Wisidanger 2.pdf - Wiesendangen
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DORFLISI<br />
De <strong>Wisidanger</strong> 34<br />
Meistens bewege ich mich ja im Dorf.<br />
Hier kann ich Geld abheben und<br />
ausgeben, Neuigkeiten austauschen<br />
und zu jeder Jahreszeit bädelen.<br />
Zwischendurch jedoch verspüre<br />
selbst ich den Drang nach aussen.<br />
Ich spaziere Richtung Buch und<br />
Bertschikon, manchmal leiste ich mir<br />
in Winterthur eine Shoppingtour oder<br />
ich besuche meinen Bruder in<br />
Oberhelfenschwil.<br />
Beim letzten Mal fiel mir die Rückkehr<br />
nicht leicht. Muss ich gestehen. Ich fuhr<br />
also von der Autobahn her Richtung<br />
Dorf, grüsste links nett die Kreuzstrasse<br />
und tauchte unter der<br />
Bahn hindurch. Was warf sich<br />
dann meinen Augen entgegen?<br />
Wände, Scheiben, Kranen. Klötze<br />
von Häusern, neue und bald<br />
fertige. Ich war dermassen<br />
gebannt<br />
von dieser<br />
Anhäufung<br />
geschachtelter<br />
Wohnlichkeit,<br />
dass ich meine<br />
Nachbarin<br />
auf dem Fussweg<br />
übersah.<br />
Am Abend kassierte<br />
ich ihren<br />
Rüffel, denn sie verträgt es nicht, wenn<br />
man sie links liegen lässt. Wie wir uns<br />
bei einem Apéröli so gegenseitig wieder<br />
beruhigen, erklärt sie mir, weshalb dieser<br />
Dorfeingang in dieser Aufmachung daher<br />
kommt und nicht anders. Die Pendler<br />
sind schuld. Ihnen, die sie per Zug oder<br />
Autobahn aus Zürich, Winterthur oder<br />
einer anderen City nach Hause strömen,<br />
muss der sogenannte Post-Job-Schock<br />
erspart bleiben. Wer sich tagsüber den<br />
Anblick von Häuserfronten gewohnt ist,<br />
soll zum Feierabend wieder behutsam<br />
an ländliches Erscheinungsbild<br />
herangeführt werden. Deshalb zuerst<br />
diese Prise Siedlung en bloc. Das hat<br />
mir meine Nachbarin erzählt. Und<br />
ich glaube ihr, denn sie hat meistens<br />
recht, wenn es um die Psyche geht. Da<br />
hat sie mir doch letzthin anvertraut,<br />
der vom übernächsten Haus habe sich<br />
mit der schräg gegenüber zusammen<br />
getan, weil der tiefinnerste Antrieb es so<br />
verlangte … Menschenkenntnis hat sie.<br />
Doch zurück zum Thema. Für mich als<br />
Nichtpendlerin bringt der Anblick rein<br />
gar nichts. Die Routen übers Steinegg<br />
oder Hinteregg sind mir zu kompliziert,<br />
und die Einfahrt via Rietsamen macht<br />
mich wegen des Friedhofs immer etwas<br />
melancholisch. Deshalb nehme ich<br />
nächstes Mal, wenn ich aus Oberhelfenschwil<br />
komme, die Ausfahrt Attikon und<br />
falle ganz von Osten her ein. Diese lange<br />
Bolzerstrecke von Bertschikon mag ich,<br />
freie Fahrt, freie Natur – und dann der<br />
Anflug aufs Dorf: rechts die properen<br />
Einfamilienhäuser, links der Weitblick<br />
aufs Durcheinander im Langen, auf<br />
Feld, Wiesen und Wald. Aber was, wenn<br />
sie dort den Golfplatz hinpflanzen?<br />
Muss ich dann – unabhängig davon,<br />
ob ich die Sandhaufen und Greens als<br />
schön und nötig empfinde oder nicht –<br />
jedes Mal daran erinnert werden, wie<br />
man mich in meiner Jugend im Minigolf<br />
ausgelacht hat, weil diese Löcher immer<br />
so klein waren. Was bleibt mir dann?<br />
Der Kistenpass ist auch Golfrevier!<br />
Ich wage mich nur noch nachts ins Dorf<br />
zurück.