E_1935_Zeitung_Nr.076
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nützen, braucht ©s mehr Fahrkunst und Sicherheit,<br />
als sie der grösste Teil der Durchschnittsfahrer<br />
besitzt, so dass auch im Lande der unbegrenzten<br />
Möglichkeiten eine Drosselung der Unfallkurve<br />
nur nach dem Gebot: «Zuerst Sicherheit und dann<br />
Geschwindigkeitssteigerung» erzielt werden kann.<br />
Unsere nördlichen Nachbarn haben bekanntlich<br />
«eit kurzem weitgehendst<br />
die motorisierte Strassenpolizei<br />
«ingeführt; um den gebührenfreien Verwarnungen<br />
gleich Nachdruck zu verschaffen, ist diese berechtigt,<br />
die Schlauchventile der Velos eventuell einzuziehen,<br />
damit dem Radfahrer beim nun zwangsläufig<br />
folgenden Fussmarsch Gelegenheit geboten<br />
wird, über die Anforderungen des modernen Strassen<br />
Verkehrs eingehende Ueberlegungen anzustellen!<br />
Belgrad hat eine ähnliche Strafeinrichtung für<br />
Automobilisten eingeführt, dürfen diese doch bei<br />
Uebertretung von Verkehrsvorschriften ihre Pneus,<br />
unter Aufsicht der Polizeiorgane, im Schweisse<br />
des Angesichts selbst aufpumpen. Eine noch<br />
schärfere Kampfansage an den motorisierten Verkehrssünder<br />
hat kürzlich das Polizeipräsidium<br />
Hannover erlassen'. Motorfahrzeugführern, die<br />
durch Nichtbeobachtung der Verkehrsvorschriften<br />
oder Trunkenheit Verkehrsunfälle verursachen,<br />
aber auch solche, die in angetrunkenem Zustand<br />
ein Motorfahrzeug ohne Unfallfolge führen, wird<br />
unverzüglich der Fahrausweis entzogen, und zwar<br />
bis zur Durchführung des amtlichen oder gesetzlichen<br />
Verfahrens betreffs Führerscheinentzugs.<br />
Soweit durch diese Massnahmen einer weitern Gefährdung<br />
der öffentlichen Sicherheit nicht entgegengewirkt<br />
werden kann, d. h. in solchen Fällen,<br />
in denen Verkehrsunfälle oder erhebliche Verkehrsgefährdung<br />
durch schuldhaftes Verhalten<br />
von Radfahrern oder Fussgängern herbeigeführt<br />
werden, sind die Schuldigen unmittelbar in Schutzhaft<br />
zu nehmen.<br />
Zweifellos mögen mitunter derart drakonische<br />
Erziehungsmassnahmen berechtigt sein und wäien<br />
oft auch in der sog. «freien Schweiz» am<br />
Platze — doch steht zu befürchten, dass bei uns<br />
zumindestens eine Interpellation wegen Kompetenzüberschreitung<br />
die Folge wäre!<br />
Den Verkehrswochen obliegt nun, wie bereits<br />
erwähnt, die Aufgabe, der gesamten Bevölkerung<br />
eine gehörige Dosis grösserer Verkehrsdisziplin<br />
einzutrichtern. Unseres Erachtens<br />
kann das Ziel nicht allein durch Belehrungen,<br />
Aufschriften und Demonstrationen<br />
erreicht werden, solange sich der grösste Teil<br />
der Strassenbenützer um die gesetzlichen<br />
Vorschriften keinen Deut kümmert. Erst<br />
wenn jeder Besitzer eines Fahrzeuges für<br />
Tierbespannung, eines Handkarrens oder<br />
Zugwagens slih der ausdrücklichen Beleuchtungsvorschrift<br />
bewusst ist und dieser auch<br />
nachlebt, werden diese in Nacht und Nebel<br />
nur schwer erkennbaren Fahrzeuge endlich<br />
keine derart grossen Unfallgefahren mehr<br />
darstellen, wie bis anhin.<br />
Auch dem Fussgänger hat das neue M. F. G.<br />
bestimmte Pflichten auferlegt, sagt doch<br />
Art. 35:<br />
Der Fussgänger hat die Trottoirs oder Fussgängerstreifen<br />
zu benützen und die Strasse vorsichtig<br />
zu überschreiten. Auf unübersichtlichen<br />
Strassenstrecken und wenn Motorfahrzeuge herannahen,<br />
hat er sich an die Strassenseite zu halten.<br />
Er hat auch die Anordnungen der Verkehrspolizei<br />
zu beachten.<br />
Einzelne Kantone haben bereits dafür Vorsorge<br />
getroffen, dass auch diese Kategorie<br />
von Strassenbenützern bei unkorrektem Verhalten<br />
zur Rechenschaft gezogen werden<br />
kann, indem zum Beispiel die kantonalbernisohe<br />
Verordnung über den Fuhrwerkverkehr<br />
und die Strassenpolizei vom 27. Dezember<br />
1932 Bussen von Fr. 1—500 androht. Hoffentlich<br />
steht diese Drohung nicht nur auf dem<br />
Papier, sondern findet die Behörde auch den<br />
Mut, nach der Verkehrswoche dieser gesetzlichen<br />
Vorschrift Nachachtung zu verschaffen!<br />
Die Vollziehungsverordnung zum M. F. G.<br />
hat sogar den Radfahrern verschiedene Paragraphen<br />
ins Stammbuch gesetzt. Artikel 70<br />
sagt zum Beispiel deutlich:<br />
Mehr als zwei Radfahrer dürfen, ausser beim<br />
Ueberholen, nicht nebeneinander fahren; wenn sie<br />
andere Fahrzeuge, Tiere oder Fussgänger kreuzen<br />
oder ihnen vorfahren, so müssen sie hintereinanderfahren,<br />
wenn es die Strassen- oder Verkehrsverhältnisse<br />
erfordern.<br />
Das Loslassen der Lenkstange oder der Pedale<br />
während des Fahrens ist untersagt; ebenso das Anhängen<br />
an Fuhrwerke und Motorfahrzeuge.<br />
Wie in der Praxis mit dieser Vorschrift umgegangen<br />
wird, weiss jeder aus eigener Erfahrung,<br />
denn solange die uniformierten Hüter<br />
der öffentlichen Ordnung selbst per Velo einen<br />
Plausch zu zweien oder dreien vorziehen,<br />
wie könnte man dann von einem holden<br />
Jüngling verlangen, seine radfahrende Schönste<br />
nur von hinten betrachten zu dürfen!<br />
Dass die Gilde der Motorfahrzeugführer<br />
ebenfalls eine Reihe gesetzesunkundiger Vertreter<br />
beherbergt, ist gleichfalls eine bekannte<br />
Tatsache. Seit jeher stehen Verbände und<br />
Fachpresse im Kampf mit einer bestimmten<br />
Sorte von Strassenwildlingen. Wenn jedoch<br />
Polizei und Richter immer wieder ein Auge<br />
zudrücken und die betreffenden erst im Fall<br />
eines Unglücks am Wickel nehmen, das heisst<br />
also erst, wenn es zu spät ist, wird es auch<br />
nie gelingen, solche für das Ansehen des Automobilismus<br />
nachteiligen Elemente zu bessern<br />
oder aus dem Strassenverkehr auszumerzen.<br />
Guten Willen vorausgesetzt, liegt es durchaus<br />
in der Hand der Strassenbenützer, die<br />
Verkehrsunfallkurve weiterhin zu senken. Et-<br />
was mehr Verständnis für die gegenseitigen<br />
Verkehrsvoraussetzungen, etwas mehr Rücksicht<br />
und Disziplin, höhere Achtung vor dem<br />
Leben, sei es nun das eigene oder dasjenige<br />
des andern Strassenbenützers, und die<br />
Verkehrserziehungswochen werden zweifellos<br />
den gewünschten Erfolg haben. Wy.<br />
Strassenverkehrsunfälle in der Schweiz<br />
im ersten Halbjahr <strong>1935</strong>.<br />
Vom Eidgenössischen Statistischen Amt.<br />
In Nr. 61 der « A.-R. » wurde über die Strassenverkehfsunfälle<br />
im Jahre 1934 berichtet. Inzwischen<br />
hat das Eidgen. Statistische Amt die<br />
summarischen Ausweise für das erste Semester<br />
des laufenden Jahres zusammengestellt, die trotz<br />
ihres provisorischen Charakters einen Einblick in<br />
die neueste Entwicklung gewähren. Diese ist nicht<br />
ungünstig. Während nämlich im Jahre 1934 , die<br />
Unfälle und vor allem deren tödliche Opfer entschieden<br />
zahlreicher waren als im Vorjahre,<br />
scheint seither ein gewisser Stillstand dieser Bewegung<br />
eingetreten zu sein. In den ersten sechs<br />
Monaten <strong>1935</strong> wurden nämlich mit 8604 Unfällen<br />
163 weniger gemeldet als im gleichen Zeitraum<br />
1934. Noch stärker gingen jene Unfälle zurück, die<br />
eine Personenverletzung zur Folge hatten; ihre<br />
Zahl betrug 4679, gegenüber 4963 vor Jahresfrist.<br />
Wenn jedoch etwas mehr Personen ihr Leben einbüssten<br />
— 247 gegenüber 241 in der ersten Jahreshälfte<br />
1934 — so muss dazu bemerkt werden,<br />
dass sich im Juni <strong>1935</strong> mehrere^ schwere Mqtorradunfälle<br />
häuften und der letzte Pfingstmontag<br />
Monate<br />
AUTOMOBIL-REVUE <strong>1935</strong> — N° 76<br />
wohl das bedeutendste Unglück sah, das.'in den<br />
Annalen des schweizerischen. Automobilismus verzeichnet<br />
ist: Durch Anprall eines Autocars an einen<br />
Baum im Val de Ruz wurden 7 Personen getötet,<br />
23 weitere verletzt.<br />
Vom Jahresbeginn an bis in den Sommer pulsiert<br />
der Motorfahrzeugverkehr mit jedem Monat<br />
lebhafter und entsprechend steigt auch die Zahl<br />
der Strassenverkehrsunfälle. Die Monate Januar<br />
und Juni weisen im Jahre <strong>1935</strong> deren mehr auf<br />
als im Vorjahre, wäHrend die übrigen Monate sich<br />
umgekehrt verhalten.<br />
Genau wie im Vorjahre ereigneten sich in den<br />
schweizerischen Großstädten verhältnismässig<br />
viele Strassenverkehrsunfälle, aber davon relativ<br />
wenig schwere. So entfielen auf die vier Gemeinden<br />
mit mehr als hunderttausend Einwohnern<br />
zwar zwei Fünftel aller Strassenverkehrsunfälle,<br />
aber nicht ganz ein Fünftel aller Todesfälle im<br />
ersten Semester <strong>1935</strong>. Ganz allgemein sind in den<br />
Städten die leichten Unfälle nicht nur besonders<br />
häufig, sondern sie werden auch ziemlich lückenlos<br />
erfasst, während viele Verkehrsunfälle auf<br />
der Landstrasse mit nur belanglosem Sachschaden<br />
der Erhebung entgehen.<br />
Slvassenv^vk^la*<br />
Die Hurdener Seedammstrasse wird wieder berühmt.<br />
Es handelt sich zwar nicht etwa um den<br />
Beginn des Umbaues dieser wichtigen Verbindungsstrasse<br />
der beiden Zürcher Seeufer, sondern<br />
die Dammstrasse scheint durch eine neuauferstandene<br />
Bussenfalle, die mit aller Tatkraft und<br />
Schlauheit betrieben wird, im Schweizerland berühmt<br />
werden zu wollen. Auf Drängen der Südostbahn<br />
sind für das Befahren Höchstgeschwindigkeiten<br />
von 20 Kilometer-Stunden festgelegt<br />
worden. Die Südostbahn hat Mitte August<br />
die zuständigen Polizeibehörden veranlasst,<br />
den Verkehr über die Dammstrasse genau zu kontrollieren,<br />
d. h., ob die 20-km-Limite auch eingehalten<br />
wird. Der Erfolg ist nun der, dass Polizisten,<br />
wie unter dem Regime der alten kantonalen<br />
Höchstgeschwindigkeiten, aus dem Versteck die<br />
Automobilisten abstoppen und — wie die Erfahrung<br />
gezeigt hat, nur allzu reichlichen