Reinalter, Vögele-Stammtisch – Leseprobe
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Linie ideale Zwecke, die einem neuen Selbstverständnis der<br />
Aufklärungsbewegung und neuen kulturellen, gesellschaftlichen<br />
und praktischen Ansprüchen entsprachen.<br />
Die Bedeutung des Vereinswesens umfasste auch die soziale<br />
Schichtung, weil die Vereinstätigkeit auch Einfluss auf den sozialen<br />
Rang und den Bürger im öffentlichen Rang nahm. Das<br />
Bürgertum spielte später in der Selbstverwaltung und Politik<br />
eine zunehmend wichtige Rolle. Die Fähigkeit dazu entwickelte<br />
sie auch durch die aktive Tätigkeit in Vereinen. Im 19. und<br />
20. Jahrhundert nimmt vielfach die politische Bedeutung der<br />
Vereine zu, obwohl manche die Politik aus ihren Aktivitäten<br />
ausschlossen. Waren die Motive und Zwecke der Vereine und<br />
Zusammenschlüsse teilweise unspezifiziert, so orientierten sie<br />
sich doch am allgemeinen Leben der Menschen. Die Bildung<br />
war Selbstverständigung im Medium der Kultur. Pflege der<br />
Freundschaft, Geselligkeit und gemeinnützige Praxis standen<br />
im Vordergrund.<br />
Für die Entstehung der Vereine des 18. und 19. Jahrhunderts<br />
war die Herausbildung neuer Interessen und Bedürfnisse bedeutsam,<br />
die den Rahmen des engeren Berufsfeldes und des<br />
Standeslebens sprengten. Die neue Selbstorganisierung des<br />
Bürgers in Vereinen, Gesellschaften und <strong>Stammtisch</strong>en wurde<br />
langsam zu einem gesellschaftlichen Faktor. Sie bildeten eine<br />
bürgerliche Gesellschaft, die durch die Emanzipation der bürgerlichen<br />
Schichten ermöglicht wurde, und sie ging aus dem<br />
großen gesellschaftlichen Wandlungsprozess seit der Mitte des<br />
18. Jahrhunderts hervor. Im 19. Jahrhundert wurden die erwähnten<br />
Zusammenschlüsse politischer und waren stark beeinflusst<br />
vom Nationalismus und Patriotismus dieser Zeit. In ihrer<br />
inneren Struktur zeigte die frühe Vereinsbildung im 19. Jahrhundert<br />
einen beachtlichen Grad formaler Organisierung und<br />
ein großes Ausmaß institutioneller Verankerung demokratischer<br />
Willensbildung. Bei den <strong>Stammtisch</strong>en war die formale<br />
Organisierung auf ein Mindestmaß beschränkt, weil es häufig<br />
keine Statuten gab.<br />
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zu einer<br />
Ausbreitung der Vereine, Gesellschaften und <strong>Stammtisch</strong>e.<br />
Dies war vor allem darauf zurückzuführen, dass in die erwähnten<br />
Sozietäten im steigenden Maß auch unterbürgerliche<br />
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