soziologie heute Dezember 2009
Das erste und einzige illustrierte soziologische Fachmagazin im deutschsprachigen Raum. Wollen Sie mehr über Soziologie erfahren? www.soziologie-heute.at
Das erste und einzige illustrierte soziologische Fachmagazin im deutschsprachigen Raum.
Wollen Sie mehr über Soziologie erfahren? www.soziologie-heute.at
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
28 <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2009</strong><br />
Werte und Normen im Wide<br />
kultureller Gegebenheiten<br />
von Monika Spethling-Reichhart und Kurt Lenzbauer<br />
Mit zunehmender Globalisierung, Säkularisierung und Pluralisierung bekommen die Grundwerte<br />
einer Gesellschaft immer größere Bedeutung, weil diese das Zusammenleben von Menschen<br />
grundlegend beeinflussen und gestalten. Grenzen von Gemeinschaften entstehen dort,<br />
wo es an gemeinsamen Normen und Werten in einer Gesellschaft fehlt.<br />
Wie äußern sich Normen und Werte<br />
einer Gesellschaft? In unserer Verfassung<br />
gibt es eine gesetzliche Verankerung<br />
von der Unantastbarkeit<br />
der Würde des Menschen und den<br />
entsprechenden Schutz durch den<br />
Staat. Dies ist nicht überall so. In<br />
den USA gibt es bekannterweise die<br />
Todesstrafe oder in Indien werden<br />
drastische Methoden für Diebe praktiziert<br />
wie das Abhacken der Hand,<br />
um nur einige Beispiele zu nennen.<br />
Frauenmoschee<br />
in Kabul<br />
(Foto: Jerzy, pixelio)<br />
Was macht denn die Norm oder anders<br />
gefragt, was macht denn die<br />
»Ehrbarkeit« einer Gesellschaft,<br />
Gruppe oder Einzelperson aus? Der<br />
Begriff der »Ehre« hat inzwischen<br />
wieder Hochkonjunktur und beschäftigt<br />
gerade im Zusammenhang mit Integration<br />
vermehrt interdisziplinäre<br />
Wissenschaftsbereiche. Das Wort<br />
»Ehre« hat in der deutschen Sprache<br />
mehrdeutige Funktionen. „Es bezeichnet<br />
einerseits etwas, das man<br />
innere Ehre nennen könnte: die Moral,<br />
das Gewissen, die Tugend, das<br />
Selbstwertgefühl eines Individuums,<br />
sodann seine Unbescholtenheit, Ehrlichkeit<br />
und seine Handlungsmaximen,<br />
was zusammengenommen den<br />
guten Ruf einer Person begründet<br />
und zu Achtung und Ansehen in der<br />
Gemeinschaft führt. Ehre kann aber<br />
auch die äußere Ehre meinen: die<br />
Anerkennung und Würdigung vonseiten<br />
anderer, die Reputation, die<br />
positiv gewertete und öffentlich bekräftigte<br />
herausragende soziale Stellung,<br />
kurz – das Ansehen, den Ruhm<br />
oder die Berühmtheit einer Person.“<br />
(Burkhart, 2002, S. 11)<br />
Vor allem in Zeiten großer Unsicherheiten<br />
haben ideologische Hervorhebungen<br />
der »nationalen Ehre« besondere<br />
Relevanz. (Vgl. Burkhart, 2006,<br />
S. 15). Je mehr »Demütigungen« und<br />
»Niederlagen« verzeichnet werden,<br />
umso stärker wird die Ehrbarkeit der<br />
eigenen Gruppe hochgehalten.<br />
Hierin liegt auch eine Gefahrenquelle.<br />
Unsere Zeit ist gekennzeichnet<br />
von steigender Aggressivität,<br />
Kriminalität, Terrorismus sowie<br />
fehlgeschlagenen Integrationsbemühungen.<br />
Was bringt Menschen<br />
dazu, ihren Mitmenschen Gewalt<br />
und Diskriminierung anzutun? Eine<br />
der Ursachen mag darin liegen, dass<br />
es Konfliktpotential beinhaltet, wenn<br />
Menschen aus unterschiedlichsten<br />
Kulturkreisen mit unterschiedlichsten<br />
Werten und Normen aufeinander<br />
stoßen. So mag es nicht verwundern,<br />
wenn Jugendliche in einer aktuellen<br />
Studie sich zu Aussagen hinreißen<br />
lassen wie: „Keine Kopftücher in der<br />
Öffentlichkeit. Aufgrund der Abstammung.<br />
Keine lüsternen Angebote von<br />
ausländischen Männern, die glauben<br />
jede Frau, die haut [sic!] zeigt, würde<br />
ihnen ihren Körper anbieten. Sie<br />
sollen sich anpassen, wenn sie in<br />
Österreich leben wollen, da muss<br />
man sich nicht wundern, dass immer<br />
mehr Jugendliche rechtsradikal werden/sind.“<br />
(Hartwig, <strong>2009</strong>, S. 281)