E_1935_Zeitung_Nr.095
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jflü 95 — DIENSTAtJ, 26. NOVEMBER <strong>1935</strong><br />
Sportnachrichten<br />
Zu hoher Brennstoffverbrauch<br />
der modernen Rennwagen?<br />
Neuerdings wird eine schon - einmal anlässlich<br />
der Debatte über eine neue Rennformel<br />
aufgebrachte Frage einer kritischen<br />
Beurteilung unterzogen. Man fragt nach<br />
dem Sinn der Entwicklung der modernen<br />
Rennwagen, wenn die fortschrittlichsten Fahrzeuge<br />
dieser Gattung, die deutschen Rennwagen,<br />
einen durchschnittlichen Brennstoffverbrauch<br />
von 55 bis 60 Liter auf 100 Kilometer<br />
aufweisen.<br />
Es sei zugegeben, dass die Fragestellung in<br />
dieser Art dazu verleitet, sich wirklich den<br />
Sinn von Motorfahrzeugen zu überlegen, die<br />
nur einen einzigen Fahrgast, den Fahrer<br />
selbst, mit einem Aufwand von 400 PS Motorleistung<br />
und einem Brennstoffverbrauch<br />
von 55—60 Liter auf 100 Kilometer Strecke<br />
« befördern ».<br />
Die Fragestellung hat aber noch eine andere<br />
Seite. Es ist leicht, einzusehen, dass die<br />
Strassenlage, Federung, Bereifung und das<br />
Bremsvermögen eines Motorfahrzeuges dem<br />
Techniker um so grösseres Kopfzerbrechen<br />
machen, je leichter und je schneller solche<br />
Fahrzeuge sind. Die deutschen Rennwagen<br />
mit ihrem Leergewicht von 750 Kilogramm,<br />
entsprechend der internationalen Rennformel,<br />
stellen deshalb ein ungeheuer interessantes<br />
technisches Experiment dar, aus dem sich<br />
sehr viel folgern lässt. Diese Rennwagen<br />
wiesen als erste Rennfahrzeuge eine Einzelfederung<br />
sämtlicher Räder auf und waren bei<br />
dem niedrigen Fahrzeuggewicht deshalb<br />
durch ihre erstaunlich gute Strassenlage auf<br />
sämtlichen Rennstrecken im Vorteil gegenüber<br />
allen Rennwagen, die früheren Konstruktionsgedanken<br />
entsprechend gebaut waren.<br />
Die internationale Rennformel stellte den<br />
Konstrukteuren vollkommen freie Wahl hinsichtlich<br />
des Motors für derartige Rennwagen,<br />
denn einzig und allein das Gesamtgewicht<br />
war begrenzt. Durch modernste Bauweise<br />
und Verwendung edelster Leichtmetall-Legierungen<br />
an allen geeigneten Stellen konnte das<br />
Fahrgestellgewicht der beiden, nach ganz<br />
verschiedenen Gedankengängen entwickelten<br />
deutschen Rennwagen auf ein Minimum herabgedrückt<br />
werden. Die Spanne des Gewichtes<br />
zwischen Fahrgestell plus Karosserie und<br />
der 750-kg-Grenze gehörte dem Rennmotor.<br />
Aus einem gegebenen Motorgewicht mussten<br />
nun im Interesse höchster Fahrleistung der<br />
Rennwagen so viele Pferdekräfte herauskonstruiert<br />
werden, als im Hinblick auf stundenlange<br />
Dauerbeanspruchung des Motors in langen<br />
Rennen zu verantworten waren.<br />
Die Leistung eines Motors steigt, bei gegebener<br />
Zylinderzahl, mit der Drehzahl und dem<br />
mittleren Druck, d. h. der Verdichtung. Die<br />
Drehzahl kann aus mechanischen Gründen<br />
bestimmte Grenzen, etwa 5500 Umdrehungen<br />
pro Minute, im Dauerzustand nicht überschreiten.<br />
Zur Erhöhung der Leistung blieb<br />
demnach nur die Steigerung des mittleren<br />
Drucks und damit vor allem der Verdichtung<br />
übrig. Mit Benzin oder Benzol als Brennstoff<br />
kann die Verdichtung nur bis zu einer bestimmten<br />
Höhe gesteigert werden, weil darüber<br />
eine Selbstentzündung dieser Brennstoffe<br />
durch die Verdichtungshitze vor dem Zündkerzenfunken<br />
einsetzt.<br />
Eine weitere Steigerung der Verdichtung<br />
ist praktisch nur mit Alkohol als Brennstoff<br />
möglich. Alkohol hat aber als Brennstoff<br />
einen grossen Nachteil gegenüber Benzin und<br />
Benzol. Alkohol enthält nur etwa 5500 Wärmeeinheiten<br />
pro Liter, während Benzin und<br />
Benzol rund 10 000 Wärmeeinheiten pro Liter<br />
aufweisen. Das bedeutet also, dass der Energiegehalt<br />
von Alkohol als Brennstoff nur<br />
etwa 55 Prozent von demjenigen der üblichen<br />
Treibstoffe beträgt. Leicht einzusehen ist<br />
demnach, dass beinahe der doppelte Aufwand<br />
an Brennstoff bei Alkoholbetrieb notwendig<br />
ist, wenn ein Motor « aus bestimmten Gründen»<br />
mit Alkohol betrieben wird, an Stelle<br />
von Benzin und Benzol.<br />
Diese « bestimmten » Gründe für die Bevorzugung<br />
von Alkohol als Rennmotorentreibstoff<br />
liegen einerseits in der Möglichkeit<br />
extrem hoher Verdichtung. Anderseits aber<br />
hat der Alkohol eine über dreimal so grosse<br />
Verdampfungswärme als Benzin und Benzol.<br />
Das bedeutet, dass das in einen glühendheissen<br />
Rennmotor-Verbrennungsraum eintretende<br />
Alkohol-Luftgemisch dreimal soviel Wärme<br />
bindet, als dies bei Verwendung des üblichen<br />
Treibstoffes möglich wäre. Man spricht bei<br />
alkoholhaltigen Rennbrennstoffen deshalb von<br />
einer Innenkühlung der Motoren. Diese Innenkühlung<br />
durch alkoholartigen Brennstoff<br />
wird noch dadurch verstärkt, dass bei der<br />
Verbrennung von Alkohol auch wesentlich<br />
mehr Verbrennungswasser entsteht als bei<br />
normalen Brennstoffen, das in Dampf verwandelt<br />
wird und weitere Wärme bindet, also<br />
Auspuffventile usw. « kühlt». Das bei normalen<br />
Motoren und normalem Brennstoff entstehende<br />
Verbrennungswasser sehen wir ja<br />
an kalten Wintermorgen als Dampffähnchen<br />
den Auspuffrohren unserer Motorfahrzeuge<br />
entsteigen.<br />
Alle diese Gründe, die hohe Verdichtungsmöglichkeit<br />
und die Innenkühlung sprechen<br />
für die Verwendung von Alkohol als Rennmotorentreibstoff,<br />
trotzdem der Energiegehalt<br />
von Alkohol so viel geringer als derjenige von<br />
Benzin oder Benzol ist und der Verbrauch<br />
wesentlich höher wird, wenn dieselbe Motorleistung<br />
verlangt wird. Wenn demnach die<br />
Rennmotoren der deutschen Rennwagen einen<br />
Verbrauch von 55-60 Liter auf 100 Kilometer<br />
Strecke aufweisen, so ist dabei die Tatsache<br />
zu berücksichtigen, dass es sich um Alkoholtreibstoff<br />
handelt, dessen Energiegehalt nur<br />
etwa zwei Drittel desjenigen von normalem<br />
Treibstoff ist. Dem Energiegehalt nach umgerechnet<br />
ergäbe sich also ein Verbrauch von<br />
nur etwa 35 bis 40 Litern normalen Treibstoffes,<br />
wenn dessen Verwendung möglich<br />
wäre. Weiter ist aber zu berücksichtigen,<br />
dass es sich um Motoren von über 400 PS<br />
handelt, also eine Umrechnung auf normale<br />
Motorleistungen einen minimalen Verbrauch<br />
ergeben würde. Daraus aber geht hervor, wie<br />
hochgezüchtet und mit welch hervorragendem<br />
Wirkungsgrad derartige Rennmotoren arbeiten,<br />
die auch heute wieder Konstruktionsdetails<br />
enthalten, die wir in Jahren vielleicht<br />
beim Gebrauchsmotor finden werden.<br />
Kurz sei noch erwähnt, dass der Rennmotorentreibstoff<br />
selbstverständlich kein reiner<br />
Alkohol ist, sondern Beimischungen enthält,<br />
die durch die Motoren- und Vergasereinstellung<br />
auf bestimmte Strecken, deren<br />
Meereshöhe und Luftdruck, den Feuchtigkeitsgehalt<br />
der Luft usw. bedingt sind. Beratende<br />
Brennstoffingenieure der Treibstoffgesellschaften<br />
begleiten deshalb die Rennwagen zu<br />
allen grösseren Rennen. Dipl. Ing. E.H.<br />
Auf der Suche nach neuen Fahrern ist<br />
wiederum die Auto-Union, die wie * letztes<br />
Jahr auf dem Nürburgring, zurzeit Probefahrten<br />
durchführt und hiezu eine Reihe jüngerer<br />
deutscher Rennfahrer aus dem Motorrad-<br />
und Automobillager eingeladen hat. Es<br />
sollen rund 10 Kandidaten auf ihre Eignung<br />
zur Führung einer Rennmaschine geprüft<br />
werden. Bekanntlich wurde letztes Jahr auf<br />
diese Weise B. Rosemeyer « entdeckt», der<br />
sich in der vergangenen Saison ja ausserordentlich<br />
tapfer geschlagen hat und mit<br />
einem Male in die vorderste Linie der deutschen<br />
Autorennfahrer aufrückte. Als die aus-<br />
AUTOMOBIL-REVUE<br />
Der Start zur Veteranen-Fahrt in London. Die beteiligten Fahrzeuge sind alle vor 1905 gebaut<br />
worden.<br />
sichtsreichsten Anwärter auf die für einen<br />
weiteren Nachwuchsfahrer offene Vakanz<br />
werden u. a. Hasse und Bigalke, erfolgreiche<br />
im Jahre 1902 gebaut wurde, auf den geraden<br />
Strecken eine Reisegeschwindigkeit von<br />
80 km/St. Ihm folgten ein Lanchester (1903),<br />
sowie Loof, ein be-ein Clement (1903), sowie ein Mercedes<br />
Langstreckenfahrer,<br />
kannter Motorradrennfahrer, genannt. Hoffentlich<br />
hat die Rennleitung wiederum eine<br />
so glückliche. Hand wie letztes Jahr !<br />
Das Rennen der Veteranen. Gemäss guter<br />
Tradition fand auch dieses Jahr das Rennen<br />
von London nach Brighton für Automobile<br />
statt, die vor 1905 gebaut wurden. Nicht<br />
weniger als 99 Fahrzeuge, die den gestrengen<br />
Vorschriften entsprachen, beteiligten<br />
sich an dieser Distanzfahrt. Die Veranstaltung<br />
erfreut sich auch im Publikum grösster<br />
Sympathie. Trotz sehr unangenehmem echt<br />
englischem Spätherbstwetter mit Regen, Nebel,<br />
kaltem Winde war die ganze Strecke<br />
von interessierten Zuschauern dicht umsäumt.<br />
Natürlich ereigneten sich Pannen<br />
aller Art und immer wieder begegnete man<br />
einer Mannschaft, die sich um ein stehengebliebenes<br />
Fahrzeug bemühte und mit allen<br />
Mitteln versuchte, es wiederum in Gang zu<br />
bringen. Bemerkenswert war immerhin die<br />
Tatsache, dass die Störungen meistens auf<br />
den mechanischen Teil des Fahrzeuges zurückgeführt<br />
werden mussten. Zündung und,<br />
Vergasung gaben trotz des starken Regens<br />
fast nirgends Anlass zu Fahrtunterbrüchen.<br />
Bei den ungünstigen Witterungsverhältnissen<br />
war das vom Sieger erzielte Resultat<br />
ein hervorragendes und zeugt für die Güte<br />
1 und Solidität der damaligen Konstruktionen.<br />
Der Fahrer erreichte auf seinem Napier, der<br />
-hätten wir doch<br />
GLYSpNTIN<br />
eingefüllt!<br />
(1904) auf dem Fuss.<br />
Insgesamt haben 67 Fahrzeuge von den 99<br />
gestarteten die Fahrt glücklich und innerhalb<br />
der reglementarischen Zeit beendet.<br />
Den Markenpreis gewannen drei Fahrer auf<br />
De Dion, welches Fabrikat übrigens zahlenmässig<br />
weitaus am besten vertreten war.<br />
Die beiden ältesten Maschinen, ein Leon<br />
Bollee und ein Arnold, stammten aus dem<br />
Jahre 1896. Sämtliche weiteren Jahrgänge<br />
bis und mit 1904 waren in mehreren Exemplaren<br />
und verschiedenen Marken vertreten.<br />
Unter den Fahrern bemerkte man eine Reihe<br />
bekannter Persönlichkeiten aus dem Automobilsport.<br />
So Hess es sich auch der siamesische<br />
Prinz « Bira», der in Bern am G.P.<br />
der Schweiz gestartet war, nicht nehmen,<br />
sein Glück auf einem Oldsmobile (1903) zu<br />
versuchen. Der Wagen gab ihm und seinem<br />
Mitfahrer aber offenbar doch einige technische<br />
Rätsel auf, denn sie mussten verschiedentlich<br />
unterwegs anhalten und kamen erst<br />
knapp vor Torschluss nach Brighton. Auf<br />
alle Fälle hat die Fahrt Beteiligten wie Zuschauern<br />
wiederum viel Spass gemacht und<br />
allen neuerdings den grossartigen Fortschritt<br />
vor Augen geführt, den der Automobilbau in<br />
den letzten 30 Jahren aufzuzeigen hat.<br />
Hans Stuck zieht sich vom aktiven Rennsport<br />
zurück! Bekanntlich hatte die Auto-<br />
Union erst die Verträge mit Varzi und Rosetneyer<br />
erneuert, währenddem die Oeffentlichkeit<br />
in Bezug auf Stuck längere tZeit im<br />
Unklaren blieb. Wir hatten unserseits zuverlässige<br />
Informationen, denen zufolge Stuck<br />
vorläufig keine feste Bindung mehr mit einer<br />
deutschen Fabrik eingehen würde. Anderseits<br />
wollte die italienische Fachpresse wissen,<br />
dass Stuck mit der Auto-Union wiederum<br />
abgeschlossen hätte. Nun tritt Stuck<br />
selbst aus dem Schweigen heraus und gibt<br />
bekannt, dass er sich vom Rennsport zurückziehen<br />
werde. Er beabsichtigt, das Gut<br />
seiner Schwiegereltern in Schlesien zu übernehmen<br />
und dieses zu bewirtschaften. Stuck<br />
war ja schon früher als Agronom tätig und<br />
hat sein Interesse an der Landwirtschaft<br />
auch während seiner Rennjahre nicht verloren.<br />
Wie weiter verlautet, soll die stilvolle<br />
Villa, welche Stuck bei Berlin bewohnte, bereits<br />
geräumt worden sein.<br />
Die internationale Alpenfahrt, welche vom<br />
19.—26. August festgesetzt ist, wurde bekanntlich<br />
zur Organisation dem schweizerischen<br />
A.C. anvertraut. Dabei wurde, um<br />
den für verschiedene Länder bestehenden<br />
Devisenschwierigkeiten Rechnung zu tragen,<br />
beschlossen, die Fahrstrecke ausschliesslich<br />
auf schweizerisches Terrain zu beschränken.<br />
Bereits ist die nationale Sportkommission<br />
an die Ausarbeitung des Reglementes gegangen<br />
zu dessen Redaktion eine Reihe von<br />
Fachleuten zugezogen wurden. Wie wir erfahren,<br />
ist für Sonntag den 23. August ein<br />
Ruhetag in Bern vorgesehen, fräs den Teilnehmern<br />
der Alpenfahrt den Besuch des III.<br />
Grossen Preises der Schweiz ermöglicht, der<br />
an diesem Tage zum Austrag gelangen wird.<br />
Sf>«»a>t fn de* Sdhiweiz<br />
Die Gestaltung des Automobilsportes. Die Sportkommission<br />
der Sektion Zürich des AGS ladet alle<br />
Zürcher Automobilisten, die sich aktiv im Automobilsport<br />
betätigen, zu einer Aussprache über die Gestaltung<br />
und Förderung des schweizerischen Auto-,<br />
mobilsportes auf nächsten Mittwoch, den 27. November,<br />
ins Restaurant « Du Nord » (1. Stock) in<br />
Zürich ein.- Diese Zusammenkunft mit den Sektionsorganen<br />
soll dazu dienen, die Ansichten und<br />
Anregungen der Fahrer vernehmen zu können, sei<br />
es was die nationalen und Sektionsveranstaltungen<br />
anbetrifft, sei es die Förderung des schweizerischen<br />
Automobilsportes durch eine Aenderüng der Reglementierung<br />
oder die Abhaltung neuartiger Wettbewerbe.<br />
Auch der Entwicklung des Amateursportes<br />
soll das Wort geredet werden, und für den zweiten<br />
Teil steht noch die Vorführung von Autosqportfilmen<br />
'auf dem Programm. Die Fahrer sind gebeten, sich<br />
möglichst zahlreich zu dieser Aussprache einzufinden,<br />
die auch dazu Anlass geben soll, den Kontakt<br />
zwischen den Sportbehörden und Konkurrenten zu<br />
mehren und. zu verbessern. Beginn 20.15 Uhr. V