Ghibellinia geht, Germania kommt! - Burschenschaftsgeschichte
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eröffnete“, diente der Unterstützung des „Deutschtums im Grenzland“, vorrangig mit<br />
schulischen Mitteln. Er wandte sich gegen die zunehmende Slawisierung sowie die<br />
Abwanderung der deutschen bäuerlichen Bevölkerung und war ein Ausdruck des<br />
Bestrebens der Deutschnationalen, Österreichs „deutschen Charakter“ um jeden Preis<br />
zu erhalten. Denn das „Deutschtum in Österreich“ habe „nicht die Kraft und den<br />
Wunsch [...], fremde Völker zu germanisieren, sondern [...] allein [...] die Aufgabe<br />
[...], Deutsche vor dem Verlust ihres Volkstums zu schützen“. Die meisten nationalen<br />
Politiker traten dem sich defensiv verstehenden aber oft offensiv handelnden<br />
Schulverein alsbald bei, der seine besondere Stellung auch dem Umstand verdankte,<br />
daß er vor der Schaffung eigener deutschfreiheitlicher Parteiapparate für diese Ersatz<br />
bot und in diesem Sinne eifrig genutzt wurde. 68 Im Februar 1881 zählte der<br />
Schulverein bereits 22000 Mitglieder, verfügte über ein Vermögen von 55000 Gulden<br />
und hatte 41 deutsche Schulen gegründet. 1887 betreute der Verein über achtzig<br />
Schulen und Kindergärten, seine Mitgliederzahl war auf 120000 gestiegen und er<br />
verbuchte 285000 Gulden Jahreseinnahmen. 1912 gab es vor allem an der<br />
„Sprachgrenze“ in Böhmen und Mähren 112 Schulen und 27 Kindergärten. 69<br />
Der Einfluß der Verbindungen war „im Bereich der Schutzarbeit enorm“. Die<br />
Führungspersönlichkeiten waren meist Alte Herren und die Schutzarbeit vor Ort<br />
wurde „in hohem Ausmaße“ von den Aktiven gestaltet, die in den Semesterferien als<br />
freiwillige Lehrer, Archivare, Bibliothekare und Musiker im „‚deutschvölkischen‘<br />
Sinne“ arbeiteten und damit zugleich „nationale Volksbildung“ trieben, die auf die<br />
Landbevölkerung und vor allem die ländliche Jugend identitätsstiftend und national<br />
immunisierend wirken sollte. 70 Gründungsmitglied der Prager Ortsgruppe des<br />
Deutschen Schulvereins am 8. Nov. 1880 war Barden, womit „die nationalen<br />
Bestrebungen herausgestellt wurden“ und die „damit zum Begründer der studentischen<br />
Grenzlandarbeit überhaupt“ wurde. 71 Die Sängerschaft veranstaltete Mitte des<br />
nächsten Jahres gemeinsam mit den Prager deutschnationalen Männergesangvereinen<br />
und der Sängerriege des Deutschen Männerturnvereins ein großes Konzert, dessen<br />
Erlös dem Schulverein zukam und betätigte sich in den nächsten Jahren vor allem<br />
kulturell in deutschen Orten an der Sprachgrenze. 72 Anläßlich einer Sängerfahrt nach<br />
Haida zu Pfingsten 1896 wurde Barden von den anwesenden „Grenzlanddeutschen“<br />
68 Zur Organisation der deutschfreiheitlichen Parteien: Höbelt, Kornblume (wie Anm. 15), S. 290 f.<br />
69 Mölzer, Korporationen (wie Anm. 15), S. 216 f. Tébenszky, Thessalia Prag (wie Anm. 21), S. 14.<br />
Grundlegend: Monika Streitmann, Der Deutsche Schulverein vor dem Hintergrund der österreichischen<br />
Innenpolitik 1880–1918, Diss. phil. Graz 1984. Gerhard Weidenfeller, VDA. Verein für das Deutschtum im<br />
Ausland. Allgemeiner Deutscher Schulverein (1881–1918). Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen<br />
Nationalismus und Imperialismus im Kaiserreich, Bern, Frankfurt a. M. 1976 (= Europäische<br />
Hochschulschriften, Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 66). Vgl. Höbelt, Kornblume (wie<br />
Anm. 15), S. 69 f.<br />
70 Mölzer, Korporationen (wie Anm. 15), S. 219 f. Knoblich, Bardengeschichte (wie Anm. 1), S. 98: „Auch im<br />
Abwehrkampf des Sudetendeutschtums gegen die Tschechen stellten die Mitglieder der Verbandsbezirke [=<br />
Alten Herren, H. L.] ihren Mann. Viele waren führend tätig in den deutschen Schutzvereinen, Turnvereinen und<br />
Gesangvereinen.“ Vgl. Krail, Alma mater Pragensis (wie Anm. 22), S. 129.<br />
71 Knoblich, Bardengeschichte (wie Anm. 1), S. 38, 146.<br />
72 Konzert am 24. Juni 1881. Knoblich, Bardengeschichte (wie Anm. 1), S. 16, 35. Vgl. Terzi, Sängerwesen (wie<br />
Anm. 25), S. 112. In den bürgerlichen Gesang- und Turnvereinen gab es eigene Burschenschafterriegen. Krail,<br />
Alma mater Pragensis (wie Anm. 22), S. 68, 80.