E_1938_Zeitung_Nr.057
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10 Automobil-Revue N» 57<br />
Der Autofahrer<br />
Eine halbe Nacht im Wasser<br />
Ich kann nicht mehr lassig sein:<br />
schon brummt der Motor,-<br />
die Welt vor mir ist ein offenes Tor,<br />
ich fahre hinein«<br />
Ich tausche die Lander<br />
und himmlischen Farben —<br />
ich mische die laubigen Ränder<br />
der Wälder mit goldenen Garben<br />
der Felder — ich sehe<br />
die Täler und Berge<br />
wie Wellen im Meere,<br />
gekrönt vom Schaume schneeiger Wolken.<br />
In mir ist Leichtigkeit und die Schwere<br />
der Fernen und fruchtbar wechselnder Nähe;<br />
Menschen der Städte und Rehe<br />
im Grase entsinken und reihen<br />
sich stets aneinander wie Schnüre<br />
von Perlen und bräunlich achatener Steine.<br />
Die Morgen erfüllen mit glänzendem Scheine<br />
die Strossen, dass sie sich leise spiegeln —<br />
im Nächtlichen stehen Gewitter und Schwüre<br />
wie drängende Tiere an dunkelen Riegeln.<br />
Kann eine Sternschnuppe sprühender stürzen,<br />
schiesse ich nicht wie vom Bogen der Pfeil?<br />
ich klinge mit meiner silbernen Schnelle<br />
über der Erde Geburt und Gefälle —<br />
ich atme die Schale mit tausend Gewürzen<br />
und lasse berauscht mich ins Trunkene tanzen<br />
und hebe zum ewigen göttlichen Ganzen<br />
die Bilder des Irdischen, Teil um Teil.<br />
Vor einigen Tagen wurden die Einwohner von<br />
Tiszasas In Ungarn darauf aufmerksam, dass der<br />
alte Damm, der für die Bewässerung der Felder<br />
die Wassermassen im Laufe des Frühjahrs aufstauen<br />
sollte plötzlich dem Druck nachgab. Man<br />
alarmierte aus der ganzen Umgebung die Männer,<br />
die eiligst den Damm an den Bruchstellen verstärken<br />
sollten.<br />
Aber das Wasser war schneller als die Hilferufe<br />
der Einwohner von Tiszasas. Heute wäre Tiszasas<br />
vollkommen überschwemmt und zum grossen<br />
Teil zerstört, wenn sich nicht zwei einfache Bauern<br />
in jenen schweren Stunden als Helden gezeigt<br />
hätten. Sie stiegen in das Wasser hinunter und<br />
stemmten sich in. den kalten Fluten lange Stunden<br />
hindurch gegen die nachgebenden Balken und<br />
Sandsäcke des Dammes. So gelang es ihnen, den<br />
Dammbruch mit seinen schlimmsten Folgen solange<br />
hinguszuziehen, bis man oben auf dem Damm<br />
eine Schutzwand gebaut hatte, die an der Druckseite<br />
in das Wasser hineingelassen wurde. Erst<br />
jetzt konnte an die beiden Helden, die in dem kalten<br />
Wasser fast erstarrt waren, aus den Fluten<br />
herausholen.<br />
Er tötete einen Löwen mit einer Hand<br />
Entsprechend den alten Sitten seines Stammes,<br />
hatte der Kaffer Umzulek für seine Tochter einen<br />
Kaufpreis von 5 Kühen ausgesetzt. Nur wer 5<br />
Kühe brachte, konnte das schöne Mädchen als<br />
Gattin nach Hause führen. Seit vielen<br />
Jahren aber liebten sich die Tochter des Umzulek<br />
und der Kaffer Sibijoan. Sibi[oan war ein<br />
armer Teufel, der niemals die 5 Kühe zusammenbringen<br />
konnte. Aber er versprach seinem Schwiegervater,<br />
er werde auf andere Art und Weise<br />
zeigen, dass er ein richtiger Mann sei. Er wolle<br />
einen Löwen mit einer Hand töten.<br />
Man hielt diese Behauptung des Sibijoan für<br />
Großsprecherei. Aber nach einigen Tagen bot<br />
SAMSTAG,<br />
GROSSES<br />
5 ZUSCHAUERDAMPFER • KONZERTE • BALLE<br />
STADTBELEUCHTUNG • DAMPFERRUNDFAHRTEN<br />
ExtrazQge zu ermassigten Preisen<br />
All* Berfbahnen rund um den Vierwaldttittenee fahren<br />
nach Sehlusi des Seenachtfett«« Extratahrten aus<br />
Kraftstücke<br />
LUZERN<br />
23. JULI<br />
SEENACHTFEST<br />
KUNSTFEUERWERK IN 5 BILDERN<br />
Auskunft Oftii. Verkehrtbureau Luzern, Telephon 20.254<br />
Hans Roe L<br />
sich am Krokodil-Fluss ein© Gelegenheit, seine:<br />
Worte in die Tat umzusetzen. Man hatte einen Löwen.<br />
beobachtet, der sich an eine Rinderherde des<br />
Umzulek heranmachte. Rasch nahm Sibijoan seinen<br />
Speer, brüllte, so laut er konnte, und jagte<br />
den erschreckten Löwen in den Krokodil-Fluss hinein.<br />
Nun ist der Löwe ein schlechter Schwimmer.<br />
Sibijoan schwang sich auf den Rücken des Löwen<br />
und drückte mit einer Hand den Kopf des Tieres<br />
unter Wasser in den Schlamm hinein. Der Löwe<br />
wehrte sich, schlug um sich, konnte aber seinen<br />
Kopf nicht mehr aus dem Schlamm herausbringen<br />
und war nach kurzer Zeit erstickt. Am Schwanz<br />
zog nun Sibijoan seine Beute aus dem Wasser<br />
heraus und pflanzte seinen Speer mitten in das<br />
Herz des Löwen, den er mit einer Hand getötet<br />
hatte.<br />
Umzulek war nach dieser Tat überzeugt, dass<br />
er für seine Herde keinen besseren Wächter finden<br />
könne als Sibijoan. Er gab ihm euch ohne die<br />
5 Kühe seine Tochter zur Gattin.<br />
Kopf im Löwenrachen—nicht ganz ungefährlich<br />
Während einer Zirkusvorstellung in Blackpool<br />
legte der Löwenbändiger Captain T. Kayes wie<br />
allabendlich als Clou der Vorführung seinen Kopf<br />
vertrauensvoll in den Rachen des Löwen Leo. Unglücklicherweise<br />
aber fing gefade in diesem Augenblick<br />
eines der Löwenjungen, deren Vater Leo<br />
ist, jämmerlich zu winseln an. Die Vatergefühle<br />
besiegten im Nu alle Dressur, Leo vergass, dass<br />
der Augenblick zum Rachenschliessen nicht recht<br />
geeignet war, und Captain Kayes fühlte mit Entsetzen<br />
das mächtige Gebiss sich um seinen Hals<br />
schliessen. Im letzten Moment gelang es dem Bändiger,<br />
den Kopf unter Hinterlassung einer grösseren<br />
Haut- und Haarpartie zurückzureissen. Um<br />
beim Publikum keine Panik aufkommen zu lassen,<br />
führte er seinen Dressurakt zu Ende, musste sich<br />
aber unmittelbar danach ins Krankenhaus verbringen<br />
lassen. Sein Zustand ist jedoch nicht besorgniserregend.<br />
Skisprungschanze gestohlen<br />
Der Wintersportverein des tschechoslowakischen<br />
Kurortes Römerstadt hatte vor etlichen Jahren<br />
mit einem Kostenaufwand von 4000 Kronen<br />
eine Anfänger-Sprungschanze errichten lassen.<br />
Vor kurzem nun machte man die verblüffende Entdeckung,<br />
dass die ganze Sprungschanze spurlos<br />
verschwunden — gestohlen warl Die Polizei ging<br />
der Angelegenheit, die mehr Staub aufwirbelte,<br />
als jemals an der Schanze Schnee aufgewirbelt<br />
worden war, mit Energie nach, und es gelang nun<br />
tatsächlich, die Diebe zu eruieren. Unter ihnen<br />
befindet sich auch ein angesehener Bürger von<br />
Römerstadt. Strafanzeige ist bereits erstattet.<br />
Merkwürdige Zufälle.<br />
Ich behaupte, dass ans die Steckenpferdeein Beispiel wählte, das Wirklichkeit werden<br />
aufgenötigt werden. Gewiss gibt es Leute, sollte?»<br />
deren Hauptliebhaberei nie lange zu schweigen<br />
vermag. Aber noch viel öfter fragt man<br />
den einen, sobald man seiner ansichtig wird,<br />
nach der Briefmarkensammlung, den andern<br />
Es ist bekannt, dass im Januar 1936 beim<br />
Beisetzungszuge des Königs Georg V. von<br />
England sich das diamantene Kreuz mitsamt<br />
der Kugel, auf der es ruht, von der englischen<br />
nach seiner Segeljacht, den dritten nach Königskrone lös^e. Es war offenbar eine<br />
Schachnachrichten. Sie sind umstellt, sie können<br />
sich und ihren Liebhabereien nicht mehr<br />
entfliehen)<br />
Schraube locker geworden. An der Ecke von<br />
Theobalds Road und Southampton Row geschah<br />
es, dass das Kreuz zuerst auf den Sarg<br />
des Königs fiel, auf ihm weiterrollte, sich in<br />
Mich fragt man nach Zufällen, als ob ich der faltigen, den Sarg bedeckenden Fahne zu<br />
mich nur mit sonderbaren Begebenheiten beschäftigte.<br />
Und ich muss erzählen:<br />
den Füssen des neuen Königs Eduard VIII. lie-<br />
verfangen schien und schliesslich dicht vor<br />
gen blieb. Vor mir liegt ein <strong>Zeitung</strong>sblatt von<br />
damals — wo noch niemand die Kürze und<br />
das vielbesprochene vorzeitige Ende der Regierung<br />
Eduards VIII. ahnen konnte — in dem<br />
die Geschichte dieses herabgebrochenen Kreuzes<br />
erzählt wird. Der Aufsatz trägt die Ueberschrift:<br />
«Ein böses Omen für Eduard VIII.?»'<br />
Sehr bemerkenswert erscheint, wie häufig<br />
der Kobold Zufall dazu beiträgt, dass Verbrecher<br />
gefasst und dem Gericht ausgeliefert werden,<br />
oder dass er ihnen selbst eine Strafe ersinnt.<br />
Da war in Moabit einmal ein Angeklagter,<br />
der seine Frau und seine Kinder erhängt<br />
haben sollte. Der war nicht zu überführen,<br />
denn die Toten hatten sich in einem von innen<br />
Jemand will im Jahre 1924 die in Berlin zu<br />
einem Konzert eingetroffene russische Opernsängerin<br />
Antonine Neshdanowa sprechen, die<br />
eine Freundin seiner Frau ist, weiss aber ihre<br />
Adresse nicht. Und die Konzertbureaus dürfen<br />
zwar Briefe für die auswärtigen Gäste annehmen,<br />
aber keine Künstleradresse an das Publikum<br />
verraten, weil diese ja oft nur verlangt<br />
wird, um Autogramme zu erbetteln oder sonst<br />
lästige Anliegen an die Berühmtheiten heranzubringen.<br />
— Da gibt.der Betreffende, der die<br />
Adresse der Neshdanowa sucht, auf einem<br />
Postamt in Berlin ein beliebiges Telegramm<br />
auf — bemerkt ein beschriebenes, liegengebliebenes<br />
Formular neben sich und traut seinen<br />
Augen kaum, als er darauf die Absenderbezeichnung<br />
liest: «Neshdanowa, Pension Prager<br />
Platz»! Der freundliche Zufall lieferte ihm also<br />
sofort und in der bequemsten Weise die gewünschte<br />
Auskunft.<br />
Mit Worten und Daten spielt der Zufall gern<br />
und mischt auch einmal eine Prophezeiung ein,<br />
von der zunächst niemand weiss, dass sie eine<br />
ist, wie in dem folgenden Fall, den ein schlesischer<br />
Jurist beisteuert: Danach war ein bekannter<br />
Breslauer Anwalt, Justizrat St., mit<br />
zwei Kollegen, He. und Ha., assoziiert. Im<br />
Jahr 1928 schlug er den beiden Sozien eine<br />
Ergänzung des Gesellschaftsvertrages vor, der<br />
seines Erachtens Lücken für den Todesfall enthielt.<br />
Er selbst- fertigte den Entwurf, der<br />
selbstverständlich die Billigung der beiden<br />
jüngeren Kollegen fand und der zur Erläuterung<br />
der verwickelten Honorarteilungsverhältnisse<br />
im Falle des Ablebens eines der drei Gesellschafter<br />
ein Beispiel enthielt. Das Beispiel<br />
lautete: «Angenommen, Justizrat St. stirbt am<br />
1. Juni 1929 ...» Justizrat St. starb an diesem<br />
Tage! Der das Faktum mitteilende Jurist fragt<br />
mit Recht: «Wer hatte ihm den Griffel geführt,<br />
als er sein eigenes Todesdatum schrieb und<br />
Vor einiger Zeit war in Wynberg in Südafrika<br />
eine schöne Ziege verschwunden. Als<br />
dieses Tier nach einiger Zeit in einer anderen<br />
Siedlung auftauchte und der frühere Besitzer<br />
davon erfuhr, leitete er schleunigst eine Klage<br />
wegen Diebstahls bzw. auf Rückgabe der Ziege<br />
ein.<br />
Der neue Besitzer aber versicherte, das Tier<br />
gehöre schon seit vielen Jahren zu seinem<br />
Viehbestand. Da man sich vor dem Schiedsrichter<br />
nicht einigen konnte, wurde eine Hauptverhandlung<br />
angesetzt.<br />
Dabei erschien auch die Ziege. Sie war als<br />
Zeuge geladen. Mit einem Strick war sie an<br />
der Zeugenbank festgebunden. Als nun der<br />
frühere Besitzer erschien und sein Recht geltend<br />
machte, rief er seine Ziege beim Namen.<br />
Das Tier begann einen Freudentanz aufzuführen,<br />
stellte sich auf zwei Beine und meckerte,<br />
so laut es konnte. Der Richter hatte unter diesen<br />
Umständen keinerlei Zweifel mehr an der<br />
Besitzerfrage.<br />
In London warf ein sehr dicker Mann einen<br />
Penny in den Schlitz an einer Wiegemaschine.<br />
Im nächsten Augenblick sass er auf der Fortsetzung<br />
seines mächtigen Rückens. Die Maschine<br />
war nämlich zusammengebrochen unter<br />
der Last seiner 3 Zentner.<br />
Aus diesem an sich tragischen Vorgang hat<br />
sich ein interessantes juristisches Spiel entwickelt:<br />
die Gesellschaft verlangt die Reparatur<br />
der Maschine. Der dicke Mann aber verlangt<br />
die Herausgabe seines Geldes, weil die<br />
Gesellschaft, der die Maschine gehörte, ihn gar<br />
Von Wilhelm von Scholz.<br />
verschlossenen Schrank befunden. Der mut*<br />
massliche Verbrecher kämpfte einen schweren<br />
aber, wie es den Anschein hatte, siegreichen<br />
Kampf gegen das Gericht, das ihn ohne sicheren<br />
Beweis nicht verurteilen konnte. Da stellte<br />
er den Antrag, dass noch'ein Entlastungszeuge<br />
geladen werden möge, ein Arbeitskamerad des<br />
Beschuldigten. Dem Antrag wird entsprochen,<br />
der Entlastungszeuge erscheint — und legt einen<br />
Roman vor, in dem geschildert wird, durch<br />
welchen Trick man eine Tür von aussen so<br />
zuschliessen kann, dass die Täuschung entsteht,<br />
sie sei von innen geschlossen worden.<br />
Damit verlor der Angeklagte Prozess und<br />
Kopf.<br />
Jeder dieser Zufälle mag — als ein blosser<br />
Zufall angesehen werden. Ich glaube aber,<br />
dass schon die wenigen, die ich hier aus der<br />
grossen Fülle meines Archivs nebeneinanderstelle,<br />
in ihrem Zusammenwirken den Leser mit<br />
dem Gefühl entlassen werden, dass hier etwas<br />
ist, das über dem blossen Zufall liegt. Gleichviel,<br />
wie man sie sich erklären will — sicher<br />
ist, dass zwischen allem, was irgendwie miteinander<br />
verbunden ist, eine Anziehungskraft<br />
wirkt. Ich nenne sie die «Anziehungskraft des<br />
Bezüglichen».<br />
... und zufällige Merkwürdigkeiten<br />
Die Ziege war als Zeuge geladen<br />
Der dicke Mann auf der Personenwaage<br />
nicht gewogen hat. Also dürfte sie auch kein<br />
Geld kassieren.<br />
In der juristischen Abteilung der Londoner<br />
Universität wird der Fall zur Zeit besprochen.<br />
Man ist der Auffassung, dass der dicke Mann<br />
wirklich sein Geld zurückbekommen muss,<br />
weil kein richtiger Vertrag abgeschlossen<br />
wurde. Denn ein Vertrag mit einer Gesellschaft<br />
muss mit einem Siegel versehen sein.<br />
Und das wird bekanntlich nicht gemacht, wenn<br />
sich jemand wiegen lässt.