E_1938_Zeitung_Nr.057
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N°57 13<br />
Tayloriana<br />
Kleine Anekdoten um einen grossen Filmschauspieler<br />
f.<br />
Gypsy war der ganze Stolz des kleinen Robert<br />
Taylor. Ein temperamentvolles und sehr eigenwilliges<br />
Pony, mit dem der Zehnjährige seine ersten<br />
Knabenritte ä la Tom Mix vollführte. Beneidet<br />
und bewundert von der ganzen Jugend seines<br />
Heimatstädtchens in Nebraska.<br />
Einst wurde ihm erlaubt, zu Pony seinen Grossvater<br />
in der Nachbarschaft zu besuchen. Der<br />
Weg führte etwa 25 km lang über eine einsame<br />
Prärie.<br />
Mit Feuereifer wurde Gypsy gesattelt, der<br />
schöne, gelbe Woylach wurde genommen, den<br />
Robert seinem Vater auf dem Dorfjahrmarkt abgeschmeichelt<br />
hatte. Proviant kam in die Satteltasche<br />
und dann ging's los...<br />
Es war schon kurz erwähnt worden, dass<br />
Gypsy ein sehr halsstarriges und eigenwilliges<br />
Pferdchen war. und die Richtung ins Weite — also<br />
von der Futterkrippe entfernt — stand im direkten<br />
Gegensatz zu den Grundsätzen seiner zweckmässigen<br />
Pferdelogik. So kam es, dass etwa nach<br />
einer Stunde Ritt Gypsy die Sache ein wenig<br />
langweilig wurde, es zu bocken und zu scheuen<br />
anfing und so seinen kleinen Reiter langsam aber<br />
sicher an den Rand der Verzweiflung brachte. Vor<br />
einem einsamen Gasthaus stieg der kleine Robert<br />
endlich ab, ging ans Telephon, rief seine Mutter<br />
an und sagte, dass er lieber zurückkäme. Da kam<br />
er aber bei seiner Mutter schön an! «Nimm dich<br />
mal zusammen, du wirst dich doch nicht von einem<br />
Pony unterkriegen lassen I» tönte es energisch aus<br />
der Telephonmuschel heraus. Beschämt hing der<br />
kleine Robert an. Ging zum nächsten Busch,<br />
schnitt sich einen schönen, derben Stock heraus<br />
und versuchte, mit diesem Beweismittel die grundsätzliche<br />
Pferdelogik zu widerlegen.<br />
Das ging auch eine ganze Weile gut, bis das<br />
Pony auf triftige Gegengründe gestossen sein<br />
musste, denn es bockte im schönsten Trab plötzlich<br />
und liess den kleinen Reiter im eleganten Bogen<br />
über seinen Hals fliegen. Hufschlagend verschwand<br />
es am Horizont.<br />
Wirklich, das Pony war verschwunden und von<br />
der Welt war auch nicht mehr viel zu sehen, es<br />
war nämlich mittlerweile Abend geworden. Robert<br />
wischte das Blut von einer Schramme fort,<br />
rieb sein hart mitgenommenes Hinterteil und<br />
dachte angestrengt nach. Aber es fiel ihm nichts<br />
Gescheites ein. Präriehunde begannen zu heulen.<br />
Der kleine Robert dachte an Wölfe, vielleicht irrten<br />
auch blutrünstige Indianer herum — er begann zu<br />
laufen, zu laufen — so einsam und verlassen hatte<br />
er sich in seinem Leben noch nicht gefühlt!<br />
Plötzlich hörte er Geräusche hinter sich. Und<br />
siehe da: Aus dem Dunkel tauchte eine vertraute<br />
Gestalt auf: Gypsy! Offenbar war es dem kleinen<br />
Pony genau so einsam und unheimlich geworden<br />
wie seinem Reiter... *<br />
Versöhnt und wohlbehalten erreichten beide<br />
um Mitternacht die Farm des Grossvaters.<br />
Robert Taylor hat eine sehr strenge, aber gerechte<br />
Erziehung genossen. - Noch heute ist er seinen<br />
Eltern dafür dankbar. Als er — der meist<br />
Klassenprimus war — wieder einmal einen Schulpreis<br />
nach Hause brachte, wurde ihm sein sehnlichster<br />
Wunsch erfüllt, er bekam ein kleines Auto<br />
geschenkt — für Amerika dasselbe, als wenn man<br />
in der Schweiz ein Fahrrad erhält. Aber an das<br />
Auto war eine Bedingung geknüpft. Robert musste<br />
seinen Eltern versprechen, nie schneller als 50 km<br />
die Stunde zu fahren. Getreulich hat er den elterlichen<br />
Wunsch respektiert, nur einmal hat er das<br />
Versprechen übertreten.<br />
Das war, als er von der Universität Pomona mit<br />
seinem kleinen Wagen nach Hause fuhr. Hinter<br />
einer unübersichtlichen Wegbiegung bot sich ihm<br />
ein schrecklicher Anblick: Ein Auto war gegen einen<br />
Baum gerast, hatte sich überschlagen. Eine<br />
Frau hockte wachsbleich am Wegrande, ein Mann<br />
neben ihr, der ein kleines, blutüberströmtes Mädelchen<br />
verstört umklammerte. Der Unfall musste sich<br />
vor wenigen Minuten ereignet haben. Die Menschen<br />
hatten die ersten Schrecken noch nicht überwunden.<br />
Robert ist wie ein Blitz aus seinem Wagen heraus.<br />
Dass er Mediziner war, kommt ihm hier gross-<br />
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arffg zustatten. Er überzeugt sich kurz, dass die<br />
beiden Erwachsenen unverletzt geblieben sind.<br />
Aber das kleine Mädchen ist im Begriff zu verbluten.<br />
Er reisst seinen Verbandskasten auf. Legt in<br />
fliegender Hast einen Notverband an, springt<br />
dann mit dem Kind in sein Auto und rast wie der<br />
Teufel los — zum nächsten Arzte. Staubbedeckt<br />
kommt er an, noch eben früh genug, um gemeinsam<br />
mit dem Arzte eine gelungene Operation vorzunehmen.<br />
Das ist das erstemal, dass Robert Taylor sein<br />
Versprechen, die 50-km-Zone zu respektieren,<br />
nicht innegehalten hat. Als er seinem Vater davon<br />
Mitteilung machte, hat dieser sich nur stark geräuspert,<br />
seinem Sohn auf die Schulter geklopft<br />
und dabei «Brav mein Junge> gesagt. Der Fall war<br />
damit erledigt.<br />
»II.<br />
Auf der Schule war Robert Taylor in Musik<br />
eine Zeitlang der zweitbeste. Ein Mädchen stand<br />
an der Spitze. Im Grunde ist aber Robert doch<br />
Primus gewesen, und das hing so zusammen. Von<br />
seinem Vater hatte er eine tiefe Achtung dem<br />
weiblichen Geschlecht gegenüber geerbt. «Kavalierspflicht<br />
ist Ehrenpflicht», hatte dieser immer gesagt.<br />
So ist es gekommen, dass es Robert beinahe<br />
Tränen gekostet hat, als Lilly ihm eines Tages eröffnete,<br />
dass ihre Eltern sie mit nach Europa nehmen<br />
würden, wenn sie, ja wenn sie beim nächsten<br />
Musikwettbewerb die Erste sein würde. Nun war<br />
Robert Taylor ein ausgezeichneter Musikus, besonders<br />
Cellospieler und nicht zu schlagen. Aber er<br />
liess sich doch besiegen: Lillys Träume und die<br />
heisse Sehnsucht ihres jungen Lebens, einmal die<br />
alte Welt zu sehen, hat in dem hilfsbereiten Herzen<br />
Roberts ein so starkes Echo gefunden, dass er<br />
bei der Prüfung einige Passagen absichtlich unrein<br />
spielte — generös Lilly den Vortritt liess, den<br />
Wunsch ihres Lebens erfüllt und selbst nur zur allgemeinen<br />
Enttäuschung als 2. Sieger den friedlichen<br />
Kampfplatz erhobenen Hauptes verliess.<br />
IV.<br />
In Amerika gibt es öffentliche Redner-Wettbewerbe.<br />
Alle Menschen, die glauben, ein wenig<br />
Grips und nötige Zungenfertigkeit zu besitzen,<br />
können sich daran beteiligen.<br />
Robert Taylor holte sich auf der Universität in<br />
diesen Wettbewerben des öfteren Preise.<br />
Es muss noch erwähnt werden, dass er sich<br />
in der Zeit, wo diese Geschichte spielt, von seinen<br />
Eltern einen Pelzmantel wünschte. Wenn er bei<br />
einem dieser öffentlichen Rednerstreite den Preis<br />
erringen würde — war ihm der Pelzmantel sicher.<br />
«Pelzmantel, Pelzmantel», murmelte Robert vor<br />
sich hin und verband mit diesem Worte eine Art<br />
anfeuernden Kampfruf als er zur Redner-Arena<br />
ging.<br />
Nun war sein Vorredner ein Mensch, der eine<br />
sehr schwülstige Art hatte, öfter vom Thema abschweifte<br />
und sich ausführlich über die «Tugend<br />
des Mutes» und über die «sittliche Kraft der Entbehrungen»<br />
ausliess. «Ohne Speise, ohne Kompnss<br />
durch die weisse Wüste der Arktis zu wandern<br />
und nie das grosse Ziel aus den Augen zu lassen,<br />
wie es jener grosse Polarforscher... wie es jener<br />
grosse Polarforscher...» hier stockte der Redner<br />
und fuhr fort: «seinen Namen, ich habe ihn auf<br />
der Zunge» — dabei schaute er ausgerechnet Robert<br />
Taylor verzweifelt an. Dieser rief sofort<br />
schlagfertig und trocken: «Strecken Sie doch mal<br />
die Zunge heraus, vielleicht erkenne ich den<br />
Mannl»<br />
Die Wirkung dieses Zwischenrufes war ungeheuer.<br />
Robert hatte den sicheren Sieg bereits in<br />
der Tasche. Abends telephonierte er an seine<br />
Mutter: «Du kannst nach Lincoln fahren und ihn<br />
kaufen — den Pelzmantel nämlich.»<br />
Sechshundertjahrfeier der Stadt Spiez<br />
Am 27. und 28. August feiert die St*dt Spiez das<br />
Fest ihrer 600jährigen Zugehörigkeit zum Kanton<br />
Bern. Bei der Veranstaltung wird die Betonung<br />
natürlich in erster Linie auf das Geschichtliche gelegt.<br />
Im Hof der alten Bubenberg-Burg werden Freilichtspiele<br />
an den ursprünglichen Besitzer erinnern;<br />
zur Aufführung gelangt ein Spiel «Der Heimaeinen<br />
ganzen Mann» (Rud. v. Tavel: Adrian-y.t<br />
Bubenbergspiel, April 1476). Die Jugend wird im<br />
Garten des «Goldenen Hofs», wie das Schloss ursprünglich<br />
hiess, Gesänge und Reigen darbieten.<br />
Ein Festgottesdienst in den Schlosskirche, eine<br />
zweite Festspielaufführung und ein grosser historischer<br />
Umzug sind im Programm bereits festgelegt.<br />
Aus Anlass des Jubiläums wird die Stadt auch die.<br />
berühmte alte «Spiezer-Chronik» neu im Druck<br />
erscheinen lassen.<br />
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