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soziologie heute Dezember 2009

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<strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong> <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> 15<br />

Die Proteste der hessischen Studierenden<br />

gegen die Einführung von<br />

Studiengebühren im Jahr 2006 hatten<br />

ihn zum aktiven Protest und zur<br />

Fotografie gebracht. Aufgrund der<br />

Notwendigkeit die Berichterstattung<br />

der Mainstream-Medien kritisch zu<br />

ergänzen, wuchs eine Leidenschaft<br />

für engagierte Fotografie. Seine ersten<br />

ausgestellten Fotoreihen zeigen<br />

den Protest der Studierenden in all<br />

seinen Facetten und gleichzeitig die<br />

repressive Antwort des Staates darauf.<br />

Zu diesem Zeitpunkt kann seine<br />

Arbeit innerhalb einer sozialdokumentarischen<br />

Fotografie verortet<br />

werden, die gesellschaftliche Kämpfe<br />

darstellt und Machtverhältnisse<br />

aufzeigt.<br />

Doch auch die Fotografie selbst, so<br />

musste er feststellen, ist nicht frei<br />

von Macht und Gewalt. Innerhalb<br />

der Fototheorien besteht ein weitgehender<br />

Konsens darüber, dass<br />

Fotos nicht lediglich Realität abbilden,<br />

sondern Wirklichkeiten, die sowohl<br />

vom voyeuristischen Blick der<br />

Fotografierenden als auch von den<br />

interpretativen Blicken der BetrachterInnen<br />

gestaltet werden. Die „Lesart“<br />

der Darstellung wiederum steht<br />

unter dem Einfluss der spezifischen<br />

historisch-gesellschaftlichen Imagination.<br />

„Die Fotografi e ist eine Manifestation<br />

der Distanz des Beobachters, der seine<br />

Daten erfasst und sich dabei immer bewusst<br />

bleibt, dass er Daten erfasst [...].”<br />

Pierre Bourdieu, 2003<br />

Durch die Fotografie wird Macht auf<br />

das Abgebildete ausgeübt, indem<br />

z.B. der Ausschnitt, der Blickwinkel,<br />

der Zeitpunkt des Auslösens ausgewählt<br />

wird und ungewollte Sequenzen<br />

gelöscht oder digital verändert<br />

werden. Der fotografische Blick ist<br />

der des Voyeurs, da durch die Kamera<br />

eine Distanz aufgebaut wird,<br />

die nicht zulässt, dass der Blick zurückgeworfen<br />

wird – eine Distanz<br />

die letztlich jeden Dialog verhindert<br />

(vgl. Magg 2004: 25f.).<br />

Bild links: Eine Festnahme.<br />

Studierenden Proteste, Frankfurt 2006.<br />

(Foto: David Schommer)<br />

Vollversammlung der Studierenden auf dem Universitätscampus Bockenheim.<br />

Studierenden Proteste, Frankfurt 2006<br />

(Foto: David Schommer)<br />

„…denn das Auge von dem, der dominiert,<br />

sucht zunächst das andere Auge,<br />

das des Dominierten, bevor es Besitz<br />

vom Körper ergreift…”<br />

Assia Djebar, 1980<br />

Welche Konsequenzen hat dies für<br />

die abgebildeten Personen? Oftmals<br />

sind sie lediglich Accessoires in den<br />

dargestellten Realitäten. Der nicht<br />

zu erwidernde Blick der Fotografierenden<br />

schafft das Machtverhältnis<br />

zwischen fotografierten Objekten<br />

und fotografierenden Subjekten (vgl.<br />

ebd.). Am stärksten kommt die Objektivierung<br />

zur Geltung in „den geklauten<br />

Momenten mit Teleobjektiv“,<br />

wie es die Fotografin Marily Stroux<br />

ausdrückt (dies. im Interview 2002:<br />

193). Hier werden Personen von weitem,<br />

vielleicht unwissentlich, möglicherweise<br />

sogar aus einem Versteck<br />

heraus, einfach abgeschossen, ohne<br />

dass sie Einfluss auf die Gestaltung<br />

der eigenen Repräsentation nehmen<br />

könnten. Passiv und machtlos<br />

„[sind] die fotografierten Objekte<br />

dazu verurteilt, für immer einen Ausdruck<br />

zur Schau zu stellen.“ (Magg<br />

2004: 25)<br />

Seine Wirkung entfaltet das Foto allerdings<br />

erst im Zusammenspiel aus<br />

Bildgestaltung, und Interpretation<br />

durch die BetrachterInnen. In Bildern<br />

dargestellte Dinge stehen nicht<br />

für sich, sondern ihr Anblick löst<br />

Assoziationen aus. Bilder sind eingebettet<br />

in Repräsentationsregime,<br />

d.h. sie erlangen ihre Bedeutung erst<br />

über die Intertextualität, die durch<br />

David Schommer<br />

geb. 17. 1. 1984<br />

Fotograf und Student<br />

der Soziologie in<br />

Frankfurt am Main<br />

setzt sich kritisch<br />

mit Exotismus und<br />

diskriminierenden<br />

Momenten in der<br />

Bildgestaltung auseinander.<br />

*)Autorin:<br />

Anna Krämer, M.A. in Politologie und<br />

Romanistik; derzeit Promotion zur Kritik<br />

von Staatlichkeit im subsaharischen Afrika<br />

in der westlichen Wissensproduktion<br />

mit Theorienschwerpunkt auf postkolonialer<br />

Theorie und materialistischer<br />

Staatstheorie.

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