s'Magazin usm Ländle, 10. September 2017
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SCHULSTART<br />
<br />
Sebastian Ratz im Park vordem Wiener<br />
Rathaus: Seiner Funktion bei der<br />
Schülerunion wegen ist der<br />
Bregenzerwälder im vergangenen Herbst<br />
in die Bundeshauptstadt gesiedelt.<br />
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–wenn sich Schüler für eine politische<br />
Veranstaltung interessieren,<br />
sollten sie auch hingehen dürfen. Im<br />
Übrigen haben wir kurz davor eine<br />
Veranstaltungzum Thema Flüchtlinge<br />
abgehalten –und zwar mit Vertretern<br />
aller Parteien. Gleiches planen<br />
wir auch anlässlich der Nationalratswahl.<br />
In allen Bundesländern sollen<br />
Schüler die Möglichkeit haben, eine<br />
Podiumsdiskussion mit Vertretern<br />
aller Parteien zu besuchen. Weit<br />
wichtiger wäre freilich, dass Fach<br />
Politische Bildung endlich in den<br />
Unterrichtaufzunehmen.<br />
Wo würdest Du dich denn allgemein<br />
politisch verorten?<br />
Ich stehe eher in der Mitte. Generell<br />
wünsche ich mir eine ehrliche Politik<br />
ohne diesen ganzen Inszenierungsquatsch.<br />
Dieser hat in Österreich leider<br />
überhand genommen –und zwar<br />
bei allen Parteien. Wir brauchen eine<br />
Kultur, in welcher Probleme offen<br />
angesprochen werden dürfen, ohne<br />
dafür gleich diskreditiertzuwerden.<br />
Emanuel Walser<br />
Fotos: KRISTIAN BISSUTI<br />
Die Mäuse<br />
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Keiner wusste, wieso der Streit angefangen hatte.<br />
Sie sahen das zornige Gesicht Ludwigs, die stolzen<br />
Augen, mit denen er sie anblitzte, und das stachelte<br />
sie noch mehr an. Langsam kreisten sie Ludwig ein.<br />
„Fliegengewicht“,rief ein stimmbrüchiger Junge mit<br />
muskulösen Oberarmen, „ich dreh dir ein Ohr ab!“<br />
Ludwig stand wie versteinert.Erwar zart und<br />
schmächtig,aber seine Augen funkelten vorEntschlossenheit.Der<br />
muskulöse Junge hätte nur zulangen<br />
müssen, und der Winzling wäreimDreck gelegen.<br />
Aber er zögerte. Nicht,weil er Angst hatte,<br />
sondern weil ihn Ludwigs Augen irgendwie befremdeten.<br />
Die Szene fror ein wie auf einem Standbild.<br />
Selbst die Regentropfen in der kalten Herbstluft<br />
blieben stehen. Da rief ein schwarzhaariges, großes<br />
Mädchen: „Jetzt hau ihm doch endlich in die Fresse!<br />
Der hat ja nicht einmal eine Mutter!“ Der Stimmbrüchige<br />
zögerte noch immer.Auch die übrigen Kinder<br />
zögerten.<br />
Als Ludwig das hörte, spürte er,wie ihm die Arme<br />
und Hände plötzlich weich wurden. Und er ahnte sofort,dass<br />
die Macht seiner Augen, der unantastbare<br />
Stolz,versagen würde. Auch die Kinder merkten es.<br />
Noch ehe er weglaufen konnte, hatte ihn der Muskulöse<br />
am Arm gepackt und begonnen, auf ihn einzuschlagen.<br />
„Geh in den Puff und besorgdir eine<br />
Mutter!“,schrie ein anderer Junge entzückt und<br />
langte auch zu. Ludwig stellte sich leblos. Er lag da<br />
wie ein Sandsack. Mäuse machen das, hatte er mal<br />
gelesen. Die stellen sich tot,damit die Katzedie Lust<br />
am Spielen verliert.Wenn dann der Moment gut ist,<br />
hauen sie ab. Der günstige Moment kam nicht,im<br />
Gegenteil, Ludwigs Wehrlosigkeit stachelte den<br />
Stimmbrüchigen erst recht an. So kann man sich<br />
täuschen, dachte Ludwig. Der Speichel schmeckte<br />
nach Eisen. Ludwig wusste, dass er blutete. Schmerz<br />
verspürte er nicht.Der Muskulöse öffnete die Hose<br />
und pinkelte auf Ludwigs Gesicht.„Danke“,flüsterte<br />
Ludwig. „Dankedafür.“ Das erzürnte das schwarzhaarige<br />
Mädchen so sehr,dass auch es mit seinen<br />
knallroten Pumps auf Ludwig einzutreten begann.<br />
s’Magazin 9