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ReiterRevue-07-2017

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AUSBILDUNG<br />

Schrittreiten vor der Arbeit ist<br />

wichtig. Das weiß jeder Reiter.<br />

Doch was viele nicht wissen: In<br />

diesen Minuten kann man<br />

nicht nur den neuesten Klatsch<br />

und Tratsch von den Stallkollegen erfahren.<br />

Mit wenigen einfachen Übungen<br />

kann der Reiter genau diese Zeit<br />

nutzen, um sein Pferd optimal auf das<br />

anstehende Training vorzubereiten.<br />

Körperlich und geistig. Mit gut durchdachter<br />

Schrittarbeit. Der Effekt: Das<br />

Pferd ist schon beim Antraben locker<br />

und gelöst. Und die ersten Trabtritte<br />

fühlen sich gleich viel besser an –<br />

wetten?<br />

„Ich kann es nicht sehen, wenn Reiter<br />

ihre Pferde am durchhängenden<br />

Zügel daherlatschen lassen“, sagt<br />

Dressurausbilder Johann Hinnemann.<br />

Exklusiv für Reiter Revue International<br />

zeigt er, wie Reiter die Zeit vor dem<br />

ersten Antraben wirklich sinnvoll nutzen.<br />

Denn Schrittarbeit soll nicht nur<br />

die Muskeln aufwärmen und die Gelenkschmiere<br />

verteilen. Sie soll die<br />

Pferde vielmehr in den Arbeitsmodus<br />

bringen, die Konzentration fördern,<br />

lockern und lösen. Für Johann Hinnemann<br />

zählt am Ende des Tages die<br />

Durchlässigkeit eines Pferdes. „Ein losgelassenes<br />

Pferd ist nicht unbedingt<br />

durchlässig, aber ein durchlässiges<br />

Pferd ist immer zu einhundert Prozent<br />

losgelassen“, macht er den feinen Unterschied<br />

deutlich. Und mit konsequenter<br />

Schrittarbeit lassen sich auf<br />

dem Turnier in der Dressuraufgabe<br />

viele Punkte gewinnen, sagt er: „Halten<br />

und Grüßen, Schrittpirouetten<br />

oder Kurzkehrt werden nicht umsonst<br />

doppelt bewertet. Diese Lektionen haben<br />

nichts mit dem Bewegungstalent<br />

eines Pferdes zu tun.“<br />

Schrittarbeit wird erst effektiv, wenn<br />

das Pferd bereit ist, seinen Hals fallen<br />

zu lassen. Für Johann Hinnemann ist<br />

der größte Fehler des Reiters nach dem<br />

Aufsitzen der, die Zügel einfach durchhängen<br />

zu lassen, obwohl das Pferd<br />

sehr an der Umgebung interessiert ist.<br />

Der Reitmeister verrät, wie es besser<br />

geht: „Die ersten Runden im Schritt<br />

reitet man lieber am langen Zügel, bis<br />

das Pferd bereit ist, den Hals fallen zu<br />

lassen.“ Den langen Zügel definiert er<br />

als längstmögliche Verbindung zwischen<br />

Reiterhand und Pferdemaul.<br />

Gerade bei jungen Pferden ist diese<br />

Verbindung zu Beginn besonders<br />

wichtig. „Sie sind unter dem Sattel<br />

noch aufgeregt und haben ihren Kopf<br />

häufig in den Wolken“, sagt der Dressurausbilder.<br />

Auch der Sicherheitsaspekt<br />

spielt für Johann Hinnemann<br />

dabei eine große Rolle. „Am langen<br />

Zügel hat der Reiter das Pferd besser<br />

unter Kontrolle, wenn es sich doch<br />

einmal erschrickt und zur Seite<br />

springt.“ Und auch wenn das Pferd<br />

bereit ist, den Hals fallen zu lassen und<br />

der Reiter den langen Zügel zu einem<br />

hingegebenen Zügel verlängert, muss<br />

die Kontrolle über das Pferd trotzdem<br />

gewährleistet sein. Johann Hinnemann<br />

empfiehlt deshalb den einhändigen<br />

Sicherheitsgriff, mit dem sich<br />

die Zügel innerhalb kürzester Zeit<br />

nachfassen lassen (s. Kasten).<br />

Vorsicht beim Aufnehmen<br />

Idealerweise befindet sich die Maulspalte<br />

des Pferdes im entspannten<br />

Schritt auf Höhe des Buggelenks. Verkürzt<br />

der Reiter die Zügel, um Übungen<br />

zu reiten, bleibt die Nase immer leicht<br />

vor der Senkrechten. Damit es im<br />

Schritt nicht zu Taktstörungen kommt,<br />

muss der Reiter die Nickbewegung des<br />

Pferdes auch bei Verbindung zum Maul<br />

unbedingt zulassen. Dazu führt er seine<br />

Hand im Takt in der Bewegung entsprechend<br />

vor und zurück. „Manche Pferde<br />

tendieren im Schritt eher zu Taktstörungen“,<br />

mahnt Hinnemann. Die häufigste<br />

ist der Passgang. Dabei fußen die<br />

Vorder- und Hinterbeine auf einer Seite<br />

nicht nacheinander ab, sondern nahezu<br />

gleichzeitig. Die Phase, in der das<br />

gewinkelte Vorder- und das vortretende<br />

Hinterbein ein V bilden, ist nicht mehr<br />

erkennbar. Ebenso wenig der Viertakt<br />

dieser Gangart. Doch auch daran kann<br />

der Reiter schon vor dem ersten Antraben<br />

effektiv arbeiten. Ebenso an Entspannung,<br />

Motivation, Gehorsam und<br />

Geduld. Auf den folgenden Seiten gibt<br />

es für jeden die passende Übung. Und<br />

den neuesten Klatsch und Tratsch erfährt<br />

man doch viel besser nach getaner<br />

Arbeit bei einem kühlen Getränk,<br />

oder?<br />

><br />

Eine Hand führt<br />

den hingegebenen<br />

Zügel. So kann man<br />

schnell mit der anderen<br />

nachfassen.<br />

Einhändiger<br />

Sicherheitsgriff<br />

Hält der Reiter den hingegebenen<br />

Zügel mit beiden Händen<br />

rechts und links neben der<br />

Schnalle, kann er ihn im Zweifel<br />

nicht schnell genug nachfassen.<br />

Deshalb hält nur eine Hand die<br />

Schnalle des Zügels fest. Erschrickt<br />

das Pferd, kann der Reiter<br />

mit der freien Hand beide<br />

Zügel in der Faust fassen und<br />

mit der anderen Hand durchziehen.<br />

So bekommen die Zügel im<br />

Bruchteil einer Sekunde wieder<br />

ein Maß, mit dem der Reiter<br />

sein Pferd schnell unter Kontrolle<br />

bringen kann.<br />

FOTO: T. RUBEL<br />

UNSER EXPERTE<br />

Johann<br />

Hinnemann<br />

Der Reitmeister<br />

betreibt seit über<br />

40 Jahren den<br />

Krüsterhof in<br />

Voerde und bildet dort Reiter<br />

und Pferde bis zur Grand<br />

Prix-Reife aus. Gemeinsam<br />

mit Chefbereiterin Stefanie<br />

Wolf demonstriert er, wie<br />

wichtig Schrittarbeit ist.<br />

www.johannhinnemann.com<br />

Hier aktuelle Ausgabe bestellen<br />

REITER REVUE INTERNATIONAL 7/<strong>2017</strong> 21

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