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KUNSTINVESTOR AUSGABE AUGUST 2017

KUNST ALS KAPITALANLAGE AUSGABE AUGUST 2017 Chefredakteur: Michael Minassian

KUNST ALS KAPITALANLAGE
AUSGABE AUGUST 2017
Chefredakteur: Michael Minassian

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KUNST.INVESTOR Kunsthalle Wien Karlsplatz<br />

Die Parole Work it, feel it! steht aber nicht nur als<br />

ironische Losung für eine freiwillige Unterwerfung unter<br />

moderne Arbeitsbedingungen. Sie soll auch an die<br />

(zum Teil unbewussten) Momente des Widerständigen<br />

gemahnen: Affekte bzw. Symptome wie Burnout,<br />

Depression, Nervosität und physische Erkrankungen<br />

werden als gängige Begleiterscheinungen betrachtet.<br />

Was aber, wenn sie als Signale körperlichen<br />

Widerstands gelesen würden? So zeigt die Künstlerin<br />

Sidsel Meineche Hansen in The Manual Labour Series<br />

eine von monotoner Belastung beanspruchte Hand und<br />

eine Kartographie des autonomen Nervensystems, das<br />

ohne bewusste Steuerung arbeitet und in dem nervöse<br />

Erschöpfungszustände ihre Wurzel haben. Ihre<br />

Holzskulptur ONEself wiederum zeigt einen<br />

hypersexualisierten Frauenkörper. Die Vorlage dafür<br />

hat die Künstlerin von einer Firma erworben, die 3D-<br />

Modelle menschlicher Körper für Computerspiele und<br />

die digitale Unterhaltungsindustrie entwickelt. Auf<br />

einem Bürostuhl sitzend, den Kopf im Rachen einer<br />

riesigen Schlange, erscheint die gesichtslose, hybride<br />

Skulptur als Maskottchen eines gefräßigen<br />

Kapitalismus. Nur der Schlaf entzieht sich der<br />

Verwertung und ökonomischen Vereinnahmung. Er<br />

scheint unvereinbar mit modernen Vorstellungen von<br />

Produktivität. An der Überwindung bzw.<br />

Nutzbarmachung des Schlafes wird deshalb intensiv<br />

geforscht. Wir werden angehalten möglichst effektiv zu<br />

schlafen, um ebenso effektiv arbeiten zu können. Noch<br />

lässt sich das Bedürfnis nach Schlaf zwar bis zu einem<br />

gewissen Grad korrigieren, aber nicht eliminieren.<br />

Danilo Correales Videoarbeit No More Sleep No More<br />

präsentiert Schlaf denn auch als Form des Widerstands<br />

oder gar Protests: Die auf Interviews mit verschiedenen<br />

Expert/innen basierende Videoinstallation untersucht<br />

die biologische, gesellschaftliche und historische Rolle<br />

von Schlaf und damit die Ideologie des<br />

Neoliberalismus, auch diese Bastion körperlichen<br />

Widerstands gegen eine allumfassende Verwertung zu<br />

erobern. Einhergehend mit flexibilisierten und<br />

prekarisierten Arbeitsverhältnissen sehen sich<br />

Arbeiter/innen gezwungen, sich als Unternehmen zu<br />

begreifen und sich selbst als Produkt zu vermarkten.<br />

Die Rolle von Künstler/innen ist in dem Zusammenhang<br />

höchst ambivalent. Auch wenn sie häufig als kritische<br />

Stimmen gegenüber den Logiken kapitalistischer<br />

Verwertung auftreten, sind sie zugleich ein<br />

Paradebeispiel der kreativen, flexiblen und vermeintlich<br />

selbstbestimmten Arbeit. Das Künstler/innenkollektiv<br />

Apparatus 22 markiert in poetischen, auf Leder<br />

tätowierten Texten den menschlichen Körper als<br />

umkämpften Ort gesellschaftlicher Normen. Apparatus<br />

22 führt aber auch das Kunstsystem selbst vor, das<br />

gerne von sich behauptet, nach den Regeln von<br />

Kreativität, Freiheit und Individualismus zu<br />

funktionieren. Mit ihrer Performance Art is Work, die im<br />

Rahmen der Eröffnung gezeigt wird, hinterfragen sie<br />

den Wert künstlerischer Arbeit und entlarven den<br />

institutionellen Kunstbetrieb selbst als ausbeuterisches<br />

System. [Kunsthalle Wien Karlsplatz. Dauer 21. Juni bis<br />

10. September <strong>2017</strong> (Foto: Kunsthalle Wien)]<br />

Künstler/innen: Apparatus 22, Hannah Black, Danilo Correale, Juliette Goiffon / Charles Beauté, Louise Hervé / Chloé<br />

Maillet, Shawn Maximo, Sidsel Meineche Hansen, Toni Schmale, Romana Schmalisch / Robert Schlicht, Visible<br />

Solutions (Kuratorin: Anne Faucheret. Ko-Kuratorin: Eva Meran)

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