möbel einrichtungsgegenstände dekorative kunst - Koller Auktionen
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MÖBEL, PENDULEN, BRONZEN, SPIEGEL, TAPISSERIEN UND DIVERSES<br />
1036*<br />
GEFASSTE PRUNK-KOMMODE, Louis XV, J.W. VAN DER AUVERA<br />
(Johann Wolfgang van der Auvera, gest. 1756) und F. HUNDT (Ferdinand<br />
Hundt, 1704-1758) zuzuschreiben, Würzburg um 1735/40.<br />
Weichholz ausserordentlich fein beschnitzt mit Muscheln, Girlanden,<br />
Voluten, Kartuschen, Blättern und Zierfries sowie rot gefasst<br />
bzw. teils vergoldet. Geschweifter, leicht trapezförmiger Korpus<br />
mit gebauchten Eckstollen und wellig ausgeschnittener Zarge auf<br />
kurzen eingerollten Volutenbeinen. Front mit 3 Schubladen.<br />
Ersetzte, profilierte, grau/rosa gesprenkelte Marmorplatte. Fassung<br />
restauriert. 145x66x80 cm.<br />
Provenienz:<br />
- Ehemals fürstlicher Besitz, Deutschland.<br />
- Auktion Galerie <strong>Koller</strong> Zürich am 10.11.1988 (Katalognr. 1073).<br />
- Aus einer bedeutenden, englischen Sammlung.<br />
Hochbedeutende Kommode von bestechender Qualität und Eleganz. Sie ist<br />
abgebildet in: J. Miller, World Styles from Classical to Contemporary, London<br />
2005; S. 84.<br />
J.W. van der Auvera liess sich in Rom zum Bildhauer ausbilden und arbeitete<br />
danach an der <strong>dekorative</strong>n Plastik der Würzburger Residenz. Für Würzburg<br />
1036 (Seitenansicht)<br />
1036 (Frontansicht)<br />
schuf er auch die Herkules-Gruppen der Glacis-Anlagen, grosse Grabmäler<br />
sowie zahlreiche Skulpturen für Kirchen, Kurien und Privathäuser.<br />
F. Hundt gilt als der bedeutendste Bildhauer für die Ausstattung der<br />
Würzburger Residenz. Zu seinem Frühwerk gehören die ausserordentlich fein<br />
geschnitzten Türfüllungen an der Schönborn-Kapelle am Würzburger Dom,<br />
welche den starken Einfluss der französischen Formensprache offenbaren.<br />
Hundt wird auch der wohl schönste Konsoltisch der Würzburger Residenz<br />
zugeschrieben. Hundt begann 1735 seine Arbeit an der Ausstattung der<br />
Bischofswohnung in der Würzburger Residenz, zwei Jahre später im Kabinett<br />
und Audienzzimmer, was darauf hinweist, dass Hundt schon damals als einer<br />
der fähigsten Kunstschreiner und Zieratenschneider galt. 1743 erhielt Hundt<br />
die Riesensumme von 6119 Florinen für sein Hauptwerk in der Residenz, die<br />
Schreiner- und Schneiderarbeiten im Audienzsaal, in der Gastwohnung und<br />
im Paradezimmer - diese Möbel und Schnitzereien weisen mit ihrer starken<br />
„Rocaillensprache“ grosse Parallelen mit unserer Kommode auf. Ende der<br />
1740er Jahre scheint Hundt seine Tätigkeit in Würzburg reduziert zu haben,<br />
1750 verschwand er aus den lokalen Quellen und tauchte ein Jahr später in<br />
Bruchsal auf, wo er mit 100 Florinen Jahresgehalt als Hofschreiner angestellt<br />
wurde. Hundt arbeitete hier zusammen mit dem Stuckator Feichtmayr an der<br />
Innenausstattung des Bruchsaler Schlosses von Fürstbischof Franz Christoph<br />
von Hutten und schuf dafür fast alle Schnitzereien der Prachtgemächer seitlich<br />
des grossen Marmorsaales.<br />
Hundt war technisch wie künstlerisch einer der bedeutendsten Kunstschreiner<br />
und schöpferischsten Ornamentschnitzer des deutschen Rokoko.<br />
Der Stil und die Entwicklung des Rokoko-Möbels in Franken wurden durch die<br />
Grossaufträge für die Innenausstattung der Würzburger Residenz bestimmt, die<br />
in mehreren Etappen zusammengetragen und ergänzt wurde. Eine der bedeutendsten<br />
Werkstätte um 1730/40 war jene von G.A. Guthmann, urkundlich<br />
belegt ab 1735. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich bei G.A.<br />
Guthmann um einen ursprünglich aus München angeworbenen Kunstschreiner,<br />
der mit drei seiner Familienangehörigen in Würzburg tätig war. Seine Werke<br />
zeigen den Einfluss der bayrischen Metropole und von F. Cuvilliés (1695-1768).<br />
Seine Formensprache ist die prachtvolle und lokal angepasste Weiterentwicklung<br />
der französischen Hof<strong>möbel</strong>, die in den 1730/40er Jahren in die Residenz geliefert<br />
wurden und auf die lokalen Handwerker grossen Einfluss ausübten. Die an<br />
sich bereits neuen Münchner Formen und Schnitzereien entwickelten sich im<br />
Würzburger Raum weiter. Der sehr eigenwillige Stil, geprägt von der Opulenz der<br />
französischen Régence und der Verspieltheit der Münchner Werke, wurde auf<br />
qualitativ hohem Niveau angewandt.<br />
Lit.: H. Kreisel / P. Himmelheber, Die Kunst des deutschen Möbels - Spätbarock<br />
und Rokoko, München 1974; II, S. 189ff. (mit biogr. Angaben zu Hundt) und<br />
S. 189. Thieme/Becker, Leipzig 1999; 1/2, S. 264 (biogr. Angaben zu Auvera)<br />
und 17/18, S. 138f. (biogr. Angaben zu Hundt). Gonzales-Palacios, Europäische<br />
Möbel<strong>kunst</strong> - Deutschland, München 1975; S. 49-52.<br />
CHF 160 000.- / 260 000.-<br />
(€ 100 000.- / 162 500.-)<br />
Siehe Abb.