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Ghibellinia geht, Germania kommt! - Burschenschaftsgeschichte

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sind mit den Problemen der einzelnen politisch-gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen<br />

verzahnt. 8<br />

Während der keiner Korporation angehörende Student nur mehr die Statistik<br />

bereichert und mangels Hinterlassung von Quellen für die Geschichtsforschung kaum<br />

greifbar ist, hat der Beitritt zu einer Verbindung den Charakter eines<br />

(weltanschaulichen) Bekenntnisses. Der Student gewinnt Konturen, indem er für die<br />

Prinzipien seiner Verbindung einsteht und sie lebt. Aber durch die Traditionspflege<br />

der Korporationen überlebt er auch, bleibt er in seiner Zeit für die folgenden<br />

Generationen sichtbar, wird Beispiel. Der Innsbrucker Historiker Michael Gehler<br />

stellte folglich fest: „Studentengeschichte ist in erster Linie Geschichte der<br />

Korporationen.“ 9 Dabei muß allerdings klar sein, daß sich hinter ähnlichen<br />

Lebensformen gänzlich verschiedene Zielsetzungen verbergen, die von der betont<br />

„deutschen“ Burschenschaft bis zu den katholischen Korporationen der Zeit nach dem<br />

Kulturkampf reichen.<br />

Die Situation an den Prager Universitäten – der 1882 geteilten Karl-Ferdinands-<br />

Universität und der Technischen Hochschule – war im 19. und 20. Jahrhundert<br />

gekennzeichnet durch deutschen und tschechischen Nationalismus. Offen aufgeflammt<br />

war er erstmals im Frühjahr 1872, als die deutschen Studenten eine Deputation zur<br />

Gründung der Straßburger Kaiser-Wilhelms-Universität unter Führung des Rektors,<br />

des Historikers Konstantin von Höfler, entsandten, was Protestaktionen und<br />

Protesttelegramme der tschechischen Studenten an Léon Gambetta und den<br />

französischen Schriftsteller Ernest Denis auslöste. 10 Rund vierzig Jahre später – 1911 –<br />

sprach Prof. Dr. August Sauer vom Nationalismus als dem „Lokalgenius“ seiner<br />

Hochschule: „Auf fremdem Boden stehend, ist unsere Hochschule eine<br />

Kampfuniversität. Das bleibende Vorhandensein der deutschen Studenten in Prag, ihr<br />

Erscheinen, ihre deutschen Farben, ihr deutsches Wort, das deutsche Lied [...]<br />

bedeutete gewissermaßen ein Programm hier in Prag und im Lande.“ 11 Der deutsche<br />

Nationalismus speiste sich aus mehreren Quellen, die sich mit dem deutschnationalen<br />

Schlagwort von „Einheit und Reinheit“ umschreiben lassen. Einmal waren die in der<br />

alten 1848er Tradition stehenden, liberal-großdeutschen Österreicher durch den Krieg<br />

von 1866 von der Bismarckschen Reichsgründung 1871 ausgeschlossen worden, was<br />

bei dauernden und ständig zunehmenden nationalen Überwältigungsängsten durch die<br />

anderen „Nationen und Natiönchen“ der Monarchie die Konzentration auf die<br />

Festigung der deutschen Vorherrschaft in einem Staat bedeutete, der seit 1867 – dem<br />

österreichisch-ungarischen Ausgleich – kein rein deutscher Staat mehr war. Den<br />

liberal-großdeutschen gegenüber standen die alldeutsch-deutschnationalen oder<br />

8 Detlef Grieswelle, Korporationen und Karrieren. Die soziale Rekrutierungsfunktion der Verbindungen, in:<br />

Harm-Hinrich Brandt, Matthias Stickler (Hrsg.), „Der Burschen Herrlichkeit“. Geschichte und Gegenwart des<br />

studentischen Korporationswesens, Würzburg 1998 (= Historia academica. Schriftenreihe der<br />

Studentengeschichtlichen Vereinigung des Coburger Convents, Bd. 36), S. 421–448.<br />

9 Michael Gehler, Studenten und Politik. Der Kampf um die Vorherrschaft an der Universität Innsbruck 1918–<br />

1938, Innsbruck 1990 (= Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte, Bd. 6), S. 11.<br />

10 Adolf Siegl, Die Prager deutschen Hochschulen und ihre Studenten in den Jahren von 1870 bis 1914, in: Einst<br />

und Jetzt. Jahrbuch des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung 21 (1976), S. 95–133, hier S. 99–<br />

100. Vgl. Gustav Adolf Anrich, Ehemalige Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg, in: Doeberl 1 (wie Anm. 2),<br />

S. 373–384. Paulgerhard Gladen, Straßburg, o Straßburg. Deutsches Burschenleben in einer wunderschönen<br />

Stadt, in: Einst und Jetzt. Jahrbuch des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung 43 (1998), S. 81–94.<br />

11 Knoblich, Bardengeschichte (wie Anm. 1), S. 229 f.

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