innerhalb der nächsten<br />
Jahre dramatisch ansteigen werden, hauptsächlich aufgrund<br />
der zunehmenden Alterung der europäischen Bevölkerung.<br />
Die von Statistikern erstellten Projektionen des „Burden<br />
of Stroke Reports“ zeigen auf, dass zwischen 2015 und<br />
2035 die Gesamtzahl der Schlaganfallereignisse in der<br />
EU um 34% ansteigen wird. Europaweite standardisierte<br />
Vergleiche sind von zentraler Bedeutung, um eine bessere<br />
Versorgung und Unterstützung für alle Schlaganfall-<br />
Betroffenen zu erzielen. Sie werden im Report durch gute<br />
Praxisbeispiele in einzelnen Ländern ergänzt.<br />
SAFE fordert jedes EU-Land auf, ein strukturiertes System<br />
der Datenerhebung zu etablieren, an der Schlaganfall-<br />
Versorgung beteiligte Einrichtungen regelmäßig im Rahmen<br />
von Audits zu überprüfen und sich dabei europaweit abzustimmen,<br />
um von guten Beispielen zu lernen. „Ein solches<br />
Vorgehen erleichtert die Einordnung und Verbesserung<br />
der Leistungsfähigkeit und beschleunigt den Prozess der<br />
Qualitätsverbesserung der Schlaganfall-Versorgung in<br />
Europa“, sagt Dr. Markus Wagner.<br />
Der Experte der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe ist<br />
gleichzeitig Vizepräsident von SAFE und stellte den Bericht<br />
im EU-Parlament vor. Viele Millionen Menschen reisten innerhalb<br />
Europas von Land zu Land. Es sei eine erschreckende<br />
Vorstellung, eine exzellente Versorgung in einem<br />
Land oder einer bestimmten Region zu erhalten und in<br />
einem anderen Land deutlich schlechtere Strukturen<br />
POLITIK<br />
vorzufinden, mit möglicherweise katastrophale Folgen bei<br />
einem Schlaganfall.<br />
Die Gesamtkosten des Schlaganfalls in Europa im Jahr<br />
2015 betrugen rund 45 Milliarden Euro. Der Report<br />
prognostiziert einen deutlichen Anstieg der direkten<br />
Gesundheitskosten als auch der indirekten Kosten. Die<br />
Hochrechnungen zeigen weiterhin, dass auch die Zahl der<br />
Menschen, die mit dem Schlaganfall als chronische Erkrankungen<br />
leben müssen, bis zum Jahr 2035 um ca. 25<br />
Prozent ansteigen wird. Auf diese Welle in einer Größenordnung<br />
von rund 1 Million zusätzlicher, mit der Erkrankung<br />
lebender Patienten im Jahr 2035 müssten sich die<br />
Gesundheitssysteme in Europa möglichst bald einstellen.<br />
Ein Schlaganfall-Aktions-Plan sei notwendig, damit der<br />
erwartete Anstieg die nationalen Gesundheitssysteme<br />
nicht vollkommen überfordere.<br />
Nach Meinung von SAFE braucht jedes einzelne EU-<br />
Mitgliedsland eine nationale Schlaganfall-Strategie, die<br />
durch die jeweilige Regierung unterstützt und getragen<br />
wird. Diese Strategie muss den gesamten Versorgungspfad<br />
abbilden: von der Bevölkerungsaufklärung und Prävention<br />
über die Diagnose und Behandlung in einer spezialisierten<br />
Schlaganfall-Station sowie der systematischen Überleitung<br />
in eine spezialisierte Rehabilitation bis in die strukturierte,<br />
ambulante Nachsorge. „Der Report zeigt auf, dass in der<br />
Akutversorgung des Schlaganfalls in den letzten Jahren<br />
viel in Europa getan worden ist und Deutschland im<br />
Vergleich eine sehr gute Versorgungsstruktur besitzt“,<br />
resümiert Markus Wagner. „Es wird aber auch sehr deutlich,<br />
dass die Strukturen der Langzeitversorgung und Unterstützung<br />
der Patienten z.B. in Bezug auf die soziale Integration<br />
in praktisch allen europäischen Ländern deutlich<br />
vernachlässigt worden sind und eine konzertierte Entwicklung<br />
von patientennahen Modellen und Strategien<br />
notwendig ist“.<br />
Den Burden of Stroke Report finden Sie hier:<br />
www.strokeeurope.eu / www.safestroke.eu<br />
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