E_1936_Zeitung_Nr.082

BERN, Freitag, 9. Oktober 1936
Automobil-Revue, II. Blatt - Nr. 82
Abenteuer um Alpak
Achhing! Achtung! Diebstahl an einem Kontinent!
Einen Tag später, nachdem der Agent Lord
Derby's die erste kleine Herde von 16 Alpakas
im Hafen von Arica glücklich an Bord und damit
vom Boden des südamerikanischen Festlandes
fortgeschaft hatte, wurde bei den Hafenbehörden
schon wieder ein Transport lebender Alpakas angemeldet,
diesmal für Rechnung irgendeines unbekannten
deutschen Kaufmannes.
Moment! Die Zollbeamten stutzten, zögerten,
dachten nach. Der Befrachter berief sich auf die
widerspruchslose Einschiffung der Tiere am Tage
vorher. Warum den heute plötzlich Schwierigkeiten?
Lebende Alpakas und Vikugnas — diese
Ware sei im Zolltarif nicht vorgesehen? Aber dann
hätte Lord Derby —
Nun, Senor, das war es ja gerade! Ein millionenschwerer,
etwas verrückter Lord, der seiner
mächtigen Königin ein lebendes Spielzeug
schickte, das lässt sich denken, das reimt sich zusammen.
Was aber will wohl so ein rechnender
deutscher Kaufmann mit den niedlichen Tieren?
Schon dämmerte es in den Gehirnen. Sicherlich
gab es auch in Deutschland Hochweiden, Gebirge,
auf denen Platz genug war für grosse
Herden weidender Alpakas. Es war klar, die
kostbaren Alpakas und Vikugnas, die grosse
Hoffnung und das Monopol Boliviens und Perus,
sie waren in Gefahr, gestohlen zu werden. Wie
ein Lauffeuer ging es durch* die Häfen. Achtung!
Achtung! Diebstahl an unserem Kontinent!
Gefahr vorbei?
General Ygain, Präfekt von Tacna, Hess die
(leine Herde im Hafen von Arica festhalten und
alarmierte schleunigst die Regierungen und Parlamente
von Bolivien und Peru. In seltener Einmütigkeit
verfügte bald darauf ein Kabineüsbeschluss
vom April 1845 ein strenges Ausfuhrverbot für
lebende Alpakas und Vikugnas.
Es war höchste Zeit gewesen, denn zugleich
mit dem eiligen Rundschreiben an die Hafenbehörden
wurde bekannt, dass die Regierung von
Neu-Süwales eine hohe Prämie demjenigen versprach,
dem es gelang, ein paar lebende Exemplare
der begehrten Tiere nach Australien zu bringen!
Schade, bedauerten die Abenteurer, die sich
zwischen Panama und Feuerland an der Westküste
herumtrieben, schade, unmöglich, zu spät!
Nur einer unter ihnen behauptete das Gegenteil.
Es war Charles Ledger. Ja, in einem Kreis von guten
Bekannten verschwor er sich laut, er und niemand
anders, er allein, er würde es schaffen.
Alpakas nach Australien? Warum nicht? Schön!
Aber die Wände hatten Ohren. Unser Mann
merkte bald, wie er von nun an auf Schritt und
Tritt beobachtet wurde. Man gab sich bald keine
Mühe mehr, diese Tatsache vor ihm zu verbergen,
lachte ihm offen ins Gesicht. Alpakas nach Australien,
Mr. Ledger? Nie!
Kameradschaftlich stimmte er dann in das Gelächter
ein — zum letzten Male. Denn eines Tages
hatte der zähe Engländer den Hafenmeistern
und Zollbeamten, seinen guten Bekannten von
ehemals und jetzigen Wächtern, all diesen vergnügten
Caballeros, die sich ihrer Sache schon so
sicher waren, den Rücken gekehrt. Sie mochten
lachen, er aber schwieg, verschwand und handelte.
Ein Gut an der Grenze.
Hoch oben auf der Puna, der öden Hochfläche
zwischen den ragenden Gipfelketten der Kordilleren,
für einen Spottpreis ein ausgedehntes Weidegut
kaufen — wer konnte und wollte dem soliden
englischen Herrn, der sich wie die englische
Tuchmetropole schlicht und einfach als Mr. Leeds
anreden Hess, diese sonderbare Schrulle verwehren?
Sonderbarer Zufall nur, dass dfe Grenze von Bolivien
und Peru durch dieses Gut mitten hindurchging!
Die nächsten Grenzposten dachten anfangs
Wie die Wunder wolle nach Australien kam
der reden die Burschen bald eine andere Sprache.
an Waffenschmuggel. Sie untersuchten mehrfach zerschlagen sich die Köpfe, um einen neuen Präsi- So ging es nicht weiter, das würden sie nicht mehr
die dichte Wolle der an der Grenze hinüber und denfschaftskandidaten, den, was sie nicht wissen, | ange mitmachen, das musste anders werden,
herüberweidenden kleinen Alpakaherde, ob nicht
r schon längst eine Revolverkugel ereilt hat. Sie bil- g s wurc j e anders. Mr. Ledger brauchte seine
Patronengurte darunter versteckt, Revolver in dem den kein Hindernis, keine Gefahr. Aber — Leeds hungernden und durstenden Leute nicht von geoder
hängenden Haarkleid eingeknotet waren.
Ledger hat nicht an die Indianer gedacht! waltsamen Ueberfällen zurückzuhalten.
Aber nie fand sich auch nur eine einzige Eine Art irregulärer Truppe, bewachen die Inkleine
Patrone, und der Verdacht verflog. Tat- dios, die früheren Herren des Landes, die hohen Der schwarze Andentod der Puna.
sächlich schien der merkwürdige Herdenbesitzer Andenpässe auch weiterhin, ohne zu wissen, für Merkwürdig! Die Steinwürfe aus dem Hinterhalf,
an nichts anderes als an seine Tiere zu denken. wen. Sie tun es einfach aus dem Gefühl uralten die Hindernisse auf den Wegen hörten plötzlich
Nach sechs Jahren war er schon Herr über ein» * Erstbesitzes. Verarmt, verdreckt, verkommen, ha- auf. £j nes Tages der Teufel mochte sich mit
ansehnliche Herde von 600 Alpakas, kannte die ben sie aus ihrer grossen Vergangenheit zwei den | n dj os auskennen fand man sogar • auf
eigenartigen Gewohnheiten der seltsamen Tiere pj nge bewahrt: unauslöschlichen Hass gegen die e; nem Steinhaufen offenbar für die Hirten bereitwie
kein Weisser vor ihm, verfügte über einen treu» weissen Nachfahren des grausamen Pizarro und gestellte Speise und Trank, Maisbrot und Wasser,
ergebenen Stab eingeborener Indiohirten, misch- jheisse Liebe zu ihren, ehemals den Inkakönigen Während die ausgehungerten Arrieros sich darblütiger
Arrieros. „ geweihten Alpakas und Vikugnas. Der Wollmarkt über hermachten, beschäftigte sich Charles Ledger
Sechs Jahre auf der Puna! Dann hat der merk- der Welt ist ihnen gleichgültig, aber der weisse nachdenklich damit, den künstlichen Geröllhügel
würdige Hirte plötzlich seine Herde verlasseh. Mann an der Spitze einer solchen Herde muss abzutragen. Er hatte noch nicht lange gearbeitet.
Nicht jeder Gutsbesitzer auf der einsamen Puna notwendig ihre Feindschaft erregen. da blieb seinen Leuten der Bissen in der Kehle
kann sich eine lange Reise leisten. Mr. Leeds aber , Deshalb schwirren sehr bald die Bolas, die stecken,
wird von seinen rauhen Leuten nicht nur verehrt, ^y ürfkuge | nf aus dem Hinterhalt. Engpässe finden Denn der tote Indianer, der nur oberflächlich
sondern geliebt. Siehalten die Herde zusammen; ^ h djurch Geröll versperrt. Künstliche Steinlawi- unter den Steinen versteckt gewesen war und
sie warten auf seine Rückkehr.
J hen donnern von den Abhängen herab. In passi- jetzt zum Vorschein kam, war — das sah man
Er sagt ihnen nicht, dass er in Australien war,—yenf Widerstand wird in den Hütten alles verwei- deutlich — an der Pest gestorben. Auf der Puna
dass er die Reise nur gemacht hat, um die neuen r« ferf/ da - s die KaFäwane braucht: Weide, Wasser, herrschte die Pest!
Weideplätze des neuen Kontinents zu prüfen/ &"$bmuvtota für die Hirten und sogar das unen,.
hat tatsächlich geeignete Flächen nördlich der behrliche Herdfeuer.
est
Waffe.
Twofold Bay gefunden. Er kehrte befriedigt zurück, Waya# k!uge Mu" lQj geh , ^ denn komm dodv | n diohirten suchten ihr Heil in der Flucht, de-
Die Indios und Arrierros merkten, dass ihr Herr ^ n tüchtiges Tierchen!» So umschmeicheln die sertierten und wurden — sterbend gefunden. Es
verändert ist. Er ist nachdenklicher als früher, in y er wegenen Gestalten der Arrieros gewohnheits- gab kein Entkommen. Die Seuche lagerte landauf,
seinen Zügen spiegelt sich eine Entschlossenheit, mässig den Tross der Tragtiere, aber untereinan- landab über der Puna, hatte schon 300,000 Tote
wie sie sie lieben. Sie stellen ihm vor, dass die
Herde für den engen Raum des von ihm gekauften ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^ %^^^^