E_1935_Zeitung_Nr.011
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2 AUTOMOBIL-REVUE <strong>1935</strong> — 11<br />
dem den grossen Vorteil, dass. bei Verwehungen<br />
nicht die ganze Fahrbahnbreite zwischen<br />
den hohen Schneewänden unpassierbar<br />
wird und ein einfacher Schneepflug bei<br />
Schneefällen in ganz kurzer Zeit wenigstens<br />
eine Einbahn freilegen kann. Die Weger werden<br />
dann gleichzeitig an den mit Fähnchen<br />
bezeichneten Stellen Ausweichplätze freilegen,<br />
s& dass in kürzester Zeit der normale<br />
Verkehr sich wieder abspielen kann. Würde<br />
nur eine 3 Meter breite Bahn freigehalten, so<br />
hätte ein Schneepflug bei Neuschnee Schwierigkeiten<br />
durchzukommen, da die sich bildenden<br />
seitlichen hohen Schneemauern nicht<br />
mehr zurückgedrängt werden können. Diesem<br />
Offenhalten der ganzen Fahrbreite ist<br />
es zu danken, dass dieses Jähr eigentlich<br />
der Pass nie 24 Stunden geschlossen werden<br />
musste. Wohl wird bei Schneetreiben durch<br />
Plakate in Tiefenkastei, Bivio und Silvaplana<br />
die Ueberfahrt über den Berg als gesperrt<br />
gemeldet, aber es kommen doch immer<br />
und immer wieder waghalsige Automobilisten,<br />
auch bei gesperrtem Passe, auf dem Julier-<br />
Hospiz an, wenn auch ab und zu solche, die<br />
der Bergwirt Cotti oder die Weger aus unangenehmen<br />
Situationen befreien mussten.<br />
Denn für alle Fälle sorgen die verschiedenen<br />
S. 0. S.-Stationen dafür, dass rasche<br />
Hilfe herbeigerufen werden kann. Es sollten<br />
sich aber alle Automobilisten gesagt sein<br />
lassen, dass ein Nichtbeachten der Sperrplakate<br />
eigentlich einen Anspruch auf Hilfe<br />
verwirkt. Nur bei plötzlich einsetzenden<br />
Schneestßrmen und Verwehungen, was aber<br />
auf der 8 km langen Strecke Bivio—Julier-<br />
Höspiz und der ebenfalls 8 km messenden<br />
Strecke Silvaplana—Julier-Hospiz nur sehr<br />
selten eintritt, ist der S. 0. S.-Hilferuf gerechtfertigt.<br />
Meist ist es aber schon vor Antritt<br />
der Reise über den 2300 m hohen Berg<br />
im Winter in Bivio oder Silvaplana möglich,<br />
sich zu überzeugen, ob das Wetter die Fahrt<br />
erlaube. Auch eine telephonische Anfrage<br />
auf dem Hospiz wird hierüber Auskunft geben.<br />
Dass der Automobilist auch bei Nacht<br />
über den Berg fährt, ist bei klarem Himmel<br />
noch zu verstehen, bei veränderlicher Witterung<br />
oder gar schlechtem Wetter aber hat<br />
jeder die Folgen sich selbst zuzuschreiben.<br />
Und doch kommt es verschiedentlich vor,<br />
dass der Bergwirt in der Nacht durch die<br />
S. 0. S.-Apparate aus dem Schlaf geweckt<br />
und um Hilfe angerufen wird. Dank der auf<br />
dem Hospiz untergebrachten Mannschaft und<br />
Maschinen kann dann selbst bei solchen<br />
Extratouren geholfen werden, wenn es auch<br />
unverantwortlich ist, die Hilfe seiner Mitmenschen<br />
durch Selbstverschulden in dieser<br />
Zeit in Anspruch zu nehmen. Auch da hört<br />
der anständige Sport auf. Glücklicherweise<br />
ist es aber noch zu keinen Unfällen gekommen,<br />
obschon ständig solche Nachtfahrer<br />
beobachtet werden.<br />
Dass es bei schönem Wetter ein Genuss<br />
ist, im Winter über den Julier zu fahren, der<br />
nicht seinesgleichen findet, ist schon vielfach<br />
gesagt und geschrieben worden.<br />
Die Frequenz<br />
zeigt denn auch, dass diesen Winter schon<br />
der verkehrsarme Monat November 639, der<br />
Dezember 1598 und der Januar sogar 2300<br />
Wagen aufweist, was für die drei bisherigen<br />
Wintermonate 4537 Motorwagen ausmacht.<br />
Dabei ist es möglich, dass infolge der grossen<br />
Fahrbreite und des Kurvenausbaues Gesellschaftswagen<br />
von 9,5 m Länge mit 30 Passagieren<br />
den Berg ohne jede Schwierigkeiten<br />
überfahren. Der Verkehr solcher Wagen von<br />
Karlsruhe, Paris usw. zeigt, dass die an die<br />
Winteröffnung eines Bergpasses der Schweiz<br />
geknüpften Hoffnungen sich schon dieses<br />
Jahr verwirklicht haben. Diese Oeffnung<br />
lenkt den Reiseverkehr von Nord und Süd<br />
nach der Schweiz. Ein Pariser Institut hat<br />
mit 30 jungen Damen mit eigenem Gesellschaftswagen<br />
die Reise in die Schweiz und<br />
versenkbare Verkehrsinseln.<br />
Die Nürnberger Stadtverwaltung plant an<br />
einigen Verkehrspunkten, wie beispielsweise<br />
vor dem Opernhaus, 10 Zentimeter hohe Verkehrsinseln<br />
anzulegen, die im Bedarfs}alle<br />
ohne grosse Schwierigkeiten bodengleich gemacht,<br />
d. h- versenkt werden können. Die Inseln<br />
sollen aus Holz in Teilen von je 2,25 Meter<br />
Länge hergestellt und in trogartigen Vertiefungen<br />
auf leicht entfernbare hölzerne<br />
Unterlagen gestellt werden. Diese Unterlage<br />
braucht nur herausgenommen zu werden,<br />
wenn die Standfläche der Insel mit der<br />
Strosse in eine Ebene gebracht werden soll.<br />
Wie es kommen muss !<br />
Die tschechoslowakische Regierung ist bekanntlich<br />
kein Freund des motorisierten<br />
Straßenverkehrs und verstand es, den Automobilisten<br />
durch allerhand Steuerschikanen<br />
die Haltung eines Motorfahrzeuges zu verleiden.<br />
Dieser Druck würde mit einer starken<br />
Ausserdienststellung von Automobilen beantwortet.<br />
Im Vergleich zu 1931 beträgt der<br />
Rückgang der Personenwagen im Jahre 1934<br />
rund 25%, bei den Lastwagen und Autobussen<br />
sogar 78,5%. Die aus dem rückläufigen<br />
Absatz der Industrie und dem Staat entstehenden<br />
Verluste, die auch von der gesamten<br />
Volkswirtschaft zu tragen sind, steigen zu<br />
riesengrossen Beträgen an. Durch die Abmeldung<br />
von 15,000. Wagen büsste der Fiskus<br />
allein 73 MM. Kronen ein, wobei die Umsatzund<br />
Gewerbesteuer sowie andere fiskalische<br />
Abgaben nicht mitberücksichtigt sind.<br />
über den Julier zum Ferienaufenthalt in<br />
St Moritz unternommen und uns für die<br />
bequeme und gefahrlose, herrliche Fahrt den<br />
Dank ausgesprochen. Sie und viele andere<br />
würden nächstes Jahr wiederkommen. Dass<br />
viele Italiener, die schon seit Jahren über<br />
den im Winter von der Post geöffneten Maloja<br />
zum Wintersport nach dem Engadin<br />
gekommen waren, dieses Jahr eine Süd-Nord-<br />
Fahrt nach der Schweiz über „den Julier<br />
unternahmen, beweist die Verkehrszählung<br />
auf Julier-Hospiz.<br />
< r;**^<br />
Interessant ist auch die Aufteilung, der gezählten<br />
Motorfahrzeuge auf die verschiedenen<br />
Staaten. So war beispielsweise im Dezember<br />
die Frequenz der Personenwagen folgende:<br />
Graubünden 28%<br />
übrige Schweiz 26%<br />
Ausland 46%<br />
Vom 1. bis 15. Januar, für-welche Zeit uns<br />
die Ergebnisse vorliegen, waren bei einem<br />
Total von 1201 Wagen Personenwagen aus:<br />
Graubünden 10%<br />
übrige Schweiz 26%<br />
Ausland 64% ,<br />
Von letzteren wieder kamen allein auf: :<br />
Doutschland über 200 Wagen =<br />
Italien, Frankreich und England<br />
je 100—120 Wagen, zusammen — 28%<br />
auf die übrigen Staaten =17%<br />
64%<br />
Zurückschauend kann gesagt werden, dass<br />
es nur schrittweise möglich war, den Winter-<br />
Nord-Süd-Alpenverkehr für das Auto durchzuführen.<br />
Im Winter 1932/1933 verkehrte das<br />
Postauto nur bis Mühlen, aber schon im Vorwinter<br />
1933/34 wurde die Strecke Mühlen-<br />
Bivio versuchsweise dem Motorwagen geöffnet,<br />
um dann schon im Januar 1934 das<br />
letzte Stück der Nord-Süd-Verbindung Bivio-Julier-Hospiz-Silvaplana,<br />
wenn auch ebenfalls<br />
vorerst nur versuchsweise, für den Autoverkehr<br />
freizugeben. Die Versuche des ersten<br />
Autostrassen aus Salz?<br />
In den Vereinigten Staaten werden gegenwärtig,<br />
wie aus New York berichtet wird,<br />
Versuche unternommen, Salz als Baustoff für<br />
den Strassenbau zu verwenden. Diese Versuche<br />
gehen zurück auf eine Naturerscheinung,<br />
die man sich zunutze machen will. Eine<br />
in der Nähe des Meeres gelegene Strasse<br />
wurde während einiger Monate innerhalb<br />
eines Jahres stets überschwemmt. Nachdem<br />
das Salzwasser verdunstete, blieb eine ständig<br />
stärker werdende Salzschicht auf der<br />
Oberfläche dieser Strasse zurück. Dieser natürliche<br />
Strasseribelag ist so widerstandsfähig,<br />
dass man nun die ersten Versuche<br />
unternimmt, künstliche Strossen mit einem<br />
Salzbelag als Fahrdecke herzustellen.<br />
Winters waren die schwierigsten. Es handelte<br />
sich darum festzustellen, ob es überhaupt<br />
technisch möglich sei, einen Alpenpass zu<br />
öffnen und wie hoch die Kosten sich dabei<br />
stellen würden. Die ersten Annahmen hierfür<br />
waren so hoch, dass man sich schon aus<br />
finanziellen Gründen nicht recht an die Sache<br />
heranwagte. «Es seien Maschinen von einigen<br />
hunderttausend Franken nötig, mit<br />
Garagebauten, ganz abgesehen von Verbauungen<br />
gegen Schneeverwehungen, Galerien<br />
.usw., die ebenfalls in die Hunderttausende<br />
von Franken gehen sollten. Der Betrieb werde<br />
sich auf ca. Fr. 150,000 stellen usw.» Die<br />
Versuche klärten dann rasch auf, mit welchen<br />
Ziffern zu rechnen sei.<br />
Der zweite Versuchswinter sollte zeigen,<br />
ob der erste Winter als ein absonderlich milder,<br />
für die Berechnung ungeeignet gewesen<br />
und wie bei Offenhalten des Passes von Anfang<br />
an der Betrieb am zweckmässigsten<br />
technisch und wirtschaftlich zu organisieren<br />
sei.<br />
Schon heute kann festgestellt werden, dass<br />
•<br />
mit<br />
istischer<br />
Aufnahme des Rennwagenbaues in Russland.<br />
In der russischen Automobilindustrie finden<br />
zur Zeit, wie aus Moskau berichtet wird,<br />
Verhandlungen über die Aufnahme des Rennwagenbaues<br />
statt. Es ist der Bau zweier verschiedener<br />
Rennwagentypen in Aussicht genommen,<br />
die frühestens 1936 an den grossen<br />
internationalen Automobilrennen teilnehmen<br />
sollen. Interessant sind hierbei die Erwägungen,<br />
auch den Dieselmotor im Rennwagen<br />
zu benutzen. Die Rennwagen würden, sobald<br />
ihr Bau genehmigt wäre, in einem der grössten<br />
russischen Automobilwerke konstruiert<br />
und auf geeigneten russischen Automobilstrassen<br />
eingehenden Versuchsfahrten unterzogen<br />
werden.<br />
verhältnismässig bescheidenen Mitteln<br />
das Offenhalten des Juliers im Winter möglich<br />
ist, dank der getroffenen Vorbereitungen<br />
im letzten Sommer für die Unterbringung<br />
von Leuten und Maschinen auf dem Hospiz<br />
und der Erfahrungen mit Schneewänden,<br />
Kurvenverbreiterungen usw. Ebenfalls kommen<br />
die anfangs gefürchteten hohen Kosten<br />
für Verbauungen, Lawinengalerien usw.<br />
nicht mehr in Frage. Die Ergänzung des Maschinenparkes<br />
durch ein Agreat ist die einzige<br />
noch nötige grössere Ausgabe, die als<br />
Reserve für die Schneeschleuder gemacht<br />
werden muss.<br />
A. Sutter,<br />
Oberingenieur des Kantons Graubünden.<br />
Schweizerische Rundschau<br />
Teilzahlung<br />
der Motorfahrzeugsteuer.<br />
Es handelt sich um eines der ältesten, aber<br />
vom Fiskus meist bestrittenen Postulate der<br />
Motorfahrzeugbesitzer. Stellt die Notwendigkeit<br />
der Vorausbezahlung schon eine Härte<br />
dar, so wird diese um so stärker empfunden,<br />
als der Vorausbezug gleich für das ganze Kalenderjahr<br />
erfolgt. Da aber, bevor die Motorfahrzeugsteuer<br />
entrichtet werden «darf», noch<br />
die Hai'tpflichtprämie zu leisten ist, so halste<br />
man auf diese Weise dem Fahrzeughalter<br />
gleich zu Beginn des Jahres eine finanzielle<br />
Bürde von verschiedenen hundert Franken<br />
auf, die manchem zu schwer wurde. Dazu<br />
kamen noch die üblichen und zwangsläufigen<br />
Ausgaben um die Jahreswende, wie allgemeine<br />
Staatssteuern, Zinszahlungen usw., so<br />
dass der Bürger und Steuerzahler in recht<br />
unangenehmer Weise unter Druck gesetzt<br />
wurde.<br />
Solange die Geschäfte noch einigermassen<br />
im Schwung waren, fanden sich schliesslich<br />
auch beim kleineren Gewerbetreibenden und<br />
Handelsmann und beim unselbständig Erwerbenden<br />
immer noch die Mittel, um den vielseitigen<br />
Forderungen unseres unersättlichen<br />
Fiskus schlecht und recht gerecht zu werden.<br />
Wie aber die wirtschaftlichen Verhältnisse<br />
gespannter wurden, der Geschäftsumsatz<br />
überall zurückging, der Zahlungsverkehr wesentlich<br />
langsamer wurde, Guthaben monatelang<br />
gestundet werden müssen, wenn überhaupt<br />
mit ihrem Eingang noch gerechnet<br />
werden darf, kurzum, als die flüssigen Mittel<br />
immer knapper zu werden begannen, da kam<br />
nun der kleine Motorfahrzeughalter in schwere<br />
Bedrängnis. Einerseits war ihm das Fahrzeug<br />
für seinen täglichen Betrieb notwendig,<br />
ja unentbehrlich geworden, anderseits war<br />
er einfach ausserstande, in den mit Zahlungen<br />
so reichlich bedachten Wochen auch noch<br />
die Beträge für Fahrzeugversicherung und<br />
Ganzjahressteuer aufzubringen. Es blieb dann<br />
meistens nichts anderes übrig, als den Betrieb<br />
des Fahrzeuges einzustellen und den<br />
Eingang weiterer Barmittel abzuwarten, um<br />
die Steuer wenigstens für drei Vierteljahre<br />
oder ein Semester lösen zu können.<br />
Einzelne Kantone sehen freilich die Möglichkeit<br />
einer Teilzahlung der Steuer vor.<br />
Allein es wird ausdrücklich festgelegt, dass<br />
es sich hierbei um Ausnahmen handelt,.die<br />
eben nur im äussersten Notfall und natürlich<br />
unter Einreichung eines wohlbegründeten<br />
Gesuches, begleitet von allen möglichen Belegen,<br />
benützt werden soll. Es ist aber vielen<br />
aufrechten Bürgern nicht nur zuwider, bei<br />
der Behörde mit Bittbriefen vorstellig zu<br />
werden und um Almosen anzuhalten, sondern<br />
man dürfte in der heutigen Zeit wirklich<br />
erwarten, dass auch die Verwaltung wenigstens<br />
so viel Kenntnis von der gegenwärtigen<br />
wirtschaftlichen Lage hat, um zu wissen,<br />
dass es sich eigentlich um einen allgemeinen<br />
Notstand handelt<br />
Daraus müsste nun folgerichtig die Konsequenz<br />
gezogen werden, es sei die vorgesehene<br />
Ratenzählung nicht nur als gnädig gewährte<br />
Ausnahme für die wenigen Einzelpersonen<br />
In Betracht zu ziehen, die sich<br />
letzten Endes doch noch melden, weil sie<br />
keinen andern Ausweg mehr wissen, sondern<br />
als allgemein gültig für jedermann vorzusehen.<br />
Dagegen sträubt sich der Fiskus mit<br />
allen Mitteln. Er will nun einmal seinen Amtsschimmel<br />
reiten, so wie er sich darauf seit<br />
Jahren zurechtgesetzt hat, alles andere kümmert<br />
ihn wenig. Dazu noch die sattsam bekannte<br />
Einstellung dem Motorfahrzeugbesitzer<br />
gegenüber, dass er ja ^»rmöglich genug Ist,<br />
Forsetzung Seite 5.<br />
verpasste den besten Moment des Anschlusses,<br />
denn irgend etwas auf der Bühne hatte<br />
seine grösste Aufmerksamkeit erregt. Es<br />
war der Hintergrund, vor welchem sich die<br />
Darbietungen des Kunstschützen abspielen<br />
sollten.<br />
Auf dem mit kräftigen Farben bemalten<br />
Prospekt konnte Herr Dickson eine Landschaft<br />
erkennen, die ihm merkwürdig bekannt<br />
vorkam. Durch eine weite, mit Schirmakazien<br />
und Dornbüschen bestandene Steppe<br />
schlängelte sich ein kleiner Bach, an dessen<br />
Ufer ein Zelt aufgeschlagen stand. Von links<br />
näherte sich in endloser Reihe ein Zug von<br />
schwerbepackten Negern, die auf ihren Köpfen<br />
wertvolle Elfenbeinzähne trugen.<br />
«Besten Dank, mein Herr, hier ist Ihr Programm.»<br />
Herr Dickson überhörte auch diesmal die<br />
Aniede seiner Nachbarin; eine hektische<br />
Röte hatte sich über sein Gesicht gebreitet<br />
Auf der rechten Seite des Hintergrundes,<br />
der durch einen Baumstamm in zwei Hälften<br />
geteilt war, erkannte Herr Dickson dieselbe<br />
Trägerkarawane wieder, welche diesmal in<br />
umgekehrter Richtung in die Steppe hinausstrebte,<br />
einem fernen Berge zu, dessen weisser<br />
Kegel von weit her leuchtete. Das Zelt<br />
am Ufer war abgerissen, statt dessen lag<br />
dort ein Mann in so unnatürlicher, verkrampfter<br />
Stellung, dass man unwillkürlich denken<br />
musste, es sei ein Toter.<br />
Jeff Dickson atmete schwer. Zitternd fuhr<br />
seine Hand über die Stirn und wischte den<br />
Schweiss fort, der in grossen Tropfen auf<br />
ihr perlte. Ein Morgen in der afrikanischen<br />
Wildnis, drunten an der Grenze von Betschuanaland,<br />
tauchte in seinem Gedächtnis<br />
auf... an welchem er seine Trägerkarawane<br />
einem fernen Berge zu vorausgeschickt hatte,<br />
um...<br />
Er zwang sich mit Gewalt zur Rühe, denn<br />
William McLeaf, der Kunstschütze, hatte die<br />
Bühne betreten, ein grosser, kräftiger Mann<br />
in der Tracht eines Waldläufers, schon über<br />
die erste Jugend hinaus, denn sein Haar<br />
schimmerte grau, als er den breiten Sombrero<br />
zum Gruss gegen das Publikum lüftete.<br />
Ein lähmendes Entsetzen stieg in Mr. Dickson<br />
hoch, und plötzlich wurde ihm der Sinn<br />
dieser übersandten Eintrittskarte bewusst...<br />
Er hatte, trotz der breiten, roten Narbe,<br />
welche die Stirn des Kunstschützen entstellte,<br />
Billie erkannt, old Billie, von dem er<br />
geglaubt hatte, dass er schon längst an jenem<br />
kleinen Bache in der afrikanischen<br />
Steppe vermodert sei. Kaum glaublich, dass<br />
der Mann den furchtbaren Hieb überstanden<br />
hatte, der an jenem Morgen Mr. Dickson von<br />
einem unerwünschten Geschäftspartner befreien<br />
sollte.<br />
McLeaf hatte eine Anzahl Waffen mitgebracht<br />
und legte sie auf einen Tisch am<br />
Rande der Bühne. Ein kaum merkliches,<br />
seltsames Lächeln schien sein Gesicht zu<br />
verzerren, als er eine davon, eine Winchester-Büchse,<br />
die im Licht der Scheinwerfer<br />
stahlblau schimmerte, so zurechtlegte, dass<br />
ihr Lauf kerzengerade auf Mr. Dicksons<br />
Hemdenbrust gerichtet war.<br />
Jeff Dickson stöhnte. So war der Tag der<br />
Vergeltung also doch noch gekommen! Und<br />
er hatte sich schon so sicher geglaubt. In<br />
'ollem Wirbel kreisten die letzten zwanzig<br />
Jahre seines Lebens durch sein Gehirn: die<br />
blonde Mary, (Jie kleine Wohnung in Hanover<br />
Terrace — sollte das alles heute zu Ende<br />
sein?<br />
Verzweifelt suchte er nach der Möglichkeit<br />
des Entfliehens, es gab keine. Eingekeilt zwischen<br />
Menschen sass er hier, hergelockt<br />
durch einen teuflischen Trick, eine wehrlose<br />
Zielscheibe vor dem Gewehr Billies: dass der<br />
treffen konnte — das wusste keiner besser<br />
als Jeff selbst!<br />
Der Mann auf der Bühne hatte den Sombrero<br />
beiseite gelegt und schoss mit dem Revolver<br />
eine Reihe von Kerzen aus, ohne dass<br />
man überhaupt etwas vom Zielen bemerkt<br />
hätte. Rasender Beifall erdröhnte.<br />
Mit mörderischem Lächeln — so schien es<br />
Jeff — trat er jetzt an den Tisch, auf dem<br />
die Gewehre lagen. Eindringlich ruhte sein<br />
Blick auf der zusammengesunkenen Gestalt<br />
in der ersten Reihe, Sitz 13.<br />
Und in diesem Moment war es, "dass Mr.<br />
Dickson sein Herz wie einen rasenden<br />
Trommelwirbel verspürte, bis schwarze<br />
Schatten mitleidig von seinem Bewusstsein<br />
Besitz ergriffen. Er sackte, vom Herzschlag<br />
getroffen, tot zusammen, noch ehe der Mann<br />
auf der Bühne das Gewehr berührt hatte.<br />
(ScWuss.)<br />
In der nächsten Nummer beginnt unser<br />
neuer Roman:<br />
Mannequin.<br />
Von Fanny Hurst.<br />
Ein spannendes Werk aus dem Amerika von<br />
heute.