E_1930_Zeitung_Nr.057
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57 - <strong>1930</strong> AUTOMOBIL-REVUE<br />
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»••flick«<br />
II. Internationale<br />
St. Moritzer Automobilwoche.<br />
18—24. August.<br />
(IT.) Als die St. Moritzer Automobilwoche<br />
vergangenes Jahr in erster Auflage erstand<br />
da brachte bei der Preisverteilung einer der<br />
Konkurrenten, der Deutsche Wessels — nebenbei<br />
bemerkt Gewinner des Sternfahrt-<br />
Wanderpreises — ein Hoch auf die Organisatoren<br />
der Veranstaltung aus und Hess<br />
prompt die zweite St.MoritzerAutowoche hochleben<br />
... Eine Episode -nur aus dem rauschenden<br />
Gewoge und Getriebe des ganzen Tourniers,<br />
aber auch ein Ausspruch, worin sich<br />
die Begeisterung spiegelt, die es bei den<br />
Teilnehmern erweckt hatte. Mehr wie einer<br />
unter ihnen verliess St. Moritz mit dem<br />
stillen Gelöbnis, auch dieses Jahr wieder mit<br />
dabei zu sein. Und sie haben das Versprechen,<br />
das sie sich selbst gegeben, gehalten.<br />
Der Erfolg der ersten St. Moritzer Automobilwoche<br />
beginnt sich auszuwirken. Gingen<br />
schon vor dem Erscheinen des Reglementes<br />
zahlreiche Anfragen, besonders aus<br />
den Kreisen letzt jähriger Konkurrenten, ein,<br />
so zeitigte der Versand der Ausschreibung<br />
noch wachsendes Interesse. Auf jeden Fall:<br />
auch für die diesjährige St. Moritzer Veranstaltung<br />
eröffnen sich schon jetzt verheissungsvolle<br />
Perspektiven, und wenn nicht alle<br />
Anzeichen trügen, wird sie ihrem Vorgänger<br />
an Internationalität der Beschickung, an<br />
sportlichen Glanz, nicht nachstehen.<br />
Vor mehreren Wochen schon streckte<br />
Chiron seine Fühler aus. Er hat St. Moritz<br />
ein gutes Andenken bewahrt und wird aller<br />
Voraussicht nach auch heuer wieder mit in<br />
die Arena steigen. Auch dem Italiener<br />
de Sterlich scheint es das Engadin angetan<br />
zn haben; wenigstens sprach er unlängst<br />
persönlich in St. Moritz vor und Hess dabei<br />
durchblicken, dass er abermals am Start erscheinen<br />
werde. Nicht minder frisch lebt die<br />
St Moritzer Automobilwoche in der Erinnerimg<br />
der deutschen Fahrer, wie aus den eingegangenen<br />
Anfragen erhellt. So werden<br />
wir beispielsweise im Münchner Steinweg<br />
einen Bekannten vom letzten Jahr begrüssen<br />
können; er bringt gleich noch ein paar<br />
Kollegen mit. Aus der Erwägung heraus,<br />
dass der Start italienischer Fahrer von<br />
Klasse geeignet wäre, der Veranstaltung<br />
einen starken Zuzug aus dem Süden zu<br />
sichern, hat das Organisationskomitee mit<br />
Alfa Romeo Verhandlungen angebahnt, die<br />
soweit gediehen sind, dass die Entsendung<br />
einer Alfa Romeo-Equipe in den Bereich der<br />
Möglichkeit gerückt ist Nazzaro hat anläss-<br />
Bch seiner Schweizerfahrt auch St Moritz<br />
einen Bestich abgestattet und dabei die Shellstrasse<br />
wie die Bernina-Rennstrecke in Anrenschein<br />
genommen. Die Sache muss ihm<br />
offenbar imponiert haben, denn er versprach,<br />
sich bei seiner Fabrik, den Fiat-Werken, dafür<br />
einzusetzen, dass sie sich für die beiden<br />
internationalen Rennen, den Kilometer Lance<br />
and das Bernina-Bergrennen, wie anch für<br />
die Schönheitskonkurrenz einschreiben.<br />
Nachträgliches zum zweiten Lauf<br />
um die<br />
c Europabergmeisterschaft».<br />
Cnneo-CoIIe della Maddalena.<br />
xHrtt ab!» sagten die meisten der Rennehampions,<br />
als sie nach einer ersten Trainingsfahrt<br />
die idyllisch schöne, 66V2 km lange<br />
Strecke, die bis 1600 Meter steigt, befahren<br />
hatten. «Cuneo della Maddalena» — vom Start<br />
bis zum Ziel höchste Anforderung an Fahrer<br />
ond Maschine. Dreissig Kilometer Schnurgerade<br />
— 36 Kilometer schwierigste Kurven<br />
und Kehren, unwahrscheinlichste Biegungen<br />
in Felsschluchten und auf abschüssigen Brükken<br />
— bis der Pass, der aus seinem rötlichen<br />
Gestein an die herrlichsten Dolomitenflecke<br />
erinnert, erreicht ist «Wie gefällt Dir Deine<br />
Uebersetzung?» wurde zum regen Frage- nnd<br />
Antwortspiel. Keinem gefiel sie — am liebsten<br />
hätte man sich zweier Rennmaschinen<br />
znm Umsteigen bedient!<br />
Italienisches Training hat eigene Formeln!<br />
Absperrungen existieren nicht «Hilf dir<br />
selbst dann hilft dir der Himmel!» ist Losung.<br />
Die einheimischen Matadore finden<br />
sich — bildlich gesprochen — damit ab, über<br />
grasende Schafherden hinwegzuspringen oder<br />
auf der Strasse ruhig spielende Kinder im<br />
150-Kilometer-Tempo, in Gymkhanaart, zu<br />
umkreisen. Die auswärtigen Meister waren<br />
in dieser Hinsicht etwas skeptisch und auch<br />
die Staubwolken, die sich als Tarnkappen für<br />
Ueberholungszwecke besonders eignen, erhielten<br />
nicht ihre vollste Billigung. Aber alles<br />
lernt sich einmal und «Uebung macht den<br />
Meister!»<br />
«Gut gestoppt — ist nicht immer richtig<br />
prophezeit!» Italienische Blätter, deren Journalisten<br />
Tag für Tag hinter felsigen Schlupfwinkeln,<br />
mit Stoppuhren in der Hand, aufzuspüren<br />
waren, gaben Tips heraus. Für sie<br />
waren Varzi und Stuck die Hauptfavoriten,<br />
Echo vom Preis der 24 Stunden von Mans<br />
Unten! Das Zeichen zum Start ist gegeben. Die Fahrer stürzen auf ihre Wagen. Oben links: Die<br />
Sieger Barnato und Kidston, die mit ihrem Bentley-Wagen in 24 Stunden 2930,663 km. zurücklegten.<br />
die beim Training unwahrscheinliche Zeiten<br />
herausgeholt und den bestehenden Rekord<br />
des Einheimischen Gola auf Alfa Romeo in<br />
der Sportklasse im Jahre 1927 mit 48 Minuten<br />
um mehr als zehn Minuten gedrückt hatten.<br />
Erst in zweiter Linie tippte man auf Arcangeli,<br />
Nuvolari und, in seiner Klasse gross,<br />
auf Caracciola. Doch mit der Motoren Mächten<br />
ist kein ew'ger Bund zu flechten...<br />
Im Rennen selbst, das Sonntag, den 29. Mai,<br />
Punkt 9 Uhr, auf festlich geschmücktem Rathausplatz<br />
vom Stapel ging und von Fagioli<br />
auf Maserati eröffnet wurde, kam vieles anders,<br />
als man gedacht hatte. «Rennwagen zuerst»,<br />
war die sehr vernünftige Losung der<br />
äusserst gewandten und wohlbesorgten Rennleitung.<br />
Dann startete Varzi, phantastisch<br />
schnell, anschliessend Nuvolari und folgend<br />
Stuck. Der Riesenmegaphon hielt die unübersehbare<br />
Menge in Atem. «Nuvolari passiert<br />
bereits Demonte», «Fagioli ist 22 Minuten<br />
unterwegs», «Stuck und Varzi...». Bewegung<br />
unter den Zuschauern. «Was ist mit<br />
den beiden, auf deren Duell man wartet?»<br />
«Stuck und Varzi haben angehalten — der<br />
Deutsche musste nach vier Kilometern wehat<br />
seine Preise<br />
bedeutend<br />
reduziert<br />
gen Kolbendefekt und Varzi nach zwölf Kilometern<br />
wegen Motorschaden frühzeitig die<br />
Waffen strecken!» Die Enttäuschung war<br />
laut vernehmbar. «Ahs» und «Ohs» durchfluteten<br />
die Strassen und Hessen erst ein wenig<br />
nach, als der Favorit der Sportwagenklasse,<br />
der Mercedes-Meister Caracciola, auf seinem<br />
mächtigen «S. S. K.» von dannen stürmte und<br />
nach 41,24 Minuten als Sieger in seiner Klasse<br />
gross hervorging, Biondetti und Campari hinter<br />
sich lassend...<br />
Die Bilanz: Bugatti hat seine Konkurrenz<br />
— Alfa in Front — das grosse Schlagwort!<br />
Die letzten drei grossen Siege Italiens kann<br />
diese Fabrik für sich buchen (Targa Florio :<br />
Varzi, Königspreis von Rom: Arcangeli und<br />
Cuneo-della Maddalena: Nuvolari). Ganz<br />
grossen Stil fuhr der Rekordmann des Tages,<br />
der Alfa-Mann Nuvolari; er konnte als beste<br />
Zeit des Tages einen Durchschnitt von 103<br />
Kilometern herausholen! Ein gewaltiges<br />
Wort!<br />
Der zweite Lauf um die Europameisterschaft<br />
ist aus — es lebe die nächste ! v. R.<br />
Es ist unnötig and töricht, etwas zu riskieren.<br />
Das Motto jedes verständigen Automobilisten<br />
muss « Safety first» heissen.<br />
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Der Grosse Marnepreis<br />
von Reims.<br />
Dreyfus siegt auf Bugatti.<br />
Reims, die alte Königsstadt, sah letzten<br />
Samstag und Sonntag eine Reihe von sportlichen<br />
und gesellschaftlichen Veranstaltungen,<br />
die alle im Zeichen des Automobils standen.<br />
Eine Sternfahrt brachte 400 Wagen auf<br />
den Plan, die am Samstag nachmittag in<br />
Reims einliefen. Eine Schönheitsschau schlotss<br />
sich daran an. Das Hauptinteresse konzentrierte<br />
sich hingegen auf das Rennen um den<br />
Grosen Marnepreis, an dem eine Reihe bekannter<br />
Fahrer teilnahmen. An bewährten<br />
Kräften hatten ihre "Visitenkarte abgegeben :<br />
Chiron, Etancelin, Fagioli, Lehoux, Dreyfus,<br />
Zanelli u. a.<br />
Der Verlauf des 400 km langen Rennens<br />
auf der Rundstrecke bei Reims brachte verschiedene<br />
Ueberraschungen. Chiron war vom<br />
schwärzesten Pech verfolgt. Er musste mit<br />
seinem Wagen beinahe nach jeder Rundehalten.<br />
Zu Beginn des Rennens entspann sich<br />
ein leichtes Geplänkel zwischen Lehoux und<br />
Etancelin. Bei der fünften Runde wurde Lehoux<br />
von seinem harten- Gegner überrundet,<br />
und kurz nachher ging Dreyfus siegreich an<br />
die Spitze vor. Lehoux blieb fortan zurück.<br />
Der Kampf spitzte sich zwischen Dreyfus und<br />
Etancelin zu, die in rasender Geschwindigkeit<br />
Runde um Runde erledigten. Das Duell wurde<br />
durch das Schicksal entschieden, das Etancelin<br />
ein zerbrochenes Rad bescheerte. Nach<br />
einiger Zeit musste auch Zanelli ausscheiden,<br />
so dass Dreyfus ziemlich ungeschoren sein<br />
Pensum erledigen konnte. Seine Fahrtechnik<br />
war wiederum bestrickend, kühl bis ins Herz<br />
hinein sass der Sieger des Grossen Preises<br />
von Monaco am Lenkrad. Dreyfus fuhr einen<br />
neuen Rekord beim Marnepreis, er beträgt<br />
nun 142 km. Die schnellste Runde vermochte<br />
er nicht zu fahren, der Rekord gehört immer<br />
noch Chiron, der 1928 146,938 km fuhr.<br />
Bei der Klasse unter 1500 ccm gab es keine<br />
besondern Sensationen. Michel Dore führte<br />
von Anfang an und hielt bis zum Schluss sein<br />
schönes Tempo durch.<br />
GesamtklassemenL<br />
1- Rene Dreyfus (Bugatti), 400 km in 2 Std. W<br />
27"% (Mittel: 141,626 km). Alter Rekord: Etancelin<br />
(Bugatti), 2 Std. 54' 14" (Mittel: 137,736 km).<br />
2-l-Wagen: 1. Rene Dreyfus (Bugatti). 2. Marcel<br />
Lehoux (Bugatti), 2 Std. 51' 30"% (Mittel: 139,938<br />
km). 3. Fagioli (Bugatti).<br />
Wagen 1500 ccm: 1. Michel Dore (BugattD, 3<br />
Std. 06' 14"^ (Mittel: 128,868 km), neuer Rekord.<br />
Luftfahrt<br />
Europa-Rundflug 193a<br />
Nachdem die einzelnen am Europanmdfhtg<br />
beteiligten Länder ihre Teilnehmer und Etappenorte<br />
definitiv bezeichftet haben, lässt sich<br />
ein allgemeiner Ueberblick nun schon heute<br />
gewinnen. Für die schweizerischen Etappenorte,<br />
die bekanntlich Lausanne und Bern sind*<br />
ergeben sich folgende Durchflugsdaten:<br />
in Lausanne werden die Haupttage der 24,<br />
25. und 26. Juli sein,<br />
in Bern, die Tage vom 25. bis 27. Juli;<br />
da Lausanne, entsprechend dem Reglement<br />
nicht vor dem 25. Juli 07 00 verlassen werden<br />
darf, ist damit zu: rechnen, dass die<br />
Kopfgruppe der 101 Teilnehmer am 24. d. in<br />
Lausanne eintreffen wird, um am 25. d. schon<br />
gegen 8 00 Uhr in Bem zu sein und das Rennen<br />
gleichen Tags noch über München, Wien,<br />
Prag usw. fortzusetzen. In dieser Kopfgruppe<br />
wird sich auch bereits der mutmassliche Sieger<br />
befinden.<br />
Die Deutschen als Sieger der letztjährigen<br />
Konkurrenz und Inhaber des Wanderbechers<br />
(gestiftet vom Aeroclub de France) werden<br />
dieses Jahr auf ganz grosse Gegner stossen;<br />
ein überlegener Sieg des einen oder andern<br />
der beteiligten Länder kann nicht vorhergesagt<br />
werden. Dem Starter in Berlin wird<br />
sich die Elite der Führer auf Maschinen aller<br />
Länder stellen.<br />
England<br />
schickt Capt. Broad, den zweiten Sieger von<br />
1929, und unter anderen auch A. S. Buttler<br />
(mit Moth-Fhigzeug), der seinerzeit durch<br />
seinen London-Kapstadt-Flug bekannt wurde.<br />
Garberry, der im letzten Jahr eine Spezialmaschine<br />
der Räab-Katzenstein flog, nimmt<br />
dieses Jahr mit seiner Mono-Spezialmaschineteil.<br />
Ans Frankreich<br />
nehmen unter anderen teil M. Finat, der bereits<br />
1929 konkurrierte; Maus, ein internationaler<br />
bekannter Segel- und Motorflieger, und<br />
Doret, auf einer Spezial-Dewoitine-Maschine,<br />
der seinen in Berlin gegen Fieseier errungenen<br />
Titel «König der Lüfte» nun auch im<br />
Streckenflug behaupten will.<br />
Aus Polen<br />
sind als Teilnehmer besonders zu nennen<br />
Zwirko, der im letzten Jahr einen 5000-km-<br />
Flug über Europa ausführte und der reine<br />
Amateurflieger Piotrowski, 40 Jahre alt<br />
Arzt, Alpinist und Redaktor.<br />
Fortsetzung siehe Seite 10<br />
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