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ZESO_2-2015_ganz

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SKOS CSIAS COSAS<br />

Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe<br />

Conférence suisse des institutions d’action sociale<br />

Conferenza svizzera delle istituzioni dell’azione sociale<br />

Conferenza svizra da l’agid sozial<br />

ZeSo<br />

Zeitschrift für Sozialhilfe<br />

02/15<br />

Flüchtlinge und Sozialhilfe steigende zahlen, wachsender<br />

problemlösungsbedarf richtlinienrevision eckpunkte und weiteres vorgehen<br />

umfrage wie die mitglieder das dienstleistungsangebot der skos beurteilen


SKOS CSIAS COSAS<br />

Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe<br />

Conférence suisse des institutions d’action sociale<br />

Conferenza svizzera delle istituzioni dell’azione sociale<br />

Conferenza svizra da l’agid sozial<br />

SKOS-WEITERBILDUNG<br />

Einführung in die öffentliche Sozialhilfe<br />

Montag, 9. November <strong>2015</strong> , 13 Uhr bis 18 Uhr<br />

Hotel Arte in Olten<br />

In der Praxis stellen sich Fachleuten und Behördenmitgliedern komplexe Fragen. Rechtliches Wissen ist<br />

ebenso gefragt wie methodisches Handeln und Kenntnisse des Systems der sozialen Sicherheit. Die<br />

Weiterbildung der SKOS nimmt diese Themen auf. Es werden Grundlagen zur Armutsproblematik und<br />

zur Ausgestaltung der Sozialhilfe vermittelt, Verfahrensgrundsätze thematisiert und das Prinzip der<br />

Subsidiarität erläutert. Die Veranstaltung richtet sich an Mitglieder von Sozialbehörden, Fachleute der<br />

Sozialen Arbeit und Sachbearbeitende von Sozialdiensten, die neu in der Sozialhilfe tätig sind.<br />

Programm und Anmeldung: www.skos.ch Veranstaltungen<br />

Soziale Arbeit<br />

Weiterbildung<br />

Machen Sie mehr aus sich.<br />

Und aus unserer Gesellschaft.<br />

Egal, in welchem Handlungsfeld Sie tätig sind: Eine<br />

Weiterbildung in Sozialer Arbeit an der ZHAW bringt<br />

Sie gezielt vorwärts. Mit CAS, DAS, MAS und Kursen<br />

zu allen relevanten Schwerpunktthemen:<br />

• Kindheit, Jugend und Familie<br />

• Delinquenz und Kriminalprävention<br />

• Community Development und Migration<br />

• Soziale Gerontologie<br />

• Sozialmanagement<br />

• Supervision, Coaching und Mediation<br />

• Sozialrecht<br />

Zürcher Fachhochschule<br />

Neu: CAS Sozialversicherungsrecht in Zürich<br />

Im August 2016 wird dieser CAS am Standort Zürich<br />

angeboten, im neuen Hochschulcampus Toni-Areal. Er<br />

gibt einen Überblick über das geltende Recht. Die einzelnen<br />

Sozialversicherungen werden anhand vielfältiger<br />

Unterrichtsmaterialien übersichtlich dargestellt und<br />

mittels Fallbeispielen aus der Praxis vertieft erläutert.<br />

www.sozialearbeit.zhaw.ch<br />

ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften<br />

Departement Soziale Arbeit, Hochschulcampus Toni-Areal<br />

Pfingstweidstrasse 96, 8005 Zürich, Telefon +41 58 934 86 36<br />

Inserat_<strong>ZESO</strong>_05.indd 1 04.05.<strong>2015</strong> 09:35:31


Michael Fritschi<br />

Verantwortlicher Redaktor<br />

im interesse des <strong>ganz</strong>en<br />

Unsere Alltagssprache saugt geschliffene Ausdrücke aus der<br />

Welt der Opinion Leader gerne auf. Hier ein paar Beispiele:<br />

Das Tempo, mit dem die SKOS die Teilrevision der Sozialhilfe-<br />

Richtlinien in den vergangenen Monaten vorangetrieben hat,<br />

ist «sportlich». Dies umso mehr, als die Inhalte der Teilrevision<br />

einem föderalen Meinungsfindungsprozess unterliegen.<br />

Dank, dass dies möglich ist, gebührt den siebzig Prozent<br />

der SKOS-Mitglieder, die sich Anfang Jahr trotz Termindruck<br />

an der Vernehmlassung beteiligt haben, und den Vorstandsmitgliedern,<br />

die sich trotz teilweise unterschiedlichen<br />

Haltungen «in the greater interest» auf eine gemeinsame<br />

Stossrichtung verständigt haben. Dank gebührt auch der<br />

Sozialdirektorenkonferenz SODK, die die politische Verantwortung<br />

für die SKOS-Richtlinien geschlossen mitträgt, für<br />

ihr «Commitment». Der Revisionsprozess ist allerdings<br />

noch nicht abgeschlossen, es handelt sich derzeit noch um<br />

«work in progress» (vgl. Berichte auf Seiten 4 und 8-9). Die<br />

«Updates» zu den weiteren Entwicklungen können Sie in<br />

den nächsten <strong>ZESO</strong>-Nummern und – um einiges aktueller! –<br />

auf der SKOS-Website und im Newsletter lesen. Darüber, wie<br />

die SKOS-Mitglieder diese Informationskanäle und die diversen<br />

anderen Produkte der SKOS einschätzen und nutzen,<br />

orientiert ein Bericht über die kürzlich durchgeführte «User»-<br />

Befragung zu den SKOS-Dienstleistungen (S. 26 ff.).<br />

Ebenfalls im Interesse des Ganzen müssen der Bund, die<br />

Kantone und die Gemeinden möglichst rasch jene Hürden<br />

wieder abbauen, die aufgebaut wurden, um zu verhindern,<br />

dass Flüchtlinge in der Schweiz arbeiten können. Andernfalls<br />

werden diese fast zwangsläufig zu Sozialhilfefällen.<br />

Diese grundsätzliche Einsicht ist vorhanden (Seiten 14 ff.).<br />

Damit die Integrationsbemühungen effektiv fruchten, müssen<br />

aber alle «Stakeholder», auch die Arbeitgeber und die<br />

tonangebenden politischen Parteien, mitziehen. Es bleibt zu<br />

hoffen, dass die mittlerweile zahlreichen guten Absichtserklärungen<br />

Wirkung entfalten.<br />

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.<br />

editorial 2/15 ZeSo<br />

1


SCHWERPUNKT14–25<br />

flüchtlinge und sozialhilfe<br />

Der Schwerpunkt beleuchtet die zahlreichen<br />

Herausforderungen, mit denen die Sozialhilfe<br />

durch die steigende Zahl von Flüchtlingen, die in<br />

der Schweiz bleiben, konfrontiert ist. Das Credo<br />

der Fachpersonen zur Abfederung der sich<br />

stellenden Probleme lautet Arbeitsintegration.<br />

Doch das ist um einiges einfacher gesagt als<br />

umgesetzt, wie zwei Berichte zur Ausbildungssituation<br />

und Integrationspraxis zeigen.<br />

<strong>ZESO</strong> zeitschrift für sozialhilfe<br />

Herausgeberin Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe SKOS,<br />

www.skos.ch Redaktionsadresse Redaktion <strong>ZESO</strong>, SKOS,<br />

Monbijoustrasse 22, Postfach, CH-3000 Bern 14, zeso@skos.ch,<br />

Tel. 031 326 19 19 Redaktion Michael Fritschi, Regine Gerber<br />

Redaktionelle begleitung Dorothee Guggisberg Autorinnen<br />

und Autoren in dieser Ausgabe Monika Bachmann, Brigitte<br />

Basler, Heinrich Dubacher, Reiner Eichenberger, Therese Frösch,<br />

Adrian Gerber, Dorothee Guggisberg, Mirjam Hauser, Ruedi<br />

Hofstetter, Anna Maria Koukal, Paula Lanfranconi, Judith<br />

Nydegger, Marie-Christine Pasche, Monique Portner-Helfer,<br />

Claudio Spadarotto, Felix Wolffers Titelbild Rudolf Steiner<br />

layout Marco Bernet, mbdesign Zürich Korrektorat Carsten<br />

Zuege Druck und Aboverwaltung Rub Media AG, Postfach,<br />

3001 Bern, zeso@rubmedia.ch, Tel. 031 740 97 86 preise<br />

Jahresabonnement CHF 82.– (für SKOS-Mitglieder CHF 69.–),<br />

Einzelnummer CHF 25.–. Jahresabonnement ausland CHF 120.–.<br />

© SKOS. Nachdruck nur mit genehmigung der Herausgeberin.<br />

Die <strong>ZESO</strong> erscheint viermal jährlich.<br />

ISSN 1422-0636 / 112. Jahrgang<br />

Bild: Daniel Desborough<br />

Erscheinungsdatum: 8. Juni <strong>2015</strong><br />

Die nächste Ausgabe erscheint im September <strong>2015</strong>.<br />

2 ZeSo 2/15 inhalt


INHALT<br />

5 Die Schweiz braucht die SKOS.<br />

Kommentar von Felix Wolffers<br />

6 13 Fragen an Mirjam Hauser<br />

8 Teilrevision der SKOS-Richtlinien:<br />

Die Weichen sind gestellt<br />

10 «Die klassische Fürsorge ist eine<br />

Gemeindeaufgabe»<br />

Interview mit Hannes Germann<br />

14 SCHWERPUNKT:<br />

FLüchtlinge und Sozialhilfe<br />

16 Gemeinsam Flüchtlinge rasch und<br />

nachhaltig integrieren<br />

18 Die Integration durch Erwerbsbeteiligung<br />

braucht bessere<br />

Rahmenbedingungen<br />

20 Ein Tor zum Arbeitsmarkt<br />

22 Zwischen Hoffnung und Desillusion<br />

24 Die Herausforderungen aus der Sicht<br />

der Sozialhilfe<br />

26 Die SKOS als Dienstleisterin für die<br />

öffentliche Hand: Die Arbeit der SKOS<br />

im Urteil ihrer Mitglieder<br />

30 Für Sozialhilfebeziehende braucht es<br />

neue Arbeitsmodelle. Reportage über<br />

das Projekt Human Profit<br />

32 Plattform: Stiftung Sucht Schweiz<br />

34 Forum: «Die beste Sozialhilfe: Das<br />

Grundkapital»<br />

35 Veranstaltungen und Lesetipps<br />

36 Porträt: Daniel König beschäftigt<br />

ehemalige Drogenabhängige<br />

Stimme der GEMEINDEn<br />

Gute NOTEN Für Die SKOS<br />

ArbeitsmodelL eigenmotivation<br />

DER QUARTIERLADENcoach<br />

Die SKOS ist eine Plattform, die die<br />

Interessen von Bund, Kantonen und<br />

kommunaler Ebene zusammenbringen<br />

kann, sagt Hannes Germann, Präsident<br />

des Schweizerischen Gemeindeverbands.<br />

Gleichzeitig betont er im Gespräch mit der<br />

<strong>ZESO</strong> die Relevanz des kommunalen Wissens<br />

für die Sozialhilfe.<br />

10<br />

Die SKOS-Mitglieder können von vielfältigen<br />

Dienstleistungen profitieren, die ihnen<br />

der Fachverband zur Verfügung stellt.<br />

Eine bei den Mitgliedern durchgeführte<br />

Umfrage zur Nutzung und Qualität der<br />

Angebote bescheinigt der SKOS eine<br />

gute Kundenorientierung und eine hohe<br />

Zufriedenheit mit den Dienstleistungen.<br />

26<br />

Die Genossenschaft Overall in Basel bietet<br />

Sozialhilfebeziehenden, die keine Stelle<br />

mehr finden, ein neues Arbeitsprojekt<br />

an: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />

entwickeln ein eigenes Produkt oder eine<br />

Dienstleistung – und setzen ihre Idee<br />

innerhalb von zwei Jahren um.<br />

30<br />

Daniel König ist Betriebsleiter im Berner<br />

Lorraineladen und jongliert in dieser Position<br />

mit verschiedenen Hüten: Er sorgt nicht nur<br />

für gut assortierte Regale im Quartierladen,<br />

er führt und betreut auch ehemalige<br />

Drogenabhängige als Angestellte.<br />

36<br />

inhalt 2/15 ZeSo<br />

3


NACHRICHTEN<br />

Hohe Gesundheitskosten<br />

in der Sozialhilfe<br />

Personen in der Sozialhilfe beanspruchen<br />

häufiger medizinische Leistungen als nicht<br />

unterstützte Personen und verursachen<br />

höhere Gesundheitskosten. Dies zeigt eine<br />

Studie des Sozialamts der Stadt Bern und<br />

der Krankenversicherung Helsana, die in<br />

der Zeitschrift «Soziale Sicherheit CHSS»<br />

(2/<strong>2015</strong>) vorgestellt wurde. Eine wichtige<br />

Ursache für die häufigeren Behandlungen<br />

sind chronische Erkrankungen, an denen<br />

Sozialhilfebeziehende deutlich öfter leiden<br />

als nicht unterstützte Personen. Der grösste<br />

Unterschied zwischen Sozialhilfebeziehenden<br />

und Nichtbeziehenden besteht bei<br />

Schmerzerkrankungen, aber auch rheumatische<br />

und psychische Erkrankungen sowie<br />

Magenprobleme sind besonders verbreitet.<br />

Den möglichen Einfluss des Sozialhilfebezugs<br />

auf die Gesundheit hat die Studie nicht<br />

untersucht. Die Autoren vermuten aber eine<br />

Wechselwirkung zwischen schlechter sozialer<br />

Situation, fehlender beruflicher Integration<br />

und angeschlagener Gesundheit.<br />

Ältere Arbeitnehmende<br />

Ende April wurden an der 1. nationalen<br />

Konferenz zum Thema ältere Arbeitnehmende<br />

Massnahmen in vier Bereichen<br />

beschlossen. Die Instrumente der Arbeitslosenversicherung<br />

sollen gezielter auf die<br />

Bedürfnisse arbeitsloser Personen über<br />

50 ausgerichtet werden und die berufliche<br />

Weiterbildung soll unabhängig von Alter,<br />

Geschlecht und Qualifikationsstufe gefördert<br />

werden. Weiter sind Massnahmen zur<br />

Sensibilisierung von Arbeitgebern und der<br />

Öffentlichkeit vorgesehen. Und bezüglich<br />

der Altersvorsorge soll geprüft werden, wie<br />

ältere Arbeitslose ihre Freizügigkeitsguthaben<br />

sichern können.<br />

Korrigendum<br />

Der Beitrag «Aktuelle Praktiken bei der Ausrichtung<br />

des Grundbedarfs» in <strong>ZESO</strong> 1/15<br />

(Seite 9) enthielt zwei missverständliche<br />

Formulierungen. Korrekt müsste es heissen:<br />

«Jungen Erwachsenen steht in 13<br />

Kantonen ein reduzierter Grundbedarf von<br />

zwischen 47 bis 88 Prozent des allgemeinen<br />

Grundbedarfs zu. Die SKOS-Richtlinien<br />

empfehlen (...) Dies entspricht einer Kürzung<br />

um 24 Prozent.» Die korrigierte Seite<br />

mit korrekter Grafik wurde auf der SKOS-<br />

Website als PDF-Datei publiziert.<br />

«Die SKOS hat gute Arbeit geleistet.» SODK-Präsident Peter Gomm (r.) orientierte gemeinsam mit<br />

dem SKOS-Präsidium (im Bild Felix Wolffers) an einer Medienkonferenz über die beschlossene<br />

Stossrichtung der Richtlinienrevision. <br />

Bild: Keystone<br />

Die Kantone bekennen sich zu einer<br />

kohärenten Sozialhilfe<br />

Die Konferenz der Sozialdirektorinnen und<br />

Sozialdirektoren (SODK) hat an der Sozialkonferenz<br />

vom 21. Mai gemeinsam mit<br />

Vertreterinnen und Vertretern der SKOS, des<br />

Schweizerischen Gemeindeverbands und der<br />

Städteinitiative Sozialpolitik die Ergebnisse<br />

der Vernehmlassung zur Teilrevision der<br />

SKOS-Richtlinien zur Kenntnis genommen<br />

und die Stossrichtung der Revision beschlossen:<br />

Der Grundbedarf in der Sozialhilfe soll<br />

für Grossfamilien ab sechs Personen reduziert<br />

werden. Weiter wurde – entsprechend<br />

den Ergebnissen der SKOS-Vernehmlassung –<br />

eine Verschärfung der Sanktionsmöglichkeiten<br />

und eine Reduktion des Grundbedarfs für<br />

junge Erwachsene beschlossen. Änderungen<br />

gibt es auch bei den Leistungen mit Anreizcharakter:<br />

Die minimale Integrationszulage<br />

(MIZ) soll in die Integrationszulage (IZU) integriert<br />

und die Voraussetzungen für deren<br />

Bezug präzisiert werden. Der Einkommensfreibetrag<br />

soll in der aktuellen Form und Höhe<br />

beibehalten werden. Die Richtlinienkommission<br />

der SKOS wird die beschlossenen<br />

Änderungen nun im Detail ausformulieren.<br />

Im September wird eine zweite Sozialkonferenz<br />

die konkreten Richtlinienänderungen<br />

beschliessen und per 1. Januar 2016 in Kraft<br />

setzen. Bis 1. Januar 2017 sollen zudem eine<br />

Überarbeitung der situationsbedingten Leistungen<br />

(SIL) erfolgen sowie Empfehlungen<br />

zur Verminderung von Schwelleneffekten<br />

und die Definition der Grenzlinie zwischen<br />

der Sozialhilfe und der Nothilfe in die Richtlinien<br />

aufgenommen werden. Weiter sollen<br />

Empfehlungen für Mietzinsmaxima erarbeitet<br />

werden. Mehr zur internen Vernehmlassung<br />

der Revision auf Seiten 8 und 9. •<br />

Spannende Referate, gute Stimmung<br />

Rund 150 Personen haben am 28. Mai die<br />

Mitgliederversammlung der SKOS in Olten<br />

besucht. Walter Leimgruber, Leiter des Seminars<br />

für Kulturwissenschaft in Basel und<br />

Präsident der Eidgenössischen Kommission<br />

für Migrationsfragen, regte in seinem Referat<br />

«Sozialhilfe im Zeitalter der Globalisierung»<br />

zu Gedanken an, die weit über die Diskussion<br />

von Beitragshöhen und Sanktionsmöglichkeiten<br />

hinausreichen. Markus Mugglin,<br />

langjähriger Mitarbeiter des «Echo der Zeit»,<br />

diskutierte wirtschaftliche Perspektiven und<br />

deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.<br />

Und Peter Gomm, Präsident der SODK, verortete<br />

die Sozialhilfe als Teil des Gesamtsystems<br />

der sozialen Sicherheit und erläuterte<br />

die Eckpunkte der Richtlinienrevision.<br />

Die Präsentationen der Redner stehen auf der<br />

SKOS-Website zur Verfügung. Peter Schmid<br />

(SZ), Jérôme Favez (VS), Annina Meinherz<br />

(Chur), Mark Wyss (Pratteln) sowie als Mitglied<br />

mit beratender Stimme Reto Lindegger,<br />

Direktor des Schweizerischen Gemeindeverbands,<br />

wurden neu in den SKOS-Vorstand<br />

gewählt. Jérôme Favez wird auch in der<br />

SKOS-Geschäftsleitung Einsitz nehmen. •<br />

4 ZeSo 2/15 aktuell


KOMMENTAR<br />

Die Schweiz braucht die SKOS<br />

Der Bundesrat hat im Februar einen Bericht<br />

zur Ausgestaltung der Sozialhilfe verabschiedet.<br />

Darin ist er der Ansicht, dass<br />

es für die Sozialhilfe gesamtschweizerisch<br />

einheitliche Rahmenbedingungen<br />

braucht. Weil sich die Kantone jedoch<br />

gegen ein Rahmengesetz des Bundes für<br />

die Sozialhilfe ausgesprochen haben, will<br />

der Bund vorläufig nicht handeln und das<br />

Feld den Kantonen überlassen. Kann das<br />

gut gehen?<br />

Seit mehr als hundert Jahren verlangt<br />

die SKOS ein Bundesrahmengesetz für<br />

die Sozialhilfe – mit guten Gründen:<br />

Die Sozialhilfe ist ein wichtiges und<br />

unverzichtbares Element im Sozialstaat.<br />

Sie ist in den letzten Jahren<br />

immer wichtiger geworden, wegen<br />

gesellschaftlichen Veränderungen,<br />

der Entwicklung des Arbeitsmarkts,<br />

der Sanierung von Sozialversicherungen<br />

und auch als Folge der Migration.<br />

Während die Sozialhilfe also für<br />

immer neue Risiken zuständig wird,<br />

während die Mobilität der Bevölkerung<br />

zunimmt und die traditionellen<br />

Kantonsgrenzen sprengt, ist<br />

der Bundesrat der Meinung, dass<br />

der Föderalismus das Problem zu<br />

lösen vermöge.<br />

Ein Blick auf die Entwicklung der<br />

letzten Monate weckt Zweifel: Viele<br />

Kantone und Gemeinden versuchen,<br />

sich in einem Negativwettbewerb für<br />

die Bedürftigen möglichst unattraktiv<br />

zu machen. Es kommt zu Abschiebungen<br />

von Mittellosen in andere<br />

Gemeinden, die Zuwanderung wird<br />

durch bürokratische Hürden erschwert.<br />

Zu diesem Bild passt, dass die Unterstützungsrichtlinien<br />

der SKOS, die<br />

seit hundert Jahren massgeblich zu<br />

einer Harmonisierung der Sozialhilfe in<br />

der Schweiz beigetragen haben, unter<br />

grossem Druck stehen und verschiedene<br />

Kantone erwägen, sich aus dem SKOS-<br />

Verbund zu verabschieden. Die SKOS hat<br />

mit ihren Richtlinien ein Regelungsvakuum<br />

in der Sozialhilfe gefüllt. Dieses System<br />

funktioniert – aller Kritik zum Trotz.<br />

Wenn es die Harmonisierung der Sozialhilfe<br />

über die SKOS-Richtlinien nicht mehr gäbe,<br />

wäre das eine immense Belastungsprobe<br />

für den Föderalismus. Die Schweiz braucht<br />

die SKOS, weil es kein Bundesrahmengesetz<br />

für die Sozialhilfe gibt und ein Konkordat<br />

hierfür nicht absehbar ist. Es sind die<br />

Kantone, die ein Interesse an verbindlichen<br />

Rahmenbedingungen für die Sozialhilfe<br />

haben und haben müssen. Die SKOS ist<br />

für sie ein Dienstleister, der massgeblich<br />

dazu beiträgt, dass soziale Sicherheit und<br />

Menschenwürde für alle in diesem Land<br />

gewährleistet sind – unabhängig vom<br />

Wohnort und von den politischen Mehrheitsverhältnissen<br />

im Wohnkanton oder<br />

in der Wohngemeinde. Dass die Richtlinien<br />

neu durch die Sozialdirektorenkonferenz<br />

SODK beschlossen werden, stärkt die Bedeutung<br />

des SKOS-Regelwerks und ist ein<br />

wichtiger Schritt zu mehr Verbindlichkeit in<br />

der Sozialhilfe.<br />

Felix Wolffers, Co-Präsident der SKOS<br />

aktuell 2/15 ZeSo<br />

5


13 Fragen an Mirjam Hauser<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Sind Sie eher arm oder eher reich?<br />

Glücklicherweise bin ich reich an Freunden, Familie<br />

und Erfahrungen. Zum alltäglichen Leben reicht<br />

das Einkommen gut und Besitztümer anzuhäufen,<br />

ist nicht mein Lebensziel.<br />

Was empfinden Sie als besonders ungerecht?<br />

Es gibt sehr viele und grosse Ungerechtigkeiten<br />

auf der Welt, und das kann man immer nur im Kontext<br />

verstehen. Wenn man in andere Länder reist, wie<br />

zum Beispiel Laos, merkt man, dass Ungerechtigkeit<br />

dort bis zum Anzweifeln des Existenzrechts geht.<br />

Hier ist die Schweiz dank ihrem Wohlstand und einem<br />

guten Sozialsystem, das sie nach den Weltkriegen<br />

ausbauen konnte, viel weiter. Aber ich mache mir Sorgen,<br />

wie es mit der Solidarität in Zukunft weitergeht<br />

angesichts der unsicheren Wirtschaftslage, der Alterung<br />

unserer Gesellschaft und einer zunehmenden<br />

Staatsverschuldung.<br />

Glauben Sie an die Chancengleichheit?<br />

Die Chancengleichheit ist fundamental wichtig<br />

in einer wettbewerbsorientierten Leistungsgesellschaft.<br />

Deshalb muss alles dafür getan werden,<br />

diese Chancengleichheit für alle zu ermöglichen.<br />

Die Förderung in Krippe, Kindergarten und Schule<br />

muss in Zukunft noch viel individualisierter sein,<br />

das heisst, sich an den persönlichen Fähigkeiten<br />

und Möglichkeiten jedes Einzelnen orientieren. Dafür<br />

brauchen wir innovative Unterrichtsmodelle,<br />

die das Ziel der integrativen Bildung umsetzen: Alle<br />

Kinder – solche mit besonderem Förderbedarf oder<br />

einer Behinderung, aber auch verhaltensauffällige<br />

und hochbegabte – werden wenn möglich nicht in<br />

eine Sonderklasse abgesondert, sondern mit heilpädagogischer<br />

Unterstützung in der Regelklasse<br />

unterrichtet.<br />

Was bewirken Sie mit Ihrer Arbeit?<br />

Am Gottlieb Duttweiler Institut wollen wir Veränderungen<br />

beschreiben und über verschiedene<br />

Zukunftsszenarien öffentlich diskutieren. Ende Februar<br />

haben wir eine Studie vorgestellt, die Thesen<br />

zum Alltag von Menschen mit Behinderung in der<br />

Welt 2035 entwickelt hat. Dabei ist es wichtig, die<br />

Erkenntnisse nicht nur zu beschreiben, sondern<br />

5<br />

6<br />

diese mit Personen und Unternehmen, die sich in<br />

diesem Bereich engagieren, zu debattieren. Die Zukunft<br />

kann man zwar nicht vorhersagen, aber man<br />

kann sie sich denken und ausmalen und dadurch<br />

aktiv mitgestalten. Wenn wir sehen, dass alle Entwicklungen<br />

für eine integrative Bildung sprechen,<br />

dann muss man sich auch fragen, wie eine solche<br />

Welt aussieht und welche Weichen wir heute stellen<br />

müssen, um diese Welt zu erschaffen.<br />

Für welches Ereignis oder für welche Begegnung würden<br />

Sie ans andere Ende der Welt reisen?<br />

Dazu braucht es für mich keine spezifische Begegnung<br />

oder ein Ereignis. Ich möchte immer wieder<br />

in andere Teile der Welt reisen, um anderen Kulturen<br />

zu begegnen, von ihnen zu lernen und den eigenen<br />

Horizont zu erweitern. Ich war dank Auszeiten,<br />

Studienaustausch und Praktika schon mehrmals in<br />

Asien und Südamerika, teilweise fix in einer Stadt<br />

wie Buenos Aires oder Granada, längere Zeit aber<br />

auch auf Rucksackreisen in Thailand, Kambodscha,<br />

Laos, Taiwan, auf den Philippinen, in Indonesien,<br />

Japan, Argentinien, Bolivien, Peru, Ecuador, Kanada<br />

und den USA. Das würde ich immer wieder tun, denn<br />

man wird empfänglicher für alternative Sichtweisen.<br />

Viele kulturelle Eigenheiten erschliessen sich<br />

einem, wenn man Land und Leute aufmerksam beobachtet,<br />

auch ohne dass man die Sprache spricht.<br />

Wenn Sie in der Schweiz drei Dinge verändern könnten,<br />

welche wären das?<br />

Zuerst einmal glaube ich, dass wir Schweizer<br />

mit dem Erreichten zufrieden sein können. Aber wir<br />

dürfen uns angesichts des zunehmenden globalen<br />

Wettbewerbs nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen.<br />

Ich wünsche mir, dass die Schweiz mutig an einem<br />

zukunftsfähigen und innovativen Modell weiterarbeitet.<br />

Wir müssen auch über Jahrzehnte gewachsene<br />

Strukturen hinterfragen und allenfalls auch<br />

mit viel Aufwand umkrempeln. Die Schule ist ein<br />

gutes Beispiel: Es ist sehr schwierig sowie zeit- und<br />

kostenintensiv, das bestehende Schulsystem von<br />

Grund auf zu erneuern und den neuen Bedürfnissen<br />

einer integrativen Schule mit Chancengleichheit für<br />

alle anzupassen. Dasselbe gilt für den Aufbau von<br />

Krippenplätzen, Tagesschulen, flexiblen Arbeitszeitmodellen<br />

oder neue Wohnformen wie Multi-Generationenhäuser,<br />

wo das Zusammenleben von Studenten,<br />

Familien, Senioren, Behinderten und Ausländern gefördert<br />

und dank massgeschneiderten Pflege- und<br />

Betreuungsangeboten erleichtert wird.<br />

6 ZeSo 2/15 13 fragen


Mirjam Hauser<br />

Mirjam Hauser (Jg. 1980) ist Senior Researcher am GDI Gottlieb Duttweiler<br />

Institut, wo sie Veränderungen von Gesellschaft, Wirtschaft und Konsum<br />

analysiert. Sie studierte Sozial- und Wirtschaftspsychologie an den<br />

Universitäten Zürich und Granada. Mirjam Hauser ist Autorin der im Auftrag<br />

der Stiftung Cerebral kürzlich publizierten GDI-Studie: «Menschen mit Behinderung<br />

in der Welt 2035: Wie technologische und gesellschaftliche Trends<br />

den Alltag verändern».<br />

Die Studie ist kostenlos erhältlich unter: www.gdi.ch/behinderung2035.<br />

Bild: zvg<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

Können Sie gut verlieren, und woran merkt man das?<br />

Bei Gesellschaftsspielen wie Jassen macht es<br />

mir gar nichts aus, da halte ich mich an den Spruch<br />

«Pech im Spiel – Glück in der Liebe». Wenn ich jedoch<br />

für einen Wettkampf trainiert habe und miserabel<br />

abschneide, bin ich schon etwas enttäuscht.<br />

Es ist aber auch ein Ansporn, es das nächste Mal<br />

besser zu machen.<br />

Bügeln Sie Ihre Blusen selbst?<br />

Gerade weil ich sie selbst bügeln müsste, trage<br />

ich <strong>ganz</strong> selten Blusen.<br />

Was bedeutet Ihnen Solidarität?<br />

Solidarität finde ich eine unglaubliche Errungenschaft.<br />

Ohne Solidarität – im Privaten, in der Gesellschaft<br />

und auch in der Wirtschaft – wäre unser Leben<br />

undenkbar. Doch auch Solidarität ist immer nur<br />

im Kontext zu verstehen und sie wird durch technologische<br />

und gesellschaftliche Trends verändert.<br />

Wir müssen uns fragen, wie wir die Solidarität auch<br />

in Zukunft und mithilfe neuer Technologien wie der<br />

Digitalisierung fördern können.<br />

Haben Sie eine persönliche Vision?<br />

Ja, die gelebte gesellschaftliche Vielfalt. Wir verharren<br />

in stereotypen Bildern, statt menschliche<br />

Unterschiede, ihre Stärken und Schwächen, positiv<br />

wahrzunehmen. In dem Sinne verstehe ich Inklusion<br />

nicht einfach als ein «Behindertenthema»,<br />

es geht auch um Ausländer, Übergewichtige, Langsame,<br />

Junge, Alte und so weiter.<br />

Welcher Begriff ist für Sie ein Reizwort?<br />

Die <strong>ganz</strong>e Debatte um die «Schein-Invaliden»<br />

hat leider viel zu negativen Stereotypen beigetragen,<br />

vor allem für psychisch kranke Menschen.<br />

Gibt es Dinge, die Ihnen den Schlaf rauben?<br />

Immer wieder. Das können Alltagserlebnisse<br />

sein, aber auch Berichte in den Medien über Kriege,<br />

Terror und Ungerechtigkeiten in aller Welt.<br />

Mit wem möchten Sie gerne per Du sein?<br />

Da fällt mir niemand Konkretes ein. Aber ich freue<br />

mich auf jede Begegnung mit Menschen und finde<br />

es immer spannend, neue Perspektiven kennenzulernen<br />

– auch wenn man die letztlich vielleicht nicht<br />

teilt.<br />

13 fragen 2/15 ZeSo<br />

7


Teilrevision der SKOS-Richtlinien:<br />

Die Weichen sind gestellt<br />

Die Verschärfung der Sanktionsmöglichkeiten im Umgang mit unkooperativen Sozialhilfebeziehenden<br />

und die Reduktion des Grundbedarfs für junge Erwachsene fanden in der Vernehmlassung zur<br />

Revision der SKOS-Richtlinien grosse Zustimmung. Bei der Höhe des Grundbedarfs hat sich keine<br />

der vorgeschlagenen Varianten klar durchsetzen können. Mehr als zwei Drittel der SKOS-Mitglieder<br />

haben sich zur Ausgestaltung der SKOS-Richtlinien geäussert und so eine solide Grundlage für die<br />

Entscheide über die Stossrichtung der Revision geschaffen.<br />

Die Mitglieder der SKOS waren im Rahmen<br />

einer verbandsinternen Vernehmlassung<br />

zur zukünftigen Ausgestaltung der<br />

Sozialhilferichtlinien zwischen dem 2. Februar<br />

und dem 20. März <strong>2015</strong> eingeladen,<br />

sich zur Höhe des Grundbedarfs, zu<br />

den Anreizelementen und den Sanktionsmöglichkeiten<br />

sowie zur Problematik der<br />

Schwelleneffekte zu äussern. Rund 70 Prozent<br />

der Mitglieder haben sich an der Vernehmlassung<br />

beteiligt. Die Mitgliederbefragung<br />

ist somit repräsentativ und bildet<br />

eine gute Grundlage für die geplante Teilrevision<br />

der Richtlinien. An seiner Retraite<br />

Ende April hat sich der SKOS-Vorstand, in<br />

dem unter anderem alle 26 Kantone sowie<br />

Gemeinden und regionale Sozialdienste<br />

vertreten sind, intensiv mit den Ergebnissen<br />

der Vernehmlassung auseinandergesetzt<br />

und Empfehlungen zuhanden der<br />

Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen<br />

und Sozialdirektoren SODK formuliert.<br />

Diese hat zusammen mit ihren Partnerorganisationen<br />

an der Sozialkonferenz<br />

in Thun am 21. Mai die konkrete Stossrichtung<br />

der Revision beschlossen.<br />

PRAXISBEISPIEL<br />

Auf dieser Seite werden in der Regel exemplarische<br />

Fragen aus der Sozialhilfepraxis an die «SKOS-Line»<br />

diskutiert und beantwortet. Aus aktuellem Anlass<br />

(Richtlinienrevision und Beschlüsse der SODK)<br />

wurde das an dieser Stelle vorgesehene Praxisbeispiel<br />

kurzfristig durch den oben stehenden<br />

Beitrag ersetzt. Das zurückgestellte Praxisbeispiel<br />

wird in der nächsten <strong>ZESO</strong> publiziert. – Red.<br />

Grundbedarf<br />

Auf der Basis einer Studie des Bundesamts<br />

für Statistik wurden in der Vernehmlassung<br />

vier Varianten zur Höhe des Grundbedarfs<br />

zur Diskussion gestellt, die die Beibehaltung<br />

des Status quo beinhalteten, eine<br />

generelle oder teilweise Erhöhung von<br />

Leistungen oder die Reduktion der Unterstützung<br />

für grosse Familien vorschlugen.<br />

In der Vernehmlassung hat keine dieser Varianten<br />

eine klare Mehrheit erzielt, und unter<br />

den Mitgliedergruppen zeigten sich<br />

teilweise unterschiedliche Tendenzen: So<br />

wünscht die Hälfte der Mitglieder die Beibehaltung<br />

der aktuellen Ansätze für alle<br />

Haushalte und ein Teil von ihnen deren Erhöhung.<br />

Auch die Varianten mit Reduktion<br />

der Ansätze bei grösseren Familien fanden<br />

etliche Zustimmung. Aufgrund der nicht<br />

eindeutigen Stossrichtung tendierte der<br />

Vorstand nach eingehender Diskussion für<br />

die Beibehaltung des Status quo (Variante 1).<br />

Die SODK hat an der Sozialkonferenz beschlossen,<br />

die Ansätze für Familien bis fünf<br />

Personen unverändert zu lassen, aber bei<br />

Grossfamilien ab sechs Personen die Ansätze<br />

zu reduzieren (vgl. Meldung Seite 4).<br />

Die SODK hat sich zudem, wie eine<br />

klare Mehrheit der Mitglieder (87 Prozent<br />

Zustimmung), für einen reduzierten<br />

Grundbedarf für junge Erwachsene mit<br />

eigenem Haushalt, die keine Ausbildung<br />

absolvieren, keine Kinder betreuen und<br />

nicht arbeiten, ausgesprochen.<br />

Anreizelemente<br />

Der Einkommensfreibetrag (EFB) und die<br />

Integrationszulage (IZU) sind weitgehend<br />

unbestritten. Sie stossen bei den SKOS-<br />

Mitgliedern mit 91 bzw. 83 Prozent auf<br />

grosse Zustimmung. Bei der Minimalen Integrationszulage<br />

(MIZ) ist das Ergebnis weniger<br />

deutlich. 51 Prozent der Mitglieder<br />

wollen sie beibehalten. In der Romandie,<br />

wo die MIZ in einigen Kantonen als fester<br />

Bestandteil des Grundbedarfs verstanden<br />

wird, findet die MIZ mehr Akzeptanz als in<br />

der Deutschschweiz. Der Vorstand hat sich<br />

aufgrund der Ergebnisse dafür ausgesprochen,<br />

den EFB beizubehalten und sowohl<br />

IZU wie auch MIZ zu präzisieren. Die SODK<br />

8 ZeSo 2/15 SKOS-RICHTLINIEN


geht einen Schritt weiter und hat beschlossen,<br />

die beiden Anreizelemente IZU und<br />

MIZ zusammenzuführen und die Voraussetzungen<br />

für deren Bezug klarer festzulegen.<br />

Der Einkommensfreibetrag (EFB) wird in<br />

der heutigen Form und Höhe beibehalten.<br />

Sanktionen<br />

86 Prozent der SKOS-Mitglieder befürworten<br />

im Umgang mit wiederholten und<br />

schwerwiegenden Fällen eine Verschärfung<br />

der Sanktionen respektive die Möglichkeit,<br />

den Grundbedarf bis um maximal<br />

30 Prozent zu kürzen. Sowohl der SKOS-<br />

Vorstand wie auch die SODK haben dieser<br />

Verschärfung zugestimmt.<br />

Situationsbedingte Leistungen und<br />

Schwelleneffekte<br />

77 Prozent der Mitglieder haben sich im<br />

Weiteren dafür ausgesprochen, die situationsbedingten<br />

Leistungen (SIL) in der aktuellen<br />

Form beizubehalten, wobei diverse<br />

Wünsche zur deren Überprüfung und Optimierung<br />

geäussert wurden. Empfehlungen<br />

zur Vermeidung von Schwelleneffekten<br />

sollen gemäss 71 Prozent der Mitglieder<br />

in die Richtlinien aufgenommen werden.<br />

Beide Punkte haben die Zustimmung<br />

des SKOS-Vorstands wie auch der SODK<br />

gefunden und fliessen in die Revision ein.<br />

Weiteres Vorgehen<br />

Aufgrund der Beschlüsse der SODK sollen<br />

per 1. Januar 2016 die folgenden Revisionspunkte<br />

in Kraft treten:<br />

• Reduktion des Grundbedarfs bei Grossfamilien<br />

ab 6 Personen;<br />

• Senkung der Ansätze für junge Erwachsene<br />

bis 25 Jahren beim Grundbedarf;<br />

• Möglichkeit zur Verschärfung des Sanktionsabzugs<br />

auf 30 Prozent des Grundbedarfs;<br />

• Überarbeitung des Anreizsystems: Die<br />

MIZ wird in die IZU integriert und die<br />

Voraussetzungen für den Bezug der IZU<br />

werden präzisiert.<br />

Die SKOS wird für die genannten Revisionspunkte<br />

zuhanden der SODK konkrete<br />

Vorschläge ausarbeiten. Die SODK wird<br />

im September <strong>2015</strong> die definitiven Beschlüsse<br />

zur Revision fassen. In einer zweiten<br />

Etappe sollen anschliessend folgende<br />

Neuerungen bearbeitet und per 1. Januar<br />

2017 in Kraft gesetzt werden:<br />

• Überarbeitung der Bestimmungen für<br />

den Bezug von situationsbedingten<br />

Leistungen (SIL);<br />

• Empfehlungen zur Verminderung von<br />

Schwelleneffekten;<br />

• Definition der Grenzlinie zwischen der<br />

Sozialhilfe und der Nothilfe;<br />

• Empfehlungen für Mietzinsmaxima.<br />

Des Weiteren sollen die Richtlinien mittelfristig<br />

redaktionell überarbeitet werden,<br />

mit dem Ziel, den materiellen Teil der Richtlinien<br />

und die Handlungsempfehlungen für<br />

die Praxis zu entflechten.<br />

SKOS-Richtlinien werden gestärkt<br />

Die Vernehmlassung hat gezeigt, dass die<br />

Mehrheit der SKOS-Mitglieder in verschiedenen<br />

Bereichen der Richtlinien Handlungsbedarf<br />

sieht. Mit den nun gefassten<br />

Beschlüssen der SKOS und der SODK können<br />

wichtige Reformschritte rasch erfolgen.<br />

Die geplanten Veränderungen führen zwar<br />

punktuell zu Verschärfungen in der Sozialhilfe,<br />

zugleich bleibt aber für die grosse<br />

Mehrheit der unterstützten Personen der<br />

Grundbedarf in der heutigen Höhe erhalten.<br />

Weil neu die SODK über die SKOS-<br />

Richtlinien entscheidet, werden diese politisch<br />

deutlich besser legitimiert und insgesamt<br />

gestärkt. Mit der verabschiedeten Stossrichtung<br />

ist ein wichtiger Meilenstein erfolgt.<br />

Mit den angestossenen Reformen wird<br />

die Akzeptanz der Sozialhilfe insgesamt verbessert<br />

und der in den letzten Monaten<br />

spürbare öffentliche und mediale Druck auf<br />

die sozial Schwächsten gemindert. Die Sozialhilfe<br />

ist ein wichtiges und unverzichtbares<br />

Element im Sozialstaat. Es braucht für die<br />

Sozialhilfe gesamtschweizerisch einheitliche<br />

Rahmenbedingungen. Die SKOS-Richtlinien<br />

haben sich in den letzten Jahrzehnten bewährt<br />

und sie tragen auch in Zukunft massgeblich<br />

zu mehr Verbindlichkeit und Ausgleich<br />

in der Sozialhilfe bei. Die SKOS wird<br />

den Reformprozess zielstrebig, pragmatisch<br />

und innert der gesetzten Frist umsetzen. •<br />

Therese Frösch, Co-Präsidentin SKOS<br />

Felix Wolffers, Co-Präsident SKOS<br />

Sorgen für Verbindlichkeit und Ausgleich<br />

in der Sozialhilfe: die SKOS-Richtlinien.<br />

<br />

Bild: Béatrice Devènes<br />

SKOS-RICHTLINIEN 2/15 ZeSo<br />

9


«Die klassische Fürsorge ist eine<br />

Gemeindeaufgabe»<br />

Die SKOS ist eine Plattform, die das Zusammenführen der Interessen von Bund, Kantonen und kommunaler<br />

Ebene ermöglicht, sagt Hannes Germann, Präsident des Schweizerischen Gemeindeverbands (SGV). Der<br />

SGV selbst steht im Spannungsfeld der teilweise sehr unterschiedlichen Interessen von Kernstädten und<br />

dem ländlichen Raum.<br />

Herr Germann, gibt es so etwas wie<br />

«die typische Schweizer Gemeinde»,<br />

wie würden Sie diese beschreiben?<br />

Die absolut typische Schweizer Gemeinde<br />

gibt es wohl nicht, denn keine ist gleich<br />

wie die andere. Man könnte aber sagen,<br />

dass die 2324 Gemeinden, die es noch<br />

gibt, typisch schweizerisch sind.<br />

Wo bestehen breit abgestützte gemeinsame<br />

Interessen der Gemeinden?<br />

Unter den Mitgliedern haben wir kleine<br />

Bergdörfer, ländliche Gemeinden im Mittelland,<br />

Agglomerationsgemeinden, Städte.<br />

Der Schweizerische Gemeindeverband versucht,<br />

die verschiedenen Interessen seiner<br />

Mitgliedergemeinden möglichst gut zu erfassen.<br />

Gibt es so etwas wie einen kleinsten<br />

gemeinsamen Nenner bei den Interessen<br />

dieser Gemeinden?<br />

Alle möchten eine möglichst grosse Autonomie<br />

und umfassende Entscheidungskompetenzen<br />

haben, jedenfalls in den Bereichen,<br />

für die sie zuständig sind. Es gibt<br />

viele Auflagen des Bundes und der Kantone,<br />

die den Gemeinden das Leben erschweren.<br />

Das Subsidiaritätsprinzip beispielsweise<br />

sorgt dafür, dass die Finanzströme die kommunalen<br />

Entscheidungskompetenzen zu<br />

wenig berücksichtigen. Das ist ein Schwachpunkt<br />

in unserem System, der die Gemeinden<br />

benachteiligt und uns antreibt, für<br />

Verbesserungen zu kämpfen. Diese Problematik<br />

zeigt sich auch im Sozialhilfebereich.<br />

Wo gibt es die grössten Interessenkonflikte<br />

unter den Gemeinden?<br />

Zwischen den Kernstädten und dem<br />

ländlichen Raum gibt es sehr unterschiedliche<br />

Interessen. In diesem Spannungsfeld<br />

versucht der Gemeindeverband, einen<br />

Interessenausgleich herzustellen.<br />

Bilder: Béatrice Devènes<br />

10 ZeSo 2/15 Interview


Wie bewerkstelligen Sie das?<br />

Wir unterstützen Lösungen, die nicht<br />

vom Subsidiaritätsprinzip abhängig sind.<br />

Das Motto «Wenn ich zahlen muss, dann<br />

will ich auch bestimmen» ist kein schlechter<br />

Grundsatz. Wenn mehr danach gehandelt<br />

würde, hätten es die Gemeinden und<br />

Regionen einfacher, ihren Bedürfnissen<br />

entsprechende, unterschiedliche Lösungen<br />

anzustreben.<br />

Im vergangenen Jahr sind aus der<br />

SKOS sechs Gemeinden ausgetreten.<br />

Gleichzeitig zeigen Umfragen, dass<br />

die grosse Mehrheit der Gemeinden<br />

mit der SKOS und ihrer Funktion als<br />

Herausgeberin der Sozialhilfe-<br />

Richtlinien zufrieden ist. Welche<br />

Haltung vertritt der SGV in dieser<br />

Diskussion?<br />

Wir bedauern, dass es zu den Austritten<br />

aus der SKOS gekommen ist. Die SKOS<br />

ist eine Plattform, die den Austausch und<br />

das Zusammenführen der Interessen von<br />

Bund, Kantonen und kommunaler Ebene<br />

ermöglicht. Und die SKOS-Richtlinien<br />

sind für die Sozialdienste eine wichtige<br />

Orientierungshilfe, damit sie sich im System<br />

zurechtfinden können. Sozialhilfe darf<br />

nicht willkürlich erfolgen. Das Problem,<br />

mit dem die SKOS konfrontiert ist, besteht<br />

darin, dass sie gleichzeitig die Interessen<br />

der Kernstädte und die Interessen von<br />

kleinen, ländlichen Gemeinden berücksichtigen<br />

muss. Die haben teilweise recht<br />

unterschiedliche Bedürfnisse.<br />

«Sozialhilfe darf<br />

nicht willkürlich<br />

erfolgen.»<br />

Wie zeigt sich das?<br />

Die Ansätze der SKOS sind eher auf<br />

die Situation in den Städten ausgerichtet.<br />

Für viele Gemeinden sind sie tendenziell<br />

zu hoch. Deshalb wünschen wir uns hier<br />

mehr Spielraum für die Gemeinden.<br />

Würde mehr Spielraum nicht zu<br />

einem Wettbewerb führen, der ärmere<br />

Gemeinden kaum entlasten wird?<br />

Grundsätzlich denke ich, dass eine<br />

grössere Bandbreite den schwächeren<br />

Gemeinden eher entgegenkäme. Klar<br />

muss verhindert werden, dass sich Gemeinden<br />

gegenseitig «schlechte Risiken»<br />

zuschieben. Der SGV will umgekehrt<br />

auch verhindern, dass der sogenannte<br />

Sozialhilfetourismus Schule machen kann.<br />

Trotzdem braucht es mehr Bandbreite und<br />

mehr Spielraum. In Zürich verdienen Sie<br />

ungleich mehr als beispielsweise in Chur<br />

oder im Jura. Diesen Unterschieden muss<br />

die Sozialhilfe Rechnung tragen. Wenn sie<br />

das nicht tut, dann entstehen diese Verzerrungen:<br />

Nämlich dass der Eindruck<br />

entsteht, dass Sozialhilfebeziehende mehr<br />

erhalten als jemand, der seinen Lebensunterhalt<br />

eigenständig bestreitet. Was in<br />

all diesen Diskussionen auch eine Rolle<br />

spielt, ist, dass sich die Einkommen der<br />

Sozialhilfeempfänger schlecht mit den<br />

Erwerbseinkommen vergleichen lassen.<br />

Viele der Leistungen wie beispielsweise die<br />

Wohnungsmiete sind ja bereits beglichen,<br />

wenn man vom Grundbedarf spricht.<br />

Existieren diese Verzerrungen, die<br />

Sie ansprechen, eher im ländlichen<br />

Raum?<br />

Wir wollen kein Ausspielen zwischen<br />

Stadt und Land, sondern ein sinnvolles<br />

Miteinander und Nebeneinander, das den<br />

Leuten, die sich in einer Notlage befinden,<br />

würdig bleibt. Aber es muss uns bewusst <br />

Interview 2/15 ZeSo<br />

11


sein, dass das Verhältnis zwischen Menschen,<br />

die einen materiellen Beitrag an<br />

das Gemeinwesen leisten, und solchen, die<br />

von diesem unterstützt werden müssen, in<br />

einem tragbaren Gleichgewicht gehalten<br />

werden muss.<br />

Die SKOS-Richtlinien sind seit jeher<br />

ein Instrument, das einen Ausgleich<br />

zwischen den Gemeinden schaffen<br />

soll. Sie fordern möglichst viel Bandbreite,<br />

um die regionalen Verhältnisse<br />

besser berücksichtigen zu können. Ist<br />

das nicht ein Widerspruch zur Idee<br />

des Ausgleichs?<br />

Wettbewerb findet überall statt, nicht<br />

nur bei der Sozialhilfe. In der Schweiz<br />

haben wir Niederlassungsfreiheit. Die Leute<br />

begeben sich ohnehin dorthin, wo sie<br />

wollen oder wo sie eine Wohnung finden,<br />

die ihren Bedürfnissen entspricht. Die<br />

Vorkommnisse der letzten Zeit müssen als<br />

Hilfeschrei verstanden werden, der ernst genommen<br />

werden muss. Insofern haben die<br />

Austritte aus der SKOS auch eine heilende<br />

Wirkung: Man sitzt wieder zusammen und<br />

versucht, gemeinsam gute und breit mitgetragene<br />

Lösungen zu entwickeln.<br />

In der Stellungnahme des Gemeindeverbands<br />

zum «Rahmengesetz Sozialhilfe»<br />

haben Sie geschrieben, die<br />

SKOS-Richtlinien seien «abgehoben».<br />

Was ist damit gemeint?<br />

In der Vergangenheit hatte man das<br />

Gefühl, die SKOS schaue vor allem dazu,<br />

dass Sozialhilfeempfänger möglichst gut<br />

fahren. Man hatte den Eindruck, dass die<br />

SKOS sehr weit weg war von dem, was die<br />

Gemeinden beschäftigt, und auch nicht<br />

mit den unterschiedlichsten Gemeinden<br />

oder Gemeindevertretern gesprochen hat.<br />

Immerhin werden die Richtlinien von<br />

einem Gremium von Praktikerinnen<br />

und Praktikern ausgearbeitet. Und die<br />

kommen aus den Gemeinden.<br />

Vielleicht wird die SKOS auch als zu<br />

akademisch und deshalb weit weg von der<br />

Realität in den Gemeinden wahrgenommen.<br />

Dadurch, dass die SKOS heute sich<br />

selber und ihre Entscheidungen kritisch<br />

hinterfragen muss, wurde eine gute Diskussionsbasis<br />

geschaffen.<br />

Hannes Germann<br />

Bild: zvg<br />

Hannes Germann (geb. 1956) ist seit 2008<br />

Präsident des Schweizerischen Gemeindeverbands,<br />

dem 1650 von insgesamt 2324<br />

Gemeinden angeschlossen sind. Germann<br />

war Primarlehrer, später Wirtschaftsredaktor<br />

und studierte auf dem zweiten Bildungsweg<br />

Betriebsökonomie. Von 1997 bis zur Fusion<br />

mit Thayngen Ende 2008 amtete er als<br />

Gemeindepräsident von Opfertshofen. Seit<br />

2002 vertritt er als Mitglied der SVP den<br />

Kanton Schaffhausen im Ständerat. Im Jahr<br />

2014 war er Ständeratspräsident.<br />

Was sind die Vorteile und Nachteile<br />

des bestehenden föderalen Sozialhilfesystems<br />

gegenüber einem Bundesrahmengesetz,<br />

das der Sozialhilfe<br />

einen ähnlichen Status geben würde,<br />

wie ihn die AHV oder die IV haben.<br />

Es braucht aus unserer Sicht kein nationales<br />

Rahmengesetz und auch kein<br />

Konkordat. Die AHV und die IV haben<br />

einheitliche Ansätze. Die Sozialhilfe hingegen<br />

muss die regionalen Lebenshaltungskosten<br />

und Lohnverhältnisse berücksichtigen.<br />

Ein föderales Sozialhilfesystem kann<br />

das besser gewährleisten.<br />

Die AHV operiert mit «egalitären»<br />

Ansätzen, für die Sozialhilfe soll das<br />

nicht gut sein. Weshalb?<br />

In die AHV zahlen auch alle ein. Und<br />

sie ist auch nur ein Teil des Renteneinkommens.<br />

Die zweite und die dritte Säule, die<br />

die AHV ergänzen, widerspiegeln die Einkommensverhältnisse.<br />

Dennoch gibt es auch Aspekte, die für<br />

ein Bundesgesetz sprechen ...<br />

Auf Bundesebene würden sehr schnell<br />

Minimalstandards definiert. Und diese<br />

Art Harmonisierung wollen wir nicht. Die<br />

SKOS-Richtlinien sollen als Richtschnur<br />

dienen, mehr braucht es nicht. Der Bund<br />

darf auch nicht beginnen, Sozialhilfekosten<br />

zu übernehmen. Im Moment ist<br />

aus unserer Sicht ein Rahmengesetz vom<br />

Tisch, geben wir dem laufenden Prozess<br />

eine Chance.<br />

Zielt die aktuelle Richtlinienrevision<br />

in die richtige Richtung?<br />

Wir haben uns kürzlich mit der Leitung<br />

der SKOS getroffen und aufgrund dieses<br />

Gesprächs denke ich, dass die Revision in<br />

die richtige Richtung geht.<br />

Damit die Richtlinien eine bessere politische<br />

Legitimation erhalten, werden<br />

sie neuerdings von der Konferenz der<br />

Sozialdirektorinnen und -direktoren<br />

verabschiedet. Wie beurteilen Sie<br />

diesen Schulterschluss von SKOS und<br />

SODK?<br />

Einerseits ist es richtig, dass die Kantone<br />

über die SODK stärker mitreden<br />

und die Verbindlichkeit der Richtlinien<br />

erhöhen. Amdererseits bleibe ich dabei: Es<br />

braucht unbedingt den Einbezug des kommunalen<br />

Wissens, sonst ist die Sozialhilfe<br />

ein Hors-sol-Gebilde. Die klassische Fürsorge<br />

ist eine Gemeindeaufgabe.<br />

Ein anderes Beispiel für eine Verbundaufgabe<br />

und gemeinsame Interessen besteht<br />

ja auch im Zusammenhang mit der<br />

Integration von faktisch und rechtlich<br />

definitiv aufgenommenen Personen aus<br />

dem Asylbereich. Das tangiert die Wirtschaft,<br />

den Bund, die Kantone und die<br />

Gemeinden. Auch hier gilt es, Verbundaufgaben<br />

auf volkswirtschaftlicher Ebene<br />

wahrzunehmen, um zu verhindern, dass<br />

unsere Sozialwerke durch mangelnde<br />

Arbeitsintegration noch stärker belastet<br />

werden.<br />

12 ZeSo 2/15 Interview


Bei der Integration von Asylsuchenden<br />

in den Arbeitsmarkt müssen hohe<br />

administrative Hürden überwunden<br />

werden, was dem Ziel, arbeitsfähige<br />

Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu<br />

integrieren, entgegenläuft. Sollte man<br />

diese Hürden abbauen?<br />

Wenn Asylsuchende während dem Asylverfahren<br />

nicht arbeiten dürfen, damit das<br />

Verfahren schneller abgewickelt werden<br />

kann, ist das gut so. Wenn sich abzeichnet,<br />

dass die Personen in der Schweiz bleiben<br />

werden, sollten sie früher und mit wenig<br />

administrativen Hürden Zugang zum Arbeitsmarkt<br />

haben und wir sollten sie möglichst<br />

befähigen, sich im Arbeitsmarkt zu<br />

behaupten. Arbeit und Partizipation bieten<br />

gute Möglichkeiten, sich zu integrieren.<br />

Wir nehmen mit Genugtuung zur Kenntnis,<br />

dass entsprechende Bestrebungen auf<br />

Bundesebene im Gang sind.<br />

Wie ist die Stimmung gegenüber der<br />

Sozialhilfe in Ihrem Heimatkanton,<br />

dem Kanton Schaffhausen?<br />

Der Druck bewegt sich im normalen<br />

Bereich. Es gibt schon Situationen, die<br />

den Rahmen einer kleinen Gemeinde<br />

sprengen können. Um diese Problematik<br />

zu entschärfen, braucht es einen sozialen<br />

Lastenausgleich auf kantonaler Ebene.<br />

Den haben wir geschaffen, und seither<br />

verläuft die Diskussion viel weniger aufgeregt.<br />

Mit welchen Dienstleistungen kann<br />

die SKOS kleineren Gemeinden mehr<br />

Unterstützung anbieten?<br />

Eine Rechtsberatung für Gemeinden,<br />

die weniger ausgebaute Strukturen haben,<br />

wäre hilfreich. Für kleine und mittlere<br />

Gemeinden ist es oft günstiger, professionelles<br />

Know-how über Fachstellen zu<br />

erschliessen, als eigene Strukturen aufzubauen.<br />

Für eine erweiterte Rechtsberatung<br />

wäre auch eine Zusammenarbeit zwischen<br />

dem Gemeindeverband und der SKOS<br />

denkbar. Dann möchten wir die Leute ja<br />

primär wieder von der Sozialhilfe ablösen.<br />

Für die Integration in den Arbeitsmarkt<br />

sind konstruktive Ansätze gefragt. Die<br />

SKOS könnte im Rahmen ihrer Möglichkeiten<br />

mithelfen, faire Rahmenbedingungen<br />

zu schaffen.<br />

«Es braucht einen<br />

sozialen Lastenausgleich<br />

auf kantonaler<br />

Ebene.»<br />

Macht der Gemeindeverband bereits<br />

Rechtsberatungen für Gemeinden?<br />

Nein, bisher nicht. Wir sehen uns eher<br />

in einer Vermittlerrolle. Wir haben auch<br />

nicht die Kapazitäten dazu bei unseren<br />

knapp zehn Angestellten auf der Geschäftsstelle.<br />

Abgesehen von den sozialen Fragen,<br />

die wir erörtert haben: Wo ist die<br />

Belastung der Gemeinden und der<br />

Gemeindebehörden am grössten, wo<br />

drückt der Schuh sonst noch?<br />

Auch hier hängt vieles von der Grösse<br />

der Gemeinde ab. In vielen Gemeinden<br />

arbeitet die Exekutive im Milizsystem. Das<br />

ist eine Stärke, aber das Milizsystem muss<br />

so ausgestaltet sein, dass es funktionieren<br />

kann und die Gemeinderäte nicht überbelastet.<br />

Der Gemeinderat muss sich auf<br />

strategische Weichenstellungen konzentrieren<br />

können und sollte sich nicht mit<br />

operationellen Arbeiten herumschlagen<br />

müssen. Der Kanton Zürich beispielsweise<br />

hat ein System, in dem der Gemeindeschreiber<br />

eine wichtige Rolle spielt. Andere<br />

Gemeinden haben eine Art CEO-Modell.<br />

Der Gemeinderat hat dort eher die Rolle<br />

eines Verwaltungsrats. Der Gemeindeverband<br />

setzt sich dafür ein, dass die<br />

Unterstützung der Milizpolitiker durch die<br />

Verwaltung professioneller wird. In fachlicher<br />

Hinsicht sehen sich die Gemeinden<br />

in der Raumplanung vor grosse Herausforderungen<br />

gestellt.<br />

Wie stellen Sie sich zur Frage der<br />

Gemeindefusionen?<br />

Fusionen haben dann ein wirtschaftliches<br />

Potenzial, wenn sie in Ballungsräumen<br />

stattfinden, also dort, wo ohnehin gute<br />

Strukturen vorhanden sind. Aber wenn<br />

Sie beispielsweise das Kandertal zu einer<br />

einzigen Gemeinde zusammenschliessen,<br />

dann haben sie immer noch immense Weiten<br />

mit Naturgefahren und anderen geografischen<br />

Herausforderungen. Das lässt<br />

sich nicht einfach wegfusionieren. Fusionen<br />

können zu einer professionelleren<br />

Verwaltung beitragen, aber sie sind kein<br />

Allheilmittel. <br />

•<br />

Das Gespräch führte<br />

Michael Fritschi<br />

Interview 2/15 ZeSo<br />

13


14 ZeSo 2/15 SCHWERPUNKT<br />

Bild: Keystone


flüchtlinge und sozialhilfe<br />

Flüchtlinge und Sozialhilfe<br />

Die sozialpolitischen und volkswirtschaftlichen Herausforderungen,<br />

mit denen die Schweiz im Asyl- und Flüchtlingswesen konfrontiert<br />

ist, nehmen zu. Drei Experten des Bundes, der Forschung und<br />

der Sozialhilfe legen ihre Lösungsansätze und Forderungen zur<br />

Abfederung der Probleme, die damit auf die Sozialhilfe zukommen,<br />

dar. Zwei Beispiele aus der Realität der Arbeitsmarktintegration<br />

zeigen die Hürden, die – trotz viel gutem Willen der Beteiligten – bei<br />

der Integration von Flüchtlingen in der Praxis überwunden werden<br />

müssen.<br />

<strong>ZESO</strong>-SCHWERPUNKT<br />

Beiträge zum Thema Flüchtlinge und Sozialhilfe:<br />

16 Gemeinsam Flüchtlinge rasch und nachhaltig integrieren<br />

18 Die Integration durch Erwerbsbeteiligung braucht bessere Rahmenbedingungen<br />

20 Ein Tor zum Arbeitsmarkt<br />

22 Zwischen Hoffnung und Desillusion<br />

24 Die Herausforderungen aus der Sicht der Sozialhilfe<br />

SCHWERPUNKT 2/15 ZeSo<br />


Gemeinsam Flüchtlinge rasch<br />

und nachhaltig integrieren<br />

Die gesellschaftliche Integration von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen ist eine grosse<br />

Herausforderung. Damit diese Menschen ihre Potenziale einbringen können, müssen die Rahmenbedingungen<br />

für ihre Integration in den Arbeitsmarkt verbessert werden. Dies kann nur gelingen,<br />

wenn alle Beteiligten mitziehen.<br />

Aufgrund anhaltender Konflikte suchen viele schutzbedürftige<br />

Menschen in europäischen Ländern Zuflucht. Im vergangenen<br />

Jahr haben in der Schweiz 6199 Personen Asyl erhalten und bei<br />

9367 Personen wurde eine vorläufige Aufnahme verfügt. Der<br />

Anteil Asylgewährungen und vorläufige Aufnahmen lag damit<br />

annähernd doppelt so hoch wie im Vorjahr. Die wichtigsten<br />

Herkunftsländer dieser Personen sind Eritrea, Syrien, Afghanistan,<br />

Sri Lanka, China, Somalia und die Türkei. Entscheidend für<br />

die Zunahme an Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen ist<br />

die Tatsache, dass sich unter den jetzigen Asylsuchenden mehr<br />

schutzbedürftige Personen aus Verfolgungs- oder Kriegssituationen<br />

befinden als in anderen Jahren.<br />

Diese Zahlen zeigen auf, dass unser Asylsystem sein primäres<br />

Ziel erfüllt – nämlich schutzbedürftigen Personen Schutz zu bieten.<br />

Gleichzeitig bedeuten sie auch, dass sich mehr Personen ein<br />

neues Leben in der Schweiz aufbauen müssen, nachdem sie alles<br />

hinter sich gelassen haben. Da sie in der Regel mittellos ankommen,<br />

sind die meisten dieser Personen auf Sozialhilfe angewiesen,<br />

bis sie eine Arbeit gefunden haben und für sich und ihre<br />

Familien sorgen können.<br />

Untersuchungen und Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass<br />

es diesen Personen trotz ihrem starken Wunsch zu arbeiten, oft sehr<br />

schwer fällt, sich erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Sie<br />

stossen bei der Arbeitssuche auf Hindernisse, unter anderem weil<br />

ihnen die Kenntnisse der lokalen Sprache oder soziale Kontakte in<br />

der Schweiz fehlen, weil sie die Anforderungen des Schweizer Arbeitsmarkts<br />

wie Pünktlichkeit und Regelmässigkeit zum Teil noch<br />

nicht erfüllen können, weil ihre beruflichen Kompetenzen oder Diplome<br />

nicht anerkannt werden oder weil sie aufgrund ihrer Fluchterfahrung<br />

unter physischen und psychischen Belastungen leiden.<br />

Zudem treffen sie auf administrative Hürden, die sie beim Zugang<br />

zum Arbeitsmarkt gegenüber anderen Ausländerinnen und<br />

Ausländern benachteiligen. Dazu gehört die Bewilligungspflicht<br />

bei der Aufnahme der Arbeit und beim Wechsel der Stelle, die<br />

auch für längere Berufspraktika gilt. Ebenfalls ein Hindernis ist<br />

die administrativ aufwendige Sonderabgabe. Diese Hürden können<br />

sich negativ auf die Erwerbstätigkeit auswirken. Dies hat eine<br />

vom Staatssekretariat für Migration SEM in Auftrag gegebene<br />

Studie gezeigt, für die Arbeitgeber und Akteure des Integrationsbereichs<br />

befragt wurden. Die Studie hat zudem erstmals statistisch<br />

aufgezeigt, wie sich über zehn Jahre der Prozess der Erwerbsintegration<br />

von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen gestaltet.<br />

Das Ergebnis ist, dass die Integration in den Arbeitsmarkt für diese<br />

Personengruppe möglich ist und in vielen Fällen auch gelingt.<br />

Doch dieser Prozess dauert sehr lange. Viele Personen bleiben<br />

aufgrund von fehlenden Einstiegsmöglichkeiten oder nicht ausreichenden<br />

Einkommen im Niedriglohnsektor für längere Zeit<br />

sozialhilfeabhängig (mehr zur Studie auf den Seiten 18-19).<br />

Mit den höheren Flüchtlingszahlen werden in einer ersten<br />

Phase auch die Sozialhilfekosten steigen. Der Bund vergütet den<br />

Kantonen zu Beginn ihres Aufenthaltes die Sozialhilfeleistungen<br />

in Form der sogenannten Globalpauschale – für Flüchtlinge über<br />

fünf und für vorläufig Aufgenommene über sieben Jahre. Später<br />

tragen die Kantone und Gemeinden, die gemäss Verfassung in erster<br />

Linie für die Sozialhilfe zuständig sind, diese Kosten selbst. Da<br />

die Asylgesuchszahlen aufgrund andauernder Konflikte in Ländern<br />

wie Syrien oder Eritrea in absehbarer Zeit nicht abnehmen<br />

werden, sind Lösungen für eine bessere Arbeitsmarktintegration<br />

dieser Menschen umso dringender.<br />

Handlungsansätze für die Arbeitsintegration von Flüchtlingen<br />

Die Tatsache, dass ein Grossteil der heutigen Asylsuchenden langfristig<br />

als Flüchtlinge oder vorläufig Aufgenommene in der Schweiz<br />

bleiben wird, ist nur einer der Gründe, weshalb ein Umdenken in<br />

Bezug auf ihre Arbeitsintegration stattfindet. Die Diskussionen rund<br />

um die Umsetzung von Artikel 121a der Bundesverfassung («Masseneinwanderungsinitiative»)<br />

haben ebenfalls dazu beigetragen.<br />

Über die mit dem Verfassungsauftrag einhergehende Beschränkung<br />

der Einwanderung ist die Frage des Arbeits- und Fachkräftemangels<br />

in den Fokus gerückt. Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene<br />

werden deshalb im Rahmen der Begleitmassnahmen vom Bundesrat<br />

wie auch von den Kantonen unter dem Titel «Inländisches Potential<br />

nutzen» explizit als eine Zielgruppe genannt.<br />

Um ihre Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, prüfen<br />

Bund und Kantone, wie Hürden abgebaut und Erwerbsanreize<br />

gesetzt werden können. Mit dem Ziel der Sensibilisierung sucht<br />

das SEM gemeinsam mit Kantonen und Gemeinden verstärkt den<br />

Dialog mit Arbeitgebern – insbesondere aus dem Baugewerbe, der<br />

Gastronomie, der Landwirtschaft oder aus dem Reinigungs- und<br />

Pflegebereich. Weiter wird geprüft, wie Flüchtlinge und vorläufig<br />

Aufgenommene besser unterstützt werden können, beispielsweise<br />

indem sie früh Zugang zu Sprachförderung erhalten und über Coaching<br />

begleitet werden. Das heutige, lange Asylverfahren stellt sich<br />

für viele Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene im Nachhinein<br />

als eine verlorene Zeit heraus. Erfahrungen mit Langzeitarbeitslosigkeit<br />

zeigen, dass Personen, die über längere Zeit keinen Zugang<br />

zur Arbeitswelt haben, Mühe haben, wieder Fuss zu fassen.<br />

Die Neustrukturierung des Asylbereichs und die geplante Beschleunigung<br />

der Asylverfahren, die das SEM zurzeit in Zürich<br />

testet, werden dazu führen, dass die Förderung des Integrations-<br />

16 ZeSo 2/15 SCHWERPUNKT


flüchtlinge und sozialhilfe<br />

Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene sind Teil des inländischen Arbeitskräftepotenzials. <br />

Bild: Hermann & Eyer<br />

prozesses früher einsetzen kann. Coachingmassnahmen sind zwar<br />

kostenintensiv, zahlen sich aber längerfristig aus. Sie gewährleisten,<br />

dass den Flüchtlingen und vorläufig aufgenommenen Personen<br />

von Beginn weg deutlich die Erwartungen des Schweizer Arbeitsmarkts<br />

vermittelt und eingefordert werden. Im Kanton Graubünden<br />

beispielsweise werden die Kompetenzen von Flüchtlingen und<br />

vorläufig Aufgenommenen über Arbeitseinsätze in verschiedenen<br />

Tätigkeitsfeldern abgeklärt. Anschliessend werden sie von einem<br />

Jobcoach bei ihrem Integrationsprozess begleitet.<br />

Auch der Zugang zu Nachholbildungen ist wichtig. Das SEM<br />

unterstützt das Projekt «Potenziale nutzen» mit dem Ziel, dass vorläufig<br />

Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge in der Schweiz<br />

eine ihrem Ausbildungsniveau respektive ihrer beruflichen Tätigkeit<br />

im Herkunftsland angemessene Berufstätigkeit ausüben können.<br />

So wird beispielsweise einem Architekturstudenten ein qualifizierendes<br />

Praktikum vermittelt und darüber die Einschreibung<br />

an einer Schweizer Universität ermöglicht oder ein Gipser wird bei<br />

der Stellensuche und der Anerkennung seines Diploms unterstützt.<br />

Zusammenarbeiten und Chancen nutzen<br />

Wichtigstes Instrument für die Förderung der Integration von<br />

Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen sind jedoch die Massnahmen<br />

im Rahmen der kantonalen Integrationsprogramme (KIP).<br />

Seit Januar 2014 setzen alle Kantone flächendeckende Integrationsmassnahmen<br />

um, die schweizweit die gleichen Ziele verfolgen.<br />

Bund und Kantone investieren dafür insgesamt Mittel in der Höhe<br />

von rund 110 Millionen Franken jährlich. Anerkannte Flüchtlinge<br />

und vorläufig Aufgenommene sind eine wichtige spezifische Zielgruppe<br />

dieser Programme, für die der Bund im Rahmen der KIP<br />

pro Person eine einmalige Integrationspauschale beiträgt.<br />

Um die kantonalen Integrationsprogramme weiter zu stärken,<br />

prüft das SEM mit seinen Partnern verschiedene zusätzliche Massnahmen.<br />

Zur Diskussion stehen insbesondere Massnahmen, mit<br />

denen sich die interinstitutionelle Zusammenarbeit zwischen den<br />

Behörden des Asylbereichs, der Integrationsförderung und des Arbeitsmarkts<br />

sowie die berufliche Qualifizierung von Flüchtlingen<br />

und vorläufig Aufgenommenen verstärken liessen. Die Kantone<br />

und Gemeinden, die bei einer langjährigen Sozialhilfeabhängigkeit<br />

die Kosten zu tragen haben, profitieren von früh einsetzenden<br />

und koordinierten Integrationsmassnahmen. Die Beschränkung<br />

der Einwanderung von Arbeitskräften im Kontext der Umsetzung<br />

von Art. 121a BV verstärkt die Bedeutung eines gezielten Vorgehens<br />

bei der Nutzung des Arbeitskräftepotenzials dieser Personen.<br />

Es ist eine Chance, Flüchtlingen bessere Integrationsmöglichkeiten<br />

und Perspektiven zu bieten, mittelfristig die Kosten im<br />

Sozialhilfebereich zu senken, die Wirtschaft zu unterstützen und<br />

nicht zuletzt die Akzeptanz der Aufnahme von Flüchtlingen in der<br />

Gesellschaft zu stärken.<br />

•<br />

Adrian Gerber, Chef Abteilung Integration<br />

Judith Nydegger, wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

Staatssekretariat für Migration SEM<br />

Literatur<br />

Arbeitsmarktintegration: Die Sicht der Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommenen<br />

in der Schweiz, UNHCR, Genf, 2014.<br />

Spadarotto, C. & Morlok, M. et al., Erwerbsbeteiligung von anerkannten<br />

Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt,<br />

BFM/SEM, Bern, 2014.<br />

Beide Publikationen sind auch im Internet veröffentlicht worden.<br />

SCHWERPUNKT 2/15 ZeSo<br />


Die Integration durch Erwerbsbeteiligung<br />

braucht bessere Rahmenbedingungen<br />

Die Integration von Flüchtlingen ist ein langfristiges Vorhaben, das von administrativen Hürden behindert<br />

wird. Angesichts des sich akzentuierenden Fachkräftemangels wird das Potenzial dieser Menschen<br />

zu wenig ausgeschöpft. Eine nationale Berufsbildungsinitiative könnte neue Impulse geben.<br />

In einer erwerbsorientierten Gesellschaft wie der unseren ist die<br />

Erwerbsarbeit sowohl für die wirtschaftliche Existenzsicherung als<br />

auch für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und die soziale<br />

Integration von grundlegender Bedeutung. Für die «chancengleiche<br />

Teilhabe der Ausländerinnen und Ausländer an der schweizerischen<br />

Gesellschaft», die in der Verordnung über die Integration<br />

von Ausländerinnen und Ausländern als Ziel formuliert ist, ist die<br />

Arbeitsmarktintegration der zugewanderten Bevölkerung deshalb<br />

ein zentrales Anliegen. Die vom Staatssekretariat für Migration publizierten<br />

Zahlen zur Erwerbsbeteiligung der anerkannten Flüchtlinge<br />

(FL) und der vorläufig aufgenommenen Personen (VA)<br />

zeigen diesbezüglich jedoch eine unbefriedigende Situation: Die<br />

Erwerbstätigenquoten verharren für FL und VA seit Jahren auf<br />

konstant tiefem Niveau, bei durchschnittlich rund 34 respektive<br />

20 Prozent, was die Schweiz im internationalen OECD-Vergleich<br />

schlecht aussehen lässt.<br />

Allerdings können diese Zahlen in der politischen Diskussion<br />

und Beurteilung des Integrationsgeschehens auch zu Fehlinterpretationen<br />

führen. Die Quoten beruhen auf quartalsweisen<br />

Bestandsmessungen, bei denen drei wichtige Aspekte nicht berücksichtigt<br />

werden. Erstens: Die Populationen der anerkannten<br />

Flüchtlinge und vorläufig aufgenommenen Personen setzen sich<br />

als Folge der beträchtlichen Fluktuation (Neuzugänge, Statuswechsel,<br />

Abgänge) an jedem Messzeitpunkt anders zusammen: Die<br />

einzelnen Messergebnisse sind nicht miteinander vergleichbar.<br />

Zweitens: Die Anwesenheitsdauer der Zielgruppen oder einzelner<br />

Teilgruppen fliesst nicht in die Bestandsmessung ein. Aussagen<br />

über das Erwerbsverhalten, die Entwicklung der Erwerbs-<br />

beteiligung oder die Nachhaltigkeit der Arbeitsmarktintegration<br />

sind nicht möglich. Drittens: Die Erhebungen auf Bundesebene<br />

können bei den anerkannten Flüchtlingen nur in den ersten fünf und<br />

bei den vorläufig aufgenommenen Personen in den ersten sieben<br />

Jahren seit ihrer Einreise durchgeführt werden. Die Beobachtungsdauer<br />

ist also beschränkt und – angesichts der Komplexität des<br />

Integrationsgeschehens und der individuell unterschiedlichen zeitlichen<br />

Verläufe – sehr kurz.<br />

Um diesen langfristigen Blickwinkel besser zu erschliessen,<br />

wurden im Rahmen der Studie «Erwerbsbeteiligung von anerkannten<br />

Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen auf dem<br />

Schweizer Arbeitsmarkt» Daten der AHV und des zentralen Migrationsinformationssystems<br />

(ZEMIS) zusammengeführt. Dies ermöglicht<br />

eine rückblickende Längsschnittbetrachtung über zehn<br />

bis 13 Jahre bei rund 2650 Personen. In der Untersuchung, zu<br />

der auch fünfzig Fachleute aus verschiedenen Akteursgruppen<br />

und der Arbeitgeberschaft zu den Erfolgs- und Risikofaktoren befragt<br />

wurden, werden drei Personengruppen unterschieden: FL,<br />

VA und Personen mit einer sogenannten Härtefall-Regelung.<br />

Erkenntnisse aus der Längsschnittbetrachtung<br />

Die Längsschnittbetrachtung zeigt, dass die Arbeitsmarktintegration<br />

aller Zielgruppen nach zehn Jahren noch nicht abgeschlossen<br />

ist und dass sich die Erwerbsbeteiligung über die Beobachtungsperiode<br />

hinaus weiterentwickelt. Die Arbeitsmarktintegration ist<br />

somit ein sehr langfristiges Geschäft, wobei der Verlauf und die<br />

«Performance» durch die Geschehnisse in den ersten drei Jahren<br />

seit der Einreise massgeblich mitbestimmt werden.<br />

60%<br />

40%<br />

20%<br />

0% 0%<br />

0 2 4 6 8 10<br />

Anzahl Jahre seit Einreise<br />

Die Grafik zeigt anhand der Erwerbstätigenquoten<br />

zehn Jahre nach der Einreise den<br />

dominierenden Zusammenhang zwischen<br />

ausländerrechtlichem Status und Erwerbsbeteiligung:<br />

Vorläufig Aufgenommene<br />

(rote Kurve) 25%, anerkannte Flüchtlinge<br />

(blau) 48%, Personen mit sogenannter<br />

Härtefall-Regelung (grün) 61%. Die<br />

Arbeitsmarktintegration der vorläufig<br />

aufgenommenen Personen (F-Ausweis)<br />

ist wesentlich schlechter als jene der<br />

anerkannten Flüchtlinge und der Personen<br />

mit sogenannter Härtefall-Regelung (beide<br />

B-Ausweis).<br />

18 ZeSo 2/15 SCHWERPUNKT<br />

((Legende))<br />

Die Grafik zeigt den dominierenden Zusammenhang zwischen ausländerrechtlichem Status und


flüchtlinge und sozialhilfe<br />

Nach zehn Jahren Aufenthalt in der Schweiz weisen die vorläufig<br />

aufgenommenen Personen im Vergleich mit den anerkannten<br />

Flüchtlingen – und konträr zu den einleitend genannten Ergebnissen<br />

der Bestandsmessung! – eine markant tiefere Erwerbsbeteiligung<br />

auf. Diese generelle Feststellung gilt sowohl hinsichtlich des<br />

Vergleichs einzelner Merkmale wie Geschlecht, Alter, Herkunftsland,<br />

Kanton usw. als auch unter Berücksichtigung konjunktureller<br />

Einflüsse. Diese statistisch klar belegbaren Fakten unterstreichen<br />

den alle übrigen Einflüsse dominierenden Zusammenhang<br />

zwischen ausländerrechtlichem Status und Erwerbsbeteiligung:<br />

Vorläufig aufgenommene Personen (F-Ausweis) sind in Bezug auf<br />

die Arbeitsintegration schlechter gestellt und wesentlich weniger<br />

erfolgreich als anerkannte Flüchtlinge (B-Ausweis).<br />

Unstabile Erwerbsbeteiligung und prekäre Arbeitsverhältnisse<br />

Die Untersuchung zeigt im Weiteren, dass<br />

• nur 26 Prozent aller Personen im Verlauf der Beobachtungsperiode<br />

keinen Arbeitseinsatz aufweisen respektive kein AHVpflichtiges<br />

Einkommen erzielen.<br />

• lediglich 16 Prozent aller Personen, die den Einstieg in den<br />

Arbeitsmarkt geschafft haben, ihre Stelle behalten konnten.<br />

Alle übrigen Personen haben mindestens einen und maximal<br />

zwölf Wechsel zwischen Erwerbstätigkeit und Erwerbslosigkeit<br />

durchlaufen, wobei der Vergleich zwischen FL und VA auch<br />

diesbezüglich durchgehend schlechtere Werte für die VA ergibt.<br />

• sich bei den erzielten Monatseinkommen grosse Unterschiede<br />

zwischen den FL und den VA zeigen, sowohl hinsichtlich der<br />

Höhe als auch der Entwicklung: Die Einkommen variieren<br />

bei den FL zwischen 1600 und 3100 Franken und bei den<br />

VA zwischen 1000 und 2400 Franken. Die Medianlöhne der<br />

anerkannten Flüchtlinge nehmen – wenn auch mit grossen<br />

Schwankungen – mit zunehmender Aufenthaltsdauer in der<br />

Schweiz tendenziell zu. Bei den vorläufig aufgenommenen<br />

Personen hingegen nehmen die Löhne ab dem zweiten Aufenthaltsjahr<br />

– ebenfalls mit Schwankungen – kontinuierlich ab.<br />

Die Arbeitsmarktintegration der Zielgruppen ist unstabil und<br />

prekär. Die völlig unbefriedigende Erwerbsbeteiligung der vorläufig<br />

aufgenommenen Personen ist kongruent mit der durch die<br />

Ablehnung des Asylgesuches zum Ausdruck gebrachten Intention,<br />

dass diese Personen das Land verlassen sollen. Dies äussert sich im<br />

Begriff der «vorläufigen Aufnahme», der in weiten Teilen der Arbeitgeberschaft<br />

nach wie vor nicht adäquat verstanden und von den<br />

befragten Fachleuten einhellig als Benachteiligung auf dem (kompetitiven)<br />

Arbeitsmarkt beurteilt wird – und der in der laufenden<br />

Revision des Asylgesetzes unverzeihlicherweise trotzdem beibehalten<br />

werden soll! Die erwähnte Intention zeigt sich zudem und insbesondere<br />

in verschiedenen Restriktionen beim Zugang zum und der<br />

Mobilität innerhalb des Arbeitsmarkts und bei den hohen Hürden<br />

für die Erlangung einer Härtefall-Regelung (B-Ausweis). Es ist deshalb<br />

zu hoffen, dass die Beseitigung der Zugangshürden und der<br />

Einschränkung der geografischen Mobilität die Vernehmlassung<br />

zur laufenden Anpassung der Gesetzesvorlage zur Änderung des<br />

Ausländergesetzes (Integration) übersteht und die Bestimmungen<br />

wie geplant durch ein einfaches Meldeverfahren ersetzt werden.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die zu steigernde Erwerbsbeteiligung hängt allerdings nicht nur<br />

vom Abbau von Zugangshürden ab. Ein raschestmöglicher Stellenantritt<br />

ohne ausreichende Qualifizierung der Betroffenen erweist<br />

sich nicht als Garant für eine nachhaltige und existenzsichernde<br />

Arbeitsmarktintegration. Da die Zielgruppen in den meisten Kantonen<br />

klein, aber extrem heterogen und die Mittel für die das Regelsystem<br />

ergänzenden spezifischen Massnahmen knapp sind,<br />

müsste sich hier insbesondere das Berufsbildungssystem noch viel<br />

stärker engagieren. Es ist angesichts der grossen Anzahl von jungen,<br />

arbeitsfähigen Personen nicht verständlich, weshalb nicht<br />

schon längst eine national initiierte und koordinierte, überregionale<br />

Offensive im Bereich der beruflichen Grundbildung sowie der<br />

Nachholbildung für Erwachsene bis 45 Jahre am Laufen ist. Wenn<br />

ein Sek-II-Abschluss heute richtigerweise als Mindestanforderung<br />

für eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration erkannt und für 95<br />

Prozent der Bevölkerung angestrebt wird, dann müsste – auch im<br />

Zusammenhang mit dem heiss diskutierten und durch die Folgen<br />

der Masseneinwanderungsinitiative sich noch akzentuierenden<br />

Fachkräftemangel – das inländische Potenzial bestmöglich gefördert<br />

und ausgeschöpft werden. Anerkannte Flüchtlinge und die<br />

meisten «vorläufig» aufgenommenen Personen gehören zu diesem<br />

noch weitgehend brachliegenden Potenzial.<br />

Die Politik hat die Wahl, für die (Arbeitsmarkt-)Integration<br />

der zugewanderten und auf Dauer in der Schweiz verbleibenden<br />

Menschen viel – vermutlich sehr viel – Geld in die Hand zu nehmen<br />

und damit mittelfristig einen (möglicherweise historischen)<br />

Beitrag zur Bewältigung sich zuspitzender gesellschaftlicher und<br />

volkswirtschaftlicher Probleme zu leisten oder à la longue noch<br />

höhere Beiträge in Form von Sozialhilfekosten zu berappen und<br />

dadurch auch die polemischen und in den meisten Fällen ungerechtfertigten<br />

Diskussionen über den Missbrauch von Transferleistungen<br />

weiterhin – ob gewollt oder nicht – zuzulassen. •<br />

Claudio Spadarotto, Partner KEK-CDC Consultants<br />

Mitautor der Studie «Erwerbsbeteiligung von anerkannten<br />

Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen<br />

auf dem Schweizer Arbeitsmarkt» (Hinweis S. 17)<br />

SCHWERPUNKT 2/15 ZeSo<br />


Ein Tor zum Arbeitsmarkt<br />

Leyla Retta, eine junge Flüchtlingsfrau aus Äthiopien, absolviert einen Lehrgang zur Pflegehelferin.<br />

Für sie und die anderen Teilnehmer, die sich gerne um Menschen kümmern und über die nötigen<br />

Fähigkeiten verfügen, erschliesst dieser Kurs den Zugang zur Arbeitswelt.<br />

Wer an einem Samstagmorgen die Kursräume im ersten Stock an<br />

der Rue de la Gare in Martigny betritt, wähnt sich in einem Spitalzimmer.<br />

In zwei Betten liegen Patienten, darum herum stehen<br />

Pflegerinnen und Pfleger. Unter den wachsamen Blicken ihrer<br />

Kolleginnen und der Kursleiterin führen sie nacheinander Arbeitsschritte<br />

am Krankenbett aus. Wir befinden uns im Ausbildungszentrum<br />

des Roten Kreuzes Wallis, im praktischen Unterricht des<br />

Lehrgangs «Pflegehelfer/in SRK». Rund zwanzig Kursteilnehmerinnen<br />

und ein Kursteilnehmer lernen hier zurzeit die Grundlagen<br />

der Pflegearbeit. Neben dem theoretischen Teil üben sie im<br />

praktischen Unterricht die Handgriffe ein, die sie bis zur Abschlussprüfung<br />

beherrschen müssen. Die Prüfung steht am Ende<br />

einer fast siebenmonatigen Ausbildungszeit, die mit einem fünftägigen<br />

Vorpraktikum beginnt. Die eigentlichen Kurse dauern<br />

sechs Monate und finden an ein bis zwei Tagen pro Woche statt.<br />

Darauf folgt noch einmal ein zweiwöchiges Praktikum. Wer den<br />

Lehrgang erfolgreich abschliesst, erhält ein Zertifikat des Schwei-<br />

zerischen Roten Kreuzes (SRK) und damit die Chance auf eine<br />

Tätigkeit im Pflegebereich. Eine der Kursteilnehmerinnen ist<br />

Leyla Retta, eine junge Frau aus Äthiopien, die vor drei Jahren in<br />

die Schweiz kam. Sie erhielt im September letzten Jahres die Aufenthaltsbewilligung<br />

B und lebt heute in Monthey. Beim Roten<br />

Kreuz Wallis, das sie betreute, riet man ihr, mit dem Lehrgang<br />

ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.<br />

Keine Freiheit, keine Rechte<br />

Retta hat mit ihren 28 Jahren bereits einen langen Weg hinter<br />

sich. Dieser führte sie zunächst ins Exil im Sudan. «Um zu überleben,<br />

arbeitete ich von früh bis spät als Hausangestellte. Ich wollte<br />

studieren, einen Beruf erlernen, aber das war nicht möglich. Wir<br />

hatten überhaupt keine Freiheit, keine Rechte.» Am Sonntag,<br />

ihrem einzigen freien Tag, lernte Retta einige der vielen eritreischen<br />

Einwanderer im Sudan kennen. Sie erzählten ihr von der<br />

Schweiz, einige ihrer Freunde seien bereits dort.<br />

Leyla Retta und Kursteilnehmer: Mit Motivation und Lernbereitschaft zum Zertifikat «Pflegehelfer/in SRK». <br />

Bild: Céline Ribordy<br />

20 ZeSo 2/15 SCHWERPUNKT


flüchtlinge und sozialhilfe<br />

Retta beschloss, ihr Glück zu versuchen, und reiste mit dem<br />

Flugzeug nach Frankreich und auf dem Landweg weiter in die<br />

Schweiz. Sie reichte ein Asylgesuch ein und landete im Empfangszentrum<br />

Vallorbe, wo ihr Gesuch ein erstes Mal geprüft wurde.<br />

Sie verbrachte dort eine schwierige Woche: «Es war Winter,<br />

ich sah das erste Mal Schnee und ich habe schrecklich gefroren.<br />

Alles war so fremd. Das Essen, die Sprache, die Gewohnheiten»,<br />

erinnert sie sich. Der Entscheid fiel relativ schnell: Retta durfte<br />

in der Schweiz bleiben, während ihr Gesuch eingehender geprüft<br />

wurde. Die Behörden schickten sie ins Wallis, in ein Heim in<br />

Saint-Gingolph, wo sie drei Monate lebte. Später arbeitete sie als<br />

Babysitterin, um ein bisschen Geld zu verdienen, und zog nach<br />

Monthey in eine eigene Unterkunft.<br />

Leyla Retta, die Englisch spricht, wollte nun Französisch lernen.<br />

Sie schloss sich einer Gruppe Eritreer an, die, wie sie merkte,<br />

der französischen Sprache mächtig waren. Einer von ihnen, ein<br />

Lagerist aus Vouvry, wurde später ihr Freund. «Ich wurde sofort<br />

schwanger. Mein Sohn ist heute zwei Jahre alt. Ich lebe mit ihm in<br />

Monthey in einer grösseren Wohnung. Sein Vater kümmert sich<br />

um ihn, etwa wenn ich wie heute im Kurs bin. Er gibt mir auch<br />

Geld für unser Kind, aber er will nicht mit uns zusammenleben»,<br />

erzählt Retta.<br />

Der Wunsch, nützlich zu sein<br />

Die junge Frau wirkt zurückhaltend und sanft, ist aber auch äusserst<br />

entschlossen und willensstark. Sie will für sich und ihr Kind<br />

etwas erreichen und finanziell unabhängig werden. Sie will lernen,<br />

um voranzukommen. «Das ist klar ihr wichtigstes Ziel. Sie war mit<br />

ihrer ersten Wohnung unzufrieden, weil dort kein Platz für einen<br />

Schreibtisch war. Sie wollte unbedingt einen Tisch zum Lernen»,<br />

erinnert sich Rettas Betreuerin Delphine Délèze, Sozialarbeiterin<br />

beim Roten Kreuz Wallis. Sechs Monate lang besuchte die junge<br />

Frau einen Französischkurs – eine unabdingbare Voraussetzung<br />

für eine Ausbildung oder eine Arbeitsstelle. Damit sie zum Lernen<br />

genug Zeit hatte, liess sie ihren Sohn in einer Krippe betreuen. Die<br />

Kosten dafür wurden vom Roten Kreuz und von der Sozialhilfe der<br />

Gemeinde Monthey getragen. Da Retta sich für Gesundheitsberufe<br />

interessierte, riet man ihr, den SRK-Lehrgang zu absolvieren.<br />

«Mir gefällt es sehr gut. Ich mache mich gerne nützlich und helfe<br />

älteren Menschen. Im Praktikum war ich zuerst ein bisschen schockiert.<br />

Die Situation der Bewohner berührte mich. Am Abend<br />

weinte ich oft», erzählt Retta. «In meinem Land kümmert man sich<br />

zu Hause um die alten Menschen, nicht in einem Heim. Sie würden<br />

sich schämen und nicht wollen, dass ein Fremder sie so gebrechlich<br />

sieht und ihnen etwa beim Waschen hilft.» Die Ausbildung<br />

und die Tätigkeit gefallen ihr. Sie freut sich besonders, dass<br />

sie dadurch Leute kennenlernen und sich ein soziales Umfeld aufbauen<br />

kann. «Ich erweitere auch meinen französischen Wortschatz»,<br />

sagt sie lächelnd.<br />

Nach unserem Gespräch über ihren Lebensweg und ihre Zukunftspläne<br />

geht Retta wieder zu ihrer Gruppe zurück. Eine Teilnehmerin<br />

übt gerade den Transfer vom Rollstuhl zum Bett. Dabei<br />

muss sie die richtigen Handgriffe anwenden und darf nichts<br />

vergessen. Wenn die von einer Teilnehmerin gespielte «Patientin»<br />

sich unwohl fühlt, muss die angehende Pflegehelferin korrekt und<br />

in der richtigen Reihenfolge reagieren. Anschliessend bewertet die<br />

Gruppe die Handlung im Plenum: «Du hast die Bremsen des Rollstuhls<br />

nicht arretiert», bemerkt eine Kollegin. «Man darf den Eisbeutel<br />

nicht direkt auf die Haut legen», sagt eine andere. «Du hast<br />

sie nicht gefragt, wie stark ihr Schmerz auf einer Skala von null<br />

bis zehn ist», kritisiert eine Dritte. Die Kursleiterin stimmt zu und<br />

wiederholt noch einmal alle Schritte der Pflegehandlung. Die Kursteilnehmerin<br />

muss bis zur Prüfung noch viel üben: Sie muss wie<br />

alle anderen die richtigen Handgriffe beherrschen und Schmerzen<br />

lindern können, um den Komfort der Patienten zu gewährleisten.<br />

Sie muss ruhig kommunizieren, sich den Patienten anpassen, auf<br />

sie zugehen und ihnen zuhören können. Die gemeinsame Auswertung<br />

im Kurs hilft allen, sich in ihrer zukünftigen Tätigkeit immer<br />

wieder selber zu hinterfragen.<br />

Motivation, der Schlüssel zum Erfolg<br />

Wie alle Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer hofft auch<br />

Leyla Retta, dass diese Ausbildung ihr das Tor zur Arbeitswelt<br />

öffnen wird. Diese Hoffnung ist berechtigt, meint Samuel Jacquemoud,<br />

der beim Roten Kreuz Wallis die berufliche Integration von<br />

Flüchtlingen begleitet: «Die meisten Absolventen finden eine<br />

Stelle in einem Spital, Pflegeheim oder in einem Privathaushalt,<br />

wo sie pflegende Angehörige entlasten.»<br />

Entscheiden sich viele Flüchtlinge für diesen Beruf? «Eher<br />

nicht. Ich berate sie zu allen möglichen Tätigkeitsfeldern. Wenn<br />

sie in ihrem Heimatland aber beispielsweise Arzt waren, ist der<br />

Weg in ihren früheren Beruf lang und schwierig, da sie das Studium<br />

wiederholen müssen. Einige sind sich bei ihrer Ankunft<br />

nicht bewusst, wie weit das System und die Technik hier von dem<br />

entfernt sind, was sie gelernt haben. Bei einem Praktikum wird<br />

ihnen das aber meist schnell klar. Wenn es dort gut läuft, können<br />

sie ihre Kenntnisse mit einer geeigneten Massnahme auf den nötigen<br />

Stand bringen. Manchmal ist das aber auch nicht möglich»,<br />

erklärt Jacquemoud. «Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Integration<br />

ist die Motivation. Sie ist entscheidend. Für alles andere findet<br />

sich immer eine Lösung.» Nicht selten können die Flüchtlinge<br />

nach einiger Zeit, wenn sie die Sprache gut beherrschen, über ein<br />

Brückenangebot in eine berufliche Grundbildung einsteigen und<br />

ein «EFZ» erwerben. Das weiss auch Leyla Retta. Die lernbegierige<br />

Frau hat längst entschieden, dass sie diesen Weg eines Tages<br />

gehen möchte. <br />

•<br />

SCHWERPUNKT 2/15 ZeSo<br />

Marie-Christine Pasche<br />


Zwischen Hoffnung und<br />

Desillusion<br />

Der eritreische Flüchtling Kidane Yohannes ist mit einem universitären Abschluss in die Schweiz<br />

eingereist. Trotz grossem Engagement findet er hier keinen Job. Um seine Chancen zu verbessern,<br />

arbeitet er jetzt auf einem Bio-Bauernbetrieb mit.<br />

Kidane Yohannes schiebt eine Ladung Holzstücke in den Ofen<br />

und wischt sich den Staub von der Brust. Morgen ist Freitag. Für<br />

den Bauernbetrieb von Familie Gamp-Vogel in Kölliken ein wichtiger<br />

Tag: Der Hofladen ist dann geöffnet und es wird eine Menge<br />

frisch gebackenes Holzofenbrot über den Ladentisch gehen. Der<br />

dunkelhäutige Mann ist mit den letzten Vorbereitungen beschäftigt.<br />

Sein Chef, Betriebsleiter Christian Gamp, sagt: «Die Direktvermarktung<br />

vom Hof erfordert viel Handarbeit.» Dies sei mit ein<br />

Grund, weshalb man Kidane Yohannes angestellt habe. Der<br />

41-jährige Eritreer arbeitet seit März <strong>2015</strong> jeweils zwei Tage pro<br />

Woche auf dem Biobetrieb mit. Dorthin vermittelt hat ihn die<br />

Berufs- und Laufbahnberaterin Brigitte Basler von den Beratungsdiensten<br />

für Ausbildung und Beruf Aargau. Das Ziel ist klar:<br />

Yohannes soll die Schweizer Landwirtschaft kennenlernen. Das<br />

Metier ist ihm bereits vertraut. In seinem Heimatland hatte er<br />

Agronomie studiert und anschliessend acht Jahre lang im Landwirtschaftsministerium<br />

gearbeitet. Bis zu jenem Tag, als sein<br />

Leben eine Wende nahm.<br />

Der Gefahr entflohen<br />

Das war 2009. «Unsere Konfession wurde 2002 verboten und wir<br />

mussten mehr und mehr im Untergrund leben», sagt der gläubige<br />

Christ, der in Eritrea Mitglied einer Freikirche war. Für seine Frau<br />

und die drei kleinen Kinder eine ausweglose und gefährliche Situation.<br />

Yohannes entschloss sich zu fliehen. «Es gab für mich keine<br />

Perspektiven mehr, mir drohte das Gefängnis.» Jetzt sitzt er am<br />

Küchentisch von Familie Gamp und blickt zum Fenster hinaus.<br />

Ein Film scheint sich in seinem Kopf abzuspielen. «Von Eritrea bin<br />

ich in den Sudan geflüchtet und von dort nach Libyen.» Zwei<br />

Jahre lange habe er dort auf die Überfahrt nach Italien gewartet.<br />

Yohannes schlug sich durch, harrte aus, verdiente etwas Geld. Und<br />

er rang mit der Hoffnung, dass ein besseres Leben in Europa möglich<br />

sein würde. Schliesslich schaffte er es auf ein Schlepperboot<br />

und gelangte nach Sizilien. «Es war ein stabiles Schiff», bemerkt er<br />

– und schweigt.<br />

Danach ging alles schnell. Von Sizilien aus erreichte er die<br />

Schweiz, wo er dem Kanton Aargau zugeteilt wurde. Innerhalb<br />

von vier Monaten bekam er den Flüchtlingsstatus und damit verbunden<br />

eine Arbeitsbewilligung. Von diesem Moment an hat er<br />

nur ein Ziel: «Hier arbeiten und für meine Familie sorgen», sagt<br />

Yohannes. Seine Frau und die drei Mädchen ziehen 2012 zu ihm<br />

in die Schweiz. Der Sozialdienst der Gemeinde Birr, wo die Familie<br />

inzwischen wohnt, sorgt für die Existenzsicherung und finanziert<br />

dem Eritreer Deutschkurse. Er selbst meldet sich umgehend beim<br />

RAV an, um seinem Ziel näher zu kommen. Die involvierten Fachstellen<br />

werden auf den engagierten Flüchtling mit guten beruf-<br />

«Ich habe gehofft, dass meine Chancen nun besser sind.» Kidane Yohannes<br />

ist motiviert und spricht fliessend Deutsch.<br />

Bild: Daniel Desborough<br />

22 ZeSo 2/15 SCHWERPUNKT


flüchtlinge und sozialhilfe<br />

lichen Qualifikationen aufmerksam. «Er hat ein riesiges Potenzial»,<br />

sagt Gabriela Deiss vom zuständigen RAV. Und die Leiterin der Sozialen<br />

Dienste Birr, Dora Deppeler, erklärt: «Wir haben von Anfang<br />

an eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt anvisiert.» Yohannes selbst<br />

sagt: «Ich bin fit, zuverlässig und motiviert. Ich habe erwartet, rasch<br />

eine Stelle zu finden.» Doch es kommt anders: Der Familienvater,<br />

der fliessend Englisch und inzwischen auch fliessend Deutsch<br />

spricht, schreibt Bewerbung um Bewerbung – ohne Erfolg.<br />

Viel Lob und wenig Chancen<br />

Ende 2013 startet der Kanton Aargau ein Pilotprojekt zur Integration<br />

von Flüchtlingen mit erweiterten Qualifikationen. Man vermittelt<br />

den Eritreer in dieses Programm, wo ihn Projektleiterin<br />

Basler begleitet. Der Weg in die Erwerbsarbeit führt über ein Praktikum,<br />

das Yohannes an der ETH absolvieren kann. Sechs Monate<br />

lang sammelt er Erfahrungen in der Forschung und stellt dabei seine<br />

Fähigkeiten unter Beweis. Zum Schluss erhält er viel Lob und<br />

ein gutes Zeugnis. «Ich habe gehofft, dass meine Chancen nun<br />

besser sind», sagt Kidane Yohannes. Doch die Ernüchterung folgt.<br />

Wiederum erhält er Absage um Absage. Brigitte Basler fragt nach<br />

einem abschlägigen Entscheid jeweils beim Arbeitgeber nach.<br />

«Ihm fehlt die Erfahrung in der Schweizer Landwirtschaft», erfährt<br />

sie dabei. Sie zieht alle Register und nutzt auch private Kontakte,<br />

um ihrem Klienten zu einer Stelle zu verhelfen. So kommt Yohannes<br />

auf den Hof von Therese und Christian Gamp, die den Eritreer<br />

befristet anstellen, um ihm eine Chance zu geben. Kidane Yohannes<br />

ist inzwischen nach draussen gegangen und widmet sich<br />

den Salatsetzlingen. Christian Gamp sagt: «Er ist überdurchschnittlich<br />

gut mit schweizerischen Verhältnissen vertraut.» In der<br />

Landwirtschaft gebe es aber vermutlich genügend junge Fachangestellte,<br />

die hier aufgewachsen und mit der Branche vertraut sind.<br />

Brigitte Basler ist sich dessen bewusst. Für eine erfolgreiche Integration<br />

seien drei Faktoren entscheidend: Die Offenheit der<br />

Arbeitgeber, die Überzeugungskraft von Kidane Yohannes – «und<br />

dann braucht es immer auch 30 Prozent Glück», ist die Projektleiterin<br />

überzeugt.<br />

•<br />

Monika Bachmann<br />

Das Projekt «FUM»<br />

Unter den anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen<br />

befinden sich auch beruflich gut qualifizierte Personen. Um ihre<br />

Kompetenzen zu validieren und ihre Chancen auf Arbeitsintegration<br />

zu verbessern, hat das Amt für Migration und Integration Aargau im<br />

Rahmen eines Pilotprojekts mit den Beratungsdiensten für Ausbildung<br />

und Beruf Aargau einen Leistungsvertrag über die Fachberatung und<br />

Umsetzungsunterstützung für Migrantinnen und Migranten mit erweiterten<br />

Qualifikationen (FUM) abgeschlossen. Ziel ist die qualifikationsadäquate<br />

Arbeitsmarktintegration der Teilnehmenden.<br />

Das Projekt setzt dafür auf die Regelstrukturen für die berufliche Integration:<br />

Die fachliche Begleitung (Information, Beratung, Umsetzungsunterstützung)<br />

erfolgt durch spezialisierte Berufs-, Studien- und<br />

Laufbahn-Beratungspersonen. Für die konkrete Stellensuche werden<br />

bei Bedarf freiwillige Mentorinnen und Mentoren beigezogen.<br />

Interessierte Personen werden durch Anlaufstellen, RAV, Sozialdienste<br />

usw. bei den Beratungsdiensten zu einer Vorabklärung angemeldet.<br />

Voraussetzung für die Teilnahme am Projekt sind ein Tertiärabschluss,<br />

qualifizierte Berufserfahrung im Heimatland sowie Deutschkenntnisse<br />

auf Niveau B1. Zudem müssen die Interessierten eine grosse<br />

Portion Motivation, Durchhaltevermögen und Eigenständigkeit mitbringen.<br />

Aufgrund der vorhandenen Unterlagen (Lebenslauf, Diplome,<br />

Sprachkurse in der Schweiz, Arbeitsbestätigungen) und persönlicher<br />

Gespräche wird die Eignung für das Programm abgeklärt. Je nach<br />

Berufs- und Ausbildungsbiografie sowie der Einschätzung der Chancen<br />

im Schweizer Arbeitsmarkt werden die Teilnehmenden in zwei<br />

Gruppen eingeteilt: Bei der Gruppe A besteht das Ziel im Erwerb eines<br />

eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses EFZ, entweder mittels Lehrvertrag<br />

oder einer Anstellung und berufsbegleitender Nachholbildung.<br />

Die Gruppe B verfolgt als Ziel, einen Anstellungsvertrag als qualifizierte<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Ebene höhere Berufsbildung/<br />

Hochschule zu erhalten – ergänzt durch passende und notwendige<br />

Bildungsmodule. Mit allen Teilnehmenden werden konkrete Ziele und<br />

ein Aktionsplan vereinbart. Nach den Abklärungen entscheiden die<br />

Interessierten selber, ob sie mitmachen wollen. Sie werden längstens<br />

über zwei Jahre hinweg begleitet.<br />

Erfahrungen<br />

Die Nachfrage nach den zwanzig Plätzen im Pilotpojekt war gross, sodass<br />

15 zusätzliche Plätze gesprochen wurden. Doch aller Anfang ist<br />

schwer. Die grossen Hoffnungen der Teilnehmenden und ihre Anfangsmotivation<br />

waren teilweise schnell verebbt und es braucht vonseiten<br />

der Fachleute viel Frustrationstoleranz, um die vielen sich in den Weg<br />

stellenden Klippen gemeinsam mit den Teilnehmenden zu umschiffen.<br />

Denn die Wirtschaft hat trotz Fachkräftemangel nicht auf diese Menschen<br />

mit teilweise schwieriger Zuwanderungsgeschichte gewartet. Die<br />

vielen administrativen Hürden, die verschlossenen Türen im Arbeitsmarkt<br />

und die persönlichen Lebenssituationen der Teilnehmenden<br />

bedingen ein intensives Coaching, um gute Resultate zu erzielen. «Erst<br />

wenn der Boden gepflügt ist, kann ausgesätes Saatgut auch wirklich<br />

gedeihen.» Wenn ein erster Schritt in die Arbeitswelt, beispielsweise<br />

mit einem Praktikum oder einer Anstellung, geschafft ist, dann funktioniert<br />

die Integration dank guten Leistungen und positiven Erfahrungen<br />

auf beiden Seiten, vor allem auch aufseiten der Arbeitgeber.<br />

Brigitte Basler<br />

Projektleiterin, Beratungsdienste für Ausbildung und Beruf Aargau<br />

SCHWERPUNKT 2/15 ZeSo<br />


Die Herausforderungen<br />

aus der Sicht der Sozialhilfe<br />

Anerkannte Flüchtlinge, vorläufig aufgenommene Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene müssen<br />

schneller und besser integriert werden. Dazu müssen sie gleich wie alle anderen Sozialhilfebeziehenden<br />

behandelt werden, und die kantonalen Integrationsdelegierten müssen besser mit den<br />

Sozialhilfeorganen vernetzt werden.<br />

Die Zahl der anerkannten Flüchtlinge, vorläufig aufgenommenen<br />

Flüchtlinge und der vorläufig Aufgenommenen hat in letzter Zeit<br />

stark zugenommen. Viele verfügen über keine bis sehr geringe<br />

sprachliche und berufliche Fähigkeiten und Möglichkeiten. Die<br />

Nichterwerbsquote ist entsprechend hoch. Gleichzeitig sind Sozialhilfeorgane<br />

zunehmend stärker gefordert, die rasche berufliche<br />

und soziale Integration dieser Personen sicherzustellen. Die hohen<br />

Aufwendungen für die langsame, aufwendige und oft nicht erfolgreiche<br />

Integration belasten die Sozialhilfeausgaben der Kantone<br />

und Gemeinden. Die einschlägigen kantonalen Regelungen sind<br />

allerdings sehr unterschiedlich. In einigen Kantonen werden die<br />

vorläufig Aufgenommenen – das sind Personen, die aus der<br />

Schweiz weggewiesen wurden, bei denen sich der Vollzug der<br />

Wegweisung aber als unzulässig, unzumutbar oder unmöglich erwiesen<br />

hat – nach SKOS-Richtlinien unterstützt, in andern nach<br />

eigenen Ansätzen. Sie werden teilweise durch die Sozialhilfe, teilweise<br />

in Strukturen ausserhalb der Sozialhilfe, beispielsweise<br />

durch Hilfswerke, betreut. Vorläufig aufgenommene Flüchtlinge<br />

und anerkannte Flüchtlinge sind in der Sozialhilfe von Bundesrechts<br />

wegen den übrigen Sozialhilfebeziehenden gleichgestellt.<br />

Aber auch sie werden in verschiedenen Kantonen durch Stellen<br />

ausserhalb der Sozialhilfe unterstützt.<br />

Die zunehmende Bedeutung der anerkannten Flüchtlinge,<br />

vorläufig aufgenommenen Flüchtlinge (VaF) und der vorläufig<br />

Aufgenommenen (VA) in der Sozialhilfe führt bei den Sozialhilfeorganen<br />

zu Koordinationsproblemen mit dem Bund und den<br />

kantonalen Integrationsdelegierten. Der Bund zahlt für jeden<br />

anerkannten Flüchtling, VaF und VA für die Dauer von fünf<br />

beziehungsweise sieben Jahren eine Globalpauschale sowie eine<br />

einmalige Integrationspauschale in der Höhe von 6000 Franken.<br />

Während die Globalpauschale den für die Sozialhilfe zuständigen<br />

kantonalen Stellen zufliesst, wird die Integrationspauschale den<br />

kantonalen Integrationsdelegierten überwiesen, die vom Bund<br />

verpflichtet wurden, ein kantonales Integrationsprogramm zu<br />

erarbeiten. Je nach Kanton werden im Rahmen der kantonalen<br />

Integrationsprogramme Kurse ausschliesslich für anerkannte<br />

Flüchtlinge, VaF und VA angeboten.<br />

Gleiche Problematik, unterschiedliche Zielsetzung<br />

Die kantonalen Integrationsdelegierten haben andere Zielsetzungen<br />

im Bereich der Integration als die Sozialhilfe. Während das<br />

Ziel in der Sozialhilfe grundsätzlich erreicht ist, wenn die Betroffenen<br />

ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Hilfe finanzieren können,<br />

setzen Integrationsdelegierte die Latte höher. Für sie ist die<br />

soziale Integration und die aktive Beteiligung am sozialen Leben<br />

in der Gesellschaft ein zentrales Anliegen. Dabei wird ausgeblendet,<br />

dass Personen mit Migrationshintergrund in der Sozialhilfe<br />

überproportional vertreten sind. Durch die Finanzierung von<br />

exklusiven Programmen für anerkannte Flüchtlinge, VaF und VA<br />

wird eine aus Sicht der Sozialhilfe privilegierte Klientschaft<br />

geschaffen. Anerkannte Flüchtlinge, VaF und VA können Angebote<br />

nutzen, die ausschliesslich für sie bestimmt sind. Personen mit<br />

einem andern Status aber gleichgelagerten Problemstellungen haben<br />

häufig keinen Zugang zu diesen Programmen. Damit werden<br />

im Bereich der Angebote der beruflichen und sozialen Integration<br />

Parallelstrukturen ausserhalb der Regelstrukturen der Sozialhilfe<br />

geschaffen. Die ungenügende Vernetzung der Integrationsdelegierten<br />

mit der Sozialhilfe lässt sich auch mit dem Hinweis illustrieren,<br />

dass die Integrationsdelegierten auf Bundesebene in die Konferenz<br />

der Kantonsregierungen (KdK) und nicht in die Konferenz der<br />

kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK)<br />

integriert sind.<br />

Wenn nun Integrationsdelegierte und Sozialhilfe nicht genügend<br />

miteinander vernetzt sind, besteht die Gefahr, dass die Mittel<br />

nicht wirksam eingesetzt werden und die Zielsetzungen verpasst<br />

werden. Da die Pauschale des Bundes bei Weitem nicht ausreicht,<br />

die Integration der Flüchtlinge, vorläufig aufgenommenen Flüchtlinge<br />

und vorläufig Aufgenommenen sicherzustellen, ist letztlich<br />

dann doch die Sozialhilfe gefordert, ihre Integration sicherzustellen.<br />

Die Vorgaben des Bundes führen im Weiteren auch dazu, dass<br />

verschiedene Sozialhilfeorgane den Aufgabenbereich «Flüchtlinge»<br />

an Dritte ausgelagert haben. Dies trägt dazu bei, dass<br />

vielerorts das Verständnis darüber fehlt, dass nicht nur anerkannte<br />

Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge, sondern<br />

auch die vorläufig Aufgenommenen Teil der Sozialhilfe sind und<br />

auch für sie entsprechende Anstrengungen seitens der Behörden<br />

notwendig sind. Nur die Gleichbehandlung der vorläufig Aufgenommenen<br />

mit anderen Sozialhilfebeziehenden macht es mög-<br />

Da die Pauschale des<br />

Bundes bei Weitem nicht<br />

ausreicht, ist letztlich die<br />

Sozialhilfe gefordert, die<br />

Integration sicherzustellen.<br />

24 ZeSo 2/15 SCHWERPUNKT


flüchtlinge und sozialhilfe<br />

Die Koordination und die Durchlässigkeit der Angebote für die Integration von Flüchtlingen müssen verbessert werden.<br />

Bild: Keystone<br />

lich, dass die Integrations- und Sanktionsinstrumente der SKOS<br />

beziehungsweise der kantonalen Sozialhilfegesetzgebungen zur<br />

Anwendung kommen können.<br />

Verbesserungsvorschläge aus Sicht der Sozialhilfe<br />

Aus Sicht der Sozialhilfeorgane besteht auf verschiedenen Ebenen<br />

Verbesserungsbedarf, damit die Integrationsbemühungen ihre<br />

Wirkung entfalten können:<br />

• Die Begriffe «vorläufig Aufgenommener» und «vorläufig aufgenommener<br />

Flüchtling» erschweren die Integration erheblich.<br />

Damit wird unterstellt, diese Personen seien nur vorübergehend<br />

in der Schweiz. Die Realität ist jedoch eine andere: Der<br />

weitaus grösste Teil der vorläufig aufgenommenen Flüchtlinge<br />

und der vorläufig Aufgenommenen bleibt für immer in der<br />

Schweiz.<br />

• Die Integration von anerkannten Flüchtlingen, vorläufig aufgenommenen<br />

Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen ist<br />

langwierig und sehr schwierig. Dem muss der Bund Rechnung<br />

tragen, indem er die Integrationspauschale erheblich erhöht.<br />

Gleiches gilt für den Umstand, dass nach dem Verbrauch der<br />

Integrationspauschale die Sozialhilfe die weitere Integration<br />

finanzieren muss. Diese zusätzliche Belastung der Sozialhilfe<br />

muss der Bund mit der Ausrichtung der Globalpauschale über<br />

den Zeitraum von zehn Jahren abfedern helfen.<br />

• Der Bund muss die kantonalen Integrationsdelegierten im<br />

Bereich der anerkannten Flüchtlinge, der vorläufig aufgenommenen<br />

Flüchtlinge und der vorläufig Aufgenommenen anhalten,<br />

sich als Teil der Sozialhilfe zu verstehen und nicht als Konkurrenz<br />

dazu. Es muss verhindert werden, dass für eine kleine<br />

Zahl von Sozialhilfebeziehenden gesonderte, von der Sozialhilfe<br />

unabhängige Strukturen entstehen. Die Koordination und<br />

die Durchlässigkeit der Angebote müssen gesichert sein.<br />

• Anerkannte Flüchtlinge, vorläufig aufgenommene Flüchtlinge<br />

und vorläufig Aufgenommene sind und werden zunehmend<br />

kostenwirksamer Bestandteil der Sozialhilfe. Sozialhilfeorgane<br />

sollen die Verantwortung für die vorläufig aufgenommenen<br />

Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommenen übernehmen und<br />

sie in ihre Strukturen mit den entsprechenden personellen und<br />

strukturellen Angeboten einbinden. Dazu gehört auch, dass<br />

nicht nur für anerkannte und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge,<br />

sondern auch für vorläufig Aufgenommene die gleichen<br />

Sozialhilfestandards gelten wie für die übrige Bevölkerung.<br />

• Die Bemühungen des Bundes, die Arbeitsbewilligungspflicht<br />

für anerkannte Flüchtlinge, für vorläufig aufgenommene<br />

Flüchtlinge und für vorläufig Aufgenommene aufzuheben,<br />

sind zu unterstützen.<br />

•<br />

Ruedi Hofstetter,<br />

Amtschef Kantonales Sozialamt Zürich<br />

Mitglied der Geschäftsleitung der SKOS<br />


Die SKOS als Dienstleisterin für die<br />

öffentliche Hand<br />

Die SKOS nimmt als Fachverband gegenüber den Mitgliedern und einer interessierten Öffentlichkeit<br />

weitreichende und vielfältige Aufgaben wahr. Sie stellt zahlreiche Dienstleistungen zur Unterstützung<br />

der Sozialhilfepraxis und zur sozialpolitischen Diskussion zur Verfügung. Eine Umfrage bei den<br />

Verbandsmitgliedern zur Qualität der Angebote bescheinigt der SKOS eine gute Kundenorientierung<br />

und eine hohe Zufriedenheit mit ihren Dienstleistungen.<br />

Die SKOS versteht sich als Dienstleisterin<br />

gegenüber den Mitgliedern und damit für<br />

die öffentliche Hand. Sie richtet ihre Dienste<br />

auf den Bedarf der Praxis und den sozialpolitischen<br />

Nutzen aus. Um zu überprüfen,<br />

ob sie das Richtige tut und dieses auch<br />

richtig macht, hat sie das Institut MIS<br />

Trend beauftragt, bei den Verbandsmitgliedern<br />

eine Umfrage über die Nutzung<br />

und die Zufriedenheit mit den SKOS-<br />

Dienstleistungen durchzuführen. An der<br />

Umfrage haben sich 60 Prozent der rund<br />

900 SKOS-Mitglieder beteiligt.<br />

Die Mitglieder stellen der SKOS ein<br />

insgesamt gutes Zeugnis aus: Auf einer<br />

Skala von null bis zehn liegt die Gesamtzufriedenheit<br />

der Verbandsmitglieder mit<br />

den Dienstleistungen der SKOS im Bereich<br />

gut bis sehr gut. Ebenso wird die Kundenorientierung<br />

von der grossen Mehrheit der<br />

Mitglieder mit gut bis sehr gut bewertet<br />

und der SKOS attestiert, dass sie die Bedürfnisse<br />

ihrer Mitglieder in den Vordergrund<br />

stellt. Im Ganzen stimmt die Ausrichtung<br />

der Dienstleistungspalette und<br />

es ist kein grundlegender Reformbedarf<br />

angezeigt. Aber die Umfrage zeigt auch<br />

auf, wo es Verbesserungspotenzial gibt.<br />

Dieses gilt es anzugehen.<br />

die tägliche Arbeit «an der Front» erachtet<br />

werden. Erfreulicherweise gehören aber<br />

auch höhere Hierarchiestufen und Personen<br />

mit Direktionsfunktion zu den regelmässigen<br />

Nutzerinnen und Nutzern der<br />

SKOS-Dienste.<br />

Mit grossem Abstand an der Spitze<br />

in Bezug auf Bekanntheit und Nutzung<br />

stehen die SKOS-Richtlinien. 96 Prozent<br />

aller Umfrageteilnehmenden kennen und<br />

nutzen die Richtlinien. Sehr erfreulich ist<br />

der hohe Bekanntheits- und Nutzungsgrad<br />

auch bei der Grundlagenarbeit. Dies bestätigt,<br />

dass die SKOS auch eine wichtige<br />

Funktion einnimmt in Bezug auf die Erarbeitung<br />

von Fakten und wissenschaftlichen<br />

Grundlagen einerseits zur Abstützung der<br />

Richtlinien und andererseits als Beitrag<br />

zur sozialpolitischen Auseinandersetzung<br />

und zur Weiterentwicklung der Sozialhilfe.<br />

In den letzten Jahren tat sie dies beispielsweise<br />

mit Studien zur Thematik der Schwelleneffekte,<br />

zu den Ergänzungsleistungen<br />

für einkommensschwache Familien oder<br />

zur Besteuerung der Sozialhilfe.<br />

Auch praktische Hilfestellungen werden<br />

rege genutzt, beispielsweise die Praxisbeispiele,<br />

die als feste Rubrik der Verbandszeitschrift<br />

<strong>ZESO</strong> viermal im Jahr erscheinen<br />

und exemplarische Fragestellungen<br />

zur Anwendung der SKOS-Richtlinien<br />

behandeln. Die SKOS verfügt über verschiedene<br />

Kommunikationsgefässe für die<br />

Berichterstattung und die Information.<br />

Diese werden unterschiedlich eingeschätzt.<br />

Während die <strong>ZESO</strong> und der elektronische<br />

Newsletter gute Noten erhalten, ist der Mitgliederbrief<br />

als solcher wenig bekannt und<br />

wird nicht als ansprechendes Instrument<br />

wahrgenommen.<br />

Auch wenn sich die Nutzung der Angebote<br />

unterscheiden kann, so wird die SKOS<br />

doch in jedem Fall über die konkreten Leistungen<br />

wahrgenommen. So zeigt sie ihr<br />

Gesicht beispielsweise auch an den von ihr<br />

organisierten Fachtagungen und sie prägt<br />

über die Themensetzung den Fachdiskurs.<br />

Aufgrund des vielfältigen und breiten Tagungs-<br />

und Weiterbildungsangebots in der<br />

Schweiz wird vom angesprochenen Fachdie<br />

Dienstleistungen der SKOS für ihre Mitglieder<br />

Nutzung und Bekanntheit der SKOS-<br />

Dienstleistungen<br />

Dass die Dienstleistungen der SKOS rege<br />

genutzt werden, zeigt sich daran, dass gut<br />

zwei Drittel der Mitglieder angaben, im<br />

letzten Monat eine Dienstleistung der<br />

SKOS beansprucht zu haben. Kantone,<br />

Gemeinden und Zusammenschlüsse von<br />

Sozialdiensten nutzen die Angebote der<br />

SKOS annähernd gleich gut. Besonders<br />

häufig werden die Angebote von den Fachmitarbeitenden<br />

genutzt. Das Angebot der<br />

SKOS kann deshalb als sehr relevant für<br />

SKOS-Richtlinien<br />

Die SKOS-Richtlinien definieren, wie die<br />

Sozialhilfe berechnet wird. Es sind Empfehlungen<br />

zuhanden der Sozialhilfeorgane<br />

des Bundes, der Kantone, der Gemeinden<br />

sowie der Organisationen der privaten Sozialhilfe.<br />

Die Richtlinien werden durch die<br />

kantonale Gesetzgebung und die kommunale<br />

Rechtsetzung und Rechtsprechung<br />

verbindlich. Sie sind in gedruckter Form<br />

(Ordner mit Einlageblättern) und online<br />

(PDF) via SKOS-Website erhältlich.<br />

SKOS-Line und Praxisbeispiele<br />

Die SKOS-Line ist der Beratungsdienst<br />

der SKOS für Fragen aus der Anwendungspraxis<br />

der Richtlinien und der<br />

Sozialhilfe. Der Zugang zum kostenlosen<br />

Beratungsangebot für Verbandsmitglieder<br />

erfolgt über den Mitgliederbereich<br />

der Website. Fallbeispiele werden<br />

regelmässig in der Zeitschrift für Sozialhilfe<br />

und auf der Website publiziert. Neu<br />

ist die SKOS-Line in die Geschäftsstelle<br />

der SKOS eingebunden.<br />

26 ZeSo 2/15 DIENSTLEISTUNGEN DER SKOS


Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle der SKOS.<br />

publikum sehr genau abgewogen, was<br />

besucht wird. Die zeitlichen und finanziellen<br />

Ressourcen der Sozialdienste sind<br />

beschränkt, das macht eine Selektion im<br />

Angebot unumgänglich. Die Veranstaltungen<br />

der SKOS sind trotz der grossen<br />

Konkurrenz sehr gut besucht und auch die<br />

jährliche Weiterbildung zur Einführung in<br />

die öffentliche Sozialhilfe findet regelmässig<br />

Anklang. Im Weiterbildungsbereich ist<br />

allerdings zu berücksichtigen, dass einige<br />

Kantone eigene Angebote haben, dass die<br />

Fachhochschulen in der Thematik sehr engagiert<br />

sind und dass die SKOS den Einführungskurs<br />

bisher nur in der Deutschschweiz<br />

anbietet. In der Deutschschweiz<br />

bietet die SKOS auch massgeschneiderte<br />

Weiterbildungen an, beispielsweise für<br />

Regionen oder einzelne Institutionen, die<br />

regelmässig nachgefragt werden.<br />

Ein weiteres Kernangebot der SKOS<br />

ist die «SKOS-Line». Mitglieder erhalten<br />

zu Fragen betreffend die Anwendung der<br />

SKOS-Richtlinien über eine elektronische<br />

Bilder: Béatrice Devènes<br />

Hotline innert Wochenfrist fachkompetente<br />

Auskunft. Die SKOS-Line beantwortet<br />

jeden Monat rund 50 Anfragen.<br />

Die Nachfrage hat in den letzten Jahren<br />

stetig zugenommen. Sie wird von kleineren<br />

Gemeinden ebenso genutzt wie von Fachleuten<br />

kantonaler und städtischer Stellen<br />

oder deren Rechtsdiensten. Trotz dieser<br />

hohen Nutzungsfrequenz ist die SKOS-<br />

Line doch bei einem Teil der Mitglieder<br />

nicht bekannt und sie wird nur in der deutschen<br />

Schweiz angeboten.<br />

<br />

Grundlagendokumente und Studien<br />

Als nationaler Fachverband verfügt<br />

die SKOS über ein grosses Expertenwissen.<br />

Sie führt wissenschaftliche<br />

Untersuchungen zur Sozialhilfe und<br />

zur Existenzsicherung durch und<br />

schafft damit wichtige Grundlagen<br />

für die Ausgestaltung der Sozialhilfe<br />

und der Sozialpolitik in der Schweiz.<br />

Auf Anfrage unterstützt die SKOS<br />

ihre Mitglieder auch mit Fach-Knowhow.<br />

Stellungnahmen, Positionspapiere,<br />

Argumentarien<br />

Die SKOS beteiligt sich an sozialpolitischen<br />

Debatten. Sie verfasst<br />

Vernehmlassungsantworten und<br />

veröffentlicht zuhanden ihrer<br />

Mitglieder und weiteren Anpruchsgruppen<br />

Argumentarien und<br />

Positionspapiere.<br />

Website<br />

Die Website www.skos.ch ist die<br />

zentrale Informationsdrehscheibe<br />

und der schnellste Kommunikationskanal.<br />

Neben den «News» aus<br />

der Welt der Sozialhilfe bietet die<br />

Website Zugang zu den SKOS-Richtlinien,<br />

zur SKOS-Line, zu Grundlagendokumenten<br />

und Positionen,<br />

zu Veranstaltungshinweisen, FAQ,<br />

Online-Shop usw. sowie zum passwortgeschützten<br />

Mitgliederbereich.<br />

Newsletter<br />

Der SKOS-Newsletter informiert<br />

rund 10x im Jahr über die Verbandstätigkeit,<br />

Veranstaltungen,<br />

Produkte und Dienstleistungen der<br />

SKOS sowie über Aktualitäten aus<br />

ihrem Umfeld. Die Anmeldung zum<br />

Erhalt des Newsletters erfolgt über<br />

die Website (rechte Seite oben).<br />

<br />

DIENSTLEISTUNEN DER SKOS 2/15 ZeSo<br />

27


«Dienstleistungsorientierung<br />

und Aktualität sind zentrale<br />

Werte für die SKOS.»<br />

<br />

Schliesslich bietet die SKOS nicht nur<br />

eigene Dienstleistungen an, sondern sie<br />

ermöglicht den Mitgliedern den Zugang<br />

zu drei externen Spezialangeboten. Beim<br />

Beobachter-Beratungsdienst können SKOS-<br />

Mitglieder zu reduzierten Preisen juristische<br />

Beratungsleistungen in Anspruch<br />

nehmen. Die Datenbank «Web-Law» bietet<br />

insbesondere juristischen Fachleuten einfachen<br />

und gezielten Zugang zu Gerichtsurteilen<br />

zur Sozialhilfe. Und über den<br />

Medienbeobachtungsdienst Argus, der über<br />

die Website der SKOS einfach geöffnet<br />

werden kann, können sozialhilferelevante<br />

Artikel, die in der Schweiz erschienen sind,<br />

gelesen werden. Die Umfrage hat gezeigt,<br />

dass diese drei Angebote bei den Mitgliedern<br />

vergleichsweise wenig bekannt sind.<br />

Dies lässt sich damit erklären, dass sie sich<br />

alle an ein ausgewähltes Publikum richten.<br />

Qualität<br />

Die Qualität der SKOS-Dienstleistungen<br />

wird von den Nutzenden als gut bis sehr<br />

gut eingestuft. Sehr gut schneiden insbesondere<br />

die SKOS-Richtlinien, die SKOS-<br />

Line und die <strong>ZESO</strong> ab. Es gibt aber auch<br />

kritische Stimmen. Es werden beispielsweise<br />

die Suchmöglichkeiten bei den<br />

SKOS-Richtlinien und den Grundlagenpapieren<br />

bemängelt. Zudem wird teilweise<br />

auf die sprachliche Verständlichkeit hingewiesen,<br />

die insbesondere bei den Grund-<br />

lagendokumenten nicht immer optimal<br />

ist. Auch Kriterien wie Praxisrelevanz oder<br />

die generelle Informationsflut werden genannt.<br />

Werden die Dienstleistungen der<br />

SKOS nicht genutzt, so werden dafür in der<br />

Regel gut nachvollziehbare Gründe angeführt<br />

– Zeitmangel, Informationsflut oder<br />

andere Informationsquellen, die zur Verfügung<br />

stehen.<br />

Handlungsbedarf und Massnahmen<br />

Aus der Umfrage lässt sich also schliessen,<br />

dass die Angebote der SKOS grundsätzlich<br />

richtig und stimmig sind. In einigen Bereichen<br />

besteht aber Optimierungsbedarf. So<br />

soll beispielsweise bei den SKOS-Richtlinien<br />

die Suchfunktion sowie das Stichwortund<br />

Inhaltsregister verbessert und mittelfristig<br />

die grundlegende Neugestaltung<br />

geprüft sowie eine webgerechte Aufbereitung<br />

angestrebt werden. Auch die Grundlagen<br />

und Stellungnahmen bedürfen einer<br />

besseren Web-Struktur, um die Suche zu<br />

vereinfachen.<br />

Die SKOS will auch in Zukunft direkt<br />

mit den Mitgliedern kommunizieren. Dazu<br />

muss ein einfaches und ansprechendes<br />

Format für den Mitgliederbrief entwickelt<br />

werden. Weiter soll bei der SKOS-<br />

Line die heutige Angebotsform überprüft<br />

werden, insbesondere sollen die Antworten<br />

für alle SKOS-Mitglieder nutzbar<br />

gemacht werden.<br />

Eine neue <strong>ZESO</strong> entsteht.<br />

Ein Verband soll nicht nur Bestehendes<br />

verbessern, sondern auch über neue Angebote<br />

nachdenken. Vor dem Hintergrund<br />

der kritischen Äusserungen und Diskussionen<br />

zu Sozialhilfe in den letzten Monaten<br />

stellt sich beispielsweise die Frage, welchen<br />

Bedarf kleinere und mittlere Gemeinden<br />

haben und wie die SKOS als Fachverband<br />

<br />

die Dienstleistungen der SKOS für ihre Mitglieder<br />

Zeitschrift für Sozialhilfe <strong>ZESO</strong><br />

Die <strong>ZESO</strong> berichtet vertiefend über<br />

aktuelle Themen der Sozialhilfe und<br />

verbindet die Forschung mit der Praxis.<br />

Mit von externen Autoren verfassten<br />

Fachartikeln, mit Hintergrundberichten,<br />

Reportagen und Interviews bietet<br />

die <strong>ZESO</strong> Raum für sozialpolitische<br />

Diskussionen. In fixen Rubriken werden<br />

Praxisbeispiele publiziert, im Sozialbereich<br />

tätige Menschen porträtiert und<br />

Partnerorganisationen vorgestellt.<br />

FAQ<br />

Die Frequently Asked Questions<br />

(FAQ) richten sich an ein weitergefasstes<br />

Publikum. Sie dienen Behördenvertreterinnen<br />

und -vertretern<br />

als Grundlage für ihre Arbeit und der<br />

breiten Öffentlichkeit sowie Medienschaffenden<br />

oder Politikerinnen und<br />

Politikern zur raschen Orientierung<br />

über die Sozialhilfe. Die FAQ können<br />

auch die Einarbeitung von neuen<br />

Mitarbeitenden unterstützen.<br />

Tagungen und<br />

Weiterbildungskurse<br />

Die Fachveranstaltungen der SKOS<br />

bieten eine Plattform für thematische<br />

Auseinandersetzungen<br />

und Austausch. Sie dienen der<br />

Meinungsbildung und Vernetzung<br />

ebenso wie der Weiterentwicklung<br />

der Sozialhilfe.<br />

Mitgliederbriefe<br />

Der Mitgliederbrief dient der direkten<br />

Information der Mitglieder<br />

über spezifische und für sie als<br />

Mitglieder relevante Geschäfte. Er<br />

wird neu seit Anfang <strong>2015</strong> elektronisch<br />

verschickt.<br />

28 ZeSo 2/15 DIENSTLEISTUNGEN DER SKOS


sie unterstützen kann. Diesbezüglich wird<br />

die Entwicklung eines entsprechenden<br />

Rechtsberatungsangebots geprüft.<br />

<br />

Fazit<br />

Die SKOS versteht sich als Dienstleisterin<br />

der öffentlichen Hand. Als Fachverband<br />

unterstützt sie in erster Linie ihre Mitglieder,<br />

indem sie ihnen für ihren Arbeitsalltag<br />

Hilfestellungen bietet und indem sie auf<br />

nationaler Ebene Einfluss nimmt im Sinne<br />

der Sozialhilfe. Hierfür sind Optimierungen<br />

des Bestehenden ebenso nötig wie die<br />

stete Beobachtung des Umfelds zur Eruierung<br />

des Bedarfs an neuen Angeboten<br />

und Unterstützungsformen. Die Mitglieder<br />

müssen den Nutzen und die Vorteile ihrer<br />

Mitgliedschaft bei der SKOS kennen und<br />

direkt erfahren können. Dabei darf allerdings<br />

nicht vergessen gehen, dass die Mitgliederstruktur<br />

der SKOS insgesamt sehr<br />

heterogen ist: Kantone, Gemeinden, private<br />

Organisationen, Fachhochschulen und weitere.<br />

Darüber hinaus richtet sich die SKOS<br />

aber auch an Politikerinnen und Politiker<br />

sowie an Medienleute. Die Ausgestaltung<br />

der konkreten Dienstleistungen muss die<br />

Bedürfnisse dieser verschiedenen Zielgruppen<br />

im Auge behalten. Einige der<br />

Dienstleistungen werden heute nur in<br />

Deutsch angeboten. Die SKOS wird prüfen<br />

müssen, wie alle Sprachregionen, insbesondere<br />

die französische Schweiz, gut bedient<br />

werden können und welche Bedürfnisse<br />

sich daraus ergeben können.<br />

Sehr erfreulich lässt sich aus der Umfrage<br />

schliessen, dass die Mitglieder trotz<br />

der politischen Debatte und der Kritik ein<br />

hohes Commitment gegenüber der SKOS<br />

als Verband haben. Dies zeigen der mit<br />

60 Prozent sehr hohe Rücklauf und die<br />

insgesamt sehr positive Bewertung. Die<br />

Befragung wurde ausserdem in vielen Fällen<br />

von Personen aus höheren Hierarchiestufen<br />

ausgefüllt. Das ist auch ein Hinweis<br />

darauf, dass der SKOS und ihren Dienstleistungen<br />

eine entsprechende Wichtigkeit<br />

beigemessen wird.<br />

Die SKOS als Fachverband und im Visier<br />

der Öffentlichkeit stehend ist der Qualität<br />

verpflichtet – dabei sind Dienstleistungsorientierung<br />

und Aktualität auch in Zukunft<br />

zentrale Werte. <br />

•<br />

Dorothee Guggisberg<br />

Geschäftsführerin SKOS<br />

Beobachter-Help-Line<br />

Die SKOS bietet ihren Mitgliedern<br />

einen vergünstigten Zugang zum<br />

Beratungszentrum der Zeitschrift<br />

«Der Beobachter» an. Die Fachleute<br />

des Beobachters geben kompetent<br />

und umfassend Auskunft zu<br />

Rechtsfragen, die sich in der Praxis<br />

der Sozialarbeit stellen.<br />

Online-Datenbank Web-Law<br />

Die Online-Datenbank von Web-Law<br />

ermöglicht den Zugriff auf alle<br />

relevanten kantonalen Rechtsgrundlagen<br />

zum Thema Sozialhilfe<br />

sowie auf Gerichtsentscheide auf<br />

Kantons- und Bundesebene. SKOS-<br />

Mitglieder profitieren von Spezialpreisen.<br />

Medienbeobachtungsdienst Argus<br />

Der Suchdienst Argus beobachtet<br />

die Medienlandschaft der Schweiz<br />

und wählt im Auftrag der SKOS<br />

täglich alle Pressemeldungen aus,<br />

die über die Sozialhilfe berichten.<br />

Die Dienstleistung ist für SKOS-<br />

Mitglieder gratis, der Online-Zugang<br />

erfolgt im Mitgliederbereich.<br />

DIENSTLEISTUNGEN DER SKOS 2/15 ZeSo<br />

29


«Für gewisse Sozialhilfebeziehende<br />

braucht es neue Arbeitsmodelle»<br />

Das Arbeitsmodell «Human Profit» setzt auf Eigenmotivation: Sozialhilfebeziehende entwickeln ein<br />

Produkt oder eine Dienstleistung – so etwas wie ein Herzensprojekt. 13 Personen sind mit ihren Angeboten<br />

bereits auf dem Markt präsent. Nun braucht es weitere Gemeinden, die am Pilotprojekt teilnehmen.<br />

Viel Engagement ist zu spüren, wenn<br />

Thomas Ineichen über Human Profit redet<br />

– und Erfahrung. Seit fast 30 Jahren leitet<br />

der heute 65-Jährige die Genossenschaft<br />

Overall, eine 1976 in Basel gegründete<br />

Initiative zur Arbeitsintegration. Immer<br />

mehr Menschen, für die es keine geeigneten<br />

Stellen mehr gibt, würden eine Anstellung<br />

suchen, stellt der Integrationsfachmann<br />

fest: «Es herrscht Integrationsstau.<br />

Für gewisse Sozialhilfebeziehende braucht<br />

es dringend neue Arbeitsmodelle.»<br />

Human Profit ist ein solches alternatives<br />

Arbeitsmodell. Overall entwickelte<br />

das dreijährige Pilotprojekt gemeinsam<br />

mit der Plattform Social Enterpreneurship<br />

Initiative & Foundation. Der Grundgedanke:<br />

Statt die Klienten zu «parken» und<br />

ihre Fähigkeiten brachliegen zu lassen,<br />

setzt man auf ihre Eigenmotivation: Was<br />

möchten Sozialhilfebeziehende tun, wenn<br />

sie frei wählen könnten? Ziel von Human<br />

Profit ist, die Teilnehmenden so zu coachen,<br />

dass sie innerhalb von zwei Jahren<br />

ein eigenes Produkt oder eine Dienstleistung<br />

entwickeln und umsetzen können.<br />

Doch gibt es überhaupt genügend Sozialhilfebeziehende,<br />

die das nötige Potenzial<br />

mitbringen? Dies lasse sich oft erst im<br />

Einzelgespräch einschätzen, sagt Projektleiterin<br />

Monica Lonoce. Viele Interessierte<br />

seien traumatisiert, es brauche Zeit, um an<br />

ihre Fähigkeiten heranzukommen. «Empowerment<br />

ist meine wichtigste Aufgabe»,<br />

erzählt die engagierte Frau mit den italienischen<br />

Wurzeln.<br />

Auf das neue Arbeitsmodell aufmerksam<br />

gemacht werden die potenziellen<br />

Teilnehmerinnen und Teilnehmer von<br />

der Sozialberatung ihrer Gemeinde. Nach<br />

einem unverbindlichen zweistündigen<br />

Erstgespräch mit dem Jobcoach von Human<br />

Profit folgt eine Standortbestimmung.<br />

An fünf Nachmittagen analysieren<br />

die Teilnehmenden ihre Ressourcen und<br />

Computer-Self-Helpers<br />

Urs Hess, 62, hat langjährige Erfahrung als PC-Supporter bei Grossfirmen. Nach<br />

einem privaten Schicksalsschlag und Gesundheitsproblemen fand er keine<br />

Stelle mehr. Herumsitzen indes ist seine Sache nicht: Tauchten im Kollegenkreis<br />

Computerprobleme auf, war er jeweils zur Stelle. Doch wenn nach einem fünfstündigen<br />

Einsatz gerade mal ein Zehnernötli herausschaute, kam sich der IT-Profi<br />

ausgenutzt vor. Noch mehr zu schaffen machte ihm die Stigmatisierung als<br />

Sozialschmarotzer.<br />

Als ihn seine Sozialberaterin über Human Profit informierte, fühlte er sich angesprochen.<br />

Gecoacht von Human Profit entwickelte er das Projekt Computer-Self-<br />

Helpers: Menschen in bescheidenen Verhältnissen treffen sich jeden Dienstag<br />

von 14 bis 16 Uhr in einem von Human Profit organisierten Lokal in Basel und<br />

erhalten Hilfe zur Selbsthilfe bei Computerproblemen. Für seine Treffleitung erhält<br />

Urs Hess eine monatliche Anerkennung von 100 Franken. Mehr als das Geld freut<br />

ihn, dass viele Besucher aufblühen: «Sie sehen: Ich bin nicht allein.» Wenn es mit<br />

seiner Frühpensionierung klappt, wird Urs Hess das Projekt selbstständig und<br />

ehrenamtlich weiterführen.<br />

www.urshess.magix.net<br />

30 ZeSo 2/15 reportage


Lucys Nähwerkstatt<br />

Bilder: Ursula Markus<br />

Lucy Unternährer ist 42 und alleinerziehend. Sie stammt aus Kenia. «Ich will nur<br />

eines: Nähen! Aber hier finde ich keine Stelle, in Kenia näht man anders», stellte<br />

sie enttäuscht fest. Während der Standortbestimmung bei Human Profit entwickelte<br />

sie die Idee, bei sich zuhause eine Nähwerkstatt zu betreiben. Tops und<br />

Kleider aus afrikanischen Stoffen für hiesige Frauen und Mädchen.<br />

Nun folgten viele kleine Schritte – Nähmaschinentraining, Deutschkurse. Noch<br />

wichtiger war, dass sie an ihr Projekt glaubte. Dazu brauchte es Ermutigung und<br />

viel Coaching durch Projektleiterin Monica Lonoce. «Wir fokussieren auf eine<br />

kleine, standardisierte Kollektion, damit das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt»,<br />

sagt Lonoce. Heute, ein Jahr später, sind die ersten Prototypen genäht. Das Spezielle:<br />

Jedes Kleidungsstück ist mit einem afrikanischen Sprichwort geschmückt.<br />

Das Feedback einer hiesigen Schneiderin ist ermutigend. Und es gibt erste Bestellungen.<br />

Als Nächstes ist der Aufbau einer eigenen Website geplant. Bis September<br />

sollen die ersten 100 Kleider fertig sein: Auf einem Markt wird Lucy Unternährer<br />

ihre Produkte erstmals einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren. «Endlich kann<br />

ich tun, was ich gelernt habe», sagt sie und strahlt.<br />

entwickeln Ideen für eine künftige Tätigkeit.<br />

Gibt die Sozialbehörde grünes Licht,<br />

haben sie sechs bis zwölf Monate Zeit, um<br />

zusammen mit dem Jobcoach ihr Produkt<br />

zu entwickeln. Während der abschliessenden<br />

sechs- bis zwölfmonatigen Umsetzungsphase<br />

hilft ihnen Human Profit,<br />

Kundschaft zu finden.<br />

Bisher haben zwanzig Personen aus den<br />

Kantonen Basel-Landschaft, Basel-Stadt<br />

und Solothurn die Standortbestimmung<br />

vorgenommen. 13 haben bereits ein Produkt<br />

oder eine Dienstleistung entwickelt.<br />

«Den meisten ist es zum Herzensanliegen<br />

geworden», sagt Monica Lonoce. Das Büro<br />

BASS für arbeits- und sozialpolitische Studien<br />

begleitet das Projekt wissenschaftlich<br />

mit dem Ziel, über den «SROI-Ansatz»<br />

(Social Return On Investment) dessen<br />

gesellschaftlichen Nutzen zu berechnen.<br />

Entscheidend, dass die Teilnehmenden<br />

am Projekt dran bleiben, sei das Coaching,<br />

stellt BASS fest. Neben den vierzehntäglichen<br />

Einzel- und den monatlichen<br />

Gruppencoachings treffen sich die Teilnehmenden<br />

auch in selbst organisierten<br />

Entwicklungsgruppen.<br />

Die Pilotphase des Projekts läuft noch<br />

bis Ende 2016. Damit es fundiert dokumentiert<br />

werden kann, werden weitere<br />

Gemeinden gesucht, die am Projekt teilnehmen.<br />

Die Kosten seien günstig für ein so<br />

hoch individualisiertes Förderprojekt, sagt<br />

Thomas Ineichen. Es sind 600 Franken<br />

pro Monat und Teilnehmenden; maximal<br />

15 600 Franken für 26 Monate.<br />

Human Profit leistet auch einen Beitrag<br />

zur Entstigmatisierung: «Die Teilnehmenden<br />

machen eine erstaunliche<br />

Entwicklung durch und spielen wieder<br />

einen aktiven Part in der Gesellschaft», sagt<br />

Monica Lonoce und erwähnt das Beispiel<br />

einer ehemaligen Pflegehelferin. Während<br />

der fünf Standortnachmittage wirkte<br />

die Frau wie blockiert. Doch im Einzelgespräch<br />

habe sie dann förmlich um ihre<br />

Projektteilnahme gekämpft. Inzwischen<br />

qualifiziert sie sich als Familienhelferin<br />

und will an zwei Nachmittagen pro Woche<br />

junge Mütter unterstützen. «Sie ist heute<br />

ein <strong>ganz</strong> anderer Mensch», sagt Lonoce.•<br />

Paula Lanfranconi<br />

Mehr zum Projekt: www.overall.ch/humanprofit<br />

reportage 2/15 ZeSo<br />

31


Prävention als Daueraufgabe<br />

Als nationales Kompetenzzentrum engagiert sich Sucht Schweiz in der Prävention und Erforschung<br />

von Alkohol-, Drogen- und anderen Suchtproblemen. Die Stiftung trägt damit zur öffentlichen Debatte<br />

bei und schafft Brücken zwischen der Forschung und der Praxis.<br />

Der Grundauftrag von Sucht Schweiz ist<br />

seit der Gründung im Jahr 1902 der<br />

Gleiche geblieben: Probleme zu verhüten<br />

oder zu vermindern, die aus dem Konsum<br />

von Alkohol und anderen psychoaktiven<br />

Substanzen hervorgehen. Die Stiftung beschäftigt<br />

sich auch mit Verhaltenssüchten,<br />

beispielsweise bei Glücksspiel oder elektronischen<br />

Medien. Die Konsummuster haben<br />

sich im Laufe der Jahrzehnte zwar<br />

verändert, doch die Problemlast ist hoch<br />

geblieben.<br />

Dies zeigen etwa die Fakten zum<br />

Alkoholkonsum der Schweizer Bevölkerung.<br />

Dass sich der Konsum pro Kopf von<br />

reinem Alkohol von 17 Litern im Jahr<br />

1900 auf heute 8,3 Liter reduziert hat,<br />

liegt vor allem daran, dass sich die Trinkgewohnheiten<br />

enorm gewandelt haben.<br />

Hauptsächlich ist der tägliche Konsum aus<br />

der Mode gekommen. Etwa zehn Prozent<br />

der Bevölkerung über 15 Jahre trinken<br />

heute noch täglich Alkohol. 22 Prozent<br />

konsumieren aber regelmässig zu viel oder<br />

wenigstens einmal pro Monat zu viel auf<br />

einmal. Geschätzte 250 000 Personen in<br />

der Schweiz sind alkoholabhängig.<br />

Auch beim Rauchen ist ein Rückgang<br />

festzustellen. Rauchverbote und der Wandel<br />

von gesellschaftlichen Normen haben<br />

dazu beigetragen. Heute raucht noch gut<br />

ein Viertel der Bevölkerung, wobei sich<br />

nun eine Stagnation des Rückgangs abzeichnet.<br />

Der dritte wichtige Abwärtstrend<br />

betrifft den Konsum von Heroin. Hier hat<br />

unter anderem die bessere Behandlung<br />

und Betreuung der Betroffenen zum Rückgang<br />

beigetragen. Allerdings konsumieren<br />

heute mindestens 40 000 meist jüngere<br />

Menschen täglich Cannabis.<br />

Auch wenn bei manchen Suchtmitteln<br />

ein rückläufiger Konsum zu beobachten ist,<br />

führen sie immer noch zu Problemen, die<br />

die Betroffenen, Nahestehende und die Gesellschaft<br />

stark belasten. Tabak ist die wichtigste<br />

Ursache für frühzeitige Todesfälle in<br />

der Schweiz und Alkohol folgt auf dritter<br />

Position. Insgesamt hängen psychoaktive<br />

Substanzen und Glücksspiel jedes Jahr mit<br />

insgesamt mehr als 10 000 Todesfällen<br />

zusammen und verursachen soziale Kosten,<br />

die 10 Milliarden Franken übersteigen.<br />

Hinzu kommt das Leid der mehreren Hunderttausend<br />

abhängigen Menschen sowie<br />

der ihnen Nahestehenden.<br />

Widersprüchliche Politik<br />

Trotz dieser grossen Problemlast finden<br />

die neuen Ansätze und Erkenntnisse der<br />

Suchtprävention und Suchtforschung<br />

kaum Berücksichtigung in der Suchtpolitik.<br />

Gleichzeitig werden grundlegende<br />

Werte wie Solidarität mit suchtgefährdeten<br />

und suchtkranken Menschen zunehmend<br />

infrage gestellt. Die heutige Suchtpolitik<br />

ist von wirtschaftlichen Interessen und Ideologien<br />

dominiert und von diversen Widersprüchen<br />

durchzogen. So wird beispielsweise<br />

der Alkoholkonsum im öffentlichen<br />

Raum zwar als Problem wahrgenommen,<br />

der Alkoholmarkt aber weiter liberalisiert.<br />

Die gegenwärtige Totalrevision des Alkoholgesetzes<br />

verdeutlicht dies: Das Gesetz,<br />

das ursprünglich zum Zweck hatte, den<br />

problematischen Konsum zu vermindern<br />

und die Jugend zu schützen, scheint zur<br />

Absatzförderung zu verkommen.<br />

Zurzeit prüfen die beiden Parlamentskammern<br />

auch die Gesetzgebungen zu<br />

Tabakerzeugnissen und Glücksspiel.<br />

Dies wäre eine Chance für die Prävention,<br />

Suchtprobleme mit einer besseren<br />

Regulierung zu vermindern. Massnahmen,<br />

die beim Preis, bei der Erhältlichkeit<br />

und der Werbung ansetzen, sind<br />

erwiesenermassen wirksam, haben aber in<br />

der aktuellen politischen Debatte einen<br />

äusserst schweren Stand.<br />

Wissensaustausch fördern<br />

Vor diesem Hintergrund ist das langjährige<br />

Engagement von Sucht Schweiz<br />

wichtiger denn je: Das Anliegen ist, die gesellschaftliche<br />

und politische Debatte mit<br />

wissenschaftsbasierten Daten anzuregen<br />

und zu versachlichen. Verlässliche Informationen<br />

aufzubereiten, ist eine Kernkom-<br />

PLATTFORM<br />

Die <strong>ZESO</strong> bietet ihren Partnerorganisationen<br />

diese Rubrik als Plattform an, auf der sie sich<br />

und ihre Tätigkeit vorstellen können. In dieser<br />

Ausgabe dem Dachverband Schweizer Jugendparlamente.<br />

Der Alkoholmarkt wird trotz<br />

grosser Problemlast weiter<br />

liberalisiert.<br />

Bild: Keystone<br />

32 ZeSo 2/15 plattform


petenz von Sucht Schweiz. Die Stiftung<br />

entwickelt Materialien für verschiedene<br />

Zielgruppen: für Suchtfachleute, Eltern,<br />

Jugendliche, Schulen, Personen, die von<br />

einer Suchtproblematik betroffen sind, Angehörige<br />

und Medienschaffende. Auch<br />

Menschen, die bisher nur schwer erreicht<br />

wurden, beispielsweise die Migrationsbevölkerung,<br />

sollen angesprochen werden.<br />

Für sie sind mittlerweile Informationen<br />

und Materialien in mehreren Sprachen<br />

verfügbar. Und für Kinder aus suchtbelasteten<br />

Familien entwickelte Sucht Schweiz<br />

unter anderem eine zweisprachige Website<br />

mit hilfreichen Informationen. Als national<br />

agierende Präventionsfachstelle hat<br />

Sucht Schweiz im Auftrag von zehn Kantonen<br />

der Nordwest- und Zentralschweiz<br />

auch ein Programm zur Prävention der<br />

Glücksspielsucht realisiert.<br />

Kantonale Partner auf nationaler Ebene<br />

zu vernetzen und den Wissensaustausch zu<br />

fördern, ermöglicht Sucht Schweiz auch in<br />

weiteren Themenbereichen. So wird jährlich<br />

eine Plattform zu den Themen Kinder<br />

aus suchtbelasteten Familien und familienbasierte<br />

Prävention organisiert.<br />

Sucht Schweiz forscht und bereitet<br />

wissenschaftliches Wissen sowohl für<br />

die Fachwelt als auch für die breite Bevölkerung<br />

und die Politik auf. So liefert<br />

beispielsweise das alle vier Jahre durchgeführte<br />

internationale Projekt «Health Behaviour<br />

in School-Aged Children» (HBSC)<br />

repräsentative Daten zum Gesundheitsverhalten<br />

11- bis 15-Jähriger. Das im Auftrag<br />

des Bundesamts für Gesundheit gemeinsam<br />

mit Partnern durchgeführte Forschungsprojekt<br />

«Suchtmonitoring» erlaubt<br />

es, Trends im Konsum von Alkohol und<br />

anderen Drogen sowie im Bereich potenziell<br />

suchterzeugender Verhaltensweisen in<br />

der Schweizer Bevölkerung zu verfolgen.<br />

Auch der Monitoringbericht über Aktivitäten<br />

aus Politik und Forschung, die Website-Rubrik<br />

«Infos und Fakten» sowie der<br />

Forschungsspiegel in der Fachzeitschrift<br />

Suchtmagazin fördern nebst anderen Aktivitäten<br />

den Wissenstransfer. •<br />

Monique Portner-Helfer<br />

Mediensprecherin<br />

Sucht Schweiz<br />

Die Stiftung hat ihren Sitz in Lausanne und beschäftigt<br />

gut 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.<br />

Mehr als die Hälfte ihrer Aktivitäten werden<br />

durch private Spenden finanziert. Je ein Fünftel<br />

der Einnahmen stammt aus Forschungsaufträgen,<br />

vor allem des Bundes und der Kantone,<br />

sowie aus dem Verkauf von Materialien und Beratungshonoraren.<br />

Die restlichen knapp 10 Prozent<br />

sind durch kantonale und Bundesbeiträge abgedeckt.<br />

Nebst der Beantwortung individueller Anfragen<br />

bietet Sucht Schweiz Kurzberatungen per<br />

Telefon und E-Mail für Menschen an, die selbst<br />

ein Konsumproblem haben oder die einer Person<br />

nahestehen, deren Konsum Sorge bereitet.<br />

www.suchtschweiz.ch; www.suchtmonitoring.ch<br />

www.mamatrinkt.ch; www.papatrinkt.ch<br />

www.sos-spielsucht.ch; www.tinatoni.ch<br />

www.alkoholkonsum.ch<br />

www.alkoholamarbeitsplatz.ch<br />

plattform 2/15 ZeSo<br />

33


FORUM<br />

denjenigen, die eine prekäre Situation<br />

überwunden haben, mit steuerlichen<br />

Sparanreizen, ihr Grundkapitalkonto<br />

wieder aufzufüllen. Was vom Grundkapital<br />

bis zur Pension nicht verwendet<br />

wird, fliesst verzinst in das individuelle<br />

Altersguthaben der zweiten Säule.<br />

Die beste Sozialhilfe: Das Grundkapital<br />

Reiner Eichenberger<br />

Leiter Seminar für<br />

Finanzwissenschaft,<br />

Universität Fribourg<br />

Anna Maria Koukal<br />

Assistentin, Seminar für<br />

Finanzwissenschaft,<br />

Universität Fribourg<br />

Die heutige Sozialhilfe hebt die finanziellen<br />

Arbeitsanreize von Personen mit<br />

tiefem Einkommenspotenzial praktisch<br />

auf. Deshalb bleibt sie nur finanzierbar,<br />

solange viele potenziell Bezugsberechtigte<br />

intrinsisch motiviert sind, finanziell<br />

selbstständig zu bleiben, und nicht alle<br />

Leistungen beziehen, die ihnen rechtlich<br />

zustehen. Folglich müssen heute Sozialarbeiter<br />

die Bezüger nicht nur eng kontrollieren<br />

und zur Arbeit anhalten, sondern<br />

zugleich ihre innere oder intrinsische<br />

Motivation zur Selbstständigkeit unterstützen.<br />

Das wird aber immer schwieriger:<br />

Erstens zeigt die neuere Forschung, dass<br />

Kontrolle und falsch gesetzte Anreize<br />

die intrinsische Motivation untergraben<br />

können. Namentlich die heutigen Steuerungsmechanismen<br />

drohen die intrinsische<br />

Arbeitsmotivation zu zerstören, da<br />

sie das Verhalten der Klienten nur sehr<br />

punktuell belohnen oder bestrafen.<br />

Zweitens ist die Motivation der Bezüger<br />

höchst unterschiedlich: Manche streben<br />

nach der maximalen Unterstützung, andere<br />

wollen unbedingt unabhängig bleiben.<br />

So wird die Nichtbezugsquote von<br />

Sozialhilfe auf 60 Prozent geschätzt. Da<br />

die verschiedenen Motive schwer zu unterscheiden<br />

sind, werden häufig falsche<br />

Massnahmen angewandt, die dann die<br />

intrinsische Motivation mindern. Drittens<br />

nimmt mit abnehmender sozialer Einbettung<br />

die intrinsische Motivation zur<br />

Selbstständigkeit tendenziell ab und die<br />

Anreizproblematik zu. Wird deshalb die<br />

Kontrolle intensiviert, wird die intrinsische<br />

Motivation noch weiter geschwächt.<br />

Angesichts der misslichen Situation ist es<br />

verständlich, wenn Sozialarbeiter ihre unterstützende<br />

Funktion immer schlechter<br />

wahrnehmen können und ihren Klienten<br />

einfach Leistungen zusprechen. Das aber<br />

bläht das Sozialsystem weiter auf.<br />

Wir schlagen vor, die Sozialhilfe auf eine<br />

neue Basis zu stellen. Jeder langjährige<br />

Einwohner, der volljährig wird, erhält ein<br />

Grundkapital von 100 000 Franken.<br />

Wir schlagen vor,<br />

die Sozialhilfe auf<br />

eine neue Basis zu<br />

stellen. Jeder langjährige<br />

Einwohner,<br />

der volljährig wird,<br />

erhält ein Grundkapital<br />

von<br />

100 000 Franken.<br />

Damit kann er – unter gewissen Auflagen<br />

– in seine Bildung investieren und<br />

in prekären Lebenssituationen, die über<br />

den Fall der versicherten Arbeitslosigkeit<br />

hinausgehen oder andere Ursachen<br />

als Arbeitslosigkeit haben, davon einen<br />

monatlichen Höchstbetrag von 2000<br />

Franken beziehen. Zugleich hilft der Staat<br />

Die Vorteile sind gross: Erstens werden<br />

die Arbeitsanreize massiv gestärkt, weil<br />

die Hilfszahlungen neu auf Kosten<br />

des eigenen Grundkapitals gehen und<br />

Erwerbseinkommen nicht mehr zu<br />

Leistungskürzungen führt. Zweitens wird<br />

die intrinsische Motivation von Personen<br />

zur Selbstständigkeit gestärkt, da das<br />

Grundkapital allen eine faire Chance<br />

gibt, selbstständig zu bleiben. Drittens<br />

erhalten Sozialarbeiter eine viel positivere<br />

Rolle. Sie müssen ihre Klienten nicht<br />

mehr kontrollieren, sondern werden deren<br />

Selbstständigkeitscoaches und helfen<br />

ihnen, ihr Grundkapital möglichst zu bewahren<br />

und klug zu verwenden. Viertens<br />

schafft das Grundkapital Bildungsanreize<br />

und steigert dadurch die Arbeitsmarktchancen.<br />

Fünftens leidet der Ansatz nicht<br />

an den Nachteilen anderer Reformvorschläge<br />

wie etwa Lohnsubventionen, die<br />

stets neue Schwelleneffekte schaffen und<br />

den freien Arbeitsmarkt unterlaufen.<br />

Ältere Personen können mit Übergangslösungen<br />

ins neue System überführt werden.<br />

Die wenigen Bürger, die ihr Grundkapital<br />

trotz idealer Anreize und Motivationsförderung<br />

aufbrauchen, sowie jene Personen,<br />

die kein Grundkapital erhalten, werden<br />

durch eine reduzierte Sozialhilfe heutiger<br />

Art unterstützt. Das Grundkapital ist gut<br />

finanzierbar. Die tatsächlichen Unterstützungs-<br />

und Betreuungskosten sinken dank<br />

höherer Arbeitsanreize und -motivation.<br />

Die Kosten der Kapitalbildung werden<br />

dadurch kompensiert, dass die Alterssparkonten<br />

der 2. Säule stark anwachsen und<br />

deshalb die entsprechenden Beitragssätze<br />

gesenkt werden können. So oder so:<br />

Vom Grundkapital profitieren alle. Die<br />

Leistungsbezüger, die Zahler und auch die<br />

Sozialarbeiter.<br />

•<br />

In dieser Rubrik schafft die <strong>ZESO</strong> Raum für Debatten<br />

und Meinungen. Der Inhalt gibt die Meinung des<br />

Autors resp. der Autorin wieder.<br />

34 ZeSo 2/15 FORUM


lesetipps<br />

Kritische Sozialarbeit<br />

in der Schweiz<br />

Die Geschichte der Sozialarbeit wird oft als<br />

eine Geschichte der Professionalisierung und<br />

anhand der Hauptströmungen von Sozialarbeit<br />

und Sozialpädagogik dargestellt. An deren<br />

Rand gibt es aber immer auch Ansätze einer<br />

kritischen und politischen Sozialarbeit. Dieses<br />

Buch stellt sie an Beispielen wie der Settlement-Bewegung,<br />

der Konferenz für sozialistische Wohlfahrtspflege<br />

und des «Solothurner Frühlings» vor. Mit der Unterstützungsarbeit für<br />

Sans-Papiers und Asylsuchende kommen auch aktuelle Formen einer<br />

kritischen Sozialarbeit zur Sprache.<br />

Ruedi Epple, Eva Schär, Spuren einer anderen Sozialen Arbeit, Kritische und politische<br />

Sozialarbeit in der Schweiz 1900−2000, Seismo, <strong>2015</strong>, 424 Seiten, CHF 48.−<br />

ISBN 978-3-03777-146-4<br />

Wirkungsanalyse der<br />

Gleichstellungspolitik<br />

Alle politischen Akteure in der Schweiz bekennen<br />

sich rhetorisch zur Norm der Gleichstellung<br />

von Frau und Mann. Doch politische Massnahmen<br />

zur Gleichstellung sind umstritten, auch<br />

weil ihnen der nachhaltige Erfolg fehlt. Die<br />

Autorin richtet das Augenmerk auf das Zusammenspiel<br />

der einzelnen Massnahmen und auf<br />

die Entwicklung der schweizerischen Gleichstellungspolitik seit Mitte<br />

der 1990er-Jahre. Dabei konzentriert sie sich auf zwei entscheidende<br />

Bereiche: auf das Erwerbsleben und die institutionalisierten staatlichen<br />

Gleichstellungsstrukturen.<br />

Gesine Fuchs, Gleichstellungspolitik in der Schweiz, Entstehung und Steuerung<br />

eines umstrittenen Politikfeldes, Budrich, <strong>2015</strong>, 150 Seiten, CHF 28.−<br />

ISBN 978-3-8474-0654-9<br />

Begegnungen mit den<br />

Integrierten<br />

Sie heissen Nevenka, Nasser und Gasim, stammen<br />

aus Kroatien, Iran und Aserbeidschan und<br />

arbeiten im Durchgangszentrum, Flüchtlingsheim<br />

oder in der Notunterkunft. Was ihnen<br />

gemeinsam ist, ist ihr Bemühen um die Integration<br />

derer, die sie betreuen: Asylsuchende,<br />

Flüchtlinge, vorübergehend Gestrandete. Den<br />

Kampf um die Verbindung von Tradition und Neuidentifikation kennen<br />

sie aus eigener Erfahrung. In 14 Porträts wird ihr Alltag an den Scharnierfunktionen<br />

gezeigt und davon erzählt, wie es möglich ist, Neues<br />

anzunehmen und gleichzeitig an der eigenen kulturellen Identität<br />

festzuhalten.<br />

Michèle Minelli, Die Integrierten, Begegnungen im Asylland Schweiz, Orell Füssli,<br />

2011, 216 Seiten, CHF 40.−<br />

ISBN 978-3-7193-1576-4<br />

Vielfältige Diagnosen zur<br />

Prekarisierung<br />

Prekarisierung ist zum Schlüsselbegriff soziologischer<br />

Zeitdiagnostik und Gesellschaftskritik<br />

avanciert. Eng gefasst zielt der Begriff auf die<br />

Erosion von Normalarbeit. In einem erweiterten<br />

Verständnis bezeichnet er grundlegende Verwundbarkeiten<br />

durch ungesicherte Arbeits- und<br />

Lebensverhältnisse. Doch was genau ist prekär<br />

geworden? Und wer ist von Prekarisierung betroffen? Diese Fragen sind<br />

in sozialen Bewegungen, Politik und Wissenschaft umstritten. Das Buch<br />

stellt die Vielfalt der Diagnosen zu Prekarisierung vor und verbindet<br />

Ansätze der Arbeits- und Industriesoziologie, der Geschlechterforschung/<br />

Queer Studies und des Postoperaismus.<br />

Mona Motakef, Prekarisierung, Transcript, <strong>2015</strong>, 184 Seiten, CHF 17.−<br />

ISBN 978-3-8376-2566-0<br />

veranstaltungen<br />

Europäische Konferenz des<br />

Sozialwesens<br />

Der Aufbau von Partnerschaften zwischen verschiedenen<br />

Trägern und Sektoren des Sozialwesens<br />

kann für Betroffene mit Bedürfnissen in<br />

den Bereichen Betreuung, Gesundheit, Bildung<br />

und Arbeit von Nutzen sein. Die diesjährige europäische<br />

Konferenz des Sozialwesens in Lissabon<br />

thematisiert Organisationsformen und Finanzierungsmethoden<br />

der Zusammenarbeit. Zudem<br />

gibt die Tagung Einblick in aktuelle Diskussionen<br />

in europäischen Ländern.<br />

European Social Network<br />

Montag, 6. Juli bis Mittwoch, 8. Juli <strong>2015</strong>, Lissabon<br />

www.conference.esn-eu.org<br />

Herausforderung psychische<br />

Beeinträchtigung<br />

Fachleute der sozialen Arbeit sind immer häufiger<br />

mit Klientinnen und Klienten konfrontiert, die<br />

psychische Probleme haben. Die Tagung thematisiert,<br />

wie die Kompetenzen dieser Menschen<br />

gestärkt werden können und welche Strategien<br />

und Programme für ihre soziale und berufliche<br />

Integration Erfolg versprechend sind. Weiter<br />

werden die Herausforderungen beleuchtet, die<br />

sich bei der Thematik im System der sozialen<br />

Sicherheit ergeben.<br />

Tagung BFH – Soziale Arbeit<br />

Dienstag, 25. August <strong>2015</strong>, Bern<br />

www.soziale-arbeit.bfh.ch<br />

Entschuldung auch<br />

für Arme?<br />

In der Schweiz haben rund 570 000 Haushalte<br />

ein überzogenes Konto oder im Verhältnis zu<br />

ihrem Haushaltseinkommen viel zu hohe<br />

Zahlungsverpflichtungen. Die Fachtagung<br />

beschäftigt sich mit den Fragen, wie Armut durch<br />

Schuldenberatung bekämpft werden kann, ob<br />

eine gerichtliche Restschuldbefreiung für armutsbetroffene<br />

Menschen die Lösung ist und wie<br />

ein solches Verfahren in der Schweiz sozialpolitisch<br />

umgesetzt werden könnte.<br />

Nationale Tagung Schuldenberatung<br />

Donnerstag, 1. Oktober <strong>2015</strong>, FHNW Olten<br />

www.forum-schulden.ch/<br />

service 2/15 ZeSo<br />

35


Eigentlich wollte er nur zwei Jahre bleiben − nun leitet Daniel König den Lorraineladen schon seit 15 Jahren. <br />

Bild: Béatrice Devènes<br />

Der Quartierladencoach<br />

Daniel König leitet einen alternativen Quartierladen, wo er ehemalige Drogenabhängige beschäftigt.<br />

Die anspruchsvolle Doppelrolle hat auch dazu beigetragen, dass er selber sesshaft geworden ist.<br />

Auf einem restaurierten Motorrad kommt<br />

er angebraust und stoppt vor dem «Lola»,<br />

dem Quartierladen in der Berner Lorraine.<br />

Sein Vater habe immer von einer solchen<br />

Maschine geträumt, erzählt Daniel König<br />

später. «Ich habe unseren Traum verwirklicht.»<br />

Der Mann mit den feinen Gesichtszügen<br />

ist einer, der Projekte anpackt und<br />

gerne neue Ideen verfolgt. Wohl auch deshalb<br />

hat er als Leiter des Lorraineladens<br />

Erfolg. Er setzt auf hochwertige und<br />

fair produzierte Alltagsprodukte und auf<br />

Nischen: Ein selbst gemachtes Bärner-<br />

Fondue, holländische Schokolade, die<br />

sonst nirgends in der Schweiz verkauft<br />

wird, oder die «Lola-Cola», eine Limonade<br />

mit eigens gestalteter Grafik, die seit Kurzem<br />

in den Regalen zu finden ist.<br />

Der «Lola» ist aber nicht nur Quartiertreffpunkt<br />

und gut assortierter Bioladen,<br />

sondern auch ein Betrieb der Stiftung<br />

Contact, die im Kanton Bern Angebote<br />

zur ambulanten Suchthilfe unterhält.<br />

Ehemalige Drogenabhängige und mit Ersatzstoffen<br />

substituierte Personen stehen<br />

hinter der Käsetheke, bedienen die Kasse<br />

oder füllen die Regale auf. Auch wenn<br />

König seine momentan zehn Klienten in<br />

erster Linie als normale Mitarbeitende<br />

sieht, musste er in die Aufgabe hineinwachsen.<br />

«Ich musste herausfinden, wie<br />

Drogenabhängige ticken», sagt er.<br />

Den sozialen Auftrag erfüllen und<br />

gleichzeitig den Laden rentabel führen −<br />

dieser Spagat gelingt nicht immer ohne<br />

Konflikte, ist aber auch das, was König<br />

reizt. Denn sowohl das Interesse am<br />

unternehmerischen Handeln wie auch<br />

am Sozialen haben den Berufsweg des<br />

43-Jährigen geprägt.<br />

Verantwortung als grosser Bruder<br />

Ursprünglich lernte König Hochbauzeichner.<br />

«Bereits in der ersten Woche merkte<br />

ich, das bleibt nicht mein Beruf. Viel zu statisch!»<br />

Er jobbte in der Gastronomie,<br />

machte Erfahrungen im Buchhandel und<br />

Gemüseverkauf. Aber auch das Soziale<br />

spielte in seinem Leben schon immer eine<br />

Rolle. Vielleicht, weil er als ältestes von vier<br />

Kindern viel Verantwortung für seine geistig<br />

behinderte Schwester übernommen<br />

habe, sagt er. «Beim Wandern schaute ich<br />

immer: Kann sie hier gehen oder besteht<br />

die Gefahr, dass sie abstürzen könnte?»<br />

Der junge Mann engagierte sich in der<br />

Gassenküche, arbeitete in der Notschlafstelle<br />

und im Flüchtlingszentrum. Trotz<br />

des Interesses an der sozialen Arbeit entschied<br />

sich König für keine solche Ausbildung<br />

und konnte sich längerfristig nicht<br />

vorstellen, ausschliesslich im Sozialbereich<br />

zu arbeiten. «Ich merkte, da würde ich an<br />

meine Grenzen kommen, das geht mir zu<br />

nahe.» Seiner grossen Klappe verdankte<br />

er es, erzählt König schmunzelnd, dass<br />

ihm, trotz der fehlenden Ausbildung und<br />

noch nicht 30 geworden, die Leitung eines<br />

Flüchtlingszentrums übertragen wurde.<br />

Nach einem halben Jahr wurde dieses mit<br />

dem Ende des Kosovokriegs 1999 aber<br />

bereits wieder geschlossen. König wurde<br />

wieder arbeitslos, war aber nicht ohne<br />

Ideen: Er schnappte sich ein Velo und fuhr<br />

von Bern nach Benin. «Im Dezember kam<br />

ich in Marokko an und realisierte: In Afrika<br />

gibts ja Schnee!»<br />

Länger geblieben als geplant<br />

Nach seiner Rückkehr aus Afrika war die<br />

Stelle als Betriebsleiter des «Lolas» ausgeschrieben:<br />

Eine Stelle, die seine verschiedenen<br />

Kompetenzen zusammenbrachte<br />

und wie geschaffen für ihn schien. König,<br />

der vorher nie länger als ein, zwei Jahre irgendwo<br />

gearbeitet hatte, wurde beim Vorstellungsgespräch<br />

gefragt, wie lange er gedenke<br />

zu bleiben. Er sagte: «Ungefähr drei<br />

Jahre.» Und dachte für sich: «Höchstens<br />

zwei!» Unterdessen führt Daniel König den<br />

Laden seit 15 Jahren. Das Bleiben hat auch<br />

mit seiner privaten Situation zu tun gehabt:<br />

mit seiner Frau und zwei mittlerweile erwachsenen<br />

Kindern. Aber es war nicht nur<br />

das. «Ich habe hier so viele Freiheiten, Ideen<br />

umzusetzen.» Sagts und erzählt schon vom<br />

nächsten Projekt: Lola-Taschen, die beim<br />

Einkauf im Lorraineladen gelocht werden.<br />

Fünf Löcher geben Rabatt. «Eine Art Cumulus-Karte<br />

mit ökologischem Aspekt.» •<br />

Regine Gerber<br />

36 ZeSo 2/15 porträt


Gute Perspektiven<br />

für Fachleute der Sozialen Arbeit<br />

4 Fachhochschulen – 1 Master of Science<br />

Teilzeit- oder Vollzeitstudium | Start im September und Februar<br />

Vertiefungsrichtungen<br />

Gesellschaftlicher Wandel und die Organisation Sozialer Arbeit<br />

Sozialpolitik und Sozialökonomie<br />

Professions- und Methodenentwicklung<br />

Soziale Probleme, soziale Konflikte und Lebensführung<br />

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Master of Arts in Sozialer Arbeit mit Schwerpunkt Soziale Innovation<br />

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Sehen Sie sich künftig in der forschungsbasierten Entwicklung und praktischen Umsetzung von<br />

innovativen Methoden, Verfahren und Programmen in der Sozialen Arbeit und der Sozialpolitik?<br />

Unser Studium<br />

Die Hochschule für Soziale Arbeit FHNW bietet Ihnen zur Aneignung der dafür notwendigen<br />

Kompetenzen ein konsekutives Master-Studium an.<br />

Hochschule für Soziale Arbeit FHNW | Riggenbachstrasse 16 | 4600 Olten |<br />

masterstudium.sozialearbeit@fhnw.ch<br />

www.masterstudium-sozialearbeit.ch


Weiterbildung, die wirkt!<br />

Weiter<br />

Kommen<br />

Tagung: Menschen mit psychischen<br />

Problemen im System der<br />

Sozialen Sicherheit<br />

Dienstag, 25. August <strong>2015</strong>,<br />

Web-Code: T-SOZ-11<br />

Fachkurs Methodisches Handeln<br />

mit spezifischen Klientengruppen<br />

in der Sozialhilfe<br />

8 Kurstage, August bis November<br />

<strong>2015</strong>, Web-Code: K-SOZ-26<br />

Fachkurs Sozialhilfe<br />

4 Kurstage und 3 Online-<br />

Lern einheiten, November<br />

bis Dezember <strong>2015</strong>,<br />

Web-Code: K-SOZ-22<br />

CAS Soziale Arbeit im sozialen<br />

Sicherungssystem [neu]<br />

25 Studientage, modular aufgebaut,<br />

Start jederzeit möglich,<br />

Web-Code: C-SOZ-9<br />

Kurs Sozialversicherungsrecht<br />

3./4. und 24./25. November <strong>2015</strong>,<br />

Web-Code: K-REC-1<br />

Für detaillierte Informationen<br />

geben Sie auf unserer Website<br />

den Web-Code ein und Sie gelangen<br />

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Angebot. soziale-arbeit.bfh.ch<br />

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‣ Soziale Arbeit<br />

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und Professionen der Sozialen Arbeiten.<br />

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FHO Fachhochschule Ostschweiz

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