E_1928_Zeitung_Nr.102
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UNSERE UNTERHALTUNGS-SEITE<br />
Vier Jahre lang brannte der heisse thrgeiz,<br />
den Ost-West-Transatlantikflug zu vollbringen,<br />
in mir. Enttäuschung folgte auf Enttäuschung,<br />
aber als sich wie der Blitz über ganz<br />
Irland die Kunde verbreitete, dass Amerikas<br />
grosser Sohn, Oberst Lindbergh, in seinem<br />
«Spirit of St. Louis» über unsere grünen<br />
Hügel glitt, da wurde die Glut meiner schwelenden<br />
Hoffnungen zur hellen Flamme entfacht.<br />
Es kamen Chamberlin und Levine in<br />
dem Bellanca-Eindecker mit Wright-Motor,<br />
es kamen Kommandant Byrd und seine brave<br />
Mannschaft, Acosta, Baichen und Noville, es<br />
folgten Brock und Schlee, die kühnen Umdie-Welt-Flieger,<br />
die von Neufundland aus<br />
London erreichten, — da beschloss ich, alles,<br />
was in meinen Kräften stand, zu tun, um die<br />
Ehre des Ost-West-Fluges an Irland zu bringen.<br />
Viermal in ebenso vielen Monaten hatten<br />
amerikanische Piloten den rasenden Stürmen<br />
des Nordatlantik getrotzt und die Gestade<br />
der alten Welt erreicht; viermal haben sie so<br />
die Flieger Europas herausgefordert.<br />
Flugzeug auf Flugzeug schwang sich in den<br />
grauen Himmel Europas, um hinter dem<br />
Vorhang eines unbekannten Schicksals zu<br />
verschwinden. Das tragische Ende dieser<br />
tapferen europäischen Flieger wird für immer<br />
von Geheimnis umgeben bleiben, wie ihr<br />
Kampf mit trügerischen Stürmen, mit gefährlichem<br />
Nebel und unbarmherzigen Eisschauern,<br />
bis ihre Flugzeuge wohl nichts<br />
mehr anderes waren als schwankende, eisbedeckte<br />
Kammern des Todes. Für immer<br />
sind die Namen derer, die den Schleier der<br />
Ewigkeit gelüftet haben, auf den Seiten der<br />
Geschichte des Flugwesens aufgezeichnet:<br />
Nungesser und Coli, Hamilton, Michin und<br />
Prinzessin Löwenstein- Wertheim, Hinchclifle<br />
und Eleanor Mackay. Für die Gemeinde der<br />
Flieger in Europa bedeuten diese Namen eine<br />
Schuld der Toten, die von den Lebenden beglichen<br />
werden muss. Es musste die Ueberquerung<br />
des Atlantik von Osten nach Westen<br />
durch Piloten Europas kommen.<br />
Der Flug der « Bremen » war kein Unternehmen,<br />
das einem plötzlichen Antrieb enU<br />
sprang. Er ist viele Monate, bevor Hauptmann<br />
Hermann Kohl und Freiherr E. G. von<br />
Hünefeld am 26. März, vom Dessauer Flugplatz,<br />
120 Kilometer südlich von Berlin, kom-<br />
VOR DEM START<br />
ZUM OZEANFLUG<br />
Von Fitzmaunce.<br />
mend, auf dem irischen Freistaat-Flugfeld in<br />
Baldonnel landeten, sorgfältig vorbereitet<br />
worden. Als der starke Ganzmetall-Junkers-<br />
Eindecker gelandet war, da stieg aus dem<br />
Führersitz lächelnd der rundliche, kleine<br />
Pilot Kohl, unmittelbar gefolgt von Fruiherrn<br />
von Hünefeld, einem typischen deutschen<br />
Aristokraten. Es war nicht das erstemal, dass<br />
ich das Vergnügen hatte, mit den beiden unerschrockenen<br />
Männern der Luft zusammenzutreffen.<br />
Schon einmal landeten sie in Bai'<br />
donnel, als sie bei ihrem ersten Versuch den<br />
Ozean zu überqueren, genau wie Kapitän<br />
Macintosh und ich, auf unmögliches Flugwetter<br />
gestossen und nach Irland zurückgekehrt<br />
waren. Als Kommandeur konnte ich<br />
ihnen damals die ganze Unterstützung, die<br />
mir meine Stellung erlaubte, angedeihen lassen<br />
und ihnen in jeder Weise durch Sammlung<br />
von Wettermeldungen usw. behilflich<br />
sein. Weil es aber schon spät im Jahr war<br />
und das schlechte Wetter anhielt, mussten sie<br />
ihren Versuch für <strong>1928</strong> zurückstellen.<br />
Wie es so oft im Leben derer, die der Gemeinde<br />
der Flieger angehören, vorkommt,<br />
führt ein zufälliges Zusammentreffen, wie dieses,<br />
häufig zu einem Band unverbrüchlicher<br />
Freundschaft.<br />
Auf die Kunde vor dem Eintreffen des deutschen<br />
Flugzeuges hatte sich eine ziemliche<br />
Anzahl interessierter Zuschauer eingefunden.<br />
Die Mannschaften und Mechaniker des Luftkorps<br />
schoben die «Bremen» in einen unserer<br />
Schuppen, der für diesen Zweck leer gemacht<br />
worden war. Wir standen noch herum und<br />
unterhielten uns über die verschiedenen Einzelheiten,<br />
die im Flugzeug für die besonders<br />
schwierige Aufgabe, die vor ihm lag, angebracht<br />
worden waren. Ein eigenes Schwimmgerät<br />
war in die Fliigelkonsiruktion eingebaut<br />
worden, so dass, sollte die «Bremen»<br />
zum Niedergehen auf das Wasser gezwungen<br />
werden, die ziemliche Wahrscheinlichkeit bestand,<br />
dass sie schwimmen würde, bis Hilfe<br />
kam. Das ganze Wissen und Können der deutschen<br />
Konstrukteure und Mechaniker steckte<br />
in diesem Ganzmetall-Junkers, das Betriebsstoff<br />
für vie rund zwanzig Flugstanden, etwa<br />
2400 Liter, im Gewichte von nahezu zweieinhalb<br />
Tonnen, mit'sich führte. Nachdem ich<br />
den Führersitz mit all seinen Anordnungen::<br />
ATJTOMOBIL-RFVUE<br />
genau untersucht hatte, war ich überzeugt,<br />
dass die «Bremen» wirklich jede Aussicht auf<br />
den Erfolg habe.<br />
Später am Abend, als sie einen Bissen gegessen<br />
und eine Tasse Tee getrunken hatten,<br />
übermittelte mir der Freiherr die Einladung,<br />
sie an ihrem Ost-West-Flug zu begleiten. Ich<br />
möchte an dieser Stelle nochmals im Namen<br />
Irlands meinen tapferen deutschen Kamera-,<br />
den dafür danken, dass sie es mir ermöglichten,<br />
mich an diesem epochemachenden Unternehmen<br />
zu beteiligen. Die Tatsache, dass ich<br />
zusammen mit Freiherrn von Hünefeld und<br />
Hauptmann Kohl diesen Flug ausführen<br />
konnte, spricht genügend für den grossen<br />
Fortschritt, der in der Umwandlung der Fliegerei<br />
von einer Waffe des Krieges in einen<br />
Boten des Friedens liegt. Ist es nicht ein<br />
schlagendes Beispiel für das Verstehen der<br />
Menschen untereinander durch engere Verbindung,<br />
wenn man bedenkt, dass nur wenige<br />
kurze Jahre zuvor wir uns in mörderischem<br />
Kampf zerfleischten? Jahrelang haben wir<br />
uns als Feinde gegenübergestanden, und doch<br />
war es nur eine Angelegenheit weniger Tage,<br />
dass wir uns fanden und den Grund zu einer<br />
unvergänglichen Freundschaft legten. Seite an<br />
Seite haben wir während dieses Fluges gekämpft<br />
in der Hoffnung, dass unser Unterfangen<br />
mehr guten Willen und besseres Verstehen<br />
unter die Völker der Erde bringen möge.<br />
Die Geschichte der Zivilisation und des<br />
Fortschrittes gründet sich zum grössten Teil<br />
auf die Entwicklung der Verbindungen und<br />
des Verkehrs. Je näher uns unsere Nachbarn<br />
durch die rasche Mitteilung der Ideen, Gedanken<br />
und Bewegungen, die ihre Gebräuche bestimmen,<br />
gebracht werden, desto leichter sollten<br />
Missverständnisse vermieden werden. Das<br />
Flugzeug dürfte uns dem Weltfrieden gewaltig<br />
näher bringen. Man kann sich ganz leicht<br />
vorstellen, dass viele Jahre zurück, als hundert<br />
Meilen noch eine schreckliche Entfernung<br />
bedeuten, Verdächtigung, Gier und Hass blühen<br />
konnten. Wie der Feudalismus der alten<br />
Welt dem Nationalismus Platz gemacht, so<br />
wird auch dieser dem Universalismus weichen<br />
müssen, wenn unser Verbindungssystem den<br />
Grad der Vollkommenheit erreicht hat, der<br />
uns alle in gemeinsamem Verstehen verbin iet.<br />
Radio und Telegraph, das Fernsehen und<br />
Fernhören, Dampfschiffe, Eisenbahnen, Automobile<br />
und Flugzeuge schmieden die Verbindungsglieder<br />
zwischen den Nationen, die auch<br />
durch politische Streitigkeiten und persönliche<br />
Eifersüchteleien von Staatsmännern nicht<br />
zerbrochen werden können.<br />
In den Tagen, welche dem 26. März folgten,<br />
führten Hauptmann Kohl und ich in der «Bremen»<br />
verschiedene Versuchsflüge aus, um<br />
mich völlig mit der Betriebsstoffversorgung<br />
und dem Verhalten der Maschine, die ans bald<br />
weit hinaus über die See tragen sollte, vertraut<br />
zu machen. Diese Aufstiege waren famose<br />
kleine Angelegenheiten voll prickelnden<br />
Vorgefühls und der Gespanntheit auf die<br />
neuen Eigenheiten einer neuen Ftugmaschine.<br />
Die «Bremen» ist einer der besten Apparate,<br />
die mich je mein gutes Schicksal fliegen Hess.<br />
Ich fand sie nicht nur im Geradeausflug, sondern<br />
auch in Kurven ausserordentlich stabil,<br />
und der Steuerapparat war so leicht, dass<br />
man mit der leisen Berührung eines Fingers<br />
das Flugzeug in der Luft herumdrehen konnte.<br />
Während der Ueberlandflüge, die wir vornah'<br />
men, um die Navigationsinstrumente auszu'<br />
probieren, stellte ich fest, dass es möglich<br />
war, beide Hände und Füsse von der Steuer<br />
rung wegzunehmen und dass die «Bremen»<br />
dabei für geraume Zeit dfme eine Abweichung<br />
geradeaus weiterflog. Ich brauche nicht weiter<br />
zu sagen, dass mich diese Eigenschaften<br />
des Flugzeuges mit grosser Befriedigung erfüllten;<br />
denn ein Apparat, der in der Luft<br />
seine Mucken hat, wird leicht besonders gefährlich,<br />
wenn nach vielen Stunden die ermüdeten<br />
Nerven durch den Mangel an Ausruhen<br />
nahezu stumpf geworden sind.<br />
Diese Vorbereitungen aber waren bald vorüber<br />
und nun ging es an die unwillkommene<br />
Aufgabe, auf günstige Wetternachrichten zu<br />
warten. Während dieser ruhelosen Tage, in<br />
denen wir hin und her rannten wie die Löwen<br />
in einem Käfig, tat meine Frau alles für unsere<br />
Bequemlichkeit und Seelenruhe. Nicht<br />
ein einziges Mal Hess sie nur den leisesten<br />
Ton der Angst in ihre Stimme schleichen, ja,<br />
sie nahm meine Ankündigung, dass ich mit<br />
Hauptmann Kohl und Freiherrn v. Hünefeld<br />
über den Atlantischen Ozean fliegen würde,<br />
mit einer Ruhe auf, als ob ich so zufällig erwähnt<br />
hätte, ich flöge von Baldonnel nach<br />
London. Ihre Seelenstärke und Tapferkeit trugen<br />
während dieser Tage sehr vifl zu meiner<br />
Gemütsruhe bei.<br />
D-io vorstehende Skizze haiben wir mit Erlaubnis<br />
des Verlages Union Deutsche Verlassanstalt Berlin-<br />
SW 19 dem soeben erscheinenden Bache: «Die Erinnerungen<br />
von Kohl Fitzmaurice/v. Hünefeld über<br />
ihren Ozeanflug» entnommen. In leuohtenden Farben<br />
schildern dio Flieger ihre Eindrücke und Er«<br />
lehnisse auf der abenteuorüchen Fahrt. Auf etwa<br />
300 Seiten Host man van den Vorbereitungen zu dem<br />
Fluge, von dem kritischen Start, von den zahlreichen.<br />
Schwierigkeiten, die au bekämpfen waren, von der<br />
Landung auf der Insel Greenly und zuletzt von der<br />
Siegesfatn-t durch Amerika und Deutschland.<br />
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