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ECONOMICS & FINANCE<br />

PRIVATE<br />

BANKING<br />

«Es lässt sich in jedem Umfeld Geld verdienen»<br />

Interview mit Burkhard Varnholt,<br />

Global Head of Research Credit Suisse Private Banking<br />

Foto: Pia Zanetti<br />

DANIEL HUBER An der Börse ist die Euphorie<br />

der Neunzigerjahre einer allgemeinen Ernüchterung<br />

gewichen. Hat die Aktie als<br />

Anlagemittel ausgedient?<br />

BURKHARD VARNHOLT Zurzeit ist die Investition<br />

in Aktien sicher mit höheren Risiken<br />

verbunden. Ein Blick auf die Entwicklung<br />

des Dow Jones Index über die letzten 100<br />

Jahre zeigt, dass es im Börsengeschäft<br />

längst nicht immer mit zweistelligen Zuwachsraten<br />

aufwärts ging. So verharrte<br />

der Dow Jones zwischen 1963 und 1983<br />

zwanzig Jahre lang praktisch auf dem<br />

gleichen Level von 1000. Auf der anderen<br />

Seite stieg er von 1983 bis heute von<br />

1000 auf 11 000.<br />

D.H. Und dort wird er in den nächsten Monaten<br />

wohl auch bleiben.<br />

B.V.Tatsächlich gibt es ein zunehmendes<br />

Risiko, dass der Dow Jones und damit auch<br />

all die anderen Aktienmärkte, die immer<br />

enger mit dem amerikanischen verknüpft<br />

sind, sich mittelfristig wenig nach oben<br />

bewegen. Dafür spricht auch, dass die bereits<br />

korrigierten Bewertungen immer noch<br />

als fair und nicht etwa als billig bezeichnet<br />

werden müssen. Daneben signalisieren<br />

die wirtschaftlichen Fundamentalwerte<br />

weltweit eine synchrone Abschwächung.<br />

Gerade in Europa ging die Konjunktur viel<br />

schneller und stärker zurück, als viele<br />

Beobachter erwartet oder gehofft hatten.<br />

D.H.Und wie lange wird diese Abschwächung<br />

in Europa noch anhalten?<br />

B.V.Vermutlich länger als in den USA. Die<br />

Amerikaner haben den Vorteil, dass ihre<br />

Arbeitslosigkeit zurzeit dramatisch steigt.<br />

D.H. Und wo liegt da der Vorteil?<br />

B.V. Die amerikanischen Unternehmen<br />

haben die Möglichkeit, relativ kurzfristig<br />

Leute zu entlassen. Dadurch können sie<br />

ihre Kosten senken und ihre Gewinne<br />

wieder schneller in die Balance bringen. In<br />

Europa geht das nicht so einfach.<br />

D.H. Was bedeutet das für die europäische<br />

Konjunkturentwicklung?<br />

B.V. Der Konjunkturzyklus schlägt zwar<br />

nicht gleich vehement aus wie in Amerika,<br />

aber dafür regeneriert er sich wahrscheinlich<br />

auch langsamer. Es kommt jedenfalls<br />

sicher nicht zu einer v-förmigen Erholung.<br />

Es wird wohl eher eine Banane werden.<br />

D.H. Kehren wir noch einmal zum Dow Jones<br />

zurück. Übers ganze letzte Jahrhundert<br />

betrachtet gings tendenziell doch immer<br />

aufwärts. Lässt das nicht für die Zukunft<br />

hoffen?<br />

B.V. Das Entscheidende ist immer der<br />

Zeitpunkt, zu dem man einsteigt. Es gab<br />

immer wieder Investoren, die den dümmsten<br />

Zeitpunkt erwischten und danach zehn<br />

Jahre lang Geld verloren.<br />

D.H. War der letzte Herbst wieder einer dieser<br />

dümmsten Zeitpunkte?<br />

B.V. Speziell günstig war er sicher nicht.<br />

Allerdings sind auch noch keine zehn Jahre<br />

vergangen. Leute, die 1966 bei einem<br />

Dow Jones Level von 1000 einstiegen,<br />

mussten sich 1978, also zwölf Jahre später,<br />

mit einem Index von 850 begnügen.<br />

Die Geschichte mit «langfristig steigen die<br />

Aktien immer» ist eine statistische Aussage,<br />

die zwar beruhigend ist, aber sehr stark<br />

vom Zeitpunkt des Einstiegs abhängt.<br />

D.H.Lässt sich in dieser schwierigen Situation<br />

an der Börse überhaupt noch Geld verdienen?<br />

B.V. Man kann in jedem Umfeld Geld<br />

verdienen. Nur benötigt man heute andere<br />

Strategien. Die richtige Antwort auf den<br />

explodierenden Bullenmarkt der letzten<br />

Jahre war die «buy and hold»-Strategie.<br />

Aber im momentanen<br />

Trading-Markt,<br />

der geprägt ist von<br />

schnell aufeinander<br />

folgenden Hochs<br />

und Tiefs, kann<br />

man nur Geld verdienen, wenn man sehr<br />

schnell und flexibel auf neue Trends reagieren<br />

kann.<br />

D.H. Somit ist die heutige Zeit auch ein<br />

Gradmesser für das Können eines Investment-Managers?<br />

B.V. Das ist sicher so – vor allem bei<br />

Managern von Anlagen, die nicht direkt mit<br />

der Marktentwicklung zusammenhängen.<br />

So kann ein solcher marktneutraler Fonds<br />

in einem schwierigen Umfeld schnell einmal<br />

20 Prozent Plus, aber auch 20 Prozent<br />

Minus machen. Bei einem marktbasierten<br />

Fonds sind es zum Benchmark selten<br />

mehr als plus oder minus fünf Prozent.<br />

D.H. Mit anderen Worten, professionelles<br />

Know-how wird immer wichtiger. Ist das<br />

das Ende des Kleinanleger-Booms?<br />

B.V. Davon sind nicht nur kleine Anleger,<br />

sondern auch grosse und institutionelle<br />

Anleger betroffen. Es ist das Ende des<br />

passiven Investierens, des «Kaufen und<br />

Augen zu»-Investierens, wie es jahrzehntelang<br />

gepredigt wurde.<br />

D.H. Ist Credit Suisse Private Banking auf<br />

diese arbeitsintensivere Form der marktneutralen<br />

Vermögensverwaltung vorbereitet?<br />

B.V. Wir haben die entsprechenden<br />

Leute, die notwendige Technologie und<br />

vor allem auch die notwendige Grösse.<br />

Dadurch können wir nicht nur die besten<br />

Manager auswählen, sondern bekommen<br />

auch Zugang zu ihnen. Viele unabhängige<br />

Topmanager nehmen von anderen Instituten<br />

gar kein neues Geld mehr an.<br />

Credit Suisse<br />

Bulletin 4|<strong>01</strong><br />

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